Einfach kleiner und besserer Sound: Lars Liljeryd als Finalist für Europäischen Erfinderpreis 2017 nominiert
- Der schwedische Erfinder Lars Liljeryd nominiert für Europäischen Erfinderpreis 2017 in der Kategorie „Industrie" für seine einzigartige Audiokompressionstechnologie SBR
- Im Gegensatz zu herkömmlicher Methode bleibt die Klangqualität erhalten
- SBR-Technologie kommt in weltweit circa sechs Milliarden Geräten zum Einsatz
- Verringerung der Größe von komprimierten Audiodateien um bis zu 50 Prozent
- Mehr Effizienz und Qualität beim Streamen, Übertragen und Aufnehmen von Audiodateien
- EPA-Präsident Battistelli: „Die innovative Komprimierungstechnologie von Liljeryd hat die Möglichkeiten der digitalen Audiotechnologie erweitert und die Klangqualität bewahrt."
München, 26. April 2017 - Es gibt nur wenige Rocker, die von sich behaupten können, eine ganze Industrie verändert zu haben. Einer davon ist der schwedische Erfinder, Toningenieur und Musikliebhaber Lars Liljeryd. Er hat mit der Spektralbandreplikation (SBR) eine revolutionäre Kompressionstechnologie erfunden, welche die Größe von Audiodateien um rund die Hälfte reduziert ohne dabei die Klangqualität einzuschränken. Diese rekonstruiert höhere Frequenzanteile auf der Empfängerseite über Steuersignale aus einem niederfrequenten Teil der Töne. SBR kommt heute in den am häufigsten eingesetzten Verfahren zum Streamen, Speichern und Abspielen von Audiodateien zur Anwendung. Davon profitieren Millionen Menschen weltweit, wenn sie Musik, Radiosendungen oder Podcasts in bester Soundqualität hören.
Für diese Leistung wurde Lars Liljeryd für den Europäischen Erfinderpreis 2017 als einer von drei Finalisten in der Kategorie „Industrie" nominiert. Die Auszeichnung wird am 15. Juni im Rahmen eines Festakts in Venedig vom Europäischen Patentamt (EPA) zum zwölften Mal verliehen.
„Die innovative Komprimierungstechnologie von Lars Liljeryd hat die Möglichkeiten der digitalen Audiotechnologie erweitert und die Klangqualität bewahrt", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2017. „Er hat es uns ermöglicht , besseren Sound - einfach und erschwinglich - auf digitalen Geräten zu genießen. Dank seines neuen Denkansatzes und der Hilfe von Patenten gelang es ihm, sich in einem wettbewerbsintensiven Bereich zu etablieren, der sonst von größeren Spielern dominiert wird."
Der SBR-Turbolader
Um die großen Datenmengen von Tondokumente zu reduzieren, wurden bei herkömmlichen Komprimierungsverfahren (Codecs) in bestimmten Frequenzen Informationen der Audiodaten entfernt. So erreicht die MP3-Nachfolgertechnologie Advanced Audio Coding (AAC) eine Komprimierungsrate von 90 Prozent - bei jeder zusätzlichen Komprimierung leidet jedoch die Klangqualität.
Der Autodiktat und „verrückte Außenseiter", wie er sich selbst bezeichnet, erkannte, dass es nicht nötig ist, alle Bestandteile einer Datei zu übertragen, um den ursprünglichen Klang zu konservieren. Seine Erfindung beruht auf einem akustischen Phänomen, das als "spektrale Redundanz" bekannt ist. Dies machte sich Liljeryd zunutze, indem er bei seiner Methode hohe Töne mit großem Datenvolumen nicht direkt mit überträgt. Vielmehr rekonstruiert er diese auf der Empfängerseite über Steuersignale aus einem direkt kodierten niederfrequenten Teil der Töne.
Komprimierte Audiodateien lassen sich mit Hilfe von SBR um bis zu 50 Prozent reduzieren, ohne die Klangqualität zu beeinträchtigen. Liljeryd vergleicht das Verfahren mit einem Turbomotor in einem Sportwagen. „Der Turbo erhöht die Leistung und Effizienz des Motors um ein Vielfaches", sagt Liljeryd. „Mein ursprünglicher Gedanke war eine Technik, die eine Art Turbo sein sollte, den man zu den bestehenden Kodierungen wie MP3 oder AAC zuschalten kann." Liljeryd: „Wir verbessern also deren Technologie. Das Geschäftsmodell war, diese Turboeinheiten an die Soundcode-Hersteller zu verkaufen."
Liljeryd erkannte, dass er seine Technologie nicht als eigenes Tool vermarkten konnte, sondern in die spezifische Dekodierungssoftware integrieren musste. Hierfür sammelte er mit Kristofer Kjörling, Per Ekstrand und Fredrik Henn ein Team aus hochspezialisierten Ingenieuren um sich, um ein kleines Start-up zu gründen. Als Folge der wachsenden Komplexität ihrer Arbeit wandte sich das Team an das Fraunhofer-Institut in Erlangen das sowohl MP3 als auch AAC entwickelt hatte. Mit zusätzlichem Investitionskapital gründete Liljeryd daraufhin Coding Technologies AB in Schweden - und gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut den deutschen Ableger Coding Technologies GmbH. Als CEO der Firma konnte Liljeryd Fraunhofers MP3-Spezialisten Martin Dietz gewinnen. 2002 erweiterte die SBR-Technologie erfolgreich AAC als „HE-AAC". HE-AAC gilt heute als eine der weltweit gefragtesten Audiocodectechnologien des MPEG-Standards.
