Im Jahr 1977 legte die Errichtung des
Europäischen Patentamts (EPA) den Grundstein für eine Entwicklung des europäischen
Patentsystems, die weit über die Grenzen Europas hinaus Bedeutung erlangte. Von
Nutzern und der Öffentlichkeit zunächst mit Skepsis aufgenommen, entwickelte
sich das neu geschaffene System auf der Basis des Europäischen
Patentübereinkommens (EPÜ) rasch zum Erfolgsmodell für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit
auf dem Gebiet des Patentwesens. Kooperationsprojekte des EPA mit anderen
Regionen, vor allem aber die trilaterale Zusammenarbeit mit Japan und den USA,
bereiteten den Boden für ein weltweites Patentsystem, das 1995 mit dem Inkrafttreten
des Übereinkommens über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen
Eigentums (TRIPS) der WTO in Ansätzen Wirklichkeit wurde, selbst wenn die
wichtigste institutionelle Voraussetzung, ein Welt-Patentamt, bis heute fehlt. Die
Verfahren nach dem Patent Cooperation Treaty, der eine nahezu weltweit wirksame
Anmeldung von Patenten ermöglicht, konnten die Lücke in einigen Punkten schließen
- dank dem EPA als bedeutendstem Dreh- und Angelpunkt dieser Verfahren.
30 Jahre später, im vergangenen Jahr, hat das
EPA anlässlich seines Jubiläums sowohl Rückschau auf seine Geschichte gehalten wie
auch einen Blick in die Zukunft gerichtet. Die Erfolge des europäischen
Patentsystems sind unbestritten, doch die Parameter einer globalisierten
Wirtschaft verlangen nach einer Neuorientierung des Patentsystems. Die Studie „Scenarios
for the Future" des EPA weist die Blickrichtung hierfür: Das Patentsystem ist
untrennbar mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technologischen und
weltpolitischen Entwicklungen verbunden. Jede Verschiebung in diesen Bereichen
macht sich auch in der Welt der Patente bemerkbar, und das System muss rasch
auf neue Herausforderungen reagieren, will es seine Funktionalität und
Legitimität wahren.
Die anhaltende Überfrachtung der großen Patentämter mit unkontrollierbaren
Anmeldeströmen, die Debatte über die Grenzen des Patentschutzes in
substanzieller wie rechtlicher Hinsicht, aber auch die Diskussion über den
ungehinderten Zugang zu medizinischer Versorgung in den Entwicklungsländern sowie
das Aufkommen von Alternativstrategien zu den gewerblichen Eigentumsrechten wie
etwa Wissensallmenden und dem Open-Source-Ansatz müssen in diesem Kontext
betrachtet werden.
Auch innerhalb des europäischen Patentsystems sind diese Entwicklungen spürbar und
machen Korrekturmaßnahmen am bisherigen Kurs erforderlich. Mit dem
Inkrafttreten der revidierten Fassung des EPÜ (EPÜ 2000) am 13. Dezember 2007
verfügt die Europäische Patentorganisation hierfür über einen Rechtsrahmen, der
die nötige Stabilität und gleichzeitig Flexibilität gewährleistet. Auch der
Abschluss der Ratifikationsverfahren zum Londoner Übereinkommen für dessen
Inkrafttreten am 1. Mai 2008 ist ein Aufbruchsignal in Richtung Systemverbesserung:
Das Übereinkommen ebnet den Weg für eine substanzielle Senkung der
Übersetzungskosten für europäische Patente.
Ein weiteres, wesentliches Element liegt in der Optimierung der strategischen Zusammenarbeit
des EPA mit den Patentämtern der EPÜ-Vertragsstaaten im Rahmen des europäischen
Patentnetzwerks (EPN), die primär auf die Schaffung eines europäischen Qualitätsstandards
sowie eine effiziente Bemessung und Bewältigung des Arbeitsaufkommens zielt.
Untermauert wird diese Initiative von einem umfangreichen strategischen
Erneuerungsprogramm, mit dem das EPA konsequent auf die Zukunft ausgerichtet
wird. In diesem Umgestaltungsprozess gelangen so unterschiedliche Themen wie
die Sicherung der Leistungsfähigkeit des europäischen Verfahrens und seiner
Qualität oder die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes der Patentprüfer, aber auch
die Beziehungen des Amts zu seiner Umwelt sowie die finanzielle Gesundheit des
EPA auf den Prüfstand. Sie sollen einen Wandlungsprozess unterstützen, der es
dem Amt möglich macht, seine bisherige Erfolgsgeschichte unter den veränderten
Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft mit ihren Erfordernissen und
Herausforderungen auch in Zukunft fortzuschreiben.
Alison
Brimelow
Präsidentin