Festes Ammoniak gegen „dicke“ Luft: Dänisches Forscherteam als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2016 nominiert
- Tue Johannessen, Ulrich Quaade, Claus Hviid Christensen und Jens Kehlet Nørskov entwickeln Ammoniakspeicher zur Stickoxid-Reduzierung
- Ammoniak in fester Form zur „Abgasreinigung" bei Diesel-Motoren
- Saubere Luft im Fokus: Stickoxidbelastung in vielen Städten über EU-Grenzwert
- EPA-Präsident Battistelli: „Die Innovation des dänischen Teams ist eine wichtige Entwicklung, um die Luftverschmutzung durch Diesel-Fahrzeuge zu reduzieren, und verheißt Aussichten auf weitere umweltfreundliche Anwendungen."
München, 26. April 2016 - Belastung der Luft mit Stickoxiden wird insbesondere in den Städten, wo der Straßenverkehr täglich für erhebliche Abgasmengen verantwortlich ist, mehr und mehr zu einem Problem: Die EU-Grenzwerte werden vielerorts überschritten - mit entsprechenden Risiken für die Gesundheit der Anwohner. Denn die Schadstoffe belasten und schädigen die Atemwege, besonders bei Kindern und Asthmatikern. Weltweit sterben laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO rund sieben Millionen Menschen jährlich infolge der Luftverschmutzung.
Die Luft sauberer zu machen ist die Vision eines Forscherteams aus Dänemark. Dabei setzt es, obwohl dies zunächst widersprüchlich scheint, auf die „Hilfe" des giftigen, reizenden Gases Ammoniak. Mit Stickoxiden (NOx) gemischt spaltet es diese in Wasserdampf und Stickstoff auf - zwei harmlose Gase. Das ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass Ammoniak dank der Erfindung der dänischen Wissenschaftler sicher aufbewahrt und problemlos transportiert werden kann. Denn die Speicherung, ob im flüssigen oder gasförmigen Zustand, war problematisch und sperrig - bis es den Dänen gelang, Ammoniak in eine feste, kompakte Form zu bringen. Damit ist die größte Hürde überwunden, um Ammoniak als besonders effektiven Abgasreiniger für Dieselmotoren zu nutzen. Zudem öffnet die Innovation die Türen für eine Vielzahl weiterer neuer Einsatzgebiete und Anwendungsmöglichkeiten.
Für diese Leistung hat das Europäische Patentamt (EPA) Tue Johannessen, Ulrich Quaade, Claus Hviid Christensen und Jens Kehlet Nørskov als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2016 in der Kategorie „Kleine und mittelständische Unternehmen" nominiert. Die begehrte Auszeichnung wird am 9. Juni in Lissabon vom Europäischen Patentamt (EPA) zum elften Mal verliehen.
„Die Innovation von Johannessen, Quaade, Christensen und Nørskov ist eine wichtige Entwicklung, um die Luftverschmutzung durch Diesel-Fahrzeuge zu reduzieren, und verheißt Aussichten auf weitere umweltfreundliche Anwendungen", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2016. „In einer Zeit, in der die Reduktion von Emissionen viel Aufmerksamkeit erhält, hat dieses Team gezeigt, wie diese großen Herausforderungen mit Innovationsgeist gemeistert werden können."
Wie ein „Schwamm" - vollgesogen mit Ammoniak
Ammoniak siedet schon bei -33,34 Grad Celsius. Bei normaler Umgebungstemperatur ist es somit gasförmig und zudem flüchtig. Deshalb waren für die Aufbewahrung bislang schwere Hochdrucktanks oder spezielle Kühltechniken nötig - beides kosten- sowie platzintensiv und für den mobilen Einsatz ungeeignet. An Dänemarks Technischer Universität bei Kopenhagen experimentierten die Forscher deshalb mit Ammoniak - auf der Suche nach besseren Speichermöglichkeiten. Mit Erfolg: In Verbindung mit bestimmten Metallsalzen, wie Strontium-Chlorid, bringen die Wissenschaftler Ammoniak in eine feste Form. Die Salze funktionieren dabei wie ein Schwamm und absorbieren Ammoniak in großen Mengen. Ein 100-Gramm Würfel ist nicht größer als eine Handfläche, kann aber bis zu 50 Gramm festes Ammoniak einlagern.
