T 0877/21 (Bemautung untergeordneter Straßen / TollCollect) 26-07-2023
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Verfahren, Einrichtungen, System und Computerprogrammprodukt zur Erhebung von Maut in einem Dualen Mautsystem
Patentansprüche - Deutlichkeit (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch sei. Daher entschied die Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen.
III. In ihrer Entscheidung berücksichtigte die Prüfungsabteilung das folgende Dokument:
D2 WO 2013/124032 A1
IV. In der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags zu erteilen, hilfsweise auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 7, wobei letztere erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit.
Die Kammer war der Ansicht, dass die Ansprüche des Hauptantrags nicht klar seien (Artikel 84 EPÜ) und deren Gegenstand nicht erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
Die Kammer neigte dazu, Hilfsanträge 1 bis 6 nicht in das Verfahren zuzulassen und merkte an, dass ungeachtet dessen der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche nicht erfinderisch zu sein schien.
Hinsichtlich Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 war die Kammer der Ansicht, dass dieser nicht klar und nicht erfinderisch sei.
VI. Mit ihrem Schreiben vom 19. Juni 2023 trug die Beschwerdeführerin weitere Argumente vor.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 26. Juli 2023 als Videokonferenz statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des Hauptantrags, hilfsweise auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 7 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung) zu erteilen.
VIII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag sowie allen Hilfsanträgen 1 bis 7 lautet wie folgt:
"Mautsystem mit einer Vielzahl von dezentralen Vorrichtungen (20, 21) zur Erhebung von Mautgebühren für Fahrten eines bestimmten Fahrzeugs (70) in einer Region, die ein erstes Netz von übergeordneten Straßen mit mautpflichtigen Streckenabschnitten (ai, aj) aufweist sowie wenigstens ein zweites Netz von untergeordneten Straßen,
wobei von den mautpflichtigen Streckenabschnitten (ai, aj) wenigstens ein erster Streckenabschnitt (ai) zumindest ausfahrtsseitig durch eine Anschlussstelle (ki+1) zur Abfahrt aus dem ersten Netz in das zweite Netz gekennzeichnet ist und wenigstens ein zweiter Streckenabschnitt (aj) zumindest einfahrtsseitig durch eine Anschlussstelle (kj) zur Auffahrt aus dem zweiten Netz in das erste Netz gekennzeichnet ist,
wobei eine erste dezentrale Vorrichtung (20) der Vielzahl von dezentralen Vorrichtungen (20, 21) konfiguriert ist,
a) im Rahmen einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen ersten Anfrage hinsichtlich einer Berechtigung zur Nutzung des ersten Streckenabschnitts (ai) des ersten Netzes von übergeordneten Straßen auf einer ersten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) im ersten Netz von übergeordneten Straßen eine erste datentechnische Erfassung (S21) von Daten des ersten Streckenabschnittes (ai) durchzuführen und
b) eine erste datentechnische Erhebung (S22) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen ersten Primär-Mautgebühr für die Berechtigung zur Nutzung des ersten Streckenabschnitts (ai) durch das bestimmte Fahrzeug (70) durchzuführen,
und wobei wenigstens eine zweite dezentrale Vorrichtung (21) der Vielzahl von dezentralen Vorrichtungen (20, 21) konfiguriert ist,
c) im Rahmen einer, der ersten Anfrage unmittelbar nachfolgenden, auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen zweiten Anfrage hinsichtlich einer Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnitts (aj) des ersten Netzes von übergeordneten Straßen auf einer, der ersten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) unmittelbar nachfolgenden, zweiten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) im ersten Netz von übergeordneten Straßen eine, der ersten datentechnischen Erfassung unmittelbar nachfolgende, zweite datentechnische Erfassung (S24) von Daten des zweiten Streckenabschnittes (aj) durchzuführen und
d) eine, der ersten datentechnischen Erhebung nachfolgende, zweite datentechnische Erhebung (S28) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen zweiten Primär-Mautgebühr für die Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnitts (aj) durch das bestimmte Fahrzeug (70) durchzuführen,
