T 1977/20 10-10-2023
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Zusammensetzung für Beschichtung
DAW SE
Brillux GmbH & Co. KG
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus
Änderung des Beschwerdevorbringens - Ermessensausübung
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung), das europäische Patent Nr. 2 883 918 (Patent) zu widerrufen.
II. Anspruch 1 wie erteilt betrifft eine Zusammensetzung enthaltend ein hydrophobes Wachs, ein Silikonöl welches ausschließlich Hydrocarbylseitenketten enthält, ein hydrophiles Bindemittel und Pigmente und/oder Füllstoffe. Die Zusammensetzung weist eine Pigment-Volumen-Konzentration von 25 bis 60 % auf.
III. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant.
D2 |Wikipedia, "Pigment-Volumen-Konzentration", 12. Juni 2016|
D18 |DIN EN ISO 4618, März 2007 |
A044|Gysau, Füllstoffe |
A045|DIN EN ISO 4618, Januar 2015 |
A046|Prospekt zu Mowilith |
A048|Wikipedia, "Carnaubawachs", 29. Juli 2013 |
A049|Sicherheitsdatenblatt Carnaubawachs |
A050|Sicherheitsdatenblatt Deurex**(®) E-Serie/EV 03 |
A054|Sicherheitsdatenblatt Aquacer 1031 |
A055|Sicherheitsdatenblatt Ultralube**(®) E-390 |
A058|Gutachten Gysau für STO SE & Co. KGaA |
A065|Wikipedia, "Pigment-Volumen-Konzentration", 11. Mai 2012 |
IV. Die angefochtene Entscheidung kam zu folgendem Schluss:
- Anspruch 1 des Hauptantrags steht nicht im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 verstößt gegen die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ.
- Hilfsanträge 2 bis 7 werden nicht zum Verfahren zugelassen.
V. Mit ihrer Beschwerdebegründung und einem zusätzlichen Schreiben reichte die Beschwerdeführerin A044 bis A046, und A058 ein (von ihr als B1 bis B3 und Gutachten von Herrn Detlev Gysau bezeichnet).
VI. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte Einsprechende 1 ("Beschwerdegegnerin 1") unter anderem A048 bis A050 ein.
VII. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung und einem zusätzlichen Schreiben reichte Einsprechende 2 ("Beschwerdegegnerin 2") unter anderem A054 und A055 ein.
VIII. Die Parteien wurden antragsgemäß zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erging eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020.
IX. Am 10. Oktober 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer in Anwesenheit beider Parteien statt. Die Beschwerdeführerin reichte A065 ein.
X. Relevante Anträge der Parteien im Beschwerdeverfahren
Die Beschwerdeführerin beantragte:
- die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben, und die Sache an die Einspruchsabteilung zur Behandlung der noch offenen Einspruchsgründe zurückzuverweisen,
- oder die Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang von einem der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2, oder im Umfang des am 4. Oktober 2023 eingereichten Hilfsantrags 3 aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 beantragten:
- die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen und die Entscheidung der Einspruchsabteilung unverändert aufrechtzuerhalten, und
- Hilfsanträge 1 bis 3 nicht zum Verfahren zuzulassen.
Beschwerdegegnerin 2 beantragte ferner, die Dokumente A045 und A046 nicht zum Verfahren zuzulassen.
XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Ausführungen der Parteien werden in den nachstehenden Entscheidungsgründen zusammengefasst.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
1. Artikel 100 (c) EPÜ - Anspruch 1
1.1 Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Zusammensetzung enthaltend
- ein hydrophobes Wachs
- ein Silikonöl welches ausschließlich Hydrocarbylseitenketten enthält; und
- ein hydrophiles Bindemittel
- Pigmente und/oder Füllstoffe
wobei
die Zusammensetzung
- eine Pigment-Volumen-Konzentration von 25 bis 60 % gemäß EN ISO 4618-1 (wobei sich die Menge auf die Gesamtheit der Pigmente und Füllstoffe bezieht);
aufweist
wobei
"hydrophob" bedeutet, dass der statische Anfangskontaktwinkel von Wasser nach 3 min Äquilibrieren > 90° ist;
"hydrophil" bedeutet, dass der statische Anfangskontaktwinkel von Wasser nach 3 min Äquilibrieren <= 90° ist." (Hervorhebung hinzugefügt)
Der in der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (nachfolgend "ursprüngliche Anmeldung") enthaltene Anspruch 1 definierte die Pigment-Volumen-Konzentration von 25 bis 60 % ohne den oben hervorgehobenen Verweis "gemäß EN ISO 4618-1 (wobei sich die Menge auf die Gesamtheit der Pigmente und Füllstoffe bezieht)". Somit wurde gegenüber Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung in Anspruch 1 des Hauptantrags die Definition der Pigment-Volumen-Konzentration durch die Hinzufügung dieses Merkmals "gemäß EN ISO 4618-1(wobei sich die Menge auf die Gesamtheit der Pigmente und Füllstoffe bezieht)" geändert.
Nachfolgend wird die Pigment-Volumen-Konzentration als PVK bezeichnet.
1.2 Von den Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 wurde ein Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ dahingehend vorgebracht, dass die im Anspruch 1 des Hauptantrags angegebene Definition der PVK über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht.
1.3 Anspruch 1 des Hauptantrags (s. oben) erfordert eine PVK von 25 bis 60 % gemäß EN ISO 4618-1.
Bezüglich der Definition der PVK wird somit in Anspruch 1 des Hauptantrags ausschließlich auf die Norm EN ISO 4618-1 abgestellt.
Wie von der Beschwerdeführerin (Seite 1 der Beschwerdebegründung) ausgeführt, entspricht die in Anspruch 1 des Hauptantrags genannte Norm EN ISO 4618-1 der Norm in der Fassung von 2007. Diese Fassung liegt im vorliegenden Verfahren als D18 vor.
Gemäß Ziffer 2.176 der Seite 37 der D18 stellt die PVK das "Verhältnis des Volumens von Pigmenten und/oder Füllstoffen und/oder anderen nicht film-bildenden festen Teilchen zum Gesamtvolumen der nichtflüchtigen Anteile eines Beschichtungsstoffes, ausgedrückt in Prozent" dar. Dieses Verhältnis entspricht der Gleichung 1, wobei "Pigmente", "Füllstoffe", "nicht filmbindende feste Teilchen" und "nichtflüchtige Anteile" für die Volumen dieser Bestandteile stehen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Gleichung 1
Somit ist die PVK in Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Bezugnahme dieses Anspruchs auf Norm D18 durch Gleichung 1 definiert.
Auf Seite 11, Zeilen 4-10 der ursprünglichen Anmeldung findet sich unter dem Abschnitt "Messmethoden" folgende Offenbarung: "Die Pigment-Volumen-Konzentration (EN ISO 4618-1) gibt das Volumenverhältnis zwischen Pigmenten / Füllstoffen und dem Bindemittel im Beschichtungsfilm wieder." und "Die ebenfalls in der Rezeptur enthaltenen Additive wurden in der Berechnung nicht berücksichtigt. Lösemittel und Wasser sind im gehärteten Film ohnehin nicht mehr enthalten und fallen damit ebenfalls weg. Das Wachs und Silikonöl, sofern vorhanden wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt."
Die in dieser Textstelle der ursprünglichen Beschreibung genannte Definition der PVK als das "Volumenverhältnis zwischen Pigmenten / Füllstoffen und dem Bindemittel im Beschichtungsfilm" ist nachfolgend als Gleichung 2 wiedergegeben, wobei auch hier die einzelnen Bestandteile für das Volumen dieser Bestanteile stehen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Gleichung 2
Der Zähler der die PVK in Anspruch 1 des Hauptantrages wiedergebenden Gleichung 1 ist die Summe der Volumen von Pigmenten, Füllstoffen und anderen nicht film-bildenden festen Teilchen. Der Zähler der die Offenbarung der ursprünglichen Beschreibung wiedergebenden Gleichung 2 ist dahingegen lediglich die Summe der Volumen von Pigmenten und Füllstoffen. Der Zähler der Gleichung 2 umfasst nicht das Volumen der anderen im Zähler der Gleichung 1 genannten nicht film-bildenden festen Teilchen.
