T 1421/12 21-07-2016
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KNOCHENPLATTE
Neuer Einspruchsgrund - erstinstanzliche Ermessensausübung und Nichtzulassung im Beschwerdeverfahren
Verspätetes Vorbringen - erstinstanzlich nicht zugelassenes Dokument im Beschwerdeverfahren zugelassen (ja)
Verspätetes Vorbringen - weiteres Dokument zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Mit der am 5. April 2012 zur Post gegebenen Entscheidung wurde der auf dem Grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit basierende Einspruch zurückgewiesen.
II. Der Einsprechende legte hiergegen am 5. Juni 2012 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 30. Juli 2012 eingereicht.
III. Mit Bescheid vom 14. April 2016 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit.
IV. Am 21. Juli 2016 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Parteien die folgenden abschliessenden Anträge stellten:
Der Beschwerdeführer (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 861 031.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der mit Schreiben vom 20. Juni 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5 aufrecht zu erhalten.
V. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:
"Knochenplatte (1;1A;1B;1C;1D;1E;1F) mit mindestens einem Plattenloch (20a,20b,20c,20d), dessen Lochachse (21a,21b,21c,21d) schräg relativ zur Plattenunterseite (11) verläuft, also einen Elevationswinkel (Epsilon) relativ zur Ebene der Plattenunterseite (11) aufweist, der von 90° verschieden ist, und bei welcher Platte die Plattenoberseite (10) zumindest im Bereich um das Plattenloch (20c,20d) herum wenigstens teilweise nicht parallel zur Plattenunterseite (11) verläuft und das Plattenloch so ausgebildet ist, dass eine in das Plattenloch (20c,20d) eingeschraubte Knochenschraube (S3,S4) unter einem Winkel aus einem vordefinierten Winkelbereich um den Elevationswinkel (Epsilon) der Lochachse (21c,21d) des Plattenlochs (20c,20d) herum in dem Plattenloch (20c,20d) verblockbar ist, und zwar nur durch Zusammenwirken des speziell ausgebildeten Plattenlochs mit der Knochenschraube, also ohne zusätzliche weitere Hilfsmittel, dadurch gekennzeichnet, dass die Materialstärke der Knochenplatte im Bereich von 0.5 mm bis 2.5 mm liegt, insbesondere im Bereich von 0.5 mm bis 1.6 mm, und dass die Plattenoberseite zumindest im Bereich um das Plattenloch (20c,20d) herum senkrecht zur Lochachse (21c,21d) verläuft, wobei hierzu auf der Plattenoberseite (10) im Bereich um das jeweilige Plattenloch (20c,20d) mit der schräg relativ zur Plattenunterseite verlaufenden Lochachse (21c,21d) herum zumindest teilweise eine Überhöhung (22c,22d) vorgesehen ist, die in Bezug auf das jeweilige Plattenloch (20c,20d) so angeordnet ist, dass der Kopf einer in das Plattenloch (20c,20d) einschraubbaren Knochenschraube (S3,S4) in dem entsprechenden Plattenloch (20c,20d) versenkt aufgenommen werden kann."
Er wurde (unter Weglassung der Bezugszeichen) in folgende Merkmale gegliedert, wobei auf diese auch von den Parteien verwendete Gliederung im Folgenden Bezug genommen wird:
Knochenplatte
A) mit mindestens einem Plattenloch, dessen Lochachse schräg relativ zur Plattenunterseite verläuft, also einen Elevationswinkel relativ zur Ebene der Plattenunterseite aufweist, der von 90° verschieden ist,
B) und bei welcher Platte das Plattenloch so ausgebildet ist, dass eine in das Plattenloch eingeschraubte Knochenschraube unter einem Winkel aus einem vordefinierten Winkelbereich um den Elevationswinkel der Lochachse des Plattenlochs herum in dem Plattenloch verblockbar ist, und zwar nur durch Zusammenwirken des speziell ausgebildeten Plattenlochs mit der Knochenschraube, also ohne zusätzliche weitere Hilfsmittel,
dadurch gekennzeichnet,
C) dass die Materialstärke der Knochenplatte im Bereich von 0.5 mm bis 2.5 mm liegt, insbesondere im Bereich von 0.5 mm bis 1.6 mm,
D1) und dass die Pattenoberseite zumindest im Bereich um das jeweilige Plattenloch herum senkrecht zur Lochachse verläuft,
D) wobei hierzu auf der Plattenoberseite im Bereich um das jeweilige Plattenloch mit der schräg relativ zur Plattenunterseite verlaufenden Lochachse herum zumindest teilweise eine Überhöhung vorgesehen ist,
D2) die in Bezug auf das jeweilige Plattenloch so angeordnet ist, dass der Kopf einer in das Plattenloch einschraubbaren Knochenschraube in dem entsprechenden Plattenloch versenkt aufgenommen werden kann.