dadurch gekennzeichnet, dass
die erste dezentrale Vorrichtung ausgebildet ist, Daten bezüglich des ersten Streckenabschnitts (ai) zu senden (S23),
die zweite dezentrale Vorrichtung ausgebildet ist, Daten bezüglich des ersten Streckenabschnitts (ai) zu empfangen (S25) und
die zweite dezentrale Vorrichtung außerdem konfiguriert ist,
e) eine datentechnische Bestimmung (S26) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen Sekundär-Mautgebühr in Abhängigkeit von Daten bezüglich des ersten Streckenabschnitts (ai) und von Daten bezüglich des zweiten Streckenabschnitts (aj) durchzuführen und
f) eine, der ersten datentechnischen Erhebung nachfolgende, ergänzende datentechnische Erhebung (S27) der ermittelten Sekundär-Mautgebühr für die Berechtigung zur Nutzung des zweiten Netzes von untergeordneten Straßen, die das bestimmte Fahrzeug (70) im Zuge einer zeitlich zwischen der ersten Fahrt im ersten Netz und der zweiten Fahrt im ersten Netz angeordneten intermediären Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) im zweiten Netz befährt, durchzuführen,
wobei
die erste dezentrale Vorrichtung konfiguriert ist,
g) Daten bezüglich des ersten mautpflichtigen Streckenabschnitts im Rahmen von einer ersten Anfrage zur Buchung der Berechtigung zur Nutzung einer den ersten mautpflichtigen Streckenabschnitt umfassenden ersten Teilroute im ersten Netz von übergeordneten Straßen zu empfangen und die erste datentechnische Erfassung infolge einer Verarbeitung der ersten Anfrage, die Daten des ersten Streckenabschnitts erzeugt, durchzuführen,
h) eine Berechtigung zur Nutzung des ersten Streckenabschnittes in Form eines Nachweises über die Erhebung einer ersten Primär-Mautgebühr für die Nutzung des ersten Streckenabschnitts im Anschluss an eine erste datentechnische Erhebung der ersten Primär-Mautgebühr auszugeben,
und
die zweite dezentrale Vorrichtung konfiguriert ist,
i) Daten bezüglich des zweiten mautpflichtigen Streckenabschnitts im Rahmen von einer zweiten Anfrage zur Buchung der Berechtigung zur Nutzung einer den zweiten mautpflichtigen Streckenabschnitt umfassenden zweiten Teilroute im ersten Netz von übergeordneten Straßen zu empfangen und
j) die zweite datentechnische Erfassung infolge einer Verarbeitung der zweiten Anfrage, die Daten des zweiten Streckenabschnitts erzeugt, durchzuführen
und
k) eine Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnittes in Form eines Nachweises über die Erhebung der zweiten Primär-Mautgebühr für die Nutzung des zweiten Streckenabschnitts im Anschluss an die ergänzende datentechnische Erhebung auszugeben."
IX. Anspruch 12 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Zentrale Datenverarbeitungseirichtung [sic] (50) zur Erhebung von Mautgebühren
für Fahrten eines bestimmten Fahrzeugs (70) in einer Region, die ein erstes Netz von übergeordneten Straßen mit mautpflichtigen Streckenabschnitten (ai, aj) aufweist sowie wenigstens ein zweites Netz von untergeordneten Straßen, wobei von den mautpflichtigen Streckenabschnitten (ai, aj) wenigstens ein erster Streckenabschnitt (ai) zumindest ausfahrtsseitig durch eine Anschlussstelle (ki+1) zur Abfahrt aus dem ersten Netz in das zweite Netz gekennzeichnet ist und wenigstens ein zweiter Streckenabschnitt (aj) zumindest einfahrtsseitig durch eine Anschlussstelle (kj) zur Auffahrt aus dem zweiten Netz in das erste Netz gekennzeichnet ist,
wobei die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50) konfiguriert ist,
a) eine erste datentechnische Erfassung (S11, S21) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen Nutzung oder einer Berechtigung zur Nutzung des ersten Streckenabschnitts (ai) des ersten Netzes von übergeordneten Straßen auf einer ersten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) im ersten Netz von übergeordneten Straßen durchzuführen,
b) eine erste datentechnische Erhebung (S12, S22) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen ersten Primär-Mautgebühr für die Nutzung des ersten Streckenabschnitts (ai) durch das bestimmte Fahrzeug (70) durchzuführen,
