T 0453/90 26-01-1993
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Verfahren und Brenner zum Verbrennen von flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen unter verminderter Bildung von NOx
I: Joh. Vaillant GmbH u. Co.
II: EVT Energie und Verfahrenstechnik GmbH
III: L. & C. Steinmüller GmbH
Erfinderische Tätigkeit (nach Einschränkung bejaht)
Inventive step (after limitation, yes)
Claims - clarity - process claim containing apparatus features (admissible)
I. Auf die am 14. Juni 1984 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 84 106 790.3 wurde am 16. Juni 1987 das europäische Patent 0 139 085 erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent haben die Beschwerdegegnerinnen I, II und III (Einsprechende I, II und III) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent wegen fehlender Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik zu widerrufen.
Zur Stützung ihres Einspruchsvorbringens verwiesen sie u. a. auf folgende Entgegenhaltungen:
(D1) DE-A-3 040 830
(D2) VGB Kraftwerkstechnik 60, Heft 2, Februar 1980, Seiten 105 bis 113
III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent durch Entscheidung vom 14. März 1990, zur Post gegeben am 6. April 1990, widerrufen.
Die Einspruchsabteilung vertrat dabei die Auffassung, daß die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 nach dem Hauptantrag sowie nach den Hilfsanträgen 1 und 2 durch die Entgegenhaltung D1 bekannt seien.
IV. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr am 2. Juni 1990 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 23. Juli 1990 eingereicht und enthielt neue Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2. Mit der Eingabe vom 18. April 1991, eingegangen am 22. April 1991, legte die Beschwerdeführerin einen Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 3 vor.
V. In der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 Absatz 2 VerfOBK vom 20. Oktober 1992 vertrat die Kammer u. a. die Auffassung, daß die Ansprüche gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen zum Teil gegen Artikel 123 (2) bzw. (3) EPÜ verstoßen dürften. Auf entsprechende Hilfsanträge der Beschwerdegegnerinnen I, II und III hin fand am 26. Januar 1993 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
VI. Die geltenden, in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegten unabhängigen Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Verbrennen von flüssigen und/oder gasförmigen Brennstoffen in einem Verbrennungsraum unter verminderter Bildung von NOx, wobei die Verbrennungsluft in Teilmengen als Primärluft und Sekundärluft in Strömungsrichtung symmetrisch zur Brennerachse in axialen Abständen hintereinander und voneinander getrennt aufgegeben und dem Verbrennungsraum zugeführt wird, wobei die Primärluft in einem höheren Anteil an der gesamten Verbrennungsluft als die Sekundärluft zugeführt wird und wobei durch die Verbrennungsluft eine Injektorwirkung erzeugt wird, durch die weitgehend ausgebranntes Verbrennungsgas aus dem Verbrennungsraum nach Zuführung der Sekundärluft angesaugt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Primärluft ausschließlich durch ein zentrales Führungsrohr aufgegeben wird, daß die Sekundärluft über einen durch zwei weitere Führungsrohre begrenzten Ringkanal konzentrisch zu und in einem axialen Abstand hinter der Primärluft aufgegeben wird und daß das angesaugte Verbrennungsgas in den Raum zwischen der Primärluftaufgabe und der Sekundärluftaufgabe in das innere Führungsrohr des Ringkanals und an den Flammenanfang geführt wird."
