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Esther Sans Takeuchi

Batterien für Herz-Stromstoss

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Preiskategorie
Nicht-EPO-Staaten
Technisches Gebiet
Medizintechnik
Firma
Greatbatch Inc.
Dieser US-Wissenschaftler hat Kompaktbatterien erfunden, die winzige, implantierbare Kardio-Defibrillatoren mit Energie versorgen. Die Batterien können lebensrettende Elektroschocks verabreichen und halten fünf Jahre lang – davon profitieren Millionen von Nutzern auf der ganzen Welt.

Gewinnerin des Europäischen Erfinderpreis 2018

Millionen von Herzpatienten mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) profitieren von den wegweisenden Neuerungen in der Batterietechnologie, die von der US-amerikanischen Materialwissenschaftlerin und Chemieingenieurin Esther Sans Takeuchi entwickelt wurden. Ihre Lithium/Silber-Vanadiumoxid-Batterien (Li/SVO-Batterien) waren der Schlüssel zu kleineren ICDs mit erheblich längeren Batterielebensdauern, Dadurch mussten die ICDs nicht mehr so häufig ausgetauscht werden, und somit waren entsprechend weniger chirurgische Eingriffe erforderlich.

Bis zu Takeuchis Erfindung waren ICDs ziemlich große Geräte mit einer Batterielebensdauer von bestenfalls 12 bis 18 Monaten. Der erste ICD wurde 1980 aufgrund seiner Größe im Bauchraum des Patienten eingesetzt, während die heutigen ICDs meist unterhalb des Schlüsselbeins an derselben Stelle implantiert werden wie Herzschrittmacher.

Der Austausch eines ICDs macht einen größeren chirurgischen Eingriff erforderlich. Und zwar jedes Mal, wenn das Ende der Batterielebensdauer bevorsteht. Das Streben nach besseren und kleineren Geräten war daher in erster Linie die Suche nach Möglichkeiten zur Herstellung besserer Batterien. Die größte Herausforderung dabei: ICDs senden Elektroschocks aus, um die Herzfunktion wieder zu normalisieren. Dazu benötigen sie einen elektrischen Strom von etwa zwei bis drei Ampere zur Ladung ihres Kondensators. Das ist mehr als eine Million Mal die Stromstärke, die für einen Herzschrittmacher benötigt wird. Diese liegt typischerweise im Bereich von nur etwa 10 Mikroampere.

Hier kommt nun Esther Sans Takeuchi ins Spiel: Ihre kompakten Li/SVO-Batterien, die Mitte der 1980er-Jahre ausgereift waren, führten, zusammen mit einigen Schlüsselpatenten für die Technologie, zum ersten Defibrillator, der mit einer leistungsstarken und dennoch kleinen Batterie ausgestattet war, die zudem eine wesentlich höhere Lebensdauer hatte als ihre Vorgänger.

1987 erstmals bei einem Patienten eingesetzt und vom Medizingerätehersteller Greatbatch Inc. vermarktet, ist Takeuchis patentiertes Prinzip heute die am häufigsten eingesetzte Technologie bei ICD-Batterien. Die Batterielebensdauer kann bis zu fünf Jahren betragen.

Gesellschaftlicher Nutzen

Mit der neuen Batterietechnologie der Erfinderin fand der Einsatz von ICDs seit Ende der 1980er-Jahre immer weitere Verbreitung - eine Entwicklung, die bis heute anhält. In den USA bekommen heute jeden Monat rund 10 000 Menschen ein solches Implantat eingesetzt. Die Kosten eines solchen Geräts liegen pro Patient zwischen 25 000 und 43 000 EUR.

ICDs sind besonders wirksam bei der Behebung von Herzstillständen aufgrund ventrikulärer Arrhythmien. Etwa 7 % aller Herzinfarkte sind darauf zurückzuführen. Dank ICDs kommt dieser Auslöser heute nicht mehr so häufig zum Tragen. Alleine in den USA sterben jedes Jahr zwischen 200 000 und 400 000 Menschen infolge von Herzrhythmusstörungen den plötzlichen Herztod. Die Anzahl Erwachsener, die mit Herzerkrankungen leben müssen, ist zwischen 2011 und 2014 auf 6,5 Millionen gestiegen; bis 2030 wird mit einem Anstieg um 46 % gerechnet.

Wirtschaftlicher Nutzen

Finanziert wurde die Entwicklung der Li/SVO-Batterie von dem Medizintechnikunternehmen Greatbatch Inc. (das 2016 in Integer Holdings Corporation umfirmierte), bei dem Takeuchi 22 Jahre lang tätig war. Seit das Li/SVO-System im Jahr 1987 zum allerersten Mal in die Praxis umgesetzt wurde, ist es es durch Materialsynthese, Änderungen des Elektrolyts und des Batteriezelldesigns noch wesentlich verbessert worden. Eine aktualisierte Version der Batterie ist die Serie "Q". die auf zwei von Takeuchi entwickelten, patentierten Neuerungen beruht und 2005 auf den Markt kam.