c) eine, der ersten datentechnischen Erfassung unmittelbar nachfolgende, zweite datentechnische Erfassung (S13, S24) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen Nutzung oder einer Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnitts (aj) des ersten Netzes von übergeordneten Straßen auf einer, der ersten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) unmittelbar nachfolgenden, zweiten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) im ersten Netz von übergeordneten Straßen durchzuführen und
d) eine, der ersten datentechnischen Erhebung nachfolgende, zweite datentechnische Erhebung (S14, S28) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen zweiten Primär-Mautgebühr für die Nutzung oder die Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnitts (aj) durch das bestimmte Fahrzeug (70) durchzuführen,
e) eine datentechnische Bestimmung (S15, S26) einer auf das bestimmte Fahrzeug (70) bezogenen Sekundär-Mautgebühr in Abhängigkeit von Daten bezüglich des ersten Streckenabschnittes (ai) und von Daten bezüglich des zweiten Streckenabschnittes (aj) durchzuführen und
f) eine, der ersten datentechnischen Erhebung nachfolgende, ergänzende datentechnische Erhebung (S16, S27) der ermittelten Sekundär-Mautgebühr für die Nutzung oder die Berechtigung zur Nutzung des zweiten Netzes von untergeordneten Straßen, die [sic] bestimmte Fahrzeug (70) im Zuge einer zeitlich zwischen der ersten Fahrt im ersten Netz und der zweiten Fahrt im ersten Netz angeordneten intermediären Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) im zweiten Netz befährt oder befahren hat, durchzuführen,
dadurch gekennzeichnet, dass
die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50) konfiguriert ist,
g) Daten bezüglich mautpflichtiger Streckenabschnitte (ai, aj) im Rahmen von Anfragen zur Buchung von Berechtigungen zur Nutzung der mautpflichtigen Streckenabschnitten [sic] (ai, aj) übergeordneter Straßen eines ersten Netzes von übergeordneten Straßen zu empfangen sowie
h) die erste datentechnische Erfassung (S21) infolge einer ersten Anfrage mit Daten bezüglich des ersten Streckenabschnitts (ai) durchzuführen,
i) eine Berechtigung zur Nutzung des ersten Streckenabschnittes (ai) in Form eines Nachweises über die Erhebung einer ersten Primär-Mautgebühr (S22) für die Nutzung des ersten Streckenabschnitts (ai) im Anschluss an eine erste datentechnische Erhebung der ersten Primär-Mautgebühr auszugeben,
j) die zweite datentechnische Erfassung (S24) infolge einer zweiten Anfrage mit Daten bezüglich des zweiten Streckenabschnitts (aj) durchzuführen und
k) eine Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnittes (aj) in Form eines Nachweises über die Erhebung der zweiten Primär-Mautgebühr (S28) für die Nutzung des zweiten Streckenabschnitts (aj) im Anschluss an die ergänzende datentechnische Erhebung (S27) auszugeben."
Entscheidungsgründe
1. Die vorliegende Anmeldung hat ein Mautsystem und eine zentrale Datenverarbeitungseinrichtung zur Erhebung von Mautgebühren zum Gegenstand. Hierbei sollen Sekundär-Mautgebühren für die Benutzung von untergeordneten Straßen ermittelt werden. Dazu soll eine ergänzende datentechnische Erhebung durchgeführt werden, die auf Fahrten im übergeordneten Straßennetz basiert.
2. Hauptantrag
Der vorliegende Hauptantrag ist gleich dem in der angefochtenen Entscheidung betrachteten Hauptantrag.
2.1 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
2.1.1 Anspruch 12 enthält sich widersprechende Merkmale. Einerseits wird im Merkmal c) die Nutzung auf einer "der ersten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs (70) unmittelbar nachfolgenden, zweiten Fahrt des bestimmten Fahrzeugs" [Hervorhebung durch die Kammer] erfasst. Andererseits wird gemäß Merkmal f) aber auch eine Nutzung auf einer "zeitlich zwischen der ersten Fahrt im ersten Netz und der zweiten Fahrt im ersten Netz angeordneten intermediären Fahrt" [Hervorhebung durch die Kammer] erfasst. Somit wird die zweite Fahrt zugleich als unmittelbar nachfolgend als auch erst nach einer intermediären Fahrt nachfolgend definiert, was sich jedoch gegenseitig ausschließt. Dabei interpretiert die Kammer "unmittelbar nachfolgend" als "zeitlich unmittelbar nachfolgend". Da Patentansprüche aber in sich widerspruchsfrei sein sollen (vgl. z.B. Entscheidung T 2/80, OJ 1981, 431, Entscheidungsgründe, 2. Absatz), ist Anspruch 12 nicht klar.