"8. Brenner zum Verbrennen von flüssigen und/oder gasförmigen Brennstoffen in einem Verbrennungsraum (9) mit Hilfe von in Primärluft und Sekundärluft aufgeteilter Verbrennungsluft unter verminderter Bildung von NOx, bei dem Brennerlanzen (2, 3) durch einen Luftkasten (1) geführt sind, der durch eine Deckplatte (10) von einer Brennerkehle (8) getrennt ist, wobei die Brennerlanzen (2, 3) von einem ersten Führungsrohr (5) zur Führung von Primärluft umschlossen sind, das durch die Deckplatte (10) hindurchgeführt ist und dessen Eintrittsöffnung (6) innerhalb des Luftkastens (1) und dessen Austrittsöffnung (7) in der Brennerkehle (8) vorgesehen ist, wobei das erste Führungsrohr (5) konzentrisch von einer Führung für die Sekundärluft umgeben ist und der Verbrennungsraum (9) über einen Rückführkanal (24) für die Ansaugung von weitgehend ausgebrannten Verbrennungsgasen mit der Primärluftzuführung verbunden ist, zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in Richtung der Brennerachse innerhalb der Brennerkehle (8) ein zweites Führungsrohr (14) und ein drittes, das zweite Führungsrohr (14) umgebendes Führungsrohr (16) in einem axialen Abstand von der Austrittsöffnung des ersten Führungsrohres (5) und von der Deckplatte (10) angeordnet sind, daß zwischen dem zweiten und dem dritten Führungsrohr (14, 16) ein Ringkanal (15) zur Führung der Sekundärluft gebildet ist, daß der Ringkanal (15) an dem dem Luftkasten (1) zugewandten Ende geschlossen und mit dem Luftkasten (1) über Verbindungsrohre (19) verbunden ist, daß das dritte Führungsrohr (16) zur Bildung des Rückführkanals (24) in einem radialen Abstand von der Wandung (23) der Brennerkehle (8) angeordnet ist, daß der Rückführkanal (24) mit dem eintrittsseitigen Ende des zweiten Führungsrohres (14) verbunden ist und daß dem ersten Führungsrohr (5) eine größere Luftmenge zuführbar ist als dem Ringkanal (15)."
VII. Zur Begründung ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:
- Bei dem bekannten Verfahren bzw. Brenner nach der Entgegenhaltung D1 werde der Teilverbrennungszone 6 Rauchgas aus dem Feuerraum durch Beimischung zur Verbrennungsluft zugeführt, was durch Injektorwirkung vor der Eingabe in deren Wirkungsbereich erfolge. Die durch die Entgegenhaltung D1 vermittelte Lehre ziele somit eindeutig auf eine frühzeitige Vermischung von rückgesaugtem Rauchgas und Verbrennungsluft ab.
- Gemäß der Erfindung legten sich dagegen im wesentlichen unvermischte Rauchgase als Trennschicht zwischen den Primär- und Sekundärluftstrom, wodurch beide Ströme über eine längere Strecke voneinander getrennt gehalten werden könnten. Dies werde anhand des Ergebnisses von Flachwasserversuchen an Modellen nach dem erfindungsgemäßen Brenner (Bilder 5 bis 9 des Bildanhangs) und nach dem Brenner gemäß der D1 (Bilder 10 bis 16 des Bildanhangs) deutlich.
- Bei dem durch die US-A-4 004 875 bekannten Brenner würden zwar auch Rauchgase rezirkuliert, jedoch handle es sich dabei nicht um weitgehend ausgebrannte Rauchgase, sondern um ein Gemisch aus teilweise verbranntem Brennstoff und Luft, das vom Endbereich der Primärverbrennungszone rückgeführt werde. Dieses Gemisch könne somit keinen Einfluß auf die Sekundärluft und die Sekundärverbrennungszone nehmen. Die Lehre dieser Entgegenhaltung führe auch in Verbindung mit dem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 nicht zur Erfindung.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und gemäß Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 1993 überreichten Ansprüchen 1 und 8 sowie den erteilten Ansprüchen 2 bis 7 und 9 bis 19, der Beschreibung gemäß der Patentschrift mit der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung überreichten in Spalte 1 nach Zeile 26 einzufügenden Beschreibungsergänzung und den fünf Blatt Zeichnungen gemäß der Patentschrift.
Gemäß einem ersten und einem zweiten Hilfsantrag beantragt sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der mit der Eingabe vom 17. Dezember 1992 vorgelegten Unterlagen.
