T 0382/21 11-05-2023
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LICHTLEITKÖRPER MIT HOHER LEUCHTINTENSITÄT UND HOHER TRANSPARENZ
Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichter Einwand - wäre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent Nr. 2556395 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das Patent in gesamtem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a), b) und c) EPÜ angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstünden.
II. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit.
III. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 11. Mai 2023 statt.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geänderter Fassung mit den Ansprüchen gemäß einem der Hilfsanträge 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 3, 3a, 3b, 4, 4a und 4b, eingereicht mit Schreiben vom 9. November 2021.
VI. Die vorliegende Entscheidung nimmt Bezug auf die folgenden, aus dem erstinstanzlichen Verfahren bekannten Druckschriften:
D4: US 2005/0272879 A1,
D5: JP 2004-351 649 A und dessen Übersetzung D5b,
D6: WO 2007/058060 A1 und dessen Übersetzung D6b,
D10: US 5,055,978,
D11: US 6,709,123 B2,
D12: JP 2009-212076 A.
VII. Der Wortlaut des Anspruchs 1 des erteilten Patents lautet:
"Verwendung eines Lichtleitkörpers als ein transparentes Verglasungselement,
wobei der Lichtleitkörper mindestens eine Lichteintrittsfläche und mindestens eine Lichtaustrittsfläche aufweist, und das Verhältnis von Lichtaustrittsfläche zu Lichteintrittsfläche mindestens 4 beträgt,
er einen Haze, gemessen nach ASTM D1003, von kleiner als 4% aufweist,
der Lichtleitkörper aus mindestens einem transparenten, thermoplastischen oder thermoelastischen Kunststoff besteht und als eingebettetes Lichtstreumittel Titandioxid Partikel mit einer mittleren Partikelgröße von 150 - 500 nm in einer Konzentration bezogen auf das Gewicht des Lichtleitkörpers von 0.1 - 10 Gew.-ppm umfasst und
das transparente Verglasungselement sich durch Einschalten mindestens einer an einer der Lichteintrittsflächen des Lichtleitkörpers angebrachten Lichtquelle als eine flächige Leuchte zur Ambientbeleuchtung nutzen lässt".
Entscheidungsgründe
1. Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ - unzulässige Änderungen
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents geht nicht über den Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, auf der das Patent beruht, hinaus.
1.1 Einwände der Einsprechenden
1.1.1 Anspruch 1 weist das folgende Merkmal M auf: "das transparente Verglasungselement sich durch Einschalten mindestens einer an einer der Lichteintrittsflächen des Lichtleitkörpers angebrachten Lichtquelle als eine flächige Leuchte zur Ambientbeleuchtung nutzen lässt" (Hervorhebung durch die Kammer). Die Einsprechende folgert aus dem Wortlaut des Merkmals M, dass das Einschalten einer einzigen Lichtquelle ausreiche, um den Lichtleitkörper als eine flächige Leuchte zu verwenden. Diese Idee, dass eine einzige Lichtquelle ausreicht, sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung jedoch nicht offenbart (Beschwerdebegründung, Seite 3, letzter Absatz).
1.1.2 Die Einsprechende erhebt erstmals im Beschwerdeverfahren weitere Einwände gegen Anspruch 1, die sich auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ beziehen und die Merkmale "aus mindestens einem transparenten, thermoplastischen oder thermoelastischen Kunststoff" und "0.1 - 10 Gew.-ppm" betreffen (Beschwerdebegründung, Seite 4, Punkt 2 und 3).
1.2 Die Kammer kann den Einwand der Einsprechenden hinsichtlich des Merkmals M des Anspruchs 1 nicht nachvollziehen.
1.2.1 Der Begriff "Lichtquelle" ist ein allgemeiner Begriff, der breit auszulegen ist. Er bezieht sich nicht nur auf einen einzigen Lichtpunkt oder ein einziges lichtemittierendes Element, sondern kann auch mehrere solcher Lichtpunkte oder Elemente aufweisen. Die Patentinhaberin hat während der mündlichen Verhandlung sinngemäß folgende Definition des Begriffs "Lichtquelle" vorgeschlagen, die dieser breiten Auslegung Rechnung trägt: "Eine Lichtquelle ist alles das, was angesteuert wird". In diesem Sinne zeigt beispielsweise Figur 3 des Patents schematisch eine einzige Lichtquelle pro Lichteintrittsfläche des Lichtleitkörpers, denn die Vielzahl von Leuchtdioden sind jeweils in einem einzigen Leuchtdiodenmodul zusammengefasst. An jeder Lichteintrittsfläche ist ein einziges Leuchtdiodenmodul angebracht.
