Krebserkrankungen direkt am Tumor bekämpfen: Robert Langer ist Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2016
- Gezielte Krebsmedikamente: US-Erfinder öffnet neue Wege im Kampf gegen Krebs - speziell gegen aggressiven Gehirntumor
- Verkapselt in Biokunststoffe werden Wirkstoffe direkt am Tumor freigesetzt
- Schlüssel für eine neue Form der lokalen Medikamenten-Verabreichung
- EPA-Präsident Battistelli: „Robert Langers Erfindung erschließt eine neue Generation von medizinischen Behandlungen als starke Waffe gegen Krebs."
München, 26. April 2016 - Für Patienten mit der Diagnose Hirntumor sind die Prognosen niederschmetternd: Ein Glioblastom (Glioblastoma multiforme), der häufigste und besonders aggressive bösartige Hirntumor bei Erwachsenen, führt meist innerhalb eines Jahres zum Tod - trotz riskanter Operation am Gehirn, Bestrahlung und Chemotherapie. Doch dank der Forschung des amerikanischen Biotechnologen Robert Langer bieten sich gezielte Behandlungsansätze, auch für weitere Krebserkrankungen. Denn er löst ein entscheidendes Problem einer modernen Generation an Krebsmedikamenten: Sie lassen den Tumor zwar regelrecht „verhungern", verlieren aber beim Transport über den Blutkreislauf schnell an Wirksamkeit, bevor sie am Krebsgewebe ansetzen. Dem Pionier der Medizintechnik ist es gelungen, den Wirkstoff in Mikroplättchen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen zu verkapseln. Als Implantat setzen diese ihn genau dort frei, wo er benötigt wird - direkt am Tumor. Mit gezielten Krebsmedikamenten hat die Forschung des heutigen MIT-Professors (67) begonnen, doch seine Biokunststoffe lassen sich auch als Stents einsetzen oder zu „Gerüsten" zur Unterstützung des Wachstums von neuem Körpergewebe formen.
Für diese Leistung wurde Robert Langer für den Europäischen Erfinderpreis 2016 als einer von drei Finalisten in der Kategorie „Außereuropäische Staaten" nominiert. Die begehrte Auszeichnung wird am 9. Juni in Lissabon vom Europäischen Patentamt (EPA) zum elften Mal verliehen. „Robert Langers Erfindung erschließt eine neue Generation von medizinischen Behandlungen als starke Waffe gegen Krebs", sagt EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2016. „Auf dem Weg zu einer Medizin der Zukunft bietet das Konzept, biologisch abbaubare Kunststoffe zu nutzen, Ärzten neue, bisher unvorstellbare Behandlungsansätze, die bereits die Therapieergebnisse weltweit verändert haben."
Der Ansatz: Die Versorgung des Tumors kappen
Um weiter wachsen zu können benötigen Tumore ab einer gewissen Größe eigene Blutgefäße für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung. Die Idee, deren Entstehung zu unterbinden und den Tumor geradezu auszuhungern, verfolgte der Krebsforscher Judah Folkman, in dessen Team Robert Langer seine Arbeit begann, bereits in den 1970er Jahren. Eingenommen oder injiziert büßen diese sogenannten Angiogenese-Hemmer jedoch deutlich an Wirksamkeit ein, bevor sie den Bestimmungsort - das Tumorgewebe - erreichen. Bei Hirntumoren stellt die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke für die Wirkstoffe eine zusätzliche Schwierigkeit dar.
Durchbruch mit Biokunststoffen: Maximale Wirkung direkt am Tumor
Langer setzt seine ganze Zuversicht in die Möglichkeiten der Chemie, die ihn schon als Kind im Spiel mit Chemie-Baukästen fasziniert hatte - und hat Erfolg. Der Durchbruch gelingt ihm mithilfe von Polymeren, die biologisch abbaubar sind. In die Form eines Mikroplättchens, einem sogenannten Wafer, gebracht, lassen sie sich mit dem Angiogenese hemmenden Medikament bestücken und durch eine minimalinvasive Operation direkt neben dem Tumor implantieren. Dort werden sie vom menschlichen Stoffwechsel allmählich aufgelöst und geben dabei nach und nach den Wirkstoff in der gewünschten Dosis ab - mit maximalem Effekt und geringer Belastung für das gesunde Gewebe: „Man erreicht im Gehirn eine hohe Konzentration, wo sie benötigt wird", erklärt Langer. „Und eine geringe Konzentration im Rest des Körpers, wo sie sonst Schaden anrichten könnte."
