Neue Patentdaten: Erfindungen im Bereich vernetzte intelligente Objekte steigen rasant weltweit
- EPA-Studie zeigt, dass Technologien der Vierten Industriellen Revolution (4IR) für mehr als 10% des weltweiten Patentierungsaufkommens 2018 verantwortlich sind
- Globales Wachstum von 4IR-Patenten nahezu fünfmal so schnell wie der Durchschnitt aller Technologien
- USA sind Weltmarktführer, starkes Wachstum aus China und Südkorea; Europa verliert an Boden
- Deutschland, Vereinigtes Königreich und Frankreich verzeichnen im europäischen Vergleich die größten Anteile an 4IR-Erfindungen, einige kleinere europäische Staaten weisen dagegen höhere Wachstumsraten auf
- Top 20 regionale Innovationscluster für mehr als die Hälfte der 4IR-Patentierungstätigkeit verantwortlich; die 13 bedeutendsten Cluster liegen in Asien und den USA
München, 10. Dezember 2020 - Wie eine heute veröffentliche Studie des Europäischen Patentamts (EPA) zeigt, hat die Geschwindigkeit weltweiter Innovationen im Bereich der 4IR-Technologie enorm zugenommen. Zwischen 2010 und 2018 wuchs die Zahl der weltweiten Patentanmeldungen in Technologien, die sich auf vernetzte intelligente Objekte beziehen und das Internet der Dinge, Big Data, 5G und Künstliche Intelligenz (KI) umfassen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von rund 20%. Dies ist fast fünfmal schneller als der Durchschnitt aller Technologiefelder.
Die Studie mit dem Titel „Patente und die Vierte Industrielle Revolution. Globale Technologietrends – Treiber datengesteuerter Wirtschaft“ hat sämtliche internationale Patentfamilien (IPF) auf 4IR-Technologien zwischen 2000 und 2018 untersucht. Diesen liegt jeweils eine hochwertige Erfindung zugrunde, für die Patentanmeldungen bei zwei oder mehr Patentämtern weltweit eingereicht worden sind. Wie die Studie zeigt, wurden allein im Jahr 2018 nahezu 40 000 neue IPF für diese Technologien angemeldet. Dies bedeutet, dass sie in dem Jahr mehr als 10% des gesamten weltweiten Patentierungsaufkommens ausmachten.
“Die vereinte Kraft von intelligent vernetzten Geräten, schnellerem drahtlosem Internet, Big Data und KI verändert unsere Weltwirtschaft tiefgreifend und hat weitreichende Auswirkungen auf viele Sektoren, von der Produktion über das Gesundheitswesen bis hin zum Transport", sagte EPA-Präsident António Campinos. "Es handelt sich nicht nur um eine Beschleunigung von Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, sondern vielmehr um eine bedeutende Verschiebung hin zu einer vollständig datengetriebenen Wirtschaft. Es ist zutreffend, dass Europa nicht so schnell wächst wie andere Regionen. Unsere Stärke liegt jedoch in der Vielfalt unseres Innovationsökosystems, in der starken Leistung einiger kleinerer Volkswirtschaften mit hohem Spezialisierungsgrad sowie in den innovativen regionalen Clustern, die in Europa zuhause sind."
Mit Blick auf die Technologiefelder kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Erfindungen in den Bereichen Konnektivität und Datenmanagement das stärkste Wachstum verzeichneten. Mit nahezu 14 000 IPF in 2018 und jährlichen Zuwachsraten von 26,7% von 2010 bis 2018 ist der Sektor Konnektivität, der Protokolle sowie die Nahbereichs- und Fernkommunikation umfasst, der größte aller analysierten 4IR-Technologiebereiche. Dieser beeindruckende Anstieg ist größtenteils durch die Entwicklung von 5G begünstigt, das die massive Verwendung von 4IR-Technologien unterstützen wird. Im Bereich Datenmanagement, in dem alle Technologien vertreten sind, die eine Nutzung von Daten beinhalten – von ihrer Erstellung, Verarbeitung und Analyse bis zu Ausführungsrückmeldungen – wurde von 2010 bis 2018 ein jährliches Wachstum von 22,5% festgestellt. Allein im Jahr 2018 wurden mehr als 11 000 IPF in diesem Bereich verzeichnet.
