T 0142/95 04-05-1998
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Sektionaltorblatt
I: Nassau Door A/S
II: Fried, Krupp AG
Hoesch-Krupp
III: Cardo Door AB
Entscheidung über die Beschwerde-Zurückverweisung (bejaht)
Fehlende Prüfung eines Einspruchsgrundes - wesentlicher Verfahrensmangel - Rückzahlung der Beschwerdegebühr
I. In der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 1994, die schriftliche Entscheidung erging am 2. Februar 1995, hat die Einspruchsabteilung die Einsprüche der
- Einsprechenden I Nassau Door A/S
- Einsprechenden II Friedrich Krupp AG, Hoesch-Krupp (Beschwerdeführerin I)
- Einsprechenden III Cardo Door AB (Beschwerdeführerin II) und der
gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen, weil ihrer Auffassung nach der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 u. a. auch im Lichte der Druckschriften
(D3) FR-A-1 310 605
(D10) DE-A-3 438 768 und
(D14) US-A-3 941 180
auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, Artikel 56 und 100 a) EPÜ, vgl. Abschnitt II.3.5 der Entscheidung.
Im Abschnitt I.3 der Entscheidung wird der Einwand gemäß Artikel 100 b) EPÜ aufgeführt, in den Entscheidungsgründen erfolgt eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Einspruchsgrund nicht.
II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung haben die Einsprechenden II und III am 9. Februar 1995 bzw. am 29. März 1995 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 26. April 1995 bzw. am 2. Juni 1995 begründet.
Die Einsprechende I hat am 1. März 1995 einen Beschwerdeschriftsatz und am 2. Juni 1995 eine Beschwerdebegründung eingereicht; die vorgeschriebene Gebühr wurde nicht entrichtet.
Es wurde von Seiten der Einsprechenden beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 0 304 642 zu widerrufen. Die Einsprechende II hat zudem angeregt, die Angelegenheit wegen Verfahrensmängeln an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (vgl. "Verfahrensrüge" in der Beschwerdebegründung vom 3. April 1995).
III. Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent mit den am 10. April 1996 neu vorgelegten Ansprüchen 1 bis 28 aufrechtzuerhalten.
IV. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut (offensichtliche Fehler berichtigt):
"1. Sektionaltorblatt aus einer Reihe mit ihren Stirnbreitseiten (8, 9) aufeinanderfolgend aneinander angelenkter (12) Paneele (4', 4, 4''), wobei jedes Paneel (4) an seiner im Torblattschließzustand (2) gesehen oberen, einem vorhergehenden Paneel (4'') zugewandten Stirnbreitseite (8) einen im Vertikalschnitt konvex verlaufenden Oberflächenbereich (10) und an seiner demgegenüber unteren, einem nachfolgenden Paneel (4') zugewandten Stirnbreitseite (9) einen im Vertikalschnittbild konkav verlaufenden Oberflächenbereich (11) aufweist, so daß jeweils zwei benachbart angeordnete Paneele (4) und (4') mit einem konvexen und einem konkaven Oberflächenbereich (10, 11) einander gegenüberliegend einen durch aus gesonderten Scharnierelementen gebildeten Scharnierverbindungen (12) zwischen den Paneelen (4, 4') bestimmten, im Vertikalschnittbild entsprechend bogenförmig berandeten Spaltbereich (15) begrenzen, und daß sich die einander zugewandten Breitstirnseiten (8, 9) im Zuge ihrer Verschwenkbewegung um die zugehörige Gelenkachse (13) bei Übergang von dem Torblattsöffnungszustand (3) in dessen Schließzustand (2) derart aneinander vorbei verschieben, daß der Spaltbereich (15) sich in Verschwenkrichtung verkürzend über zumindest einen Teil des ganzen Verschwenkwinkels (16) hinweg bestehen bleibt, dadurch gekennzeichnet, daß sich der konvexe und der konkave Oberflächenbereich (8, 9) jeweils von der Torblatt-Außenseite (17) des Paneels (4) ausgehend in Richtung auf dessen Torblatt-Innenseite (18) über einen Teil der Torblattdicke hinweg erstreckt und daß in dem verbleibenden Stirnbreitseitenbereich (8, 9) im Anschluß an den konvexen Oberflächenbereich (10) ein in den Paneelkörper zurückspringend ausgebildeter Nutstufenbereich (19) und im Anschluß an den konkaven Oberflächenbereich (11) ein von dem Paneelkörper vorspringend ausgebildeter Federstufenbereich (20) vorgesehen ist, welche Stufenbereiche (19, 20) im Torblattschließzustand (2) ineinandergreifen und jeweils vorzugsweise mit etwa parallel bzw. senkrecht zu den die Torblattaußen- und -innenseite (17, 18) bildenden Paneelbreitseiten verlaufenden Stufenflanken ausgebildet sind, wobei der konkave Oberflächenbereich (11) mit der außenseitigen (17) Breitfläche des Paneels (4) in einer Nasenkante (23) ausläuft, zwischen der und einer im Anschluß an den konvexen Oberflächenbereich (10) ausgebildeten Abstufung (52) des jeweils nachfolgenden Paneels (4') ein eine Sicke bildender Abstand freigelassen ist."