Korrespondierende Merkmale c) und f) sind auch in Anspruch 1 enthalten. Folglich ist Anspruch 1 aus den gleichen Gründen nicht klar.
2.1.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Begriff "unmittelbar nachfolgend" so zu verstehen sei, dass zwischen der ersten Fahrt im ersten Netz und der zweiten Fahrt im ersten Netz keine andere Fahrt im ersten Netz stattfinde. Der Begriff "unmittelbar nachfolgend" sei also nur auf das erste Netz bezogen und würde durch die intermediäre Fahrt im zweiten Netz nicht unklar.
2.1.3 Die Kammer hält das Argument der Beschwerdeführerin nicht für überzeugend, da diese Interpretation nicht dem Anspruchswortlaut zu entnehmen ist.
2.1.4 In Anbetracht dieser Erwägungen erfüllen die Ansprüche 1 und 12 des Hauptantrags nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
2.1.5 Im Folgenden legt die Kammer den Anspruch 12 so aus, dass auf die erste Fahrt die intermediäre und erst auf diese die zweite Fahrt folgt, wie dies auch in Merkmal f) festgelegt wird. D.h., die in Merkmal c) genannte unmittelbar nachfolgende zweite Fahrt wird lediglich als nachfolgende zweite Fahrt interpretiert.
2.2 Neuheit (Artikel 54(1) EPÜ)
In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 12 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2 hinsichtlich der Merkmale e) und f) unterscheide, sowie dem Teil von k), dass die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung konfiguriert ist,
eine Berechtigung zur Nutzung des zweiten Streckenabschnittes in Form eines Nachweises über die Erhebung der zweiten Primär-Mautgebühr für die Nutzung des zweiten Streckenabschnitts im Anschluss an die ergänzende datentechnische Erhebung auszugeben. [Hervorhebung durch die Prüfungsabteilung]
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass Dokument D2 auch nicht die Merkmale c), d), j) und k) - soweit sich Merkmal k) auf die ergänzende datentechnische Erhebung beziehe - offenbare. Insbesondere offenbare Dokument D2, dass für alle Streckenabschnitte, aus denen sich die Route zusammensetze, gleichzeitig Nutzungsberechtigungen erworben würden. Diese gleichzeitige Erfassung schließe die in Merkmal c) und d) beanspruchte nachfolgende zweite Erfassung aus.
Die Kammer hält das Argument der Beschwerdeführerin für nicht überzeugend. Wie in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung ausgeführt (vgl. "zweites Ausführungsbeispiel - manuelles Verfahren", insbesondere S. 29, Zeilen 24 - 27), betrifft der Gegenstand des Anspruchs auch den Fall, dass ein Fahrer die erste und zweite Nutzungsberechtigung vorab am gleichen Mautterminal erwirbt. Erste und zweite Erfassung erfolgen in diesem Falle nacheinander, da separate Streckenabschnitte erfasst werden (vgl. auch die obige Interpretation). Die in Dokument D2 offenbarte Datenverarbeitungseinrichtung ermöglicht derartige aufeinanderfolgenden Erwerbsvorgänge, so dass die Merkmale c), d) und j) offenbart sind.
Die Kammer stellt somit fest, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 12 von der Offenbarung des Dokuments D2 hinsichtlich der von der Prüfungsabteilung festgestellten Merkmale unterscheidet.
2.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.3.1 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass gemäß dieser Unterschiede der Nutzer für die Nutzung von untergeordneten Straßen zwischen der ersten und der zweiten Fahrt eine Sekundär-Mautgebühr in Abhängigkeit von Daten bezüglich des ersten Streckenabschnittes und von Daten bezüglich des zweiten Streckenabschnittes bezahlen müsse, bevor er eine Berechtigung zur weiteren Nutzung des mautpflichtigen Streckennetzes erhalten könne. Da dies einer nicht-technischen Geschäftsanforderung entspreche, dürfe diese in der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe verwendet werden. Es sei daher die objektive technische Aufgabe, das aus Dokument D2 bekannte System so anzupassen, dass der Benutzer für die untergeordneten Straßen zahlen müsse, bevor er eine weitere Nutzungsberechtigung für eine zweite mautpflichtige Strecke erhalten könne.