Im selben Zeitraum fanden 4IR-Innovationen auch ihren Weg in unterschiedlichste Anwendungsgebiete – von Konsumgütern und Dienstleistungen über Fahrzeuge bis zu Gesundheit und Industrie. Dabei entstanden im größten Anwendungsbereich, den intelligenten Konsumgütern (z. B. Wearables, Unterhaltung, Spielzeug, Textilien), allein im Jahr 2018 über 10 000 IPF (vgl.: Globales Wachstum der IPF in Anwendungsgebieten 2000-2018 ).
USA führend – Europa wächst, verliert jedoch an Boden
Hinsichtlich der Ursprungsregionen der 4IR-Innovationen bestätigt die Studie die führende Position der USA, die rund ein Drittel aller Erfindungen der Jahre 2000 bis 2018 beisteuerten. Aus Europa und Japan stammte jeweils etwa ein Fünftel der Innovationen. Die USA konnten im Vergleichszeitraum ihren Vorsprung bei den weltweiten Patentanmeldungen seit 2010 durch ein rasanteres jährliches Wachstum von 18,5% gegenüber Europa (durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 15,5%) und Japan (durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 15,8%) ausbauen. Ausgehend von einem sehr niedrigen Anmeldeniveau Ende der 2000er Jahre steigerten China und Südkorea ihre Innovationstätigkeit mit einer sehr hohen Zuwachsrate und verbuchten zwischen 2010 und 2018 ein Wachstum von 39,3% bzw. 25,2% im Jahresdurchschnitt.
Sowohl das rasche Aufkommen Chinas und Südkoreas als auch die starke Entwicklung von Patentanmeldungen aus anderen Regionen haben dazu geführt, dass Europa gegenüber anderen globalen 4IR-Innovationszentren im betrachteten Zeitraum an Boden verloren hat.
In Europa selbst stammen allein 29% der zwischen 2000 und 2018 von europäischen Firmen und Erfindern angemeldeten 4IR Patente aus Deutschland – mehr als doppelt so viele wie aus dem Vereinigten Königreich (14,3%) und Frankreich (12,5%). Dennoch lagen die Wachstumsraten der 4IR-Innovation dieser drei Länder zwischen 2010 und 2018 deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt (19,7%). Im Gegensatz dazu zeigten Schweden (+22,6%) und die Schweiz (+19,6%) das schnellste Wachstum in Europa und verzeichneten bei den IPF zwischen 2010 und 2018 Steigerungsraten, die dem weltweiten Durchschnitt entsprachen bzw. diesen sogar übertrafen. Mehrere Länder, insbesondere Schweden (10,1% aller europäischen IPF seit 2000), die Niederlande (7.7%), Finnland (6,9%) und die Schweiz (3,5%), trugen maßgeblich zur Anzahl der 4IR-Innovation in Europa bei. Zudem sind Finnland und Schweden in Bezug auf IPF pro Million Einwohner (651 bzw. 524 im Zeitraum 2000-2018) in Europa führend und liegen auf demselben Level wie Südkorea (525).
Ranking der Top-Anmelder verdeutlicht Vorrücken Südkoreas und Chinas
Die führenden zehn Anmelder der Jahre 2010 bis 2018 vereinten fast ein Viertel aller IPF für 4IR-Technologien auf sich. An der Spitze stehen die südkoreanischen Unternehmen Samsung und LG. Neben vier US-amerikanischen Unternehmen befinden sich auch zwei europäische sowie jeweils eine Firma aus Japan und China in den Top 10. Ein Vergleich mit dem Ranking für den Zeitraum von 2000 bis 2009 zeigt jedoch, dass die führenden europäischen und japanischen Anmelder seit 2010 Boden gegenüber ihren US-amerikanischen, südkoreanischen und chinesischen Konkurrenten verloren haben.
