Orientierung im Labyrinth der Patentanführungen
Wichtige Grundbegriffe im Überblick
Patentanführungen sind nicht nur für Anmelder und IP-Ämter, sondern auch für Patent-Rechercheure eine wichtige Informationsquelle. Verborgen auf den letzten Seiten von Recherchenberichten, werden diese eher unscheinbaren Referenzen gelegentlich übersehen. Sie sind jedoch weitaus interessanter, als ihre trockenen Beschreibungen vermuten lassen. In diesem Artikel tauchen wir ein wenig tiefer in das Labyrinth der Patentanführungen ein und geben einen Überblick über einige der wichtigsten Schlüsselbegriffe.
So wie in wissenschaftlichen Arbeiten Quellen zitiert werden müssen, werden in Patentunterlagen Patentdokumente und andere Quellen aufgeführt, die für den Inhalt einer Patentanmeldung relevant sind. Sie können von Anmeldenden, vom Patentprüfenden oder sogar von Dritten, z. B. im Rahmen eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens, eingereicht werden.
Große Datenmengen
Das enorme Volumen der Patentanmeldungen beim EPA führt zu einem noch größeren Volumen an Anführungen. Allein im Jahr 2023 wurden satte zwei Millionen Dokumente in EP-Veröffentlichungen angeführt: etwa die Hälfte davon von den Anmeldenden selbst, die andere Hälfte von den Prüfenden beim EPA im Rahmen von Recherchen- und Prüfungsverfahren. Zusätzlich wurden im Rahmen von Einspruchsverfahren ca. 36 000 Anführungen eingereicht.
Über die EP-Veröffentlichungen hinaus unterhält das EPA auch seine REFI-Datenbank (siehe Link unten unter "Weitere Informationen") für weltweite Daten zu Patentanführungen. REFI erfasst etwa 50 Millionen Anführungen von mehr als 40 Patentämtern weltweit (siehe Link zur Tabelle unten). Der Zugriff auf diese Daten erfolgt über die Patentinformationsdienste des EPA wie Espacenet, PATSTAT oder die neue Technologiefrüherkennungsplattform.
Eine detaillierte Übersicht über die von den IP5-Ämtern (China, Japan, Südkorea, USA und EPO) bereitgestellten Anführungen finden Sie auf der Webseite „Datenbestände, Codes und Statistiken“ des EPA (Link siehe unten unter „Weitere Informationen“). Diese Tabelle zeigt nicht nur die Gesamtzahl der von jedem Amt bereitgestellten Anführungen, sondern auch die Publikationsstufen, auf denen die verschiedenen Arten von Anführungen in den bibliografischen Datensätzen verfügbar sind:
Kategorien von Anführungen
Wie bereits oben hervorgehoben wurde, wird ein großer Teil der Anführungen während des Recherchen- und Prüfungsverfahrens eingereicht. Die wichtigste Funktion der von den Prüfern des EPA angeführten Dokumente besteht darin, die Anmelder auf bestehende Technologien aufmerksam zu machen, die für ihre Erfindung von Bedeutung sind und die Prüfer bei ihrer Entscheidung über die Erteilung eines Patents berücksichtigen können. Diese Funktion ist als Instrument zur Dokumentation von Kriterien für die Entscheidung über Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu sehen.
Im Recherchenbericht werden alle angeführten Dokumente einer Kategorie zugeordnet, die die Relevanz des vom Prüfer angeführten Dokuments angibt. Jede Kategorie wird durch einen Buchstaben gekennzeichnet, der in der ersten Spalte des Literaturbogens angezeigt wird. Einige der wichtigsten Kategorien sind nachstehend aufgelistet:
X Dokument von besonderer Bedeutung. Die beanspruchte Erfindung kann allein aufgrund des angeführten Dokuments nicht als neu oder auf erfinderischer Tätigkeit beruhend betrachtet werden.
Y Besonders relevantes Dokument, aber nur in Kombination mit einem anderen angeführten Dokument der Kategorie Y.
A Technologischer Hintergrund: Das Dokument entspricht dem Stand der Technik, beeinträchtigt jedoch nicht die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Erfindung.
Unterlagen der Kategorie X haben den größten Einfluss auf das Ergebnis des Prüfungsverfahrens, insbesondere wenn sich das X-Dokument auf einen unabhängigen Patentanspruch der Erfindung bezieht. Weitere Informationen finden Sie in den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt in Abschnitt 9.2 Kategorien von Dokumenten (siehe nachstehenden Link).
Vorwärts- und Rückwärtsanführungen
In mehreren Datenbanken werden die oben genannten angeführten Dokumente eines Patents sowie die so genannten anführenden Dokumente angezeigt. Während die angeführten Dokumente als "Rückwärtsanführungen" bezeichnet werden, werden die anführenden Dokumente auch als "Vorwärtsanführungen" bezeichnet:
- Rückwärtsanführungen bzw. angeführte Schriftstücke sind Dokumente, die in einem bestimmten Patentdokument im Verfahren vor einer Patentbehörde oder vom Anmelder angeführt werden.
- Vorwärtsanführungen bzw. anführende Dokumente sind Patentdokumente, die ein bestimmtes Patent zitieren.
In anderen Worten: Eine "Rückwärtsanführung" ist die Bezeichnung für eine traditionelle Anführung: Es handelt sich um das Dokument, das früher veröffentlicht wurde und auf der Titelseite des neueren Dokuments erscheint. Das neuere Dokument wiederum wird als "Vorwärtsanführung" oder "anführendes Dokument" bezeichnet.
Wenn Patent A (1993) in Patent B (2003) angeführt wird, dann ist:
- Patent A eine Rückwärtsanführung von Patent B
- Patent B eine Vorwärtsanführung von Patent A
Natürlich können Vorwärtsanführungen nicht auf der Titelseite eines Dokuments erscheinen, da niemand in die Zukunft sehen kann und Patente zum Zeitpunkt ihrer Erteilung veröffentlicht werden. Vorwärtsanführungen können jedoch problemlos im Patentdatensatz einer elektronischen Datenbank erscheinen, und die meisten recherchierbaren Datenbanken ermöglichen sowohl die Recherche nach Rückwärts- als auch nach Vorwärtsanführungen.
Wir hoffen, dass dieser Artikel eine Orientierung für die Navigation durch das Labyrinth der Patentzitate bietet und Ihnen beim Zugriff auf diese Daten in den Suchwerkzeugen des EPA behilflich ist.
Schlagwörter: Angeführte Dokumente zum Patent, REFI, Recherchenbericht, Referenz, Vorwärtsanführung, Rückwärtsanführung