Für Internetdienstanbieter und einen wachsenden Kundenkreis, der immer mehr Datenmengen nutzt, sind die Vorteile einer solchen Effizienzverbesserung offensichtlich: Wenn sich Musik und Podcasts streamen lassen, statt sie herunterzuladen, gibt es weniger Bedarf für größere Festplatten, was Hardwarekosten spart. Zudem ziehen niedrigere Bitraten auch niedrigere Übertragungskosten nach sich. All dies hat maßgeblich zur Popularität der Technologie beigetragen.
Ein neuer Blick auf Audiokompression
Dass dem Schweden dieser große Wurf gelang, kommt nicht von ungefähr: Die Suche nach dem richtigen Sound - immer mit der bestmöglichen Verknüpfung von Ton und Elektronik - trieb ihn schon immer an. Liljeryd war in zwei Bands Schlagzeuger, die sich in den schwedischen Popcharts platzierten, arbeitete als Toningenieur und Lasershow-Künstler, baute Hammond-Orgeln um und ist der Eigentümer eine Biotech-Firma, Unternehmer und kreativer Kopf hinter einer Vielzahl von Innovationen. Aber wenn es Konstanten in seinem Leben gibt, dann sind dies die Liebe zur Musik, sein Wunsch, Bestehendes zu hinterfragen, und sein - ganz selbst erlerntes - Know-How in der Elektronik in der Praxis anzuwenden. All dies vereinte er bei der Erfindung seiner Methode:
„Die Wissenschaft, die hinter der Soundcodierung steht, gilt als sehr traditionell. Ich hatte eine andere Sichtweise auf das Thema", sagt Liljeryd. „Das hat dazu geführt, dass ich als Person wahrgenommen wurde, die mit einer disruptiven Technologie traditionelles Denken aufbrechen wollte".
Der Schwede, der in neun verschiedenen Patentfamilien als Erfinder oder Miterfinder genannt ist, wurde für die Entwicklung von SBR vielfach ausgezeichnet, etwa von der Royal Swedish Academy of Engineering Sciences mit dem Grand Technology Prize (2006, gemeinsam mit Kristofer Kjörling, Per Ekstrand und Fredrik Henn), dem IEEE Masaru Ibuka Consumer Electronics Award (2013, gemeinsam mit Martin Dietz und Kristofer Kjörling) und von angesehenen Zeitungen als einer von Schwedens einflussreichsten Denkern anerkannt (2005, Ny Teknik und Dagens Industri).
Von der Erfindung zum Massenmarkt
Die in den HE-AAC Standard - und dessen spätere Upgrades - eingegliederte Technologie kommt auf einem Audiocodec-Markt zum Einsatz, der 2015 rund fünf Milliarden Euro umfasste und bis 2022 ein Volumen von fast sieben Milliarden Euro erreichen soll. Um die Technologie stärker im Massenmarkt zu positionieren, erwarb Dolby Laboratories im Jahr 2007 Coding Technologies, inklusive der Schlüssel-Patente, für damals rund 170 Millionen Euro.
Nach dieser Übernahme arbeitete Liljeryd als technischer Seniorberater mit Dolby Laboratories zusammen, bis er 2016 in „den Ruhestand ging". Dort geht er verschiedenen Hobbies nach und unterstützt das schwedische MedTech Start-up Diabetes Tools AB, welches er im Jahr 2000 gründete. „Ich hoffe, mit meinen neuen und alten Erfindungen erfolgreich zu sein, und dabei die Gesundheit und die Therapiemöglichkeiten von Diabetes-Patienten zu verbessern", sagt Liljeyrd.
Die Technologie des Schweden kommt in weltweit über sechs Milliarden Geräten zum Einsatz. So wird SBR in beliebten Musikplattformen wie iTunes von Apple, von Satelliten-Hörfunkdiensten inklusive des Digital Radio Mondiale (DRM) Rundfunkdienstes, sowie für die Audiokomprimierung von digitalen TV-Signalen in vielen Ländern genutzt.
Weiterführendes Informationsmaterial
- Video- und Fotomaterial
- Erfahren Sie mehr über die Erfinder
- Der Blick auf die Patente: EP0940015
Ergiebiges Betätigungsfeld für Europäische Erfinder
Europäische Erfinder von Audio- Videocodierung spielten bei der Verleihung des Europäischen Erfinderpreises in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche Rolle: Liljeryd steht in einer Reihe mit Karlheinz Brandenburg (2006; Finalist in der Kategorie Lebenswerk), der von vielen als der Vater der digitalen Audiokompression und als einer der Vordenker bei der MP3-Entwicklung am Fraunhofer-Institut betrachtet wird, sowie Leonardo Chiariglione (2008; Finalist in der Kategorie Lebenswerk). Beide etablierten den MPEG Codec und waren Wegbereiter von Videostandards, die zu HDTV führten. In ähnlicher Weise war Kornelis A. Schouhamer Immink (2015; Finalist in der Kategorie Lebenswerk) maßgeblich beteiligt an der Entwicklung von EFM beteiligt, der Datenkodierung hinter CDs, DVDs und Minidiscs.
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