Die Ansprüche 2 bis 10 sind abhängige Ansprüche.
VI. Von den zitierten Dokumenten sind die folgenden für diese Entscheidung von Bedeutung:
E1: WO-A-01/19268
E2: WO-A-95/16403
E5: WO-A-2004/086990
E6: WO-A-00/66012.
VII. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Da der Gegenstand von Anspruch 1 prima facie nicht neu gegenüber E2 sei, habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen, diesen Einspruchsgrund nicht zuzulassen, nicht richtig ausgeübt. Zumindest hätte sie aber analog der Entscheidung G 7/95 aufgrund dieser Tatsache eine mangelnde Erfindungshöhe feststellen müssen.
Auch bezüglich der Nichtzulassung von E5 bei der Behandlung der erfinderischen Tätigkeit habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht korrekt ausgeübt. Es sei unklar, ob das Dokument an sich oder eine hierauf basierende Argumentationslinie nicht zugelassen wurde. Zudem sei E5 in Absatz [0026] der Patentschrift sogar "inkorporiert" und der Beschwerdegegnerin somit bekannt.
Das in der Beschwerdebegründung erwähnte Dokument E6 sei prima facie relevant und auch in der Patentschrift zitiert (Absatz [0017]), also der Beschwerdegegnerin ebenfalls bekannt. Gemäss T 454/02 und T 536/88 sei es de facto Bestandteil des Einspruchsverfahrens. Ausserdem sei E6 bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden.
Dokument E2 sei neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents oder bilde zumindest den nächsten Stand der Technik.
Bei der insbesondere in den Figuren 4 bis 6 sowie 11 bis 13 gezeigten Variante "Crimp" sei das Plattenloch speziell ausgebildet, indem auf der Plattenoberseite rund um das Bohrloch eine Überhöhung (lip 25) vorgesehen ist, welche den Kopf der Schraube aufnimmt und welche mit einem speziellen integrierten Schraubenzieher-Crimpwerkzeug die zunächst locker in der Bohrung gehaltene Schraube verblocken kann. Da die die Lippen bildenden Überhöhungen einstückig mit dem Rest der Platte ausgebildet seien, seien diese auch zur Plattenoberseite zu zählen. Die Plattenoberseite verlaufe somit zumindest im Bereich um das jeweilige Plattenloch herum senkrecht zur Lochachse, wobei auf der Plattenoberseite im Bereich um das jeweilige Plattenloch mit der schräg relativ zur Plattenunterseite verlaufenden Lochachse herum zumindest teilweise eine Überhöhung vorgesehen sei, die in Bezug auf das jeweilige Plattenloch so angeordnet sei, dass der Kopf einer in das Plattenloch einschraubbaren Knochenschraube in dem entsprechenden Plattenloch versenkt aufgenommen werden könne. E2 zeige unstreitig eine Knochenplatte mit den Merkmalen A), D1), D) und D2). Die auf Seite 15 im zweiten Absatz genannte Dicke der Platte nehme auch Merkmal C) vorweg. Die Definition "ohne zusätzliche weitere Hilfsmittel" in Merkmal B) sei unklar. Für die Interpretation dieses Merkmals sei zu beachten, dass am Ende des Absatzes [0009] des Streitpatents ab Zeile 44 explizit erläutert sei, dass unter "weiteren Hilfsmitteln" im Sinne des Patents Spreizschrauben, die den Schraubenkopf aufspreizen, oder separate Deckel, die dann eingeschraubt werden müssen, um den Schraubenkopf niederzuhalten, zu verstehen seien. Durch Merkmal B) werde die Variante "Crimp" nicht ausgeschlossen, da dort kein zusätzliches Element eingeschraubt werden müsse. Es sei auch nicht so, dass bei E2 ein zusätzliches Crimpwerkzeug verwendet werden müsse, da ja ein Crimpteil direkt in den Spezialschraubendreher integriert sei. Ansonsten müsste man umgekehrt zu dem Ergebnis kommen, dass schon die Verwendung eines normalen Schraubendrehers ein Hilfsmittel im Sinne des Patents wäre. Da aber auch im Patent die Schrauben mittels eines Schraubendrehers in das Plattenloch eingeschraubt werden müssen, könne dieses Verständnis nicht richtig sein. Auch bei der Variante "Crimp" sei das Plattenloch so ausgebildet, dass eine in das Plattenloch eingeschraubte Knochenschraube unter einem Winkel aus einem vordefinierten Winkelbereich um den Elevationswinkel der Lochachse des Plattenlochs herum in dem Plattenloch verblockbar ist. Es reiche aus, dass das Plattenloch dafür geeignet sei, dass irgendeine Schraube (die ja nicht Bestandteil des beanspruchten Gegenstands sei) unter einem Winkel aus einem vordefinierten Winkelbereich um den Elevationswinkel der Lochachse des Plattenlochs herum in dem Plattenloch verblockt werden kann. Dies hänge lediglich von der exakten Größe und Form der Schraube ab und sei somit zweifelsohne auch bei E2 der Fall. Tatsächlich sei es so, dass ein Einschrauben unter dem Elevationswinkel ohne Vorbohren nahezu unmöglich sei und daher das Einschrauben immer mit einer gewissen Schwankungsbreite um den Solleindrehwinkel erfolge, wie auch aus Absatz [0009] des Streitpatents hervorgehe. Es seien zweifellos einfache Schraubenformen und -grössen denkbar, die in der Knochenplatte gemäß E2 unter verschiedenen Elevationswinkeln verblockbar seien, wie dies aus einer modifizierten Darstellung der Figur 5 von E2 hervorgehe, die in der Beschwerdebegründung gezeigt sei.
Zu der Variante "AMS" werde auf Seite 14 im letzten Absatz sowie auf Seite 15 im ersten Absatz von E2 explizit darauf hingewiesen, dass auch diese Ausführungsform alternativ in der Knochenplatte mit der Überhöhung eingesetzt werden könne, wobei lediglich geringfügige Modifikationen erforderlich seien, nämlich dass jeweils ein Innengewinde zur Verblockung mit dem oberen Außengewinde der Schraube in die Bohrungen eingebracht werden. Wie aus den genaueren Erläuterungen zur Variante "AMS" im zweiten Absatz auf Seite 6 der E2 hervorgehe, diene das Innengewinde der Knochenplatte in Wechselwirkung mit dem oberen Gewindeabschnitt der Knochenschraube zum Verblocken der Schraube. Hierzu sei es unumgänglich, dass zumindest eines der beiden wechselwirkenden Verblockungsgewinde verformbar ist. Da also zwangsläufig eine Umformung des Verblockungsgewindes stattfinden müsse und ein Eindrehen der Schraube (ohne Vorbohren) von Hand exakt unter dem Elevationswinkel nahezu unmöglich sei, müsse ebenso zwangsläufig auch bei der Variante "AMS" eine Verblockung in einem Winkelbereich um den Elevationswinkel möglich sein. Auch die in E2 auf Seite 12, Zeile 20 bis 24 getroffene Aussage "the lip functions, in part, to maintain the angle of the bore, and consequently the angle of the screws" könne nichts anderes ergeben, als dass hiermit das gleiche gemeint sei wie im Streitpatent (Absatz [0030]), nämlich dass die Erhöhung dazu diene, das Bohrloch der (relativ dünnen) Platte nach außen hin fortzuführen, um somit dem Chirurgen zumindest die Solleindrehrichtung anzuzeigen. Eine exakte Einhaltung des Winkels könnte hierdurch im Übrigen gar nicht gewährleistet werden, da das Loch in der Erhöhung einen grösseren Durchmesser als das Loch in der Platte aufweise. Wenn aber der grössere Kopf der Schraube in das Loch der Erhöhung eintauche, liege der Einschraubwinkel - der allein dadurch bedingt sei, wie es am Anfang dem Operateur gelingt, mit der Schraubenspitze in den Knochen einzudringen - schon lange fest. Insgesamt seien also sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 auch durch die Variante "AMS" explizit oder implizit offenbart, so dass zumindest keinerlei Erfindungshöhe gegeben sei. Ein Unterschied könne allenfalls noch darin bestehen, dass keine Verblockung unter einem anderen Winkel als dem genauen Elevationswinkel möglich wäre. Die zugrundeliegende objektive technische Aufgabe bestünde darin, das im Kiefer vorhandene Knochenangebot besser nutzen zu können, wie auch im Absatz [0009] des Streitpatents erläutert.
