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Ursula Keller

Ultraschneller Pulslaser

Preiskategorie
Lebenswerk
Technisches Gebiet
Optik
Hochschule
ETH Zürich
Diese Schweizer Physikerin widmet sich seit über 30 Jahren der Pulslaser¬technologie. Weltweit sind ihre Laser in vielen medizinischen Geräten und beim Präzisionsschneiden und -schweißen in zahllosen Industrieverfahren im Einsatz.

Gewinnerin des Europäischen Erfinderpreis 2018

 

Für die Chirurgie, für die Präzisionsfertigung in der Industrie und auch für die wissenschaftliche Forschung war es ein Quantensprung, als die Wissenschaftlerin, Erfinderin und Professorin Ursula Keller aus der Schweiz entdeckte, wie man kontinuierliches Laserlicht in ultraschnelle Laserpulse verwandeln kann. Mit Lichtpulsen mit einer Dauer von weniger als einer Trillionstel Sekunde haben Kellers Innovationen der Wissenschaftscommunity, der Industrie und der Medizin zu einem Instrument von nie dagewesener Präzision verholfen.

Sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in der industriellen Mikrobearbeitung und natürlich auch bei kritischen medizinischen Eingriffen sind immer genauere Instrumente und Werkzeuge gefragt. Aber weder den Wissenschaftlern noch den Fabrikanten und auch nicht den Medizinern war es bislang gelungen, das präziseste Instrument überhaupt, nämlich das Licht selbst, zu bezwingen.

Kellers "sättigbarer Halbleiter-Absorberspiegel", kurz "SESAM" (für "semiconductor saturable absorber mirror"), den sie 1992 in ihrer Zeit bei AT&T Bell Laboratories erfand, stellte ein praktisches Verfahren zur Verfügung, um extrem kurze, hochenergetische Laserlichtpulse im Bereich von Pikosekunden (10-12 Sekunden) bis Femtosekunden (10-15 Sekunden) zu erzeugen und diese in einer Sekunde bis zu mehrere Milliarden Male zu wiederholen.

Der Einsatz ultraschneller Femtolasertechnologie in der Augenchirurgie erlaubt die Ausführung winziger Schnitte ohne Verletzungsrisiko für das umliegende Gewebe. Auf ähnliche Weise lässt sich auch Krebsgewebe entfernen, ohne gesunde Nachbarzellen zu beschädigen. Auch in der Kfz-Branche und der Elektronik sind zahlreiche Materialbe- und -verarbeitungmöglichkeiten, die durch die Technologie eröffnet wurden, heute nicht mehr wegzudenken.

Als Physikprofessorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat Keller des SESAM-Konzept noch weiterentwickelt und verfeinert. Dabei hat sie es auch erweitert und für andere Arten von Lasern nutzbar gemacht. Außerdem hat sie hochgenaue wissenschaftliche Messgeräte entwickelt, mit denen sich die Wunder des Universums bis hinunter auf die Quantenebene erforschen lassen.

Gesellschaftlicher Nutzen

Fast alle kommerziell erhältlichen ultraschnellen Lasersysteme sind heute mit SESAM ausgestattet. Dank dieser technischen Wunderwerke lassen sich extrem kleine und dünne Materialscheiben abtragen (10 bis 100 Nanometer pro Laserpuls), und zwar nicht mittels Wärme, wie dies bei anderen Laserarten der Fall ist, sondern mittels eines Vorgangs, den man auch "kalte Ablation" nennt. In medizinischen Anwendungen, insbesondere in der Chirurgie, liefern Lasergeräte mit SESAM exakt die Menge an Energie, die für eine hochgenaue Schnittführung benötigt wird, ohne dabei umliegendes Gewebe zu verletzen.

Da hierbei das umgebende Material auch nicht erhitzt wird, werden diese Laser auch eingesetzt, um feine Details auf Glas, Kunststoff oder Silizium aufzubringen - Werkstoffe, die unter dem Einfluss hoher Temperaturen bersten oder brüchig werden würden. Diese Laser sind hilfreich bei der Herstellung von elektronischen Hightechgeräten wie beispielsweise Touchscreens für Smartphones oder Flachbildschirme und Flachbildfernseher, bei der mit hoher Genauigkeit Strukturen in gehärtetes Glas geätzt oder geschnitten werden müssen.

Auch in der Automobilindustrie finden sich ultraschnelle Laser in vielen Anwendungen, seit die SESAM-Technologie vor zwei Jahrzehnten anfing, die Märkte zu erobern. Mit ultraschnellen Lasern lassen sich raffinierte kleine Vertiefungen "bohren", um Reibung zu vermindern und die Haltbarkeit kleiner, rotierender Teile zu verlängern. Darüber hinaus treten sie zunehmend an die Stelle konventioneller Standardverfahren in der Mikrobearbeitung, beispielsweise zur Optimierung des Spritzbildes der Kraftstoffdüsen bei der Direkteinspritzung. So erhält man eine einfache, aber hochpräzise Konstruktion, mit deren Hilfe die Kraftstoffeffizienz um 10 Prozent oder mehr gesteigert werden kann, ohne dass die Leistung dadurch beeinträchtigt wird.

