Ein „Hirnschrittmacher“ gegen Parkinson: Alim-Louis Benabid als Finalist für Europäischen Erfinderpreis 2016 nominiert
- Französischer Neurochirurg und Physiker in der Kategorie Forschung für Europäischen Erfinderpreis nominiert
- Benabid revolutioniert Parkinson-Behandlung mit hochfrequenter Tiefen Hirnstimulation (THS)
- „Hirnschrittmacher" therapiert neurologische Erkrankungen mit elektrischen Impulsen
- EPA-Präsident Battistelli: „Benabids Methode ist heute klinischer Behandlungsstandard und hat weltweit das Leben von über 150 000 Menschen verbessert"
München, 26. April 2016 -- Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit und ständiges Zittern von Gliedmaßen - an diesen Symptomen leiden weltweit zwischen sieben und zehn Millionen Parkinson-Patienten. Allein in Deutschland leben mehr als 250 000 Menschen mit der Krankheit. Dank Alim-Louis Benabid (73) können jedoch auch Patienten im fortgeschrittenen Stadium therapiert werden: Der französische Neurochirurg und Physiker hat mit der hochfrequenten Tiefen Hirnstimulation (THS) ein revolutionäres Verfahren entwickelt, das heute als klinischer Standard bei der Behandlung von Parkinson gilt. Weltweit haben bereits 150 000 Patienten von THS profitiert. Darüber hinaus kommt die Methode auch bei anderen neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie, essentiellem Tremor und Dystonie erfolgreich zum Einsatz. Für diese Leistung wurde Alim-Louis Benabid für den Europäischen Erfinderpreis 2016 als Finalist in der Kategorie „Forschung" nominiert. Die begehrte Auszeichnung wird am 9. Juni in Lissabon vom Europäischen Patentamt (EPA) zum elften Mal verliehen.
„Benabids Erfindung stellt einen Meilenstein in der Behandlung von Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen dar, der Patienten ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2016. „Seine Methode hat sich weltweit als klinischer Standard etabliert und bereits das Leben von über 150 000 Menschen verbessert."
Benabid verdankt die bahnbrechende Erfindung einem Zufall aus dem Jahr 1987: Weil es damals keine Alternativen gab, wurde Patienten mit fortgeschrittenem Parkinson im sogenannten Läsionsverfahren Teile des Gehirns operativ entfernt. Um gesundes von schadhaftem Gewebe im Gehirn zu unterscheiden, nutzten Ärzte dabei die Stromimpulse einer Messsonde. Als Benabid während einer Operation hierzu die Frequenz erhöhte, verschwand das Zittern des Parkinsonpatienten: „Ich habe in dem Moment gemerkt, in dem ich bei 100 Hertz stimuliert habe, dass das Zittern aufgehört hat", erinnert sich Benabid. „Als ich den Patienten fragte, ob er seine Finger bewegen kann, bejahte er. Das hat bewiesen, dass wir nur das Zittern unterdrückt haben." Eine spektakuläre Entdeckung und Grundlage für die medizinische Umsetzung. Diese trieb Benabid von diesem Zeitpunkt mit der Zielsetzung voran, Patienten eine elektrische Sonde dauerhaft im Gehirn zu implantieren.
Knapp zehn Jahre später wurde die Vision Benabids Wirklichkeit und der „Hirnschrittmacher", wie die Erfindung des Franzosen umgangssprachlich genannt wird, erhielt erstmals die Zulassung für die Parkinson-Behandlung in Europa. Seit 2002 ist das Verfahren von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen. Heute gilt es weltweit als Standard bei der klinischen Behandlung einer fortgeschrittenen Parkinsonerkrankung und versetzt Menschen, die aufgrund der Erkrankung bewegungsunfähig sind, wieder in die Lage, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Kleine Stromschläge mit großer Wirkung
Bei dem reversiblen Verfahren pflanzen Ärzte den Parkinson-Patienten eine elektrische Sonde im Gehirn ein, über die elektrische Impulse mit kontrollierten Intensitäten von 130 Hertz an bestimmte Regionen des Thalamus und die umgebenden Bereiche abgegeben werden. Angetrieben wird die Elektrode durch den über ein Kabel verbundenen Stimulator, der meist im Bereich des Schlüsselbeins unter die Haut implantiert wird. Dank der kleinen Stromschläge werden die gestörten Funktionen unterdrückt, welche die Parkinson-Symptome auslösen.
Ein Leben für die Neuromedizin
Während seiner mehr als 45-jährigen medizinischen Laufbahn war der promovierte Physiker in einer Reihe von herausragenden Positionen in Wissenschaft und Medizin tätig, unter anderem als Neurochirurg an der Universität Joseph Fourier, als Professor für experimentelle Medizin und der Biophysik, als Direktor am französischen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM) sowie als Leiter der Abteilung Neurochirurgie am Hospital Grenoble. Sein Erfindungsreichtum ebnete den Weg für zahllose Verbesserungen der therapeutischen Geräte für THS, darunter das Design der Sonden, der Elektroden und der Halterungen. Der passionierte Hobbymaler und Skifahrer hat zwölf Patente eingereicht, über 500 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und zahlreiche Auszeichnungen für sein Lebenswerk erhalten.
Heute ist Benabid Vorsitzender von Clinatec, ein Unternehmen, das er zur Weiterentwicklung von THS sowie zur Forschung auf dem Gebiet der Medizin- und Nanoelektroniktechnik mitbegründet hat. Seine Erfindung wurde in einer Kooperation zwischen Clinatec und dem Medizintechnik-Konzern Medtronic kommerzialisiert. Einer Studie zufolge steigt das THS-Marktvolumen für Parkinson-Erkrankungen weltweit bis ins Jahr 2020 auf rund drei Milliarden Euro.
Weiterführendes Informationsmaterial
Erfahren Sie mehr über den Erfinder
Das Patent: EP2184083, EP1682218, EP2139389, EP1961444, EP1932561
High-Tech im Operationssaal: Die Zukunft der Medizin liegt in patentierten Technologien
Dank der Tiefen Hirnstimulation (THS) können heute viele Parkinson-Patienten wieder ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben führen. THS ist einer von mehreren revolutionären medizinischen Meilensteinen, die die Welt verändern und auf Patenten beruhen. Lesen Sie mehr über patentierte Technologien aus der Medizintechnik.
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