4IR-Innovation auf regionale Cluster konzentriert
Die Studie zeigt ebenfalls, dass sich die Innovationstätigkeit auf bestimmte regionale Cluster konzentriert. Zumeist befinden sich diese in großen urbanen Ballungsgebieten, die über ein Ökosystem aus leistungsstarken Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen sowie führenden Technologieunternehmen verfügen. Die Top 20 4IR-Cluster bilden die Hauptquellen der 4IR-Innovation in ihren jeweiligen Ländern und sind zusammen für deutlich mehr als die Hälfte (56,3%) aller IPF im Zeitraum von 2010-2018 verantwortlich. Das Ranking der führenden Regionen wird von 13 asiatischen und US-amerikanischen Clustern angeführt, gefolgt von sieben Clustern aus Europa und dem Nahen Osten, alle mit unterschiedlichen führenden Unternehmen und 4IR Spezialisierungsprofilen (vgl. Abbildung: Größte 4IR-Cluster in Europa und im Nahen Osten, 2010-2018 ).
Die zwei bedeutendsten 4IR-Cluster (Seoul und Tokio) verzeichnen jeweils fast 10% aller IPF weltweit, das drittplatzierte San José (Silicon Valley) 6,8%. Alle US-amerikanischen, südkoreanischen und chinesischen Cluster in den Top 10 zeigten zwischen 2010 und 2018 einen starken Zuwachs, wobei die Region Peking den höchsten Anstieg (30% jährlich) verzeichnete. Die führenden europäischen und japanischen Cluster wiesen im selben Zeitraum geringere jährliche Zuwachsraten auf. Im Vergleich zu den sehr großen globalen Clustern anderer Regionen scheint die 4IR-Innovationstätigkeit in Europa überdies auf kleinere regionale Cluster verteilt zu sein.
Weiterführende Informationen
Die gesamte Studie sowie die Zusammenfassung finden Sie unter epo.org/trends-4IR.
Hinweise an die Redaktionen
- Die Studie wird vom Chefvolkswirt des EPA am 17. Dezember 2020 im Rahmen einer virtuellen Konferenz mit dem Titel The role of patents in an AI driven world (17./18. Dezember 2020) vorgestellt. Erfahren Sie mehr darüber und registrieren Sie sich für die Veranstaltung.
- Lesen Sie mehr über die Vierte Industrielle Revolution.
- Weitere Statistiken finden Sie auf der Seite des EPA Patent Index 2019.
Über die Studie
Diese Studie untersucht die Entwicklung im Bereich der 4IR-Technologien aus einer globalen Perspektive auf der Grundlage von internationalen Patentfamilien (IPF). Es werden alle IPF untersucht, die von Unternehmen und Erfindern auf der ganzen Welt zwischen 2000 und 2018 in über 350 verschiedenen Technologiefeldern eingereicht worden sind. Die Studie zeigt auch die wichtigsten Cluster für bestimmte 4IR-Kompetenzen in den USA, Europa, Japan, der Republik Korea sowie China auf und präsentiert vier Fallstudien, in denen eine Reihe von Erfindungen im Zusammenhang mit der Vierten Industriellen Revolution dargestellt werden.
Internationale Patentfamilien
Die Patentanalyse in diesem Bericht basiert auf dem Konzept der internationalen Patentfamilien (IPF). Jede IPF steht für eine einzelne Erfindung für die Patentanmeldungen in mindestens zwei Ländern oder bei einem regionalen Patentamt (wie z.B. dem EPA) eingereicht und dort veröffentlicht wurden, sowie veröffentlichte internationale Patentanmeldungen. IPF repräsentieren Erfindungen, die von ihrem Schöpfer für wertvoll genug erachtet werden, um internationalen Patentschutz anzustreben. Nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Anmeldungen schafft es über diese Schwelle. Dieses Konzept kann daher als solide Grundlage für den Vergleich internationaler Innovationsaktivitäten herangezogen werden, da es die Verzerrungen reduziert, die beim Vergleich von Patentanmeldungen bei verschiedenen nationalen Patentämtern entstehen können.
Das EPA
Mit 6 600 Bediensteten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Medienkontakte Europäisches Patentamt
Luis Berenguer Giménez
Leiter Unternehmenskommunikation / Sprecher
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