Faserfolie gegen unerwünschten Meeresbewuchs: Rik Breur als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert
- Der niederländische Wissenschaftler und Erfinder ist für seine Antifouling-Technologie als Finalist für den Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Breurs klebende Faserfolie ahmt stachelige Oberfläche von Tieren und Pflanzen nach und verhindert unerwünschte Besiedlung von Plattformen und Schiffsrümpfen durch Meereslebewesen
- Umweltschonende Alternative zu herkömmlichen toxischen Produkten auf Lackbasis
München, 7. Mai 2019 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt die Nominierung des niederländischen Materialwissenschaftlers Rik Breur für den Europäischen Erfinderpreis 2019 bekannt. Breur hat eine umweltneutrale faserbasierte Folie entwickelt, die Biofouling - das Wachstum von Meereslebewesen wie Algen, Seepocken und Muscheln auf Schiffsrümpfen und festen Strukturen wie Plattformen - verhindert.
Breur wurde für seine Erfindung, die derzeit über sein eigenes Unternehmen vermarktet wird, als einer von drei Finalisten in der Kategorie „KMU" (Kleine und mittlere Unternehmen) nominiert. Seine Entwicklung verhindert Biofouling, ohne dass schädliche Chemikalien zum Einsatz kommen, die ins Wasser gelangen. Die Faserfolie schützt Eigner von Schiffen und festen Bauwerken vor der kostspieligen Entfernung von Meeresorganismen, die sich an Offshore-Windparks, Ölplattformen und Schiffen festsetzen. Er verbessert zugleich die Kraftstoffeffizienz in der Schifffahrt, da derartiger Bewuchs den Verbrauch um bis zu 40 Prozent erhöhen kann.
„Breur konnte einen neuen Ansatz für ein altes Problem entwickeln, weil er an der Schnittstelle von Materialwissenschaft und Biologie arbeitete", sagte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2019. „Durch die Kombination von Inspiration aus der Natur und wissenschaftlicher Expertise hat Breur eine Lösung entwickelt, die sowohl dem maritimen Sektor nützt als auch der Meereswelt zugutekommt."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden 2019 im Rahmen einer Galaveranstaltung am 20. Juni in Wien bekannt gegeben.
Die Natur als Inspiration
Biofouling stellt Eigner von Schiffen und festen Strukturen, die sich im Wasser befinden, vor ein Dilemma: Entweder sie verhindern die Ansiedlung von Meeresorganismen mithilfe giftiger Antifouling-Lacke, die sich sehr negativ auf die Umwelt auswirken können, oder sie lassen die Organismen ungehemmt wachsen. An Schiffsrümpfen kann der daraus resultierende Widerstand jedoch den Treibstoffverbrauch um bis zu 40 Prozent erhöhen, was jährlich zusätzliche Kosten von bis zu 20 Milliarden Euro verursacht. Schäden durch Biofouling an statischen Bauwerken wie Windparks und Bohrinseln erfordern darüber hinaus aufwendige Reinigungsarbeiten.
Der Umwelt zuliebe wollte der niederländische Erfinder Rik Breur dieses Problem lösen. Breurs berufliche Laufbahn begann 1996 bei der niederländischen Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung (TNO). Nachdem er 2001 an der Technischen Universität Delft über die Zusammenhänge von Korrosion und Biofouling promoviert hatte, gründete er 2002 sein eigenes Forschungsunternehmen, das Material Innovation Centre, um Innovationen in diesem Bereich voranzutreiben.
Inspirieren ließ sich Breur von seinem Interesse an Biologie und insbesondere davon, wie es die Natur selbst schafft, unerwünschten Bewuchs zu verhindern und die Ansiedlung anderer Organismen abzuwehren. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter, leitender Forscher und begeisterter Taucher untersuchte er lange Zeit die stacheligen Oberflächen von Seeigeln. Breur war begeistert davon, wie diese sich selbst schützen, und bildete ihre Abwehrmechanismen nach. Hierfür entwickelte er eine Ummantelung aus steifen, stacheligen Mikrofasern. Die ständige Bewegung der Nylon-Stacheln schuf eine feindliche Umgebung für Algen, Muscheln, Seepocken und andere Meeresbewohner und hielt die Oberfläche folglich frei von Biofouling.
Bis die optimale Länge, Flexibilität und Dichte
der Fasern gefunden war, vergingen einige Jahre. 2006 meldete Breur ein
europäisches Patent für eine Biofouling-Oberfläche mit steifen Fasern zwischen
3 mm und 4 mm Länge an.
Leicht anzubringen, hohe Lebensdauer
Im gleichen Jahr kam auch sein erstes kommerzielles Antifouling-Produkt für die Behandlung von fixierten Fischzuchtnetzen auf den Markt. Breur erkannte, dass das Konzept über die Fischzucht hinaus Anwendung finden könnte: Ob in Bewegung oder nicht - die Faserfolie wirkte bei Schiffen gleichermaßen. So ließ sich die Idee ebenfalls bei statischen Objekten wie Ölplattformen und Offshore-Windkraftanlagen verwirklichen.