Der Nenner der die PVK in Anspruch 1 des Hauptantrages wiedergebenden Gleichung 1 ist das Gesamtvolumen der nichtflüchtigen Anteile eines Beschichtungsstoffes. Der Nenner der die Offenbarung der ursprünglichen Beschreibung wiedergebenden Gleichung 2 ist dahingegen das Volumen des Bindemittels und entspricht nicht dem Nenner der Gleichung 1.
Da die Zähler und Nenner und daraus resultierend deren Verhältnis in beiden Gleichungen verschieden sind, unterscheidet sich, wie in Punkt 1.3 des Bescheids der Kammer vom 20. Juli 2023 bereits ausgeführt, die im erteilten Anspruch 1 spezifizierte Definition der PVK von der Definition der PVK gemäß Seite 11, Zeilen 5 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung.
1.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Definition der PVK gemäß Patent mit derjenigen der Anmeldung identisch sei, so dass der Vorwurf der unzulässigen Erweiterung nach Artikel 123(2) EPÜ nicht begründet sei.
Diese Argumentation der Beschwerdeführerin liegt jedoch neben der Sache.
Wie oben dargelegt, findet sich auf Seite 11, Zeilen 4-10 der ursprünglichen Anmeldung eine Definition der PVK. Die entsprechenden Passagen im Streitpatent sind die Absätze [0092] und [0093]. Diese Absätze sind mit der Offenbarung auf Seite 11, Zeilen 4-10 der ursprünglichen Anmeldung identisch.
Somit ist der Beschwerdeführerin darin zustimmen, dass die Definitionen der PVK in diesen beiden Textstellen der ursprünglichen Anmeldung und dem Patent identisch sind. Daher verstößt die oben genannte Textstelle des Streitpatents nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Vorliegend ist jedoch nicht die Frage von Belang, ob diese Textstelle des Streitpatents die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt. Zu entschieden ist vielmehr, ob dies für Anspruch 1 des Hauptantrags der Fall ist. Wie oben dargelegt, ist dies nicht der Fall.
Der Vollständigkeit halber weißt die Kammer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen wurde, dass Anspruch 1 des Hauptantrags im Lichte der Beschreibung des Streitpatents auszulegen ist, und diese Auslegung wegen der Identität der oben diskutierten Textstellen der Beschreibung des Patents und der Anmeldung nicht über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht. Unabhängig davon stellt die Kammer fest, dass, selbst wenn dieses Argument vorgebracht worden wäre, es nicht überzeugen würde: Wie oben dargelegt, bezieht sich Anspruch 1 des Hauptantrags eindeutig auf die Norm. Ein solcher Bezug ist in sich klar und eindeutig und bedarf keiner Auslegung durch die Beschreibung.
1.5 Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen der Diskussion der Zulässigkeit des Hilfsantrags 3 die Gültigkeit der Gleichung 2 bestritten. Die Gleichung 2 finde sich weder im Stand der Technik noch in der Anmeldung noch im Patent.
Die Kammer folgt dem nicht. Gleichung 2 ergibt sich unmittelbar und eindeutig aus der oben zitierten Passage auf Seite 11, Zeilen 5 und 6 der ursprünglichen Anmeldung. Es wurde lediglich der Ausdruck "Verhältnis" mathematisch als Bruchstrich ausgedrückt.