2.3.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die von der Prüfungsabteilung festgestellte objektive technische Aufgabe unzulässigerweise Elemente der Lösung beinhalte. Dokument D2 offenbare nicht (a) das untergeordnete Straßennetz, (b) die Bestimmung, dass für die Benutzung des untergeordneten Straßennetzes zu zahlen sei und (c) die Bestimmung, dass für die Benutzung des untergeordneten Straßennetzes zu zahlen sei, bevor eine weitere Nutzungsberechtigung für eine zweite mautpflichtige Strecke erhalten werden könne.
Ferner wurde vorgetragen, dass Merkmal e) eine Datenbankanalyse impliziere, was ein technisches Merkmal sei. Analog beinhalte die datentechnische Erhebung gemäß Merkmal f) das Hinterlegen eines Datensatzes in einem Speicher.
Außerdem argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die technische Wirkung darin bestünde, dass die zusätzliche Gebühr
(i) ohne die Hinterlegung von zusätzlichen Streckenabschnitten eines zweiten Netzes entsprechend datensparsam und
(ii) ohne eine Routingprozedur für eine Fahrt außerhalb des ersten Netzes entsprechend rechenzeitarm
(iii) ohne das Erfordernis einer Kontrollinfrastruktur im zweiten Netz
erhoben würde.
Gemäß der Beschwerdeführerin müsse die objektive technische Aufgabe daher allgemeiner formuliert werden. Diese bestünde nämlich darin, eine zentrale Datenverarbeitungseinrichtung für ein Mautsystem anzugeben, die neben der zuverlässigen Vermautung der Benutzung eines ersten Netzes auch die zuverlässige Vermautung der Benutzung eines zweiten Netzes erlaube.
In Dokument D2 fehle der Hinweis für den Fachmann, sich der Bemautung einer nicht mautpflichtigen Strecke des untergeordneten Netzes überhaupt zu widmen. Des Weiteren sei es nicht naheliegend, dass Informationen über das Fahrtende der ersten Fahrt und den Fahrtbeginn der zweiten Fahrt nun als Fahrtbeginn und Fahrtende einer dritten Fahrt in einem untergeordneten Netz zur Bezahlung für die dritte Fahrt verwendet werden sollten. Schließlich ergebe sich Merkmal k) ("...im Anschluss an...") ausgehend von Dokument D2 weder, wenn eine Gesamtfahrt gebucht würde, noch wenn Teilfahrten für den ersten und zweiten Streckenabschnitt gebucht würden.
Vielmehr hätte der Fachmann, ausgehend von Dokument D2, die darin enthaltene Lehre auch auf das zweite Netz angewandt und wäre auf diese Weise zu einer anderen als der beanspruchten Lösung geleitet worden.
Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 12 auf erfinderischer Tätigkeit.
2.3.3 Die Kammer ist der Ansicht, dass in Dokument D2 beispielsweise in Abb. 2a ein untergeordnetes Straßennetz offenbart ist (vgl. Argument (a) in Abschnitt 2.3.2). Demgegenüber handelt es sich beim Merkmal in Argument (b) um eine Regel für eine geschäftliche Tätigkeit, die gemäß Artikel 52 (2) c) EPÜ nicht als Erfindung und somit auch als nicht technisch angesehen wird. Selbiges gilt auch für das Merkmal in Argument (c), also die Reihenfolge, in der die Ausgabe der Nutzungsberechtigungen und die Erhebung der Mautgebühren zu erfolgen haben. Daher verfangen diese Argumente der Beschwerdeführerin nicht. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die objektive technische Aufgabe von der Prüfungsabteilung ohne Verwendung technischer Unterschiedsmerkmale und daher in zulässiger Weise formuliert wurde.
Ferner ist die Kammer der Ansicht, dass Merkmal e) einerseits nicht notwendigerweise eine Datenbankanalyse impliziert (es könnte auch eine pauschale Mautgebühr sein) und anderseits eine Datenbank eine dem Fachmann allgemein bekannte und daher naheliegende Art und Weise der Implementierung einer auf geschäftlichen Überlegungen basierenden Gebührenvorschrift darstellt. Analog ist es naheliegend, die Durchführung der geschäftlichen Transaktion zu dokumentieren, indem entsprechende Datensätze erzeugt werden. Daher verfangen die diesbezüglichen Argumente der Beschwerdeführerin nicht.