V. Im Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 24. September 1997 hat die Kammer zum Einwand gemäß Artikel 100 b) EPÜ vorläufig Stellung genommen und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung in Aussicht gestellt.
VI. Alle Parteien haben der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung ausdrücklich zugestimmt und soweit sie mündliche Verhandlung beantragt hatten, hierauf verzichtet.
1. Zulässigkeit der Beschwerden
1.1. Die Beschwerden der Einsprechenden II und III (Beschwerdeführerinnen I und II) sind zulässig.
1.2. Die Beschwerde der Einsprechenden I gilt wegen Nichtzahlung der Beschwerdegebühr als nicht eingelegt, Artikel 108 Satz 2 EPÜ.
Die Einsprechende I ist gemäß Artikel 107 Satz 2 EPÜ am Beschwerdeverfahren beteiligt.
2. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ
2.1. Die weitere Verfahrensbeteiligte hat bereits in ihrem Einspruchsschriftsatz, eingegangen am 22. Januar 1993, Einwände unter Artikel 100 b) und 83 EPÜ erhoben, wobei diesbezüglich auch auf "Annex I", ebenfalls eingegangen am 22. Januar 1993, Blatt 2, Abschnitt "Evidence" zu verweisen ist.
2.2. Die Beschwerdeführerin I hat diesen Einwand der weiteren Verfahrensbeteiligten in ihrer Beschwerdebegründung vom 3. April 1995 aufgegriffen, vgl. Seite 4 Absatz 2.
2.3. Nach Regel 68 (2) EPÜ sind die beschwerdefähigen Entscheidungen zu begründen. Diesem Erfordernis ist die Entscheidung der Einspruchsabteilung in bezug auf den Einwand der Einsprechenden I nach Artikel 100 b) EPÜ nicht nachgekommen. Die Entscheidung ist insoweit unvollständig. Eine unvollständige Entscheidungsbegründung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt. Denn die Begründung einer Entscheidung hat jeden vorgebrachten Einwand so abzuhandeln, daß es dem Beschwerdeführer und der Kammer ermöglicht wird, den Gedankengang der Entscheidungsfindung zu verstehen und die Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dies ist hier im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ nicht möglich.
2.4. Die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ erscheint unter diesen Umständen sachgerecht.
3. Weiteres Vorgehen seitens der Einspruchsabteilung
3.1. Sollte die Prüfung des Einspruchsgrundes nach Artikel 100 b) EPÜ zu dem Ergebnis führen, daß das Streitpatent aus dieser Sicht bestandsfähig ist, dann wäre die Frage der erfinderischen Tätigkeit erneut zu prüfen.
3.2. In Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin I dürfte (D14) als Ausgangspunkt der Erfindung anzusehen sein, weil sie weiter reicht als (D3), vgl. Darlegungen im Abschnitt 5.1 des Bescheids gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 24. September 1997. Hiervon ausgehend wäre zunächst die zu lösende technische Aufgabe objektiv festzustellen, um eine verläßliche Basis für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu ergeben.
3.3. Die Untersuchung des Vorliegens/Nichtvorliegens erfinderischer Tätigkeit müßte vor allem auch auf die Kombination von (D14) und (D10) eingehen, weil (D10) erkennbar eine Paneelgestaltung zeigt, die bei (seitlichem) Drücken eines Paneels nicht zur Lückenbildung führt, vgl. Haken- und Widerhakenprofil gemäß einziger Figur.
4. Beschwerdegebühr
4.1. Regel 67 Satz 1 EPÜ sieht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr vor, sofern der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
4.2. Durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wird der Beschwerde insoweit stattgegeben. Dies erfüllt das erste vorgenannte Kriterium der Regel 67 Satz 1 EPÜ (Moser, Münchnergemeinschaftskommentar Art. 111, Rdnr. 76). Die Nichtbehandlung des Einspruchsgrundes nach Artikel 100 b) EPÜ seitens der Einspruchsabteilung erfüllt das weitere Kriterium der Regel 67 Satz 1 EPÜ, nämlich das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels. Die letzte Bedingung der Regel 67 Satz 1 EPÜ, wonach Billigkeitsgründe gegeben sein müssen, ist insofern gegeben, als der wesentliche Verfahrensmangel ursächlich für die Zurückverweisung ist.
4.3. Die Kammer hält deshalb eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr von Amts wegen für geboten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühren an die Beschwerdeführerinnen I und II wird angeordnet.