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Technologiestandards und Patente für Europas digitale Zukunft

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Patents, standards and innovation: securing Europe’s competitive edge

Technologiestandards sind der stille Motor, der die moderne digitale Wirtschaft am Laufen hält. Heute hat das Europäische Patentamt (EPA) eine Studie veröffentlicht, die eine klare Verknüpfung zwischen Technologiestandards und Patenten aufzeigt. Die Studie stützt sich auf die umfangreichen Datenbanken des EPA zum Stand der Technik, die über 5,5 Millionen Dokumente von Normungsorganisationen (SDOs) enthalten – eine einzigartige Sammlung, die dank der engen Zusammenarbeit in den vergangenen beiden Jahrzehnten zusammengestellt werden konnte. Außerdem befasst sich die Studie mit der aktuellen europäischen Rechtsprechung zu standardessenziellen Patenten (SEPs).  

Die EPA-Studie mit dem Titel Standards und das europäische Patentsystemstellt einen neuen Datensatz vor, der klarer denn je aufzeigt, wie die Standarddokumentation bei der Prüfung von europäischen Patentanmeldungen verwendet wird und wie häufig die daraus resultierenden Patente als essenziell für weithin verbreitete Technologiestandards deklariert werden. Das Patentsystem spielt weiterhin eine wichtige Rolle für Entscheidungen über Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen und den Austausch von technischem Wissen. Dementsprechend ist der Anteil von Patenten, in denen Dokumente von SDOs angeführt werden, angestiegen, was unterstreicht, wie wichtig Patente für die Entwicklung von standardisierten Technologien sind. 

"Technologienormen sind das Rückgrat unserer digitalen Wirtschaft. Sie treiben Innovation und Wachstum voran und stellen eine nahtlose, geräte- und plattformübergreifende Konnektivität sicher", erklärte EPA-Präsident António Campinos. "Mit Blick auf die Zukunft werden ähnliche Normungsbemühungen für Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz und Quantentechnologien entscheidend sein. Mit der Erfahrung aus fünf Jahrzehnten kann das EPA ein ausgewogenes und transparentes System für standardessenzielle Patente unterstützen. Es verfügt über die erforderliche Expertise, um Europas technologische Führungsposition zu stärken und seine digitale Zukunft zu sichern."

Zusammenarbeit zwischen EPA und SDOs fördert umfangreiche Nutzung von Standarddokumenten

Während des Standardisierungsprozesses werden zahlreiche technische Unterlagen erstellt und offengelegt, die dann von SDOs verwendet werden, um Technologien im Hinblick auf künftige Standards zu analysieren. Diese Unterlagen gehören zum Stand der Technik. Das EPA hat in den Aufbau der weltweit umfangreichsten Sammlung zum Stand der Technik investiert, was zur hohen Qualität unserer Produkte und Dienste beiträgt. Die Sammlung umfasst über 5,5 Millionen SDO-Dokumente, sodass die Prüfer bei der Beurteilung der Neuheit und Erfindungshöhe einer Erfindung – und damit auch ihrer Patentierbarkeit – auf umfangreiche Quellen zum Stand der Technik zurückgreifen können. Die Verwendung dieser Dokumente trägt außerdem zum Ziel der Europäischen Kommission bei, die Transparenz in Bezug auf Patente und Technologiestandards zu verbessern.

Der neuen Studie zufolge enthalten auf Gebieten mit rasanter Entwicklung wie drahtlose Kommunikation oder Medienkompression inzwischen knapp 70 % der Recherchenberichte des EPA Anführungen aus SDO-Dokumenten. Darin zeigt sich, dass relevante SDO-Dokumentationen zunehmend verfügbar sind, was unter anderem auf eine enge Zusammenarbeit zwischen dem EPA und den SDOs in den vergangenen beiden Jahrzehnten zurückzuführen ist. 

 

Öffentlich zugänglicher Datensatz als weiterer Beitrag zur Transparenz

Der neue, für die Studie erstellte Datensatz basiert auf über 190 000 Patentanmeldungen und zeigt, dass knapp 170 000 einzelne SDO-Dokumente insgesamt beinahe 418 000 Mal in den Anmeldungen angeführt werden. Der öffentlich zugängliche Datensatz verbessert die Transparenz weiter und ermöglicht es den Stakeholdern, die klare Verknüpfung zwischen Patenten und Standards in der Innovationslandschaft besser zu erfassen. Da ein relativ hoher prozentualer Anteil (37 %) der als standardessenziell deklarierten Patente mindestens ein SDO-Dokument anführt, kann der Datensatz außerdem sehr hilfreich sein, um die Essenzialität eines Patents zu prognostizieren.