1.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte schließlich, dass die sich aus der ursprünglichen Beschreibung (Seite 11, Zeilen 5 bis 10) ergebende Gleichung nicht Gleichung 2 entspreche, sondern dass diese Gleichung der Gleichung, die in jedem der Dokumente D2 (Seite 1), A044 (Gleichung 6.2), A058 (Gleichung 3) und A065 (Seite 2) offenbart sei, entspreche. Diese Gleichung stelle die Norm dar und der den Anspruch 1 des Hauptantrages und die damit verbundene Gleichung 1 lesende Fachmann würde letztere ebenfalls gemäß dieser Norm verstehen. Es seien auch keine nicht-filmbildenden festen Teilchen benannt worden, die normgemäß zu berücksichtigen seien, gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags aber nicht berücksichtigt werden.
Auch dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt nicht.
Auf Seite 1 von D2, Seite 150 von A044 ("Gleichung 6.2"), Seite 5 von A058 ("Gleichung 3") und Seite 2 von A065 wird folgende Definition der PVK offenbart:
PVK = (VPigmente + VFüllstoffe)/(VPigmente + VFüllstoffe + VBindemittel) (x 100)
Gleichung 3
Der Zähler dieser Gleichung 3 (VPigmente + VFüllstoffe) ist jedoch nicht identisch zu dem Zähler der die PVK des Anspruchs 1 charakterisierenden Gleichung 1, der zusätzlich zu dem Volumen der Pigmente und Füllstoffe auch das Volumen der nicht-filmbindende feste Teilchen enthält.
Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang selbst anerkannt, dass die Zusammensetzung des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht-filmbindende feste Teilchen umfassen kann. So können gemäß Beschwerdeführerin (Seite 3 der Beschwerdebegründung) beispielsweise Metallpulver als Korrosionsschutz oder Al(OH)3 als Flammschutzmittel als "nicht filmbildende feste Teilchen" enthalten sein.
Ferner stellen auch, wie von den Beschwerdegegnerinnen ausgeführt, das in der Beschreibung des Patents
(Absatz [0064]) als möglicher Bestandteil der Zusammensetzung des Anspruchs 1 offenbarte Carnaubawachs, sowie die dort als Bestandteile offenbarten Polyalkylen- und Paraffinwachse nicht-filmbindende feste Teilchen dar.
Somit unterscheidet sich die die PVK gemäß Gleichung 1 des Anspruchs 1 charakterisierende Gleichung 1 von der PVK der den Dokumenten D2, A044, A058 und A065 entnommenen Gleichung 3. Deshalb entspricht die die PVK des Anspruchs 1 charakterisierende Gleichung 1, selbst wenn die Offenbarung auf Seite 11, Zeilen 5 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung nicht Gleichung 2 sondern Gleichung 3 entsprechen würde, nicht dieser auf Seite 11, Zeilen 5 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung definierten PVK.
1.7 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt.
1.8 Der Hauptantrag ist nicht gewährbar.
Hilfsantrag 1
2. Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag durch die Streichung des Absatzes [0093] in der Beschreibung des Patents, wie folgt.
"[deleted: Die ebenfalls in der Rezeptur enthaltenen Additive wurden in der Berechnung nicht berücksichtigt. Lösemittel und Wasser sind im gehärteten Film ohnehin nicht mehr enthalten und fallen damit ebenfalls weg. Das Wachs und Silikonöl, sofern vorhanden wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt.]"
3. Zulassung
3.1 Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, den Hilfsantrag 1 nicht zum Verfahren zuzulassen.
3.2 Der Hilfsantrag 1 wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Daher steht seine Zulassung im Ermessen der Kammer gemäß Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020.
3.3 Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Zudem können die in Artikel 13 (1) VOBK 2020 genannten Kriterien bei der Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK berücksichtigt werden. Gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 bedürfen wiederum Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten und ihre Zulassung steht im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der aufgeworfenen Fragen, ob die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist und ob die Änderung prima facie die aufgeworfenen Fragen ausräumt und keinen Anlass zu neuen Einwänden gibt.
3.4 Wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen wurde, ist nicht klar, wie die Streichung des Absatzes [0093] die obige Schlussfolgerung für den Hauptantrag ändern kann, da der Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags identisch ist.
