Die soziale Funktion von Kunst: Aufwertung des Arbeitsplatzes durch Begegnung mit Originalen
© Yoshiuki Miura
Die Sammlung des EPA hat ihren Ursprung in der Verbindung von zeitgenössischer Kunst und Arbeitswelt.Seit Beginn der Sammlungstätigkeit im Jahr 1978 liegt der Schwerpunkt auf internationaler Gegenwartskunst. Es ist dabei im Interesse des EPA, dessen Mitarbeiter aus mittlerweile 35 Ländern Europas stammen, auf ein über Jahrzehnte gewachsenes politisches Europa mit einer internationalen Kunstsammlung zu antworten. Anders als bei so manchen in Deutschland beheimateten Unternehmen, die begannen, in den 1960er und 1970er Jahren Kunst zu sammeln, gab es dabei nie die mit einer Globalisierung der Geschäfte einhergehende Entwicklung von einer regionalen zu einer internationalen Sammlung. Schon in der Auslobung des allerersten Kunst-am-Bau-Wettbewerbs des EPA für den Hauptsitz in München, initiiert vom Bundesministerium für Bauwesen, Raumordnung und Städtebau und durchgeführt vom Freistaat Bayern und der Oberfinanzdirektion München, war die Auswahl der Künstler stark international. So ist es bis heute geblieben.
Auf diese Weise ist Kunst im Laufe der Jahrzehnte ein relevanter Faktor in der Ausgestaltung der Repräsentations- und Kommunikationsräume des EPA geworden, und zwar an allen Dienstorten, an denen das EPA zu Hause ist. Insgesamt 13 Gebäude mit angrenzenden Grünflächen in fünf europäischen Städten (München, Den Haag, Wien, Berlin, Brüssel) werden von der Kunst des EPA geprägt und definieren den kulturellen Anspruch des Hauses. Begegnung mit Kunst findet überall statt und schafft eine anregende Arbeitsumgebung für Besucher und Mitarbeiter. Sie findet sich in repräsentativen Foyers und Konferenzräumen, in Cafeterien und Managementbüros, in ehemaligen Telefonzellen und in Patios, in Treppenhäusern und sogar in der Sporthalle. Durch Rotation von Werken und aktualisierte kuratorische Konzepte soll die Wahrnehmung des Arbeitsplatzes immer wieder frisch gehalten werden.
Die Maschinenästhetik der 1960er Jahre, die Lichtkinetik, Op-Art und konstruktive Arbeiten internationaler Künstler bildeten den Grundstock der Sammlung. Dabei wurden alle damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation um Einreichung von geeigneten Vorschlägen für den Ankauf gebeten. So kam es, dass mit schon damals bekannten Künstlern wie Nicolas Schöffer, Bernhard Luginbühl (CH), Bridget Riley (GB), André Volten (NL), Philip King (GB), Fausto Melotti (IT), Günther Haese (DE) oder Panamarenko (BE) bedeutende Werke in die Sammlung gelangten. Diese Künstler haben nicht nur kunsthistorische Bedeutung, weil sie den Kunstbegriff ihrer Zeit erweitert hatten. Sie stehen auch für ganz bestimmte konzeptuelle Positionen der Kunstgeschichte, die geeignet sind, die intellektuelle Auseinandersetzung mit Kunst auf ein hohes Niveau zu heben und die seit jeher mit Avantgarde verknüpfte Bedeutung dieser Kunstrichtungen im Rahmen einer firmeneigenen Kunstsammlung zu illustrieren.
Ein bedeutendes Projekt der jüngeren Zeit ist die Realisierung eines neuen kuratorischen Konzepts im Zuge der 2008-2012 erfolgten Sanierung des Hauptgebäudes in München, wo Kunstwerke aus den Beständen der Sammlung etlichen Neuerwerbungen gegenübergestellt wurden. So sollte die gewachsene Verbindung zwischen der Anfangszeit und der Gegenwart sichtbar gemacht und gezeigt werden, wie lebendig sich die Sammlung entwickelt hat. Hier, im zehngeschossigen Stahlskelettbau der Architekten von Gerkan, Marg und Partner aus den späten 1970er Jahren, wurden seit 2013 etlichen Künstlern ganze Etagen gewidmet, zum Beispiel Jan van der Ploeg (NL), José Loureiro (PT), Ekrem Yalcindag (TK), Heimo Zobernig (AT), Malene Landgreen (DK), Esther Stocker (IT), Jaroslaw Flicinski (PL) oder Yves Oppenheim (FR). Die Präsentation zeigt auf eindrückliche Weise, wie Kunst und Architektur eine Symbiose eingehen und zugleich auch der räumlichen Orientierung der Mitarbeiter dienen können. Durch kuratorisches Arbeiten entsteht dadurch soziale Relevanz - ein Gesamtkunstwerk, in dem man gerne arbeitet, weil gerade in einer digitalisierten Arbeitswelt zunehmend deutlich wird, wie sehr die Begegnung mit künstlerischen Originalen den Arbeitsplatz aufwertet.
Die Aufnahme der Sammlungstätigkeit war eine ursprünglich von den Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation bewusst getroffene Entscheidung, einer neu gegründeten europäischen Institution auch ein kulturelles Gesicht zu geben. Seit der Ratifizierung des Europäischen Patentübereinkommens 1973 waren die Vertragsstaaten wesentlich am Aufbau einer zu diesem Zeitpunkt in Deutschland einmaligen zwischenstaatlichen Organisation beteiligt gewesen. Diesem außerordentlichen Engagement verdankt sich auch die Initiative zur Kunstförderung im EPA. Entschieden vorangetrieben wurde diese Initiative vom niederländischen Gründungspräsidenten Johannes Bob van Benthem (1921-2006). Er begriff Kunstförderung als eine hoheitliche Aufgabe der Mitgliedstaaten und legte damit den Grundstein für die Sammlungstätigkeit des Amtes. Bis heute ist es eine der vornehmsten Aufgaben der Kulturarbeit, diese Tätigkeit im Geiste der Pionierjahre des EPA fortzuführen und die gewachsene Sammlung der Öffentlichkeit vorzustellen.
Gerade heutzutage, wo diese symbolische Bedeutungsebene der europäischen Idee in letzter Zeit vielen Menschen abstrakt erscheint, gilt es, die Errungenschaften der europäischen Einigung in Bezug auf Fortschritt, Wirtschaftswachstum, Prosperität und Frieden wieder stärker ins Bewusstsein rufen. Die Gründung des EPA ist Bestandteil dieses Prozesses. Daher ist es Teil der sozialen Verantwortung des EPA, über die Förderung der Gegenwartskunst an die ungemein reichen kulturellen Wurzeln des Kontinents zu erinnern und wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen, wieso die Gesellschaft in Europa heute mehr denn je Kunst und Kultur braucht.