VIII. Die Beschwerdegegnerinnen haben im wesentlichen folgendes geltend gemacht:
- Anspruch 1 enthalte eine Reihe von Vorrichtungsmerkmalen und sei daher seinem Charakter nach eher ein "Vorrichtungs"-Anspruch als ein "Verfahrens"-Anspruch.
- Wenn behauptet werde, daß der Fachmann erst durch das angegriffene Patent die Lehre erhalte, eine Trennschicht aus rückgeführten Rauchgasen ohne gezielte Beimischung der Luft am eintrittsseitigen Ende des zweiten Führungsrohres stromabwärts aufzubauen und somit zu einer verzögerten Verbrennung zu gelangen, so sei dazu festzustellen, daß beim Gegenstand des Patents eine genauso gezielte Beimischung der rückgeführten Rauchgase zur Primärluft und eine entsprechende Ausbildung einer Trennschicht wie bei dem Brenner gemäß der Entgegenhaltung D1 erfolge. Auf Seite 9 dieser Druckschrift sei von der Beimischung von Rauchgas zur Verbrennungsluft die Rede, während in Bild 1 des von der Beschwerdeführerin eingereichten Bildanhangs bei der Darstellung des Strömungsverlaufs am Brenner nach der Entgegenhaltung D1 in nicht den Tatsachen entsprechender Weise eine Vermischung des Rauchgases mit der Verbrennungsluft dargestellt sei. Sowohl bei dem Brenner nach der Entgegenhaltung D1 wie auch bei demjenigen nach dem angegriffenen Patent werde dem Verbrennungsraum verdrallte Luft zugeführt, und es erfolge aufgrund der Injektorwirkung ein Impulsaustausch zwischen der Verbrennungsluft und dem Rauchgas.
Der einzige Unterschied zwischen dem bekannten Verbrennungsverfahren bzw. Brenner und demjenigen nach dem angegriffenen Patent sei darin zu sehen, daß die Rücksaugung des Rauchgases an unterschiedlichen Stellen des Brenners erfolge. Die Trennschicht zwischen dem Primärluftstrom und dem Sekundärluftstrom bei dem Brenner nach dem angegriffenen Patent könne jedoch aus physikalischen Gründen keine reine Rauchgasschicht sein.
- Der Umstand, daß der durch die Entgegenhaltung D1 bekannte Brenner für die Zuführung des Rauchgases am Umfang des Verbrennungsraums angeordnete Düsen aufweise, der Brenner nach dem angegriffenen Patent dagegen einen ringförmigen Rückführkanal, stelle einen rein konstruktiven Unterschied dar, der die erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Überdies komme den in der Entgegenhaltung D1 dargestellten Einzeldüsen bei engem Abstand voneinander hinsichtlich der Rücksaugung von Rauchgas die Wirkung eines ringförmigen Kanals zu.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
Hauptantrag
1. Artikel 123 EPÜ
1.1. Anspruch 1 stützt sich auf den ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Figur 1 und deren Beschreibung. Die Merkmale nach Anspruch 1, daß die Verbrennungsluft in Teilmengen in Strömungsrichtung symmetrisch zur Brennerachse voneinander getrennt aufgegeben und dem Verbrennungsraum zugeführt wird, daß durch die Verbrennungsluft eine Injektorwirkung erzeugt wird, daß die Primärluft ausschließlich durch ein zentrales Führungsrohr aufgegeben wird, daß die Sekundärluft über einen durch zwei weitere Führungsrohre begrenzten Ringkanal konzentrisch zu und in einem axialen Abstand hinter der Primärluft aufgegeben wird und daß das angesaugte Verbrennungsgas in das innere Führungsrohr des Ringkanals geführt wird, gehen aus Figur 1 in Verbindung mit Seite 13, Absatz 4 bis Seite 14, letzter Absatz der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hervor. Anspruch 1 enthält neben zusätzlichen Merkmalen von den Schutzbereich einschränkender Art alle Merkmale des zugrundeliegenden erteilten Anspruchs 1.