Ferner wirft die Streichung des Absatz [0093] des Patents neue Fragen auf. So ist der Absatz [0093] mit dem vorhergehenden Absatz [0092] verbunden, der die Definition der PVK betrifft. Somit entsteht durch die Streichung die Frage, inwieweit diese Streichung die im Absatz [0092] angegebene Bedeutung der PVK verallgemeinert und dadurch zu einen neuen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ führt.
Damit wirft die Änderung im Hilfsantrag 1 prima facie neue Fragen hinsichtlich des Artikels 123 (2) EPÜ auf, was der Verfahrensökonomie abträglich ist.
Ferner würde, selbst wenn die Streichung des Absatzes [0093] die Auslegung des Anspruchs 1 dahingehend verändern würde, dass die nicht-filmbildenden festen Teilchen nicht mehr als Bestandteil des Zählers der Gleichung 1 anzusehen sind, so dass der oben diskutierte Einwand gegen Anspruch 1 des Hauptantrags unter Artikel 123(2) EPÜ ausgeräumt würde, diese Streichung prima facie zu einer Schutzbereichserweiterung führen, was im Widerspruch zu den Erfordernissen des Artikels 123(3) EPÜ stehen würde. Daher ist der Hilfsantrag prima facie nicht gewährbar.
3.5 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die Auslegung der Norm durch die Kammer während der mündlichen Verhandlung einen stichhaltigen Grund darstelle, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen. Mit der Streichung des Absatzes [0093] sei diese Auslegung nicht mehr möglich, so dass das Verständnis der Norm für den Fachmann erleichtert sei.
Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.
Zunächst ist festzustellen, dass selbst wenn außergewöhnliche Umstände vorgelegen hätten, dies lediglich bedeutet hätte, dass Artikel 13(2) VOBK 2020 der Zulassung nicht im Wege gestanden hätte. Der Antrag wäre dann jedoch nach wie vor aus den oben genannten Gründen auf der Grundlage des Artikels 13(1) VOBK nicht zuzulassen.
Darüber hinaus lagen keine außergewöhnlichen Umstände vor. So hatte die Kammer schon in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK (Punkt 1.3) die in der Verhandlung diskutierte Auslegung der normgemäßen Gleichung 1 angegeben. Somit ergeben sich durch die Diskussion in der mündlichen Verhandlung keine Änderungen im Beschwerdeverfahren, die als außergewöhnliche Umstände angesehen werden können, die das Einreichen eines Hilfsantrags während der mündlichen Verhandlung rechtfertigen könnten.
3.6 Aus diesen Gründen hat die Kammer entschieden, Hilfsantrag 1 nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 13 (1)und (2) VOBK 2020)
Hilfsantrag 2
4. In den Ansprüchen 1 und 11 wurden die Merkmale "welche das Volumenverhältnis zwischen Pigmenten/Füllstoffen und dem Bindemittel in Besichtungsfilm wiedergibt" hingefügt.
5. Zulassung
5.1 Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, den Hilfsantrag 2 nicht zum Verfahren zuzulassen.
5.2 Hilfsantrag 2 wurde erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Daher steht seine Zulassung im Ermessen der Kammer gemäß Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020.
5.3 Wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen wurde, enthält Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 aus Seite 11, Zeilen 5 und 6 der ursprünglichen Beschreibung aufgenommene Merkmale. Diese Merkmale auf Seite 11, Zeilen 5 und 6 der ursprünglichen Beschreibung sind mit der nachfolgenden Textstelle auf Seite 11, Zeilen 7 bis 10 verbunden. Deshalb führt die Hinzufügung dieser Merkmale in die Ansprüche 1 und 11 ohne Aufnahme der Merkmale der nachfolgenden Textstelle auf Seite 11, Zeilen 7 bis 10 prima facie zu einer Verallgemeinerung im Vergleich zu der ursprünglichen Beschreibung, die gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ verstößt.