Genau zu diesem Zweck werde aber bereits auf Seite 8, 2. Absatz von E1 vorgeschlagen, zur Verblockung ein umformbares Element oder Gewinde im Loch und/oder der Knochenschraube zu verwenden. Für den Fachmann läge es also nahe, auch bei der Variante "AMS" von E2 zumindest eines der Verblockungsgewinde umformbar auszugestalten, um eine Verblockung in einem gewissen Winkelbereich um den Elevationswinkel zu erlauben.
Auch könne der Fachmann auf die Lehre in E5 zurückgreifen, die ebenfalls aus diesem Grunde (Seite 3, letzter Absatz) eine schräge Verblockung in einem Winkelbereich um den Elevationswinkel herum vorsieht.
In E2 werde der Fachmann zudem explizit angewiesen (siehe Seite 14, letzter Satz, sowie Seite 15, erster Absatz), die notwendigen Modifikationen durchzuführen, um andere Schraubvarianten zu ermöglichen.
Auch ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik käme man unter Berücksichtigung von E2 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Die Knochenplatte nach Dokument E1 zeige unstreitig bereits die Merkmale A) und B). Objektive Aufgabe der kompletten Merkmalskombination C), Dl), D) und D2) sei es eine dünne Knochenplatte für den Gesichtsbereich zu schaffen, bei der der Schraubenkopf versenkt liege und die Gefahr des Abweichens von der Solleindrehrichtung beim Eindrehen der Schraube in den Knochen gering sei. Hiervon ausgehend würde der Fachmann zwangsläufig auf E2 treffen, wo nicht nur die Maße der Plattenstärke (Merkmal C)), sondern auch eine das Plattenloch umgebende Überhöhung gemäß den Merkmalen Dl), D) und D2) offenbart sei, in der der Schraubenkopf aufgenommen werde. Ausserdem werde er in E2, wie bereits insbesondere bezüglich der Variante "AMS" erwähnt, geradezu dazu aufgefordert, die Lehre von E2 mit anderen Verblockungsmöglichkeiten zu variieren. Die Passage auf Seite 12, Zeile 20 bis 24 sei niemals so zu verstehen, dass die Schraube nur exakt unter einem Winkel eingeschraubt werden könne, da dies aus technischen Gründen gar nicht möglich wäre. Des Weiteren werde es für sehr kritisch gehalten, die objektive technische Aufgabe nur auf Basis von einzelnen in der Streitpatentschrift selbst genannten Vorteilen zu den verschiedenen Merkmalen zu definieren, da es der Anmelder nämlich gerade dann, wenn ihm der Stand der Technik genauestens bekannt ist, in der Hand habe, durch geeignete Äußerungen über den Stand der Technik und die abweichenden Merkmale die spätere Analyse hinsichtlich der Erfindungshöhe mittels des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes zu manipulieren.