1.2. Anspruch 8 stützt sich auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 in Verbindung mit Figur 1 und zugehöriger Beschreibung der ursprünglich eingereichten Fassung. Die Merkmale nach Anspruch 8, daß die Verbrennungsluft in Primärluft und Sekundärluft aufgeteilt ist, das erste Führungsrohr zur Führung von Primärluft konzentrisch von einer Führung für die Sekundärluft umgeben ist, der Verbrennungsraum über einen Rückführkanal für die Ansaugung von weitgehend ausgebrannten Verbrennungsgasen mit der Primärluftzuführung verbunden ist und daß der Rückführkanal mit dem eintrittsseitigen Ende des zweiten Führungsrohrs verbunden ist, sind Figur 1 in Verbindung mit Seite 13, Absatz 4 bis Seite 14, letzter Absatz der ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen. Anspruch 8 enthält neben zusätzlichen Merkmalen von den Schutzumfang einschränkender Art alle Merkmale des zugrundeliegenden erteilten Anspruchs 8.
1.3. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 19 in der erteilten Fassung gehen auf die ursprünglichen Ansprüche gleicher Numerierung zurück.
1.4. Das Schutzbegehren gemäß Hauptantrag ist somit in Hinblick auf den Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.
2. Nächstkommender Stand der Technik, Aufgabe und deren Lösung
2.1. Die dem Oberbegriff des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 8 zugrundeliegende Entgegenhaltung D1 stellt nach übereinstimmender Ansicht der Parteien und der Kammer den dem Gegenstand des angefochtenen Patents am nächsten kommenden Stand der Technik dar.
2.2. Bei diesem bekannten Verfahren zum Verbrennen von flüssigen und/oder gasförmigen Brennstoffen bzw. Brenner erfolgt gemäß der Ausführung nach Bild 1 die Zuführung der Primärluft zur Versorgung der Primärverbrennungszone 6 über ein zentrales Führungsrohr (Kernluftrohr 2) und über einen dieses umgebenden Ringkanal (Mantelluftteil 3), während die Sekundärluft (Stufenluft 4) über am Umfang des Verbrennungsraumes angeordnete Düsen zugeführt wird. Weitgehend ausgebranntes Rauchgas wird durch Injektorwirkung aus dem Verbrennungsraum nach der Zuführung der Sekundärluft über Rückführkanäle 9 angesaugt, wird der Mantelluft im stromabwärtigen Bereich des Mantelluftteils 3 beigemischt (vgl. Bild 1 und Seite 9, Zeilen 4 bis 10) und gelangt zusammen mit dieser zur Primärverbrennungszone 6 im stromabwärtigen Endbereich des Kernluftrohres 2. Es ist ersichtlich, daß aufgrund der Beimischung von Rauchgas zur Mantelluft stromaufwärts der Primärverbrennungszone Rauchgas und Luft in zumindest teilweise gemischtem Zustand an die Primärverbrennungszone herangeführt werden, so daß sich am Umfang dieser Zone keine ausschließlich aus weitgehend ausgebranntem Rauchgas bestehende Strömungsschicht befindet, sondern bereits in der Phase der Berührung mit der Primärverbrennungszone eine aus Primärluft und Rauchgas bestehende Mischströmung vorliegt. Aus diesem Umstand ergibt sich der Nachteil, daß die Trennschicht zwischen Primär- und Sekundärluftströmung hinsichtlich der zur Erreichung niedriger NOx-Werte erforderlichen verzögerten Verbrennung eine nicht zufriedenstellende Zusammensetzung aufweist.
Ausgehend von der Entgegenhaltung D1 liegt der Erfindung die aus Spalte 1, Zeilen 27 bis 34 der Beschreibung des Streitpatents entnehmbare Aufgabe zugrunde, nämlich ein Verfahren und einen Brenner für die Verbrennung von flüssigen und/oder gasförmigen Brennstoffen zu schaffen, mit deren Hilfe die Bildung von NOx bei der Verbrennung wirksam unterdrückt werden kann bei einer einwandfreien Flammenüberwachung und ohne Verschmutzung des Brenners.