Selbst wenn man davon ausginge, dass durch die Hinzufügung dieser Merkmale in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die nicht-filmbildenden festen Teilchen nicht mehr als Bestandteil des Zählers der Gleichung 1 anzusehen sind und der gegen den Hauptantrag geltend gemachte Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ ausgeräumt würde, würde prima facie die Hinzufügung dieser Merkmale zu einer Schutzbereichserweiterung führen, was einen Verstoß der Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ zur Folge hätte.
Darüber hinaus ist der Begriff "Pigmenten/Füllstoffe" wegen des Schrägstrichs auch prima facie nicht klar (Artikel 84 EPÜ). Insbesondere ist, wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen wurde, nicht klar, ob der Schrägstrich als "und", "oder" oder "und/oder" zu verstehen ist.
5.4 Damit gibt die Änderung im Hilfsantrag 2 prima facie Anlass zu neuen Einwänden nach Artikel 84, 123 (2) und/oder (3) EPÜ. Die Hinzufügung von Merkmalen der Beschreibung in die Ansprüche 1 und 11 des Hilfsantrags 2 ist auch der Verfahrensökonomie abträglich, da die Beschwerdegegnerinnen während der mündlichen Verhandlung im Falle einer Zulassung des Antrages nicht ausreichend Zeit gehabt hätten, diese neue Kombination von Merkmalen zu analysieren.
5.5 Aus diesem Grund hat die Kammer entschieden, Hilfsantrag 2 nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) and (2) VOBK 2020)
Hilfsantrag 3
6. In die Ansprüche 1 und 11 wurden die Merkmale "und die in der Rezeptur enthaltenen Additive, sowie Lösemittel, Wasser, Wachs und Silikonöl bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden" hingefügt.
7. Zulassung
7.1 Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, den Hilfsantrag 3 nicht zum Verfahren zuzulassen.
7.2 Hilfsantrag 3 wurde am 4. Oktober 2023 eingereicht. Daher steht seine Zulassung im Ermessen der Kammer gemäß Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020.
7.3 Wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen wurde, wurden in die Ansprüche 1 und 11 des Hilfsantrags 3 Merkmale der Seite 11, Zeilen 7 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung aufgenommen. Diese Textstelle ist mit der vorhergehenden Textstelle auf Seite 11, Zeilen 4 bis 5 verbunden. Deshalb führt die Hinzufügung dieser Merkmale in die Ansprüche 1 und 11 ohne die Merkmale der vorhergehenden Textstelle auf Seite 11, Zeilen 4 bis 5 prima facie zu einer Verallgemeinerung im Vergleich zu der ursprünglichen Beschreibung, die gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ verstößt.
Mit der in Hilfsantrag 3 durchgeführten Änderung sind darüber hinaus entweder nicht-filmbildende feste Teilchen weiterhin als Bestandteil des Zählers der Gleichung 1, die die PVK beschreibt, anzusehen, so dass der oben unter Artikel 123(2) EPÜ bezüglich des Hauptantrags erwähnte Einwand auch für diesen Hilfsantrag gilt. Oder diese Teilchen sind infolge der Änderung, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, nicht mehr im Zähler der betreffenden Gleichung zu berücksichtigen. Dann wäre zwar der unter Artikel 123(2) EPÜ gemachte Einwand gegen den Hauptantrag ausgeräumt, jedoch läge dann eine Schutzbereichserweiterung und somit ein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ vor.
7.4 Damit gibt die Änderung im Hilfsantrag 3 prima facie Anlass zu neuen Einwänden nach Artikel 123 (2) und/oder (3) EPÜ.
7.5 Eine Diskussion dieser neuen Aspekte zu einem so späten Verfahrenszeitpunkt - wie oben ausgeführt, wurde der Hilfsantrag 3 am 4. Oktober 2023, d.h. 6 Tage vor der mündlichen Verhandlung, eingereicht - ist auch der Verfahrensökonomie abträglich.
7.6 Aus diesem Grund hat die Kammer entschieden, Hilfsantrag 3 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020).
Schlussfolgerung
8. Keiner der Anträge der Beschwerdeführerin ist gewährbar und zulässig.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.