In den vergangenen zehn Jahren konzentrierte er sich darauf, seine Technologie von festen Strukturen auf Schiffe zu übertragen. Dies ist nicht nur auf die große Nachfrage nach Antifouling-Anwendungen in der Schifffahrt zurückzuführen, sondern auch auf Breurs Bestreben, die Umweltbelastung durch lackbasierte Antifouling-Produkte zu senken.
Denn herkömmliche Antifouling-Lacke enthalten häufig Chemikalien und Schwermetalle, die für Meeresbewohner schädlich sein können. Dazu gehört auch Kupfer, das für Fische und Krustentiere 10 bis 100 Mal tödlicher ist als für Säugetiere. Studien deuten darauf hin, dass bis zu einem Fünftel aller Kupferemissionen in unseren Gewässern von Antifouling-Lacken stammen. Durch Breurs Technologie stehen Eigentümer von Schiffen, Fischzuchtanlagen und anderen maritimen Strukturen nicht mehr länger vor der Wahl, giftige Antifouling-Lacke aufzutragen oder das Problem einfach zu ignorieren. Stattdessen können sie nun auf eine effektive und umweltfreundliche Lösung aus Mikrofasern zurückgreifen.
Das von Breur patentierte Material, welches aus Nylonfasern, Polyester-Selbstklebefolie und einem Zweikomponentenkleber auf Wasserbasis besteht, wird ähnlich wie Teppichboden in Rollen ausgeliefert. Die Folie, die unter dem Namen Finsulate Antifouling vertrieben wird, kann von jeder Werft, jedem Verpackungsunternehmen oder jeder Lackiererei am Schiffsrumpf angebracht werden. Dabei ist es dank der senkrechten Fasern unerheblich, in welcher Richtung die Ummantelung befestigt wird. Die Fasern sind so dicht, dass sich dazwischen nichts ansammeln kann. Dank sorgfältiger Beachtung der Hydrodynamik verlangsamt die Beschichtung die Schiffe nicht. Ihre Lebensdauer beträgt fünf Jahre, und dies ohne jegliche Wartung.
2017 folgte eine zweite, internationale Patentanmeldung für die Verbesserung seiner Erfindung. Darin beschrieb Breur weichere Borsten, die eine Verschmutzung der Zwischenräume verhindern und eine verbesserte Hydrodynamik aufweisen. Breur betont, dass die Patente entscheidend dazu beigetragen haben, seine Erfindung zur Marktreife zu entwickeln und die finanziellen Mittel dafür aufzubringen: „Sie haben mir Glaubwürdigkeit auf dem Markt verschafft und mir geholfen, Investoren an Bord zu holen. Ohne Patentschutz wäre das nicht möglich gewesen."
Sauberere Schiffe, sauberere Meere
Prognosen gehen von einem Wachstum im Markt maritimer Beschichtungen von 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 3,4 Milliarden Euro bis 2022 aus. Ein wichtiger Grund dafür ist der erwartete Anstieg des internationalen Handels, insbesondere durch die Schifffahrt. Die Seefracht bewältigt nach wie vor einen Großteil davon und ist eine Branche, die auf Größe und Effizienz angewiesen ist, so dass der Bedarf an Antifouling-Lösungen noch steigen wird. Derzeit führt Breur einen Einmannbetrieb, in dem nahezu alle Bereiche des Unternehmens ausgelagert sind. Obwohl sein Unternehmen bereits große Schiffe mit der Folie ausgerüstet hat, liegt der Schwerpunkt des Erfinders derzeit auf Sportbooten und Yachten, deren Markt in Europa und Nordamerika am größten ist.
Für Breur ist die Größe seines Unternehmens zweitrangig. Zunächst will er einen strategischen Partner finden und von dessen Vertrieb und Logistik profitieren. Er sagt, dass er sich auf seine Stärke konzentrieren möchte: Die Weiterentwicklung seiner Erfindung. Im März 2018 wurde Finsulate auf der Amsterdamer Bootmesse HISWA zum Produkt des Jahres 2018 gekürt. „Was mir wirklich Spaß macht, ist, dass man durch Kreativität eine Lösung für ein gesellschaftliches Problem finden kann. Und das ist meine größte Motivation. Über Jahre der Evolution hat die Natur bereits viele Dinge gelöst. Davon können wir Menschen lernen."
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien bei einer Galaveranstaltung verliehen, die dieses Jahr am 20. Juni stattfindet. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting ermittelt. Die Abstimmung auf der EPA-Website ist bis zum 16. Juni 2019 möglich.
Über das Europäische Patentamt
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.
Weiterführendes Material
Blick auf das Patent: EP1996453
Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Europäischen Erfinderpreis 2019 sind in der EPA-Mediathek erhältlich. Smart TV-Nutzer können unsere App „Innovation TV" herunterladen und Videos zu allen Finalisten auf ihrem Fernseher anschauen. Die Verleihung am 20. Juni 2019 wird live auf „Innovation TV", der EPA-Website und der Facebook-Seite des EPA übertragen.
EPA-Pressekontakt
Jana Mittermaier
Direktor Externe Kommunikation
Rainer
Osterwalder
Pressesprecher
Pressestelle des EPA
Tel. +49 89 2399 1833
Mobile: +49 163 8399527
press@epo.org