Ausgehend von E5 unterscheide sich der Gegenstand des Streitpatents nur dadurch, dass die Knochenplatte zur Verwendung im Gesichtsbereich partiell ausgedünnt wurde, da es für Knochenplatten im Gesichtsbereich nun einmal erforderlich sei, eine geringe Plattenstärke zu verwenden. Wenn der Fachmann vor die Aufgabe gestellt werde, die Knochenplatte von E5 auszudünnen, werde er sinnvollerweise all das Material entfernen, das nicht zwangsläufig dazu gebraucht werde, um den speziellen Kopf der in der E5 dargestellten Schrauben zu verblocken. Er werde also das Material der Knochenplatte in der Fläche entfernen und lediglich um die Löcher so viel Material stehen lassen, wie gerade notwendig sei, um den speziell geformten Kopf vollständig aufzunehmen und ihm den nötigen Halt zu bieten. Alles übrige Material werde er entfernen, um möglichst viel Dicke und Gewicht einzusparen und den Patienten im Gesichtsbereich nicht unnötig zu belasten. In diesem Fall komme der Fachmann automatisch zu den Konturen um die schräg gestellten Plattenlöcher, wie sie im Streitpatent als bevorzugt dargestellt sind. Auch handwerklich stelle dies mit modernen Maschinen keine grosse Leistung dar.
Auf Seite 22, Zeilen 23 bis 27, werde in E5 die Aufgabe gestellt, Knochenplatten gemäß den Figuren 12 bis 19 so zu modifizieren, dass die Löcher unter einem von 90° verschiedenen Winkel durch die Knochenplatte verlaufen, ohne dass das Funktionsprinzip der Verblockung geändert werde. Es sei offensichtlich, dass auch bei dieser Variante für eine Verblockung ausreichend Material um den schrägstehenden Schraubenkopf zur Verfügung stehen müsse. Die der Merkmalskombination C), Dl), D) und D2) zugrundeliegende Aufgabe sei es eine dünne Knochenplatte speziell für den Gesichtsbereich zu schaffen, bei die Solleindrehrichtung angezeigt werde und bei der der Schraubenkopf versenkt liege. Zur Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann auf E2 zurückgreifen, da auch dort eine schräg stehende Schraube an ihrem Schraubenkopf in einer dünnen Platte verblockt werden soll. Hierzu werde vorgeschlagen, um das Plattenloch herum einen überhöhten Bereich derart vorzusehen, dass diese Erhöhung den Bohrungswinkel fortführt (E2, Seite 12, Zeilen 20 bis 24 und Seite 21, Zeilen 11 bis 16). Diese Erhöhung stelle auch eine Sichtfläche dar und nehme den Schraubenkopf versenkt auf. Somit komme der Fachmann ohne weiteres direkt zum Gegenstand von Anspruch 1.
VIII. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumente sind im Wesentlichen diejenigen, auf die sich die folgenden Entscheidungsgründe stützen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Neuheitseinwandes
2.1 Ermessensausübung der Einspruchsabteilung
Im Einspruchsschriftsatz wurde gegen das Patent einzig der Grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht. Den später erhobenen Grund mangelnder Neuheit gegenüber E2 hat die Einspruchsabteilung gemäss Punkt 2 der angegriffenen Entscheidung in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 114(2) EPÜ unberücksichtigt gelassen und dies damit begründet, dass dieser Einwand nicht prima facie relevant sei, da E2 das Merkmal B) von Anspruch 1 nicht offenbare.
In seiner Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer behauptet, dass die Einspruchsabteilung ihr diesbezügliches Ermessen nicht richtig ausgeübt habe und zumindest analog der Entscheidung G 7/95 eine mangelnde Erfindungshöhe bezüglich des Gegenstands des Anspruchs 1 feststellen hätte müssen.
Gemäss der Entscheidung G 7/93 (Punkt 2.6 der Entscheidungsgründe; siehe auch Abschnitt IV.C.1.3.3 von "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA" (7. Aufl. 2013)) sollte sich eine Beschwerdekammer nur dann über eine solche Ermessensentscheidung hinwegsetzen, wenn die erste Instanz ihr Ermessen nach Massgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat. Insbesondere im Hinblick auf die von der Einspruchsabteilung getroffene Prima-facie-Relevanzbeurteilung vermag die Kammer dies im vorliegenden Fall jedoch nicht zu erkennen. Auch der Hinweis auf G 7/95 stützt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht, da sich diese Entscheidung nicht auf das Einspruchsverfahren, sondern auf das Einspruchsbeschwerdeverfahren bezieht und an den Grundsätzen der Entscheidung G 10/91 nichts ändert.