Das Einheitliche Patentgericht – eine neue Ära im Umgang mit SEP-Streitigkeiten

Die heute veröffentlichte Studie enthält auch die jüngste Analyse des EPA der vor dem Einheitlichen Patentgericht (EPG) verhandelten Fälle. Daran zeigt sich, wie rasch sich das Gericht zum Gerichtsstand der Wahl bei SEP-Inhabern und umsetzenden Parteien entwickelt. Lange Zeit gab es keine einheitliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über SEPs in Europa. Stattdessen wurden zeitaufwändige und teure Parallelverfahren vor Gerichten in verschiedenen Ländern geführt. Innerhalb von lediglich 19 Monaten wurden jedoch 23 Fälle mit SEP-Bezug vor dem EPG verhandelt. Das entspricht über einem Drittel aller SEP-bezogenen Fälle, die in Europa entschieden wurden – ein Zeichen für den wachsenden Einfluss und die zunehmende Effizienz des Gerichts. So werden Parallelverfahren vermieden und die Rechtssicherheit gestärkt.

Daneben entsteht mit dem Mediations- und Schiedszentrum für Patentsachen des EPG, das Ende 2025 eröffnet werden soll, ein spezialisiertes Forum für die außergerichtliche Streitbeilegung von globalen SEP-Streitigkeiten. Ein spezieller Verfahrensrahmen für Streitigkeiten über SEPs soll in seine Schieds-, Schlichtungs- und Sachverständigenordnung aufgenommen werden.

Im Alltag allgegenwärtig: Die Rolle von SEPs bei modernen Technologien

Hochgeschwindigkeits-5G-Mobilfunk, Smart-Home-Geräte oder Streaming von hochauflösenden Videos – für all diese Technologien, die wir tagtäglich nutzen, werden allgemeine Standards benötigt. Damit die Standards den Marktbedürfnissen entsprechen, müssen sie auch für hochmoderne Technologien gelten, die häufig durch SEPs geschützt werden. Solche Patente dienen als Grundlage für zentrale Standards wie 5G, Wi-Fi oder Video-/Audio-Codecs, die ihrerseits eine sichere und effiziente Kommunikation zwischen Millionen verschiedener Geräte ermöglichen. Ohne die dank SEPs verfügbaren Technologien würden unsere digitalen Netze nicht funktionieren. Im 2023 erschienen SEP Impact Assessment Report der Europäischen Kommission heißt es, dass bis 2030 voraussichtlich über 30 Milliarden Geräte im Internet der Dinge miteinander verknüpft sein werden. Allein die Zahl der an das Internet der Dinge angebundenen Mobilfunkgeräte dürfte 5,4 Milliarden betragen, und 98 % von ihnen werden 4G, 5G oder 6G nutzen. SEPs werden entscheidend dazu beitragen, sicherzustellen, dass diese Technologien verlässlich, sicher und interoperabel sind. Weitere Beispiele dafür, warum Standards so wichtig sind, finden sich in den Entwicklungsgeschichten von inzwischen allgegenwärtigen Technologien wie USB oder Bluetooth; weitere Einzelheiten dazu finden Sie in den Links.

SEPs als strategisches Plus für Europas Wirtschaft

SEPs dienen nicht nur als technische Grundlage, sondern sind auch wichtige Treiber für Wirtschaftswachstum und industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Der Europäischen Kommission zufolge beruhen über 85 % der Standards für mobile Kommunikation auf SEPs. 2022 identifizierte Orbis weltweit rund 47 500 Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die potenziell Standards im Rahmen von FRAND-Lizenzen nutzen könnten (FRAND steht für "fair, reasonable and non-discrimatory" – fair, angemessen und diskriminierungsfrei). Rund 3 800 dieser Unternehmen (8 %) waren in der EU ansässig und beschäftigten insgesamt 2,2 Millionen Menschen. Zusammen erwirtschafteten sie einen Umsatz von rund 600 Milliarden Euro und 88 Unternehmen nahmen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Höhe von insgesamt 26 Milliarden Euro vor.

Um die Transparenz und die öffentliche Diskussion weiter zu fördern, organisiert das EPA zusammen mit dem französischen Nationalen Institut für gewerblichen Rechtsschutz (INPI) eine hochrangige Veranstaltung mit Richterinnen und Richtern, Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Praxis und Vertreterinnen und Vertretern von Verwaltung und Industrie:

Patente, Normen und Innovation: Europas Wettbewerbsvorteil sichern
📍 Paris | 📅 14. Mai 2025