1.2.2 Es ist gefestigte Rechtsprechung, dass eine Änderung, z.B. eines Anspruchs, "nur im Rahmen dessen erfolgen darf, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann" (G 2/10, Punkt 4.3). Bei einer Änderung ist "zu prüfen, ob sie dazu führt, dass der Fachmann neue technische Informationen erhält, die er der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen würde" (G 2/10; Punkt 4.5.1).
1.2.3 In dem vorliegenden Fall ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann aus den folgenden Gründen der Gesamtoffenbarung der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung zweifellos entnehmen würde, dass das Einschalten einer einzigen Lichtquelle ausreicht, um den Lichtleitkörper als flächige Leuchte zu nutzen:
a) An mehreren Stellen der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung ist der Begriff "Lichtquelle" im Singular aufgeführt, siehe z.B. Seite 6, Zeilen 16 bis 19; Seite 9, Zeile 26 bis Seite 10, Zeile 4.
b) Die Figur 3 zeigt ein einziges an jeweils einer der Lichteintrittsflächen des Lichtleitkörpers angebrachtes Leuchtdiodenmodul, d.h. eine einzige Lichtquelle.
c) In der gesamten Patentanmeldung gibt es keinen technischen Hinweis, dass zwei oder mehr Lichtquellen pro Lichteintrittsfläche benötigt werden. Im Gegenteil, im Lichte der Gesamtoffenbarung der Patentanmeldung, wäre der Fachmann überrascht, wenn zwingend mehrere Lichtquellen pro Lichteintrittsfläche notwendig wären, um den Lichtleitkörper als eine flächige Leuchte verwenden zu können. Dies bestätigt, dass die Änderung des Merkmals M nicht dazu führt, dass der Fachmann neue technische Informationen erhält, die er der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen würde.
d) Im Anspruch 1 wird der allgemeine Begriff "Lichtquelle" nicht durch weitere technische Merkmale spezifiziert. Dadurch fällt aufgrund einer breiten Auslegung des Begriffs "Lichtquelle" auch eine aus mehreren lichtemittierenden Elementen bestehende Lichtquelle unter den allgemeinen Begriff "Lichtquelle".
1.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass die weiteren, erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwände der Einsprechenden hinsichtlich des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 c) EPÜ im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können und sollen. Die Frage einer möglichen unzulässigen Erweiterung im vorliegenden Anspruch 1 im Hinblick auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ wurde nämlich bereits während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zwischen den Beteiligten und der Einspruchsabteilung diskutiert (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkt 2). Da die Einsprechende somit die Gelegenheit hatte, ihre weiteren Einwände der unzulässigen Erweiterung während der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorzutragen, und dies auch hätte tun sollen, hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 entschieden, die neuen, von der Einsprechenden erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwände der unzulässigen Erweiterung nicht in das Verfahren zuzulassen.
Das Argument der Einsprechenden, die Kammer könne nicht sehenden Auges ein ungültiges Patent erteilen, überzeugt die Kammer nicht. Gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 ist das "vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen". Es geht aus den übrigen Vorschriften des Artikels 12 VOBK 2020 hervor, dass die Zulassung neuer Einwände in das Beschwerdeverfahren nicht automatisch erfolgt, sondern dem Ermessen der Kammer unterliegt und im Falle des Artikels 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 abhängig von dem Vorhandensein rechtfertigender Umstände ist. Solche rechtfertigenden Umstände sind von der Einsprechenden nicht vorgetragen worden und für die Kammer auch nicht ersichtlich.
1.4 Aus den obigen Gründen steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegen.
2. Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) EPÜ - mangelnde Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents ist neu gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik.
2.1 Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass D4 einen Lichtleitkörper offenbart, der alle Merkmale des im erteilten Anspruch 1 verwendeten Lichtleitkörpers aufweist.
2.2 Auslegung des Begriffs "transparentes Verglasungselement"
Die Patentinhaberin erläuterte während der mündlichen Verhandlung, dass ein Verglasungselement kein beliebiges glasartiges Element sei, sondern ein Element zur architektonischen Raumgestaltung, beispielsweise ein Fenster zur Durchsicht. Der Begriff "Verglasung" sei dem Fachmann z.B. im Zusammenhang mit einer durchsichtigen, doppelten oder dreifachen Verglasung eines Raumes geläufig. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung der Patentinhaberin an. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Auslegung des Begriffs "transparentes Verglasungselement" keine Bezugnahme auf die Beschreibung des Patents erfordert, sondern allein auf dem Sprachverständnis des Fachmanns beruht.
2.3 D4 offenbart keine Verwendung als Verglasungselement
Entgegen der Meinung der Einsprechenden offenbart D4 kein Verglasungselement an der Vorder- und der Rückseite eines LCDs, sondern einen Lichtleitkörper, welcher als Hintergrundbeleuchtung verwendet wird. Wie oben im Punkt 2.2 ausgeführt, hat das Wort "Verglasungselement" für den Fachmann eine andere Bedeutung als das Wort "Hintergrundbeleuchtung", oder der Begriff "back light" im Originaltext von D4, [0002].