2.2 Erhebung des Neuheitseinwandes im Beschwerdeverfahren
Mit der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer erneut den Einwand mangelnder Neuheit gegenüber E2 erhoben. Im Beschwerdeverfahren kann ein solcher neuer Einspruchsgrund gemäss G 10/91 und G 7/95 nur mit Einverständnis der Patentinhaberin geprüft werden. Dieses Einverständnis erteilte die Patentinhaberin im vorliegenden Fall allerdings nicht. Der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit ist daher nicht Teil des rechtlichen Rahmens des Beschwerdeverfahrens.
3. Zulässigkeit verspätet eingereichter Dokumente
3.1 Dokument E5
Wie aus Punkt 5 der angegriffenen Entscheidung hervorgeht, hat die Einspruchsabteilung "E5 als nächste[n] Stand der Technik gemäß Artikel 114(2) EPÜ unberücksichtigt" gelassen. Andererseits wird im vorangehenden Punkt 4 ("Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2") auf die Lehre von E5 Bezug genommen. In Punkt 5.2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde hingegen erklärt, "daß das Dokument E5 als verspätet und prima facie nicht relevant, ins Verfahren nicht zugelassen" wurde. Hierdurch ergibt sich ein gewisser Widerspruch und es ist nicht eindeutig klar, ob nun das Dokument E5 als Beweismittel nicht zugelassen wurde oder nur ein bestimmter, auf diesem Dokument basierender Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Während eine Ermessensentscheidung, wie sie in der mündlichen Verhandlung verkündet wurde, prinzipiell durchaus korrekt sein kann, ist die schriftlich in Punkt 5 gegebene Entscheidung, das Dokument nur in Bezug auf eine bestimmte Argumentationslinie nicht zuzulassen, grundsätzlich nicht möglich, wenn dieses Dokument in einer anderen Argumentationslinie (ausgehend von E2) dennoch verwendet wird. In dieser Situation sieht sich die Kammer folglich veranlasst, sich über die erstinstanzliche Entscheidung hinwegzusetzen und das Dokument E5 im Beschwerdeverfahren zuzulassen, da dieses Dokument auch im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen der Verblockung prima facie relevant erscheint (siehe auch Absatz [0026] des Streitpatents, in dem E5 zitiert wird).
3.2 Dokument E6
In der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer auf E6 Bezug genommen, obwohl dieses Dokument im vorangegangenen Einspruchsverfahren nicht verwendet wurde. Die vom Beschwerdeführer angeführte Tatsache, dass dieses Dokument von der Beschwerdegegnerin selbst stammt und auch im Streitpatent zitiert ist, kann seine Zulassung im Beschwerdeverfahren nicht rechtfertigen - es erhebt sich vielmehr die Frage, warum der Beschwerdeführer, der unter diesen Umständen ja in Kenntnis dieses Dokuments war, E6 nicht schon im Einspruchsschriftsatz berücksichtigt hat. Obwohl der Beschwerdeführer diesbezüglich keinerlei Erklärungen abgegeben hat, kann die Einreichung von E6 dennoch prinzipiell als gerechtfertigte Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung gesehen werden. Allerdings ist dies allein nicht ausreichend, da das Dokument ausserdem auch prima facie relevanter für die erfinderische Tätigkeit sein müsste als die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente. Dies wurde vom Beschwerdeführer in keiner Weise dargelegt und kann auch von der Kammer nicht erkannt werden. Auch der Hinweis auf T 454/02 und die dort zitierte Entscheidung T 536/88, wonach in der Patentschrift zitierte Dokumente sich "automatisch" im Einspruchs(beschwerde)verfahren befänden, greift hier nicht, da sich dies nur auf solche Dokumente bezieht, die in der Streitpatentschrift als nächstliegender Stand der Technik und Ausgangspunkt der Erfindung und oder als wesentlicher Stand der Technik angegeben sind (Punkt 2 der Entscheidungsgründe von T 454/02 und Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe von T 536/88). Dies ist in Absatz [0017], wo E6 lediglich als ein Beispiel für Verblockungskonturen genannt ist, jedoch nicht der Fall.
