Vorlage zur Anspruchsauslegung (G1/24)
Im Interesse der Rechtssicherheit und aller Stakeholder wird das EPA die Prüfungs- und Einspruchsverfahren fortsetzen, während die Vorlage zur Auslegung von Ansprüchen vor der Großen Beschwerdekammer anhängig ist.
Mit der Entscheidung T 439/22 vom 24. Juni 2024 wurde die Große Beschwerdekammer mit einer Vorlage befasst, die die Rechtsgrundlage für die Auslegung von Patentansprüchen zum Zwecke der Beurteilung der Patentierbarkeit sowie die Fragen klären soll, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen die Beschreibung und die Zeichnungen bei der Auslegung eines Anspruchs herangezogen werden können und inwieweit ein Patent als sein eigenes Wörterbuch dienen kann. Die genauen Vorlagefragen sind der Entscheidung T 439/22 zu entnehmen. Obgleich sich die Vorlage auf das Einspruchsverfahren bezieht, könnte sie auch Verfahren vor den Prüfungsabteilungen betreffen.
Angesichts des Erfordernisses der Rechtssicherheit und zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des EPA sowie im Interesse aller Stakeholder hat der Präsident des EPA beschlossen, dass die Prüfungs- und Einspruchsverfahren fortgesetzt werden, während die Vorlage anhängig ist. Die Prüfungs- und Einspruchsabteilungen werden daher weiterhin die in den Richtlinien für die Prüfung im EPA beschriebene Praxis befolgen, gemäß der sie – soweit wie möglich – verlangen werden, dass in Fällen, in denen die Beschreibung den in den Ansprüchen verwendeten Wörtern eine besondere Bedeutung verleiht, der Patentanspruch so geändert wird, dass die Bedeutung aus dem Wortlaut des Patentanspruchs allein deutlich wird.
Der Großen Beschwerdekammer als höchster gerichtlicher Instanz der unabhängigen Gerichtsbarkeit des EPA obliegt es, die einheitliche Anwendung des EPÜ sicherzustellen. Das EPA wird die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer abwarten und ihre Feststellungen dann umgehend in die Praxis der Prüfungs- und Einspruchsabteilungen umsetzen.