Auch für den Einsatz mit kostengünstigen Laserlichtquellen hat Keller ihre SESAM-Technologie angepasst, und so wird sie auch für Anwendungen wie Laserdisplays, Telekommunikation und medizinische Bildgebungsverfahren interessant. Eine neuere Anpassung von SESAM nennt sich MIXSEL. Dieses System ist einfacher herzustellen und erweitert die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten, so dass SESAM auch in die Unterhaltungselektronik, beispielsweise in Spielkonsolen, oder in Laserführungssysteme (LIDAR) in selbstfahrenden Fahrzeugen Einzug halten kann.

Wirtschaftlicher Nutzen

Der globale Markt für ultraschnelle Laser wurde 2017 auf 2,17 Mrd. EUR beziffert. Das entspricht einem Anteil von rund einem Fünftel am Gesamtmarkt für Lasersysteme. Bis 2023 wird ein Wachstum auf 8,3 Mrd. EUR erwartet. Als einer der größten Wachstumstreiber gilt die Automobilbranche, wo es neue Anwendungen für die ultraschnellen Laser gibt, sowohl in der Mikrobearbeitung von Turbinenwellen für Turbolader als auch von Einspritzdüsen für die Direkteinspritzung. Beim weltweiten Markt für Lasergeräte, die in der Augenheilkunde eingesetzt werden - einschließlich ultraschneller Laser (Femtosekundenlaser) - geht man von einem Wachstum auf rund 1 Mrd. EUR bis 2021 aus, ausgehend von einem Umsatz von etwa 784 Mio. EUR im Jahr 2016. Im Hinblick auf Einnahmen und Wachstum wird das Segment der Femtosekundenlaser den Erwartungen zufolge wohl den Gesamtmarkt dominieren.

Wichtige Akteure im Segment der ultraschnellen Lasern sind beispielsweise das in Frankreich ansässige Unternehmen Amplitude Systèmes, das US-Unternehmen Coherent Inc., die deutsche Firma Trumpf, Ekspla in Litauen oder Fianium in England. Außerdem ist hier noch Lumentum zu nennen, die Muttergesellschaft von Time-Bandwidth Products, einer Ausgründung der ETH Zürich, die Keller 1995 gegründet hat.

Keller hat auch noch ein weiteres Start-up-Unternehmen gegründet: GigaTera, das später in Time-Bandwidth Products aufging. Einige von Kellers Studenten haben eigene Spin-offs oder Start-ups gegründet, darunter z. B. High-Q (das mittlerweile zu MKS gehört), Onefive (das 2017 von NKT Photonics aufgekauft wurde) und auch Amplitude Systèmes. Genaue Zahlen anzugeben ist schwierig, aber die genannten wirtschaftlichen Aktivitäten dürften Schätzungen zufolge sicherlich bereits einen Wert von mehr als 100 Mio. EUR überstiegen haben, und die meisten High-End-Jobs im Bereich der Lasertechnologie sind in Europa entstanden.

Funktionsweise

 

Das Wort "Laser" ist eigentlich ein Akronym für "light amplification by stimulated emission of radiation", was soviel bedeutet wie "Lichtverstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung". Laserlicht entsteht also, wenn Atome durch Energie (z. B. Wärme oder Licht) angeregt werden und ihre Elektronen dadurch Photonen (d. h. Lichtenergie) abgeben. Üblicherweise werden hierfür hochreine Kristalle wie synthetischer Rubin oder Aluminiumgranat verwendet, da diese sehr effektiv und vielseitig einsetzbar sind. Führt man diesen Kristallen Energie zu, geben die Elektronen Photonen gleichmäßiger Frequenz ab, in Form eines monochromen Laserstrahls.

Bei den typischen kontinuierlichen Lasern ist ein Kristall zwischen zwei Spiegeln angeordnet, so dass Laserlicht im Inneren des Kristalls hin- und zurückreflektiert wird, bis eine bestimmte Energieschwelle erreicht ist und einer der beiden Spiegel Laserlicht als kontinuierlichen Strahl passieren lässt. Mit ihrem neuen Lasersystem SESAM ("SEmiconductor Saturable Absorber Mirror", also ein sättigbarer, absorbierender Spiegel aus Halbleitermaterial) hat Keller hieran etwas verändert: Sie ersetzte einen der beiden Spiegel durch ein Stück Halbleiter, das als Spiegel wirkt - allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn die Lichtwellen zwischen den Spiegeln hin- und her reflektiert werden, absorbiert der Halbleiter das Licht mit der geringeren Energie, so dass nur das Licht mit der höheren Energie beim Reflektieren zwischen den beiden Spiegeln verstärkt wird. Sobald eine bestimmte Schwelle ("Sättigung") erreicht wird, wirkt der Halbleiter kurzzeitig nicht mehr als Spiegel und gibt einen einzelnen kurzen Lichtpuls ab (ca. 5 % der Energie im Inneren des Kristalls).