Um ihre Technologie zu vermarkten, gründeten Johannessen, Quaade, Christensen, Nørskov sowie ein weiterer Forscher namens Rasmus Zink Sørensen 2005 die Firma Amminex und verkaufen das neue Material in Kartuschen integriert unter dem Markennamen AdAmmineTM. Es hat Potenzial für den Einsatz in Kraftstoffzellen und in Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen. Derzeit fokussiert Amminex sich aber auf das Abgas-System von Diesel-Motoren: Dort kann Ammoniak den Ausstoß von Stickoxiden, einem Hauptbestandteil von Smog, um bis zu 99 Prozent reduzieren.
Bessere Luft für die Städte
Die meisten bisherigen Systeme zur Reinigung von Diesel-Abgasen gewinnen Ammoniak aus Harnstoff und benötigen dafür eine Temperatur von 200 Grad Celsius, die Motoren in innerstädtischen Bereichen meist nicht erreichen. Das sogenannte Ammonia Storage and Delivery System (ASDS) - ein Produkt, das die dänische Firma auf Basis ihrer Erfindung entwickelt hat - mischt Ammoniak hingegen schon bei Temperaturen von 60 Grad Celsius mit den Abgasen - kein Problem im Stop-and-Go-Verkehr: „Unsere Erfindung führt nicht nur zu einem sehr niedrigen Stickoxidwert in den Abgasen. Sie ermöglicht es dem Motor auch, auf optimaler Betriebstemperatur zu laufen. Das führt zu einem niedrigen CO2 Wert", sagt Tue Johannessen. Auf diese Weise hält sie die Luft genau dort rein, wo die Belastung am größten ist - in den Innenstädten - und leistet somit einen Beitrag für eine bessere Lebensqualität: Der Auftrag, 300 Busse in Kopenhagen mit dem System auszustatten, ist deshalb nicht nur ein großer Erfolg für die Firma, sondern für den zweifachen Vater Johannessen zudem ein Beitrag, auch die direkte Umgebungsluft seiner eigenen Kinder reiner zu machen.
Von der Forschung zum erfolgreichen Unternehmen
Mit der gemeinsamen Forschung an Dänemarks Technischer Universität, wo Johannessen als Chemie-Ingenieur promovierte und als Dozent arbeitete, hatte alles begonnen. Quaade war dort nach seiner Promotion an der Süddänischen Universität ebenfalls Dozent, allerdings im Bereich Physik. Christensen machte seinen Abschluss in Chemie an der Universität Kopenhagen. Nørskov studierte Physik und Chemie und promovierte anschließend in theoretischer Physik an der Universität Aarhus. Heute blicken sie auf ein patentiertes System und eine eigene Firma. 2005 als Spin-off von Dänemarks Technischer Universität gegründet hat sich Amminex schnell zu einem angesehenen Akteur in der Automobilindustrie entwickelt. Das schnelle Wachstum wurde durch vier erfolgreiche Investment-Runden verstärkt. Berichten zufolge liegt das Eigenkapital bei 5,1 Millionen Euro der jährliche Umsatz bei 4,3 Millionen Euro. Um Technologien zu erforschen, die äußerst geringe Stickoxid-Emissionen mit hoher Kraftstoff-Effizienz verbinden, erhielt die Firma zudem Zuschüsse der Europäischen Union. In Deutschland könnten die Innovationen der Dänen auch im Zusammenhang mit der neuen blauen Umweltplakette verstärkt in den Vordergrund rücken.
Weiterführendes Informationsmaterial
Erfahren Sie mehr über die Erfinder
Der Blick auf das Patent: EP1728290 , EP2316558 , EP2305979 , EP2241535
Patente für eine
sauberere, grünere Zukunft
Das dänische Annimex Team hilft, Diesel-Abgase reiner zu machen und ebnet den Weg für ein Verkehrswesen mit geringen Emissionen. Sie schließen sich damit einer Reihe anderer Finalisten und Gewinner des Europäischen Erfinderpreises an, die für ihren Beitrag zur umweltfreundlichen Fortbewegung nominiert wurden. Lesen Sie mehr über energieeffiziente Innovationen.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Über das Europäische Patentamt (EPA)
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