Ehrung für deutschen Biotechnologie-Pionier: Metin Colpan als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2021 nominiert
- Deutscher Wissenschaftler Metin Colpan für Entwicklung eines Verfahrens zur schnellen und effizienten Analyse des genetischen Codes für Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Seine bahnbrechende Methode der Proteinreinigung veränderte die Erforschung von DNA und RNA, mit Auswirkungen auf Anwendungen in der Gensequenzierung, Medikamentenentwicklung, Forensik, Lebensmittelsicherheit und Diagnostik bis hin zu Testkits für Covid-19
- Mit Beharrlichkeit und Unternehmergeist überwand Colpan Hürden bei der Kommerzialisierung seiner Arbeit und sein Start-up Qiagen wurde als erstes deutsches Unternehmen an der US-Börse NASDAQ gelistet
München, 4. Mai 2021 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt die Nominierung des deutschen Genomik-Vorreiters Metin Colpan für den Europäischen Erfinderpreis 2021 als Finalist in der Kategorie „Lebenswerk" bekannt. Colpan entwickelte eine schnellere und effizientere Technik zur Extraktion und Reinigung der Nukleinsäuren DNA und RNA, die es Forschern ermöglicht, genetisches Material weitaus detaillierter zu untersuchen als zuvor. Nach seinem wissenschaftlichen Durchbruch arbeitete er - trotz anfänglich begrenzten Interesses auf dem deutschen Markt - unermüdlich an der Kommerzialisierung seiner Technik.
Colpans 40-jährige Karriere zeichnet sich durch sein Verständnis für das wissenschaftliche wie auch kommerzielle Potenzial seiner Forschung aus. Sein wegweisender Beitrag auf dem Gebiet der Genomik öffnete die Türen zu neuen Wissenschaftsfeldern, indem er die Art und Weise veränderte, wie Wissenschaftler genetische Daten analysieren. Heute verfügt das von Colpan mitbegründete Unternehmen Qiagen über eine Reihe von Produkten in den Bereichen Molekulardiagnostik, Forensik, Veterinärdiagnostik und Lebensmittelsicherheit. In der jüngeren Vergangenheit entwickelte die Firma auch ein Portfolio von Covid-19-Nachweisprodukten, das Tests für Nukleinsäuren, Antikörper und T-Zellen umfasst und dazu beiträgt, kritische Engpässe bei Corona-Tests zu beseitigen.
„Metin Colpan ist ein Pionier auf dem Gebiet der Genomik, dessen Arbeit der wissenschaftlichen Erforschung von Genen neue Wege eröffnet hat", sagt EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2021. „Colpans lange und äußerst erfolgreiche Karriere ist der Beweis dafür, dass die Kombination aus Innovation, Hartnäckigkeit und solidem Patentschutz eine anfängliche Idee in ein multinationales Unternehmen verwandeln und zu Generationen von neuen technologischen Meilensteinen inspirieren kann."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden am 17. Juni 2021 ab 19 Uhr im Rahmen einer Galaveranstaltung bekannt gegeben, die in diesem Jahr als virtuelles Event für ein internationales Publikum neu konzipiert wurde.
Innovation trotz Widrigkeiten
Die Nukleinsäuren DNA und RNA sind Biomoleküle, die genetische Informationen speichern und übertragen. Die genetischen Codes der meisten Organismen bestehen aus DNA, während RNA das genetische Material einiger Viren bildet und Schlüsselfunktionen in allen lebenden Zellen ausführt. Für die Untersuchung von DNA und RNA müssen die Moleküle zunächst aus anderem Material wie Bakterien, Viren oder Tierproben isoliert werden. Dieser Extraktionsprozess kann jedoch schwierig und zeitaufwendig sein.
Im Rahmen seiner Promotion musste Colpan RNA aus Tomatenpflanzen und Kokospalmen isolieren, um ein Virus zu untersuchen, das in beiden Pflanzen vorkommt. Er wendete zunächst ein bekanntes Verfahren namens Hochdruck-Flüssigchromatographie (High‑Pressure Liquid Chromatography/HPLC) an, bei dem Nukleinsäureproben in einer Flüssigkeit gelöst und unter Druck durch eine Säule geleitet werden. Es standen verschiedene HPLC-Methoden zur Auswahl, doch jede hatte ihre Nachteile: Einige funktionierten nur für bestimmte Bereiche von Molekülgrößen, andere konnten Mischungen verschiedener Nukleinsäuren nicht trennen. Colpan probierte mehrere Formen der HPLC aus, brauchte aber sechs Monate, um die virale RNA zu isolieren, die er für seine Forschung benötigte. Er berechnete, dass 10 Tonnen Pflanzenmaterial nötig wären, um seine Arbeit abzuschließen, was mehrere Jahre dauern würde. Daher entschloss er sich, einen schnelleren, effektiveren Extraktionsweg zu finden.
