Patentdaten: Europa und die USA bei Innovationen im Kunststoffrecycling und bei alternativen Kunststofftechnologien weltweit führend
- Studie des Europäischen Patentamts zeigt: 60% der weltweiten Patentaktivitäten im Zusammenhang mit Kunststoffrecycling und Biokunststofftechnologien entfallen auf Europa und die USA
- Chemische und biologische Verfahren verzeichnen von allen Recyclingtechnologien die meisten Erfindungen
- Gesundheits-, Kosmetik- und Reinigungsmittelindustrie sind im Bereich Biokunststoff-Innovationen führend
- EPA-Präsident António Campinos: „Der Bericht macht den Beitrag Europas zu einer Kunststoff-Kreislaufwirtschaft deutlich, zeigt aber auch, dass mehr für die Kommerzialisierung der Grundlagenforschung getan werden sollte"
München, 19. Oktober 2021 - Wie eine neue Studie des Europäischen Patentamts (EPA) zeigt, sind Europa und die USA weltweit führend, wenn es um Innovationen im Kunststoffrecycling und bei alternativen Kunststofftechnologien geht. Zwischen 2010 und 2019 entfielen auf Europa und die USA jeweils 30% bzw. zusammen 60% der weltweiten Patentaktivitäten in diesen Bereichen. Aus Europa steuerte Deutschland den höchsten Anteil sowohl im Bereich Kunststoffrecycling als auch bei Biokunststofftechnologien (jeweils rund 8% im internationalen Vergleich) bei. Dagegen weisen Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande und Belgien in diesen Bereichen eine höhere Spezialisierung auf.
Die Studie mit dem Titel „Patente für die Kunststoffe der Zukunft: Globale Innovationstrends in den Bereichen Recycling, kreislauffähiges Design und alternative Rohstoffe" legt eine umfassende Analyse der Innovationstrends für den Zeitraum 2010 bis 2019 vor, die den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie bestimmen. Der Bericht stützt sich dabei auf internationale Patentfamilien (IPF), wobei jede IPF für eine einzelne Erfindung steht, die in mehr als einem Land zum Patent angemeldet wurde (sogenannte hochwertige Erfindungen). Der Bericht soll Führungskräften in der Wirtschaft und politischen Entscheidungsträgern eine Orientierung bieten, ihren Fokus auf vielversprechende Technologien zu legen, deren Wettbewerbsvorteile in den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette zu bewerten und auch innovative Unternehmen und Institutionen zu finden, die zu einem langfristigen nachhaltigen Wachstum beitragen können.
„Kunststoffe sind für die Wirtschaft zweifellos unerlässlich. Die Verschmutzung durch Plastik bedroht jedoch Ökosysteme auf der ganzen Welt", sagte EPA-Präsident António Campinos. „Die gute Nachricht ist, dass uns Innovationen dabei helfen können, uns dieser Herausforderung zu stellen, indem sie den Übergang zu einem durch und durch zirkulären Modell ermöglichen. Diese Studie bietet wichtige Einblicke in eine Reihe vielversprechender neuer Technologien, die auf die Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und biologische Abbaubarkeit von Kunststoffprodukten setzen. Der Bericht hebt Europas Beitrag zur Innovation in diesem Sektor hervor. Er zeigt allerdings auch, dass noch viel mehr getan werden sollte, um die wegweisende Pionierarbeit der europäischen Forschung in Erfindungen umzusetzen und diese auf den Markt zu bringen."
Chemische und biologische Recyclingverfahren mit den meisten Patenten
Die Studie zeigt, dass unter allen Recyclingtechnologien in chemischen und biologischen Recyclingverfahren im Berichtszeitraum die höchste Patentaktivität zu verzeichnen war. In den Jahren 2010-19 entfielen auf diesen Bereich 9 000 IPF, doppelt so viele wie beim mechanischen Recycling (4 500 IPF), der heute am häufigsten eingesetzten Lösung zur Umwandlung von Plastikabfällen in neue Erzeugnisse. Während die Patentierung chemischer Standardverfahren (wie Cracking und Pyrolyse) 2014 einen Höhepunkt erreichte, bieten aufkommende Technologien wie biologische Verfahren mit lebenden Organismen (1 500 IPF) oder das Kunststoff-zu-Monomer-Recycling (2 300 IPF) neue Möglichkeiten, Polymere abzubauen und neuwertige Kunststoffe herzustellen.
Ungenutztes Potenzial bei Kommerzialisierung von europäischer Hochschulforschung
Der Bericht zeigt ebenso, dass die Grundlagenforschung in den Bereichen chemisches und biologisches Recycling eine viel größere Rolle spielt als in anderen Kunststoffrecyclingtechnologien. Demnach stammten fast 20% der Erfindungen aus Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen (siehe Abbildung: Vorgelagerte Forschung in Recyclingtechnologien, 2010-19 ). Dabei wiesen Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen aus Europa und den USA einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Ländern auf, wobei jeweils 29% der IPF aus Forschungsinstitutionen stammen. Der Bericht zeigt aber auch, dass Europa der einzige bedeutende Innovationsstandort ist, der einen größeren Anteil an chemischen und biologischen Recycling-Erfindungen aus der vorgelagerten Forschung beisteuert (29%) gemessen am Gesamtaufkommen auf dem Gebiet (26%). Im Gegensatz dazu sind die Beiträge der USA und Japans zu IPF aus vorgelagerter Forschung (29% und 11%) geringer als ihre jeweiligen Anteile an allen IPF (36% und 17%). Demgegenüber generierten US-amerikanische Start-ups und Scale-ups viermal so viele Erfindungen im chemischen und biologischen Recycling wie ihre europäischen Pendants (338 vs. 84). Dies deutet darauf hin, dass Europa, obwohl es in der Grundlagenforschung besonders aktiv ist, sein Potenzial beim Transfer dieser Technologien in marktreife Erfindungen noch nicht voll ausschöpft.
Gesundheits-, Kosmetik- und Reinigungsmittelindustrie führend bei Biokunststoff-Innovationen
Im Bereich der Erfindungen von Biokunststoffen zeigt die Studie, dass das Gesundheitswesen die bei weitem aktivste Branche ist (mit mehr als 19 000 IPF im Zeitraum 2010-19), obwohl auf den Gesundheitssektor weniger als 3% des europäischen Kunststoffverbrauchs entfällt. Dennoch sind Kosmetika und Reinigungsmittel bei Biokunststoffen am innovationsintensivsten: Das Verhältnis von IPF für Biokunststoffe zu IPF für herkömmliche Kunststoffe liegt hier bei 1 zu 3, während es im Gesundheitssektor 1 zu 5 beträgt. Auch Verpackungen, Elektronik und Textilien leisten einen wichtigen Beitrag zur Innovation bei Biokunststoffen.
Rasanter Innovationsschub bei leichter recycelbaren Kunststoffen
Mit Blick auf die Zukunft hebt die Studie das erhebliche Potenzial alternativer Technologien hervor, die sich auf neue Kunststoffdesigns für ein einfacheres Recycling konzentrieren. Dieser Bereich hat sich in den vergangenen Jahren exponentiell entwickelt und seit 2010 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 10% verzeichnet. Die Technologien verfügen über Anwendungspotenzial in der Luft- und Raumfahrt, im Bau- und Transportwesen, bei Windturbinen und in der Mikroelektronik. Das rasante Wachstum der Patentanmeldungen ist hier fast ausschließlich auf Innovationen im Bereich der dynamischen kovalenten Bindung zurückzuführen - ein Ansatz, der neuartige Designs von haltbaren Kunststoffmaterialien ermöglicht, die sich selbst regenerieren können. Während japanische Unternehmen die Statistiken in diesem Bereich anführen, stammen die meisten Erfindungen, die auf diesem Gebiet von Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen eingereicht wurden, aus Europa und den USA.
Weitere Informationen:
Hinweise an die Redaktionen
Über den Bericht
Der Bericht "Patente für die Kunststoffe der Zukunft" richtet sich an Entscheidungsträger im privaten und öffentlichen Sektor und ist eine einzigartige Quelle für Informationen über diese Technologien und die technischen Probleme, die sie lösen sollen. Er basiert auf den neuesten Informationen aus Patentdokumenten und stützt sich auf das Fachwissen der EPA-Patentprüfer bei der Identifizierung relevanter Kunststoffrecycling- und alternativer Kunststofftechnologien. Damit bietet der Bericht eine umfassende Analyse der Innovationstrends, die den Übergang zur Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe vorantreiben. Die Analyse erfolgte auf der Grundlage internationaler Patentfamilien (IPF), von denen jede für eine einzelne Erfindung steht, für die Patentanmeldungen in mindestens zwei Ländern oder bei einem regionalen Patentamt eingereicht wurden, sowie veröffentlichten internationalen Patentanmeldungen. IPF repräsentieren Erfindungen, die von ihrem Schöpfer für wertvoll genug erachtet werden, um internationalen Patentschutz anzustreben. Nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Anmeldungen schafft es über diese Schwelle. Dieses Konzept kann daher als solide Grundlage für den Vergleich internationaler Innovationsaktivitäten herangezogen werden. Da Patentanmeldungen viele Monate oder sogar Jahre vor dem Erscheinen von Produkten auf dem Markt eingereicht werden, gelten sie oft als Frühindikator für zukünftige Technologietrends.
Der Bericht enthält auch Fallstudien, die eine Reihe von Erfindungen im Bereich Recycling und alternative Kunststofftechnologien veranschaulichen.
Das EPA
Mit 6 400 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Pressekontakt Europäisches Patentamt
Luis Berenguer
Giménez
Principal Director Communication / Sprecher
Press Desk
Tel.: +49 89 2399 1833
press@epo.org