2.3. Zur Lösung der vorstehend genannten Aufgabe sind die Merkmale nach Anspruch 1 bzw. 8 vorgesehen.
Gemäß dem Verfahrensanspruch 1 wird die Primärluft ausschließlich durch ein zentrales Führungsrohr und die Sekundärluft über einen durch zwei weitere Führungsrohre begrenzten Ringkanal hinter der Primärluftzuführung aufgegeben und das angesaugte, weitgehend ausgebrannte Verbrennungsgas wird in den Raum zwischen der Primärluftaufgabe und der Sekundärluftaufgabe in das innere Führungsrohr des Ringkanals und an den Flammenanfang geführt.
Weitgehend ausgebranntes Verbrennungsgas (Rauchgas) gelangt somit ohne Beimischung von Verbrennungsluft unmittelbar an den Flammenanfang im Verbrennungsraum und kann als Trennschicht zwischen Primärluft- und Sekundärluftstrom einer frühzeitigen Verbrennung der Sekundärluft entgegenwirken. Diesem Effekt ist auch in dem auf die Ausbildung des Brenners gerichteten Anspruch 8 dadurch Rechnung getragen, daß der Rückführkanal für die Ansaugung von weitgehend ausgebranntem Verbrennungsgas mit dem eintrittsseitigen Ende des zweiten Führungsrohres verbunden ist. Es ist einleuchtend, daß, wie in der Beschreibung des angegriffenen Patents dargelegt, aufgrund der Entnahme von Rauchgas an Stellen des Verbrennungsraums, wo dieses weitgehend ausgebrannt ist, Verschmutzungen des Brenners vermieden bzw. verringert werden können und daß der hohe Anteil der Primärluft an der Verbrennungsluft eine Anfangsflamme mit einer zur einwandfreien Flammenüberwachung ausreichenden UV- Strahlung ermöglicht.
Nach Auffassung der Kammer und im übrigen von den Beschwerdegegnerinnen unwidersprochen löst der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 8 die zugrundeliegende Aufgabe in vollem Umfang.
3. Neuheit
Die Frage der Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 bzw. 8 war im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu keinem Zeitpunkt zwischen den Parteien strittig, so daß sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen. Vom nächstkommenden Stand der Technik nach der Entgegenhaltung D1 unterscheiden sich die Gegenstände des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 8 durch die jeweiligen kennzeichnenden Merkmale; diese Ansprüche gelten somit als neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Wie schon im vorstehenden Abschnitt 2.2 dargelegt, betrifft die Entgegenhaltung D1 ein Verfahren zum Verbrennen von flüssigen und/oder gasförmigen Brennstoffen bzw. einen Brenner, bei dem weitgehend ausgebranntes Verbrennungsgas und Mantelluft als Primärluftanteil in zumindest teilweise gemischtem Zustand, bedingt durch die Parallelführung dieser Ströme ohne Trennwand im stromabwärtigen Bereich des Mantelluftteils, der Primärverbrennungszone zugeführt werden. Hierdurch soll gemäß den Angaben in der Beschreibung der Entgegenhaltung die NOx-Bildung weiter herabgesetzt und die Ruß- und Flugkoksbildung vermindert werden. Gemäß Seite 9, Zeilen 4 bis 12 der Beschreibung in Übereinstimmung mit der konstruktiven Gestaltung des Brenners gemäß Bild 1 der Entgegenhaltung soll der Primärverbrennungszone gezielt "Rauchgas aus dem Feuerraum durch Beimischung zur Verbrennungsluft (Primärluft)" zugeführt werden.