Kellers ultraschnelle Lasertechnologie macht auch die Untersuchung nahezu verzögerungsfreier subatomarer Reaktionen möglich. Ihre laserbetriebene "Atto-Uhr" misst Zeitintervalle mit einer Genauigkeit von wenigen Milliardsteln eines Milliardstels einer Sekunde (1x10-18), d. h. mit einer Genauigkeit von Attosekunden. Eine Attosekunde ist ungefähr die Zeit, die Licht braucht, um durch benachbarte Atome zu passieren. Setzt man die Atto-Uhr praktisch als Stroboskop im subatomaren Bereich ein, so "friert" sie schnell bewegte Objekte wie Elektronen quasi in ihrer Bewegung ein und ermöglicht die Messung von Phänomenen in der Welt der unendlich kleinen Teilchen, der Welt der Quantenmechanik.

Die Erfinderin

Die gebürtige Schweizerin Ursula Keller erwarb ihren ersten Studienabschluss in Physik 1984 an der ETH Zürich. Dann ging sie an die Stanford University, wo sie 1987 einen Masterabschluss und 1989 ein PhD in Angewandter Physik erlangte. Ebenfalls 1989 nahm sie eine Stelle bei AT&T Bell Laboratories (heute Nokia Bell Labs) an. 1993 trat sie eine Professur an der ETH Zürich an, wo sie das Forschungslabor für ultraschnelle Lasertechnik am Fachbereich Physik leitet. Dort war sie 1995 auch Mitgründerin des Spin-off-Unternehmens Time-Bandwidth Products. 2000 gründete sie dann GigaTera. Beide wurden später von dem in Kalifornien ansässigen Unternehmen Lumentum aufgekauft.

Keller hat mehr als 440 Peer-Reviews unterzogene Artikel in Fachmagazinen und 11 Buchbeiträge veröffentlicht. Auf dem Gebiet der ultraschnellen Photonik gehört sie zu den weltweit führenden Wissenschaftlern. Sie ist als Erfinderin in sieben erteilten europäischen Patenten genannt und hat zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen erhalten, beispielsweise den IEEE Photonics Award (2018), den Weizmann Women & Science Award (2017), den Charles Hard Townes Award der Optical Society of America (2015) oder die Geoffrey Frew Fellowship der Australischen Akademie der Wissenschaft (2015), um nur einige zu nennen. Keller hat mehr als 70 PhD-Studenten betreut. 11 ihrer ehemaligen Studenten wurden selbst Professoren, andere nahmen Stellen bei Laserherstellern an oder gründeten eigene Unternehmen. Seit 2010 ist Ursula Keller Direktorin des vom Schweizerischen Nationalfonds initiierten Forschungsprogramms NCCR MUST (Molecular Ultrafast Science and Technology). 2014 wurde sie in in den Forschungsrat des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung aufgenommen, in der Abteilung Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Wussten Sie das?

Sowohl in der Forschung als auch in der Herstellung ultraschneller Laser spielt Europa eine führende Rolle. Dank des umfangreichen Know-hows im Bereich der Lasertechnologie befinden sich 73 % der hochintensiven, ultraschnellen Laser (Petawatt-Klasse) in Europa. Das Forschungsprojekt "Extreme Light Infrastructure" der EU mit einem Budget von 850 Mio. EUR möchte die hochkarätigsten Experten zusammenbringen, mit dem Ziel, den leistungsstärksten Laser der Welt zu bauen. Auch das "Laserlab-Europe Consortium" ist in Europa beheimatet. Es verbindet die wichtigsten Forschungszentren - wie die ETH Zürich, die Universität Jena, das Institut d'Optique der ParisTech und das Max-Planck-Institut für Quantenoptik - mit bedeutenden Akteuren aus der Industrie, die in diesem Bereich aktiv sind, beispielsweise Amplitude Systèmes und Trumpf.

Immer wieder haben Laser in den Innovationen diverser Finalisten und Gewinner des Europäischen Erfinderpreises eine wichtige Rolle gespielt. So beispielsweise bei den Erfindern der optischen Kohärenztomografie (OCT) James G. Fujimoto, Eric A. Swanson und Robert Huber (Gewinner in der Kategorie "Nicht-EPO-Staaten" 2017), bei dem Elektronikingenieur Kornelis A. Schouhamer Immink, der das Kodierverfahren für CDs, DVDs und Blu-rays entwickelt hat (Finalist in der Kategorie "Lebenswerk" 2015), bei dem Pionier der Augenlaserchirurgie Josef Bille (Gewinner in der Kategorie "Lebenswerk" 2012), bei den Erfindern des Quantenkaskadenlasers Federico Capasso, Jérôme Faist und Team (Finalisten in der Kategorie "Nicht-EPO-Staaten" 2012); und den Erfindern des Laserscanning-Ophthalmoskops Douglas Anderson und Team (Gewinner in der Kategorie "KMU/Forschung" 2008).

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