2.4 Gegenargumente der Einsprechenden
2.4.1 Laut Anspruch 1 werde das transparente Verglasungselement "als eine flächige Leuchte" benutzt. Durch Einschalten der Hintergrundbeleuchtung in D4 würde der Lichtleitkörper von D4 wie eine flächige Leuchte Licht ausstrahlen und somit als transparentes Verglasungselement verwendet werden. Daher offenbare D4 die Verwendung des Lichtleitkörpers von D4 als transparentes Verglasungselement und nehme die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 vorweg.
Die Kammer ist von diesem Argument der Einsprechenden nicht überzeugt. Da der Begriff "transparentes Verglasungselement" im Sinne eines durchsichtigen Elements zur architektonischen Raumgestaltung zu verstehen ist (siehe oben Punkt 2.2), kann die Verwendung eines Lichtleitkörpers als Hintergrundbeleuchtung nicht die Neuheit der beanspruchten Verwendung vorwegnehmen.
2.4.2 Die Einsprechende verweist auf verschiedene Passagen in der Patentschrift, aus denen hervorgehe, dass eine Bedruckung des Lichtleitkörpers nicht ausgeschlossen sei (siehe [0023]), eine ununterbrochene Durchsicht nicht zwingend sondern nur möglich sei (siehe [0025]), der Lichtleitkörper zur Beleuchtung von LCDs verwendet werde (siehe [0057]) und die Verwendung im Beispiel 4 keine Durchsicht erlaube (siehe [0072] und [0073]). Daraus folgert die Einsprechende, dass gemäß der Patentbeschreibung die Verwendung des transparenten Verglasungselements sich nicht auf die Verwendung als durchsichtiges Fenster beschränke. Daher dürfe Anspruch 1 auch nicht so eng ausgelegt werden, dass er sich ausschließlich auf die Verwendung des Lichtleitkörpers als Fenster beschränke.
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist die Kammer der Ansicht, dass der Fachmann den Begriff "transparentes Verglasungselement" aufgrund seines Sprachverständnisses und ohne Rückgriff auf die Beschreibung der Patentschrift als durchsichtiges Element zur architektonischen Raumgestaltung verstehen würde (siehe oben Punkt 2.2). Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Beschreibung in der Patentschrift eine breitere Verwendung des Lichtleitkörpers beschreibt. Wie von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung dargelegt, entsprechen mögliche Unstimmigkeiten zwischen dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 und der Beschreibung lediglich einem im Einspruchsverfahren nicht behebbaren Klarheitsproblem, im Sinne einer fehlenden Stützung des Anspruchs 1 durch die Beschreibung.
2.5 Daraus folgt, dass sich die beanspruchte Verwendung eines Lichtleitkörpers von der in D4 offenbarten Verwendung dadurch unterscheidet, dass der Lichtleitkörper als transparentes Verglasungselement verwendet wird.
2.6 Die Einsprechende hat keine weiteren Neuheitseinwände in Bezug auf weiteren Stand der Technik vorgebracht. Die Kammer sieht auch keinen Grund, die Neuheit in Bezug auf die anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften in Frage zu stellen.
2.7 Aus den obigen Gründen steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegen.
3. Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ - mangelnde erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D4 als nächstliegendem Stand der Technik.
3.1 D4 als nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 Von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argumente
a) Die Einsprechende geht davon aus, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sich von D4 dadurch unterscheide, dass der Lichtleitkörper als ein transparentes Verglasungselement verwendet werde. D5 offenbare eine lichtstreuende Lichtleiterplatte (siehe D5b, Zusammenfassung: "light scattering light guide plate"). D6 offenbare die Verwendung eines Lichtleitkörpers für eine Anzeigevorrichtung mit Flächenlichtquelle (siehe D6b, [0001]: "a light guide plate suitable for a surface light source display device") oder für eine Anzeigevorrichtung, eine Hinweistafel oder ähnliches, die als Beleuchtungsvorrichtung in einem Innen- oder Außenraum verwendet werde (siehe D6b, [0011]: "a display device, a signboard or the like used for a lighting device in an indoor or outdoor space"). Der Fachmann, ausgehend von D4, würde die in D5 und D6 offenbarten Verwendungen in Betracht ziehen und somit zu einer Verwendung gelangen, die unter den Anspruch 1 falle. Eine ausführlichere Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes sei in dem vorliegenden Fall nicht notwendig, um die fehlende erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Verwendung aufzuzeigen.
b) Die Kammer ist von den Argumenten der Einsprechenden nicht überzeugt. Weder D5 noch D6 offenbaren eine Verwendung eines Lichtleitkörpers als transparentes Verglasungselement im Sinne eines transparenten Elements zur architektonischen Raumgestaltung, sondern im Wesentlichen Verwendungen als LCD-Hintergrundbeleuchtung mit möglicher Funktion als flächige Lichtquelle. Darüber hinaus sieht die Kammer auch keine offensichtliche Veranlassung für den Fachmann, von D4 ausgehend, D5 oder D6 überhaupt heranzuziehen.