Im Gegensatz zu dieser bekannten Lehre wird gemäß dem Streitpatent ein andersartiger Weg beschritten, der darin besteht, daß die Primärluft nun nicht mehr in Kernluft und Mantelluft aufgeteilt, sondern allein durch das zentrale Führungsrohr des Brenners zugeführt wird und daß das Rauchgas keiner Mantelluft mehr beigemischt wird, sondern als unvermischtes Rauchgas an den Flammenanfang herangeführt wird. Eine Anregung, diesen vom Patentinhaber beschrittenen Weg zu gehen, ist der Entgegenhaltung D1 nicht zu entnehmen.
4.2. Zu dem Argument der Beschwerdegegnerinnen, beim Gegenstand des Streitpatents erfolge eine genauso gezielte Beimischung der rückgeführten Rauchgase zur Primärluft und eine entsprechende Ausbildung einer Trennschicht wie bei dem Brenner gemäß der Entgegenhaltung D1, ist folgendes zu bemerken:
Es ist für den Fachmann klar, daß bei der Bewegung von Fluidströmen nach dem Injektorprinzip eine Vermischungszone zwischen dem antreibenden und dem angetriebenen Strom entsteht, deren Breite stromabwärts zunimmt. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Frage, ob eine Vermischung zwischen den beteiligten Strömen erfolgt, sondern im Hinblick auf die Erzielung einer verzögerten Verbrennung darum, in welchem Umfang eine solche Vermischung in demjenigen Bereich des Verbrennungsraums eintritt, in welchem eine vorzeitige Verbrennung im Sekundärluftbereich vermieden werden soll. Im Hinblick auf das zugrundeliegende Problem soll die zwischen die Primärluftströmung und die Sekundärluftströmung zugeführte Trennschicht über eine vorgegebene Strecke stromabwärts die beiden Strömungen voneinander getrennt halten, um die vorzeitige Verbrennung in der Sekundärluftströmung zu verhindern. Den Beschwerdegegnerinnen ist zwar darin zuzustimmen, daß beim Gegenstand des Streitpatents vor allem aufgrund der Injektorwirkung des Primärluftstroms sich eine Vermischungszone zwischen dem zugeführten Rauchgas und der Primärluftströmung aufbauen wird; jedoch kann eine solche Vermischung erst an derjenigen Stelle ihren Anfang nehmen, an der das Rauchgas nach der Rückführung zum ersten Mal in Kontakt mit der Primärluft kommt, d. h. im Bereich des Flammenanfangs zwischen der Primär- und der Sekundärluftaufgabe, während beim Brenner nach der Entgegenhaltung D1 die Vermischung vor Erreichen des Flammenanfangs im Mantelluftteil bei der Zusammenführung des Rauchgases und der Mantelluft beginnt. Daraus ergibt sich, daß beim Gegenstand des Streitpatents eine längere Laufstrecke, gerechnet ab dem als maßgebend anzusehenden Bereich der Zuführung des Rauchgases an den Flammenanfang, für einen vorgegebenen Vermischungsgrad gegenüber der Lehre nach der Entgegenhaltung D1 zur Verfügung steht, was sich im Sinne eines verbesserten Trenneffekts der Trennschicht und damit einer erhöhten Verzögerung der Verbrennung auswirkt.
Demgegenüber ist der Umstand, daß der Brenner nach dem Streitpatent einen ringförmigen Rückführkanal für das Rauchgas aufweist, während der bekannte Brenner hierfür eine Mehrzahl von am Umfang des Verbrennungsraums angeordneten Einzelleitungen beschreibt, von nachgeordneter Bedeutung, da nach Auffassung der Kammer bereits die vorstehend genannte Maßnahme die Zuführung einer reinen Rauchgasströmung an den Flammenanfang zwischen Primär- und Sekundärluftaufgabe zu einer erhöhten Verzögerung der Verbrennung führt und daher das die Erfindung tragende Merkmal darstellt.
4.3. Hinsichtlich des weiteren Einwands der Beschwerdegegnerinnen, Anspruch 1 enthalte eine Reihe von Vorrichtungsmerkmalen und sei daher seinem Charakter nach eher ein "Vorrichtungs"-Anspruch als ein "Verfahrens"- Anspruch, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Kategorie des Anspruchs 1 durch den einleitenden Wortlaut "Verfahren zum Verbrennen von flüssigen und/oder gasförmigen Brennstoffen" zweifelsfrei definiert ist.