Medizin der Zukunft: Neue Wege für zielgerichtete Therapiemethoden
Auf diese Weise steht eine starke Waffe im Kampf gegen Glioblastome zur Verfügung - als Medikament erstmals 1996 von der US-amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) zugelassen. In Langers Versuchen erreichten Patienten eine Überlebensrate von 63 Prozent, im Vergleich zu 19 Prozent in der Kontrollgruppe. Die Erfindung ist zudem Startschuss für bis dahin undenkbare Behandlungsansätze auch bei anderen Krebsarten oder Herzkrankheiten: Mit biologisch abbaubaren Kunststoffen, die eingebettete Wirkstoffe kontrolliert freisetzen, werden gezielt lokal wirkende Therapien möglich. Bis heute wurden mehr als 20 Millionen Menschen weltweit mit Angiogenese hemmenden Substanzen behandelt, und von Therapien, die sich von Langers Biokunststoffen ableiten - inklusive Wirkstoff ummantelter Stents - profitierten über eine Million.
Dass sich Langer in den 70er Jahren nicht wie die Mehrzahl seiner Studienkollegen für einen aussichtsreichen Job in der Ölindustrie begeistern konnte, sondern stattdessen Menschen helfen wollte, war ein Versprechen für die Medizin der Zukunft: Auf Basis seiner Erfindung entstanden vielversprechende neue Behandlungen für Glioblastome, Prostata-Krebs, Endometriose und psychische Krankheiten. Das in Biokunststoffe verkapselte Medikament Gliadel (Glioblastome) generierte bereits 2006 einen Umsatz von rund 32,5 Millionen Euro. Analysten zufolge könnte der Markt für Gliobastom-Behandlungen von 273 Millionen Euro 2013 bis 2020 auf 566 Millionen Euro wachsen.
Bis sich Industrie und Wissenschaft dafür interessierten, wie sie Langers geniale Erfindung nutzen können, dauerte es jedoch Jahre. Nach einer ersten Veröffentlichung über seine Ergebnisse verbrachte er nahezu 28 Jahre damit, die Technologie der implantierbaren Biokunststoffe zu optimieren, und experimentierte mit über 200 Variationen von Polymeren.
Pionier der Medizintechnik
Langers Karriere begann mit seinem Studium an der Cornell University. 1974 promovierte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Heute leitet er dort das weltweit größte biomedizinische Forschungslabor - das David H. Koch Institut - mit über 100 Forschern und ist in dieser Funktion auch immer wieder Bindeglied zwischen Wissenschaft und Industrie. Er ist an 1100 Patenten beteiligt - darunter Erfindungen, die mittlerweile von 300 Pharma-Unternehmen genutzt werden. Auch im deutschsprachigen Raum wird seine Pionierleistung gewürdigt: 1996 wurde er zum Ehrendoktor der ETH Zürich ernannt, 2008 mit dem Max-Planck-Forschungspreis ausgezeichnet.
Weiterführendes Informationsmaterial
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Der Blick auf
die Patente:
EP1639029, EP2075015,
EP1112348,
EP1024801
Krebsbekämpfung mit patentierten Technologien
Robert Langers Biokunststoff
ummantelte Medikamente sind Teil einer neuen Welle von medizinischen
Technologien, die sichere und effiziente Alternativen zu schwerwiegenden
Operationen und aggressiver Chemotherapie bieten. Nanokapseln,
Protonenbestrahlung, Ultraschall, Antikörper und mehr: Von innovativen
Konzepten, geschützt durch Patente, profitieren bereits weltweit Patienten.
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