Unter diesen Umständen sieht sich die Kammer veranlasst, ihr Ermessen unter Artikel 114(2) EPÜ dahingehend auszuüben, dass E6 nicht im Beschwerdeverfahren berücksichtigt wird.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 E2 als Ausgangspunkt
Dokument E2 offenbart eine Knochenplatte, die, wie im vorletzten Absatz von Seite 25 erwähnt ist, ebenso wie die des Streitpatents für den Einsatz im Kieferbereich ausgelegt ist, und bildet den nächsten Stand der Technik. Im zweiten Absatz von Seite 7 ist eine Knochenplatte entsprechend Merkmal A) von Anspruch 1 beschrieben. Es sind weiterhin die in der Beschwerdebegründung folgendermassen bezeichneten vier Varianten "Crimp", "CSLP", "Danek's" und "AMS" von Verblockungsmechanismen beschrieben, wobei die drei letztgenannten auf den Seiten 5 bis 6 als Stand der Technik diskutiert werden, aber in dem die Seiten 14 und 15 überbrückenden Absatz auch im Zusammenhang mit der Variante "Crimp", die insbesondere in Figur 12 dargestellt ist, diskutiert werden. Dem zweiten Absatz von Seite 15 ist zu entnehmen, dass für alle Varianten auch das Merkmal C) offenbart ist.
4.1.1 Variante "AMS"
Für sich alleine betrachtet nimmt die Variante "AMS" Merkmal B) vorweg, da dort, wie im zweiten Absatz von Seite 6 beschrieben, das Plattenloch so ausgebildet ist, dass eine in das Plattenloch eingeschraubte Knochenschraube in dem Plattenloch verblockbar ist, und zwar nur durch Zusammenwirken des Gewindes im Plattenloch mit dem oberen Gewinde der Knochenschraube, also "ohne zusätzliche weitere Hilfsmittel". Da zwangsläufig eine Umformung der Verblockungsgewinde stattfinden muss, ist diese Verblockbarkeit auch "unter einem Winkel aus einem vordefinierten Winkelbereich um den Elevationswinkel der Lochachse des Plattenlochs herum" gegeben, wobei anzumerken ist, dass der beanspruchte Winkelbereich nicht näher definiert ist und daher durchaus auch sehr klein sein kann. Eine Knochenplatte entsprechend der E2 zugrundeliegenden Erfindung, wie sie im zweiten Absatz von Seite 7 beschrieben ist, mit einem solchen Verblockungsmechanismus nimmt die Merkmale A) bis C) vorweg und bildet damit, wie im Folgenden näher erläutert wird, den nächstliegenden Stand der Technik, von dem sich Anspruch 1 durch die Merkmale D1), D) und D2) unterscheidet.
Der durch die Unterscheidungsmerkmale erzielte technische Effekt liegt darin, dass der Verlauf der Plattenoberseite um das gesamte Plattenloch herum genau senkrecht zur Lochachse einen sicht- oder evtl. sogar tastbaren Indikator des Elevationswinkels darstellt.
Die objektiv zu lösende technische Aufgabe besteht darin, eine Knochenplatte bereitzustellen, bei der der Chirurg die Solleindrehrichtung der Knochenschraube besser erkennen kann, was insbesondere bei einem beengten Operationsfeld im maxillo-facialen Bereich problematisch ist, wie dies in den Absätzen [0007], [0009] und [0025] des Streitpatents näher beschrieben ist.
Im Rahmen der Verblockungsvariante "AMS" gibt E2 selbst keinerlei Hinweis auf diese Aufgabe und ihre Lösung gemäss den Merkmalen D1), D) und D2). Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, inwiefern dies bei den Dokumenten E1 und E5 der Fall sein sollte. Auch die Kammer vermag eine solche Lehre diesen Dokumenten nicht zu entnehmen. Ausgehend von der Variante "AMS" wird der Gegenstand von Anspruch 1 folglich nicht nahegelegt.
4.1.2 Varianten "CSLP" und "Danek's"
Bei den Varianten "CSLP" und "Danek's" werden zusätzliche Schrauben zur Verblockung benötigt und insofern die in das Plattenloch eingeschraubte Knochenschraube nicht "nur durch Zusammenwirken des speziell ausgebildeten Plattenlochs mit der Knochenschraube, also ohne zusätzliche weitere Hilfsmittel" verblockt, wie in Merