Reduzierung der Umweltbelastung durch Kunststoffproduktion: belgische Wissenschaftler in der Endausscheidung für den Europäischen Erfinderpreis 2023
- Michiel Dusselier und Bert Sels entwickeln ein einstufiges katalytisches Verfahren zur Herstellung von Polymilchsäure (PLA) ohne Verwendung fossiler Brennstoffe oder giftiger Chemikalien
- PLA wird aus Milchsäure hergestellt, die aus natürlichen Ressourcen wie Zucker und Holzspänen gewonnen wird
- Da die Methode Energieverbrauch und Kosten reduziert, sinken die gesamten Herstellungskosten des Biokunststoffs um 30 %
München, 9. Mai 2023 – Von den 9,2 Milliarden Tonnen herkömmlichen Kunststoffs, die zwischen 1950 und 2017 produziert wurden, sind nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 7 Milliarden zu Kunststoffabfällen geworden. Zudem erfordert allein die Herstellung von Kunststoffen große Mengen fossiler Brennstoffe. Die belgischen Erfinder Michiel Dusselier und Bert Sels haben ein umweltschonendes Verfahren zur Herstellung von Biokunststoff ohne Verwendung fossiler Brennstoffe oder giftiger Chemikalien entwickelt. Es verbraucht weniger Energie und verursacht geringere Kosten als herkömmliche Methoden; gleichzeitig werden die mit der Kunststoffherstellung verbundenen Treibhausgasemissionen deutlich reduziert. In Anerkennung ihrer vielversprechenden Arbeit sind Dusselier und Sels in der Endauswahl der Kategorie "Industrie" des Europäischen Erfinderpreises 2023. Für die diesjährige Ausgabe wurden sie unter mehr als 600 Kandidaten und Kandidatinnen ausgewählt.
Aufbau der Biokunststoff-Kreislaufwirtschaft
Durch Abkehr von konventionellen Kunststoffen und Konzentration auf die Entwicklung umweltfreundlicher, als Polymilchsäure (PLA) bezeichneter Biokunststoffe, wollen Dusselier und Sels die Produktion und den Verbrauch von Kunststoff effizienter machen und die Umweltbelastung durch die Kunststoffproduktion reduzieren. PLA wird aus Milchsäure hergestellt, die aus natürlichen Ressourcen wie Zucker und Holzspänen gewonnen wird.
Das herkömmliche Verfahren zur Herstellung von PLA beinhaltet zwei Schritte, in denen Milchsäure in Lactid umgewandelt wird, wobei das Lactid im Endprodukt nur 60–70 % des ursprünglich eingesetzten Materials enthält. Dabei fallen große Mengen Abfall an, sodass PLA wirtschaftlich kaum mit anderen Kunststoffen konkurrieren kann. Dusselier und Sels entwickelten ein innovatives einstufiges Verfahren zur Herstellung hochwertiger PLA. Bei ihrer Methode wird Milchsäure direkt in Lactid umgewandelt. Dadurch entfällt ein teurer zusätzlicher Schritt, der 30 % der Gesamtkosten der PLA-Produktion ausmacht. Außerdem ist die Temperatur um 100 °C niedriger als bei der herkömmlichen Methode; das verringert den Energieverbrauch und den CO2-Fußabdruck. Da durch die Wiederverwendung von Nebenprodukten und ungenutzten Rohstoffen weniger Abfall anfällt, ist das Verfahren zudem nachhaltiger und eine vielversprechende Alternative für die Herstellung von umweltfreundlichem Kunststoff.
Bioumwandlung inspiriert durch Vogelbeobachtung
Dusselier ist Professor an der KU Leuven in Belgien und hat neben anderen Qualifikationen einen Doktortitel in Bioscience Engineering. Sein wissenschaftliches Interesse an Kunststoffen nahm eine persönliche Wendung, als er sich für das Thema seiner Doktorarbeit entschied. Als begeisterter Vogelbeobachter machte er sich ernsthafte Sorgen über die Auswirkungen von Kunststoffabfall, als er feststellte, dass einige Albatrosse an der Aufnahme von Plastik gestorben waren. Er begann eine Zusammenarbeit mit Sels, einem Experten für Bioumwandlung alternativer Ausgangsstoffe in nachhaltige Chemikalien und Materialien.
Dusselier sagte: "Die Lage ist aus zwei Gründen problematisch: Es gibt viele langlebige Materialien, die über Hunderte von Jahren nicht abgebaut werden. Hinzu kommt, dass sie alle aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden."
Als Professor an der KU Leuven und Mitbegründer des European Research Institute of Catalysis hatte Sels bereits eine Forschungsgruppe gegründet, die sich mit der Umwandlung von Cellulose in Chemikalien befasste. Mit seinen Doktoranden arbeitete er an verschiedenen Ideen zur Reduzierung von Kunststoffabfall und fand später die Lösung in Zeolithen, insbesondere H-Beta, die es ihnen ermöglichten, ein einstufiges Verfahren zur Herstellung von PLA zu entwickeln.
"Ich wollte immer ganz genau verstehen, was vor sich geht, um mit diesem Wissen etwas bewirken zu können. Ich glaube, dass Patentierungen und Kontakte innerhalb unserer Branche, die uns helfen, das Verfahren in größerem Umfang anzuwenden, zu unseren Triebfedern gehören", erklärte Sels.
TotalEnergies, ein multinationales Energieunternehmen, verwendet die von Dusselier und Sels entwickelte Methode inzwischen. Die beiden haben eine weitere Technologie erfunden, die die dritte Generation von PLA werden könnte.
Die Sieger des Europäischen Erfinderpreises 2023 werden am 4. Juli 2023 im Rahmen einer hybriden Zeremonie in Valencia, Spanien bekanntgegeben. Diese Zeremonie wird online übertragen und ist auch für Publikum geöffnet.
Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Erfindung, der Technologie und den Geschichten der Erfinder finden sie hier.
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Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Allen Erfindern muss ein europäisches Patent für ihre Erfindung erteilt worden sein. Lesen Sie mehr über die verschiedenen Kategorien, Preise, Auswahlkriterien und die Livestream-Zeremonie, die am 4. Juli 2023 stattfinden wird.
Über das EPA
Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das Amt, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinderinnen und Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist zudem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.