Die in den USA ansässige Integer Holdings Corporation gab für das Jahr 2016 einen Umsatz von 1,2 Mrd. EUR an, wovon 30 % auf Systeme für die Behandlung von Herzerkrankungen und zur Neuromodulation entfielen. Die Verkaufserlöse aus solchen Geräten sind in den letzten Jahren gestiegen. So war von 2014 auf 2015 ein achtprozentiger Anstieg zu verzeichnen, im Folgejahr waren es neun Prozent.

Transparency Market Research geht davon aus, dass der weltweite Umsatz bei Batterien für Geräte zum Herzrhythmusmanagement von 338 Mio. EUR im Jahr 2015 auf 441 Mio. EUR im Jahr 2024 wachsen wird. Das Marktforschungsunternehmen sieht hierbei das größte Wachstum im asiatisch-pazifischen Raum, da dort bestimmte Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes, die die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen, auf dem Vormarsch sind.

     

    Funktionsweise

    ICDs werden unter die Haut implantiert und mit dem Herzen verbunden. Sie erkennen Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus und liefern genau den richtigen elektrischen Impuls, um den normalen Rhythmus wiederherzustellen.

    Diese Stromstöße zur Korrektur des Herzschlags haben eine Spannung von 600 bis 900 Volt. Für ein Gerät, das unter der Haut getragen wird, ist das sehr hoch. Takeuchis Li/SVO-Batterien schaffen das bei erstaunlich geringem Platzbedarf.

    Takeuchis Lösungsansatz basiert darauf, dass sie Anoden- und Kathodenschichten abwechselnd nebeneinander setzt, um die Oberfläche des aktiven Materials zu vergrößern. Durch den Einsatz einer Silber-Vanadium-Verbindung in der Kathode – Silber für hohen Strom, Vanadium für Langlebigkeit und hohe Spannung – gelang es ihr, mehr Energie in die Batterie zu packen. Zudem liefert das System einen chemischen Indikator dafür, wann die Batterie ersetzt werden muss.

    Das Ergebnis: Mit einer Lebensdauer von bis zu fünf Jahren sind die Li/SVO-Batterien ihren Vorgängern mit typischen Lebensdauern von nur 12  bis 18 Monaten weit überlegen. Das jüngste Update, die 2005 herausgebrachte Serie "Q" setzt nicht mehr nur Silber-Vanadiumoxid ein, sondern kombiniert es mit Carbonmonofluorid.

    Die Erfinderin

    Takeuchis akademische Ausbildung lieferte ihr das Rüstzeug für ihre spätere Karriere. 1975 erwarb sie zunächst einen Bachelorabschluss in Chemie und Geschichte an der University of Pennsylvania. 1981 promovierte sie an der Ohio State University in organischer Chemie. Danach arbeitete sie von 1982 bis 1983 als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Postdoc) am Fachbereich Elektrochemie der University of North Carolina in Chapel Hill, von 1983 bis 1984 an der State University of New York in Buffalo.

    Ihre berufliche Heimat fand Takeuchi bei Greatbatch Inc. in Clarence, New York wo sie als Wissenschaftlerin, Leitende Wissenschaftlerin und schließlich als Direktorin für Forschung und Entwicklung tätig war.

    Sie gilt heute als eine der führenden Figuren in der Forschung auf dem Gebiet der Batteriespeicherung und ist mit 150 Patenten, die auf ihren Namen angemeldet sind, die erfolgreichste weibliche Erfinderin in den USA. Sie hat mehr als zwei Jahrzehnte beim Technologieunternehmen Greatbatch Inc. gearbeitet, wo sie zahlreiche Innovationen entwickelte, unter anderem eben ihre Batterie für ICD-Geräte.

    Takeuchi ist Mitglied National Academy of Engineering in den USA und bekam 2010 von Präsident Obama die angesehene "National Medal of Technology and Innovation" verliehen. Nach nunmehr 40jähriger Tätigkeit in der Industrie und der akademischen Welt arbeitet sie noch immer an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung in der Batterietechnologie.

    Wussten Sie das?

    Die Zukunft bringt Menschen und Maschinen immer näher zusammen. Und sie hat bereits begonnen! Der erste implantierbare Herzschrittmacher kam 1958, der ICD folgte 1980. Beides waren Meilensteine auf dem Weg in eine neue Epoche medizinischer Möglichkeiten, in der medizinische Geräte im menschlichen Körper platziert werden können, um die Lebenserwartung von Menschen zu erhöhen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern.

    Auch der Europäische Erfinderpreis hat bereits einige Beispiele dafür aufgezeigt , wie medizinische Implantate Menschen zu einem besseren Leben verhelfen können. So schaffte es ein von einem niederländischen Team entwickelter Herzschrittmacher, der sich an die Krankheitsgeschichte des jeweiligen Patienten anpassen lässt, 2007 unter die Finalisten in der Kategorie "Industrie". Und im Jahr 2014 war ein Team französischer Wissenschaftler im Rennen, das eine implantierbare Brennstoffzelle entwickelt hatte, die Glukose aus dem körpereigenen Blut des Patienten zur Stromversorgung von Herzschrittmachen verwendet.

    Ebenfalls unter den Finalisten des Jahres 2014 in der Kategorie "Lebenswerk" waren die österreichischen Elektroingenieure Erwin und Ingeborg Hochmair, die Cochlea-Implantate erfanden, die Hundertausenden Patienten ihr Gehör zurückgegeben haben.

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