3.2 D6, D10, D11 oder D12 als nächstliegender Stand der Technik
Die Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D6, D10, D11 oder D12 als nächstliegendem Stand der Technik werden nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020).
3.2.1 Wie von der Patentinhaberin vorgetragen, ist der Sachvortrag zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) und Artikel 56 EPÜ ausgehend von einem anderen Stand der Technik als D4 erstmalig von der Einsprechenden mit der Beschwerdebegründung vorgetragen worden. Die Kammer erkennt keinen Grund, wieso dieser Sachvortrag nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht wurde. Insbesondere wurde die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zwischen den Beteiligten und der Einspruchsabteilung erörtert. Anstatt diese Gelegenheit zu nutzen, um die erfinderische Tätigkeit auf der Grundlage von weiterem Stand der Technik in Frage zu stellen, verwies die Einsprechende lediglich auf ihre schriftlichen Eingaben und machte auch auf Nachfrage des Vorsitzenden keine weiteren Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkt 4.6). In ihren schriftlichen Eingaben hat die Einsprechende jedoch, wie von der Einspruchsabteilung bemerkt, "nur pauschal auf eine Kombination [von D4] mit D05 bis D13 verwiesen, jedoch ohne detaillierte Angaben" (Ladungsbescheid vom 4. Oktober 2019, Punkt 4.2). Einwände erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D6, D10, D11 oder D12 als nächstliegendem Stand der Technik wurden nicht erhoben. Daher teilt die Kammer die Ansicht der Patentinhaberin, dass der Sachvortrag zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit aufgrund der Dokumente D6, D10, D11 oder D12 als nächstliegendem Stand der Technik nicht in das Verfahren zuzulassen ist (Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020).
3.2.2 Die Einsprechende führte während der mündlichen Verhandlung folgende Gründe an, warum die Einwände gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6, D10, D11 oder D12 als dem nächstliegenden Stand der Technik in das Verfahren zuzulassen seien:
a) Die Patentinhaberin habe sich in ihrer Beschwerdeerwiderung ausführlich und substantiiert zu den Einwänden gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6, D10, D11 oder D12 als dem nächstliegenden Stand der Technik im Verfahren geäußert.
b) Die neuen Einwände erfinderischer Tätigkeit seien vor fast 24 Monaten vor der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen worden. Die Kammer und die Patentinhaberin hätten daher ausreichend Zeit gehabt, die neuen Einwände zu lesen und zu berücksichtigen.
c) Die neuen Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit hätten eine größere "Durchschlagskraft" als der Einwand, der von D4 als dem nächstliegenden Stand der Technik ausgehe. Insbesondere offenbarten D6, D10, D11 und D12 ein transparentes Verglasungselement. Ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik bestehe der einzige Unterschied zum beanspruchten Verfahren darin, dass der Lichtleitkörper von D6 nicht einen "Haze" von kleiner als 4% aufweise.
3.2.3 Die Kammer kann den Argumenten a) bis c) der Einsprechenden aus den folgenden Gründen nicht folgen:
a) Auch wenn die Patentinhaberin sich vorsichtshalber in ihrer Beschwerdeerwiderung zu den neuen Einwänden geäußert hat, bedeutet dies nicht, dass diese Einwände in das Verfahren zugelassen sind. Erstmaliges Vorbringen von Einwänden im Beschwerdeverfahren bedarf der Zulassung durch die Kammer. In dem vorliegendem Fall übte die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 12(6) Satz 2 VOBK 2020 dahingehend aus, dass sie entschieden hat, die neuen Einwände nicht in das Verfahren zuzulassen (siehe oben Punkt 3.2.1).
b) Ob die Kammer oder die Patentinhaberin genügend Zeit gehabt haben, die neuen Einwände zu lesen und zu berücksichtigen, spielt für die Frage der Zulassung von neuem Vorbringen in der Regel keine Rolle. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass die Einsprechende die Einwände bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können und sollen und dass sie keine Umstände der Beschwerdesache geltend gemacht hat, die eine Zulassung rechtfertigen würden.
c) Eine größere "Durchschlagskraft" der Einwände ist nach Ansicht der Kammer kein zwingendes Kriterium für die Zulassung neuer Einwände.
3.3 Aus den obigen Gründen steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegen.
4. Daraus folgt, dass keiner der von der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegensteht. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der Einspruch gemäß Artikel 101 (2) EPÜ zurückzuweisen ist, ist daher zu bestätigen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.