Außerdem ist die Erhebung der Mautgebühr gemäß Merkmal f) nicht auf die Streckenabschnitte des ersten Netzes als Berechnungsgrundlage beschränkt. Folglich ist eine Berechnung unter Verwendung der Strecken des zweiten Netzes nicht vom Anspruchswortlaut ausgeschlossen. Daher sind die von der Beschwerdeführerin genannten technischen Wirkungen (i) und (ii) auch nicht aus den Unterschiedsmerkmalen ableitbar. Zum vorgeblich Vorteil (iii) merkt die Kammer an, dass der Anspruchswortlaut die Verwendung einer Kontrollinfrastruktur nicht ausschließt. Daher vermögen die entsprechenden Argumente der Beschwerdeführerin die Kammer nicht zu überzeugen.
Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass die Entscheidung, welche Strecken des Straßennetzes der Mautpflicht unterliegen, ausschließlich auf geschäftlichen beziehungsweise politischen und somit nicht-technischen Erwägungen beruht. Ein diesbezüglicher Hinweis im Stand der Technik ist in einem derartigen Fall für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz nicht erforderlich.
Des Weiteren stellt der Übergangspunkt auf das untergeordnete Netz den Beginn der Bemautung in ebendiesem Netz und zugleich das Ende der Bemautung im übergeordneten Netz dar. Dass diese Punkte zusammenfallen ergibt sich somit zwangsläufig aus der Topologie der über- bzw. untergeordneten Netze und folglich nicht aufgrund erfinderischer Überlegungen, wie von der Beschwerdeführerin behauptet.
Schließlich merkt die Kammer an, dass gemäß der in Merkmal k) vorgesehenen Regel ("...im Anschluss an die ergänzende datentechnische Erhebung...") eine Berechtigung für einen nicht zusammenhängenden Abschnitt einer Fahrt nur ausgegeben wird, nachdem eine Erhebung für die intermediäre Fahrt erfolgt ist, jedoch nur sofern der zweite Abschnitt "unmittelbar nachfolgend" erfasst wird, vgl. Merkmal c). Einerseits ist die Kammer der Ansicht, dass die Reihenfolge von Ausgabe und Erhebung keinen technischen Effekt bewirkt, da die umgekehrte Reihenfolge zum gleichen Ergebnis führen würde. Die datentechnische Mauterhebung ist nämlich lediglich so definiert, dass ein Mautgebühren- oder Buchungsdatensatz erzeugt wird, vgl. Seite 4, Zeilen 16-17 der Anmeldung. Andererseits ist die Bemautung der untergeordneten Straßen abhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs der Berechtigung für den zweiten Abschnitt der Fahrt, was ein rein geschäftliches Kriterium darstellt und auch keinen technischen Effekt bewirkt. Daher verfängt auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht.
Somit wäre der Fachmann ausgehend von der - von der Prüfungsabteilung unter Verwendung nicht-technischer Anspruchsmerkmale formulierten - objektiven technische Aufgabe ohne erfinderisches Zutun zur Lösung gemäß Anspruch 12 gelangt.
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin formulierten Aufgabe merkt die Kammer an, dass diese von den Unterschiedsmerkmalen nicht gelöst wird. Anspruchsgemäß erfolgt die Bemautung des zweiten Netzes nur dann, wenn anschließend wieder das erste Netz befahren wird. Auch dabei wird gerade nicht die tatsächliche Benutzung des zweiten Netzes erfasst, sondern nur die kürzeste Verbindung zwischen Abfahrt und Wiederauffahrt ins erste Netz angenommen. Zur Lösung der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Aufgabe wäre eine vollständige Erfassung der Nutzung des zweiten Netzes erforderlich, was aber gerade vermieden werden soll.
Aufgrund dieser Überlegungen kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass der Gegenstand des Anspruchs 12 nicht erfinderisch gegenüber Dokument D2 ist.
2.4 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
3. Hilfsanträge 1 bis 7
Anspruch 1 aller Hilfsanträge ist gleichlautend mit Anspruch 1 des Hauptantrags. Daher erfüllt aus den bereits für den Hauptantrag diskutierten Gründen keiner der Hilfsanträge 1 bis 7 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Die Beschwerdeführerin brachte für die Hilfsanträge keine gesonderten Argumente hinsichtlich Klarheit vor.
Infolgedessen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass keiner der Hilfsanträge 1 bis 7 gewährbar ist.
4. Da somit kein gewährbarer Antrag vorliegt, muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.