Der Umstand, daß Anspruch 1 sowohl Merkmale der Kategorie "Verfahren" wie auch der Kategorie "Vorrichtung" enthält, gibt zu keiner Beanstandung Anlaß. Es ist gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts anerkannt, daß Ansprüche möglich sind, die sich sowohl auf Tätigkeiten als auch auf Gegenstände beziehen, vgl. hierzu die Entscheidung G 2/88 (Pkt. 2.2), veröffentlicht in ABl. EPA 1990, 93. Nach der Entscheidung T 378/86 (Pkt. 3.1.6), veröffentlicht in ABl. EPA 1988, 386, gibt es Erfindungen, die sich dem Fachmann nur dann als Verfahren vollständig offenbaren, wenn auch Vorrichtungsmerkmale zur Definition herangezogen werden. Die vorliegende Erfindung betrifft einen derartigen Fall, da es hierbei entscheidend darauf ankommt, die verschiedenen an der Verbrennung beteiligten Fluidströme den im Sinne der Aufgabenlösung jeweils geeigneten Bereichen des Brenners zuzuführen, so daß im Anspruch 1 auf die Angabe von strukturellen Merkmalen der zur Durchführung des Verbrennungsverfahrens erforderlichen Vorrichtung zur Vermittlung einer vollständigen und klaren technischen Lehre im Sinne des Artikels 84 EPÜ nicht verzichtet werden kann.
Der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, der Verfahrensanspruch 1 sei wegen in ihm enthaltender Vorrichtungsmerkmale zu beanstanden, kann daher nicht gefolgt werden.
4.4. Die in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer lediglich von der Beschwerdeführerin aufgegriffene, in der Beschreibung des Streitpatents genannte Entgegenhaltung US-A-4 004 875 betrifft einen Brenner, bei dem ein Teil der in der Primärverbrennungszone entstehenden, unvollständig verbrannten Reaktionsprodukte rückgesaugt und der Primärverbrennungszone zugeführt wird. Diese Reaktionsprodukte können somit keinen Einfluß auf die Sekundärluft und die Sekundärverbrennungszone zur Bildung einer Trennschicht und Verzögerung der Verbrennung im Sinne der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe nehmen. Diese Entgegenhaltung führt weder für sich betrachtet noch in Verbindung mit der Entgegenhaltung D1 zur Lösung nach Anspruch 1 bzw. 8.
4.5. Der Inhalt der übrigen im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften, zu denen im Beschwerdeverfahren nichts mehr vorgebracht worden ist, kommt dem Gegenstand von Anspruch 1 bzw. 8 nicht näher als die vorstehend erörterten Entgegenhaltungen.
4.6. Zusammenfassend folgt aus den vorstehenden Ausführungen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 8 nach Hauptantrag sich nicht in naheliegender Weise aus dem nachgewiesenen Stand der Technik ergibt und diese Ansprüche somit die Voraussetzungen der Patentierbarkeit gemäß Artikel 52 (1) EPÜ erfüllen.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 19 haben besondere Ausführungsarten des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. des Brenners nach Anspruch 8 zum Inhalt; sie können daher ebenfalls aufrechterhalten werden.
4.7. Die geltende Beschreibung gemäß Patentschrift einschließlich der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Beschreibungsergänzung ist an das neue Schutzbegehren angepaßt und entspricht den Vorschriften des EPÜ. Sie kann daher als Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang dienen.
Hilfsanträge:
Da dem Hauptantrag stattgegeben werden konnte, erübrigt es sich, auf die Hilfsanträge einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Weisung, das Patent gemäß Hauptantrag (vgl. Abschnitt VII gemäß "Sachverhalt und Anträge") aufrechtzuerhalten.