4. Gründe für einen Überprüfungsantrag
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Zu allgemeinen Informationen über Art. 24 EPÜ s. Kapitel III.J. "Besorgnis der Befangenheit". Das vorliegende Kapitel befasst sich mit Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer nach Art. 112a (2) a) EPÜ.
In R 16/10 wies die Große Beschwerdekammer das Argument des Antragstellers zurück, Art. 24 (1) EPÜ über den Ausschluss von Mitgliedern einer Kammer bei Vorliegen bestimmter Umstände schließe nicht nur den besonderen Fall ein, dass ein Kammermitglied einen Beteiligten in der vorliegenden Sache vertreten hat, sondern auch den allgemeinen Fall, dass ein Kammermitglied diesen Beteiligten zuvor in einer beliebigen Angelegenheit vertreten hat. In R 20/09 bestätigte die Große Beschwerdekammer, dass Art. 112a (2) a) EPÜ bei Besorgnis der Befangenheit eines Kammermitglieds verlangt, dass eine Entscheidung über die Befangenheit getroffen wird (Art. 24 (4) EPÜ).
In R 3/16 wies die Große Beschwerdekammer darauf hin, dass Art. 112a (2) a) EPÜ die Situation vorsehe, dass ein Mitglied der Beschwerdekammer unter Verstoß gegen Art. 24 (1) EPÜ oder trotz einer Ausschlussentscheidung nach Art. 24 (4) EPÜ an der Entscheidung mitgewirkt hat. Der Antragsteller behauptete, dass allgemein anerkannt sei, dass ein Beteiligter nicht verpflichtet sei, vor einem rechtswidrigen Gericht zu erscheinen; dies könne im Gegenteil sogar schädlich sein, da der Anspruch auf rechtliches Gehör vor einem solchen Gericht nicht angemessen gewährleistet werden könne, was die Frage aufwerfe, ob ein Beschwerdeverfahren vor einer rechtswidrig zusammengesetzten Kammer an sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstelle. Diese Frage blieb jedoch offen, da die Große Beschwerdekammer nicht zu dem Schluss kam, dass die Kammer das Verfahren nach Art. 24 (4) EPÜ tatsächlich ignoriert hatte.
In R 17/09 urteilte die Große Beschwerdekammer, dass der englische Begriff "man in the street" (Mann auf der Straße) keine negative Konnotation hat, sondern allgemein gebräuchlich ist, um einen Durchschnittsbürger zu beschreiben.
- Rechtsprechung 2019
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In der in R 3/16 angefochtenen Entscheidung hatte der Antragsteller geltend gemacht, dass sobald ein Einwand nach Art. 24 (3) EPÜ erhoben wurde, das abgelehnte Mitglied nicht mehr in irgendeiner Weise an der Entscheidung mitwirken könne, sei es in Bezug auf die Zulässigkeit oder die Begründetheit des Einwands. Wie die Große Beschwerdekammer feststellte, sieht Art. 112a (2) a) EPÜ die Situation vor, dass ein Mitglied der Kammer trotz einer Ausschlussentscheidung nach Art. 24 (4) EPÜ oder unter Verstoß gegen Art. 24 (1) EPÜ an einer Entscheidung mitgewirkt hat. Beides traf im vorliegenden Fall nicht zu, denn die Mitglieder waren weder ausgeschlossen worden noch wurde ein persönliches Interesse behauptet. Daher gelangte die Große Beschwerdekammer durch bloße Anwendung der in ihrer ständigen Rechtsprechung zu Art. 112a EPÜ entwickelten Grundsätze zu folgendem Schluss: wenn die angebliche Rechtswidrigkeit der Zusammensetzung nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder die Nichtbeachtung eines Antrags zurückgeht, liegt dieser Grund (Ablehnung nach Art. 24 (3) EPÜ) offenbar außerhalb des Umfangs, worauf eine Überprüfung gestützt werden kann, zumal er in Art. 112a EPÜ nicht aufgelistet ist. Der Antragsteller behauptete, dass allgemein anerkannt sei, dass ein Beteiligter nicht verpflichtet sei, vor einem rechtswidrigen Gericht zu erscheinen; dies könne im Gegenteil sogar schädlich sein, da der Anspruch auf rechtliches Gehör vor einem solchen Gericht nicht angemessen gewährleistet werden könne, was die Frage aufwerfe, ob ein Beschwerdeverfahren vor einer rechtswidrig zusammengesetzten Kammer an sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstelle. Diese Frage blieb jedoch offen, da die Große Beschwerdekammer nicht zu dem Schluss kam, dass die Kammer das Verfahren nach Art. 24 (4) EPÜ tatsächlich ignoriert hatte. Bezüglich der Tatsache, dass der Antragsteller den ersten Bescheid falsch verstanden hat, hielt die Große Beschwerdekammer fest, dass der Antragsteller selbst dafür verantwortlich sei, wenn er einer mündlichen Verhandlung nicht beigewohnt habe, auf der die angebliche Missverständlichkeit eines Bescheids hätte ausgeräumt werden können. Es stehe einem Antragsteller frei, einer mündlichen Verhandlung fernzubleiben, doch treffe er diese Entscheidung auf eigene Gefahr, da eine Kammer nicht verpflichtet ist, eine mündliche Verhandlung aufzuschieben, nur weil ein Beteiligter nicht anwesend ist, vorausgesetzt, sie stützt ihre Entscheidung auf die schriftlichen Tatsachen und Argumente (R. 115 EPÜ und Art. 15 (3) VOBK 2007).