Colpans innovative Lösung bestand in einer speziellen HPLC-Art, bei der eine Lösung mit der zu extrahierenden viralen RNA, einer porösen Matrix aus einem modifizierten Kieselgel ausgesetzt wurde. Die Poren der Matrix hatten hierbei genau die richtige Größe, um das Zielmaterial aufzufangen. Das Gel konnte dann als Anionenaustauscher fungieren und dank der Anziehung zwischen den eigenen positiv geladenen Ionen und den negativ geladenen Ionen der Nukleinsäure die virale RNA einfangen. Im Vergleich zu bestehenden Techniken war dieser Ansatz nicht nur effektiver, sondern auch einfacher, billiger und deutlich schneller. „Mit den vorhandenen Methoden dauerte es zwei oder drei Tage, um das zu erreichen, was unser Produkt in 60 Minuten schaffte", so Colpan. „Letztendlich wurde es zum Goldstandard für die Aufreinigung von Nukleinsäuren. "
Colpan erkannte schnell den Wert seines Verfahren für Forscher aus dem gesamten Wissenschaftsspektrum. Es gelang ihm, die Technologie zu optimieren, ihre Anwendungen zu vergrößern und die Arten und Formen von Proben zu erweitern, für die seine Methode genutzt werden kann. Colpan entwickelte Technologien, die Wissenschaftlern und Forschern helfen, DNA zu untersuchen, Krankheitserreger zu erkennen, behandlungsrelevante Genvariationen zu identifizieren und neue Therapien zu entdecken. Er arbeitet zudem mit einem wachsenden Team von Kollegen an Komponenten, Geräten und Systemen zur Automatisierung dieser Prozesse.
Auf Anregung eines US-Forschers verkleinerte Colpan die Materialien, die für die Isolierung und Reinigung von Nukleinsäuren benötigt wurden, und verpackte sie in kleine, günstig herzustellende und einfach handzuhabende Plastikkartuschen. Dies führte zur Entwicklung des ersten gebrauchsfertigen Einweg-Kits dieser Art, das Colpans Verfahren für Wissenschaftler zugänglicher machte und die Forschung in Laboren auf der ganzen Welt vereinfachte.
Die Technologie und die von Colpan entwickelten Produkte hatten einen enormen Einfluss auf die Forschung und legten den Grundstein für bahnbrechende Entwicklungen in der Genomik wie Gentests und Gensequenzierung, die beide bei der Erkennung und Behandlung komplexer Krankheiten wie Krebs oder Herzerkrankungen eingesetzt werden können.
Die Notwendigkeit für bessere und schnelle Genomik-Werkzeuge
Colpan erkannte das Potenzial seiner Technologie und meldete 1983 sein erstes europäisches Patent an. Der Patentschutz für seine Technologie half Colpan dabei, das Vertrauen früher Investoren zu gewinnen, die ihn in der Startphase seines Unternehmens Qiagen unterstützten, das er 1984 zusammen mit seinem Geschäftspartner Karsten Henco gründete. Zwischen 1987 und 2012 wurde er in 14 erteilten europäischen Patenten genannt, die sich auf eine Reihe von spezifischen Technologien im Bereich der Genomik beziehen.
Frühe Versuche, Unterstützung von der deutschen Pharmaindustrie zu erhalten, scheiterten jedoch auch an der zu dieser Zeit grassierenden öffentlichen Skepsis gegenüber der Genforschung. Colpan ließ sich dennoch nicht von seinen Vorhaben abbringen und konzentrierte sich auf die USA, wo er versuchte, Wissenschaftler an vielen Universitäten von den Vorteilen seiner Verfahren und Produkte zu überzeugen. „Ich war gleichzeitig mein eigener Forscher, Hersteller und Verkäufer", erzählt Colpan. „Ich reiste durch die ganze Welt und probierte, Wissenschaftler davon zu überzeugen, dieses Verfahren anstelle der alten Methoden zu verwenden. Ab 1988 verbrachte ich zwei von vier Wochen in den USA, besuchte alle amerikanischen Universitäten und ging - wie ein Staubsaugervertreter - von Labor zu Labor."
Bis 2003 war Colpan Geschäftsführer von Qiagen und verantwortlich für die rasante Entwicklung der Firma von einer hypothetischen Idee zu einem florierenden, innovativen Unternehmen. Als europäische Biotechnologie-Erfolgsgeschichte ist es auch das erste deutsche Unternehmen, das mit einer NASDAQ-Notierung in den USA an die Börse ging. Dank Colpans patentierter Technologie bietet Qiagen heute Hunderte verschiedener Produkte an mit zahlreichen Anwendungen in einer Vielzahl von Anwendungsgebieten, wie zum Beispiel Testverfahren, Arzneimittelentwicklung, Forensik, Veterinärdiagnostik und Lebensmittelsicherheit.
Colpans transformative Innovationen und sein ausgeprägter Unternehmergeist haben ihn zu einem der wichtigsten Gestalter auf dem Wachstumsmarkt der Genomik gemacht und seine Erfindungen ermöglichten unzählige andere wissenschaftliche Durchbrüche. Qiagen, für das Colpan weiterhin als Aufsichtsratsmitglied tätig ist, hat ein Komplettportfolio von Covid-19-Produkten entwickelt - von der RNA-Extraktion bis hin zu Testlösungen (PCR-Tests, Antigen-Tests, Antikörper-Tests und T-Zell-Tests). Dank ihrer Schnelligkeit, Effizienz und Flexibilität tragen diese Sets zur Stärkung der Testinfrastruktur bei. Das T-Zell-Testkit hilft Wissenschaftlern außerdem, mehr über den Krankheitsverlauf und die menschliche Immunantwort zu verstehen. Dies zeigt, dass die Arbeit von Colpan Inspiration und Lösungsansatz für immer neue Herausforderungen sein wird.
Hinweise an die Redaktionen
Informationen zum Erfinder
Metin Colpan wurde am 21. Januar 1955 in Istanbul
geboren. Er studierte Biochemie, organische Chemie und Chemieingenieurwesen an
der Technischen Hochschule Darmstadt, wo er auch promovierte. 1984 war Colpan
Mitbegründer der Firma Diagen GmbH (1996 in Qiagen GmbH umbenannt), deren CEO
und Geschäftsführer er von 1985 bis 2005 war. Seit 2005 ist er Mitglied des
Aufsichtsrats des Unternehmens und Vorsitzender des Ausschusses für
Wissenschaft und Technologie. Im Jahr 1998 wurde er als deutscher Unternehmer
des Jahres ausgezeichnet. Außerhalb seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner
geschäftlichen Interessen kocht Colpan gerne Gerichte von der ukrainischen
Halbinsel Krim, aus der Türkei und Italien. Er sammelt moderne Kunst und
ägyptische Antiquitäten und interessiert sich für Architektur. Colpan unterstützt
philanthropische Projekte und eine Reihe von Wohltätigkeitsorganisationen,
darunter Ärzte ohne Grenzen. Er hat seine eigene gemeinnützige Stiftung
gegründet, die intelligenten, sozial benachteiligten Kindern und begabten
Wissenschaftlern hilft.
Metin Colpan ist in 14 erteilten europäischen Patenten genannt, darunter EP0268946 und EP0104210, die 1988 bzw. 1984 erteilt wurden.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische
Erfinderpreis ist einer der
renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben
gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende
Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit
geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus
Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft
die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur
gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung
von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien (Industrie,
Forschung, KMU, Nicht-EPO Staaten und Lebenswerk) verliehen. Der Gewinner des Publikumspreises
wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten über ein Online-Voting
ermittelt.
Über das EPA
Mit 6 400 Bediensteten ist das Europäische
Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das
seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag
und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den
Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des
zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen
Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund
700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den
Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
EPA-Pressekontakt
Luis
Berenguer Giménez
Hauptdirektor Kommunikation, Sprecher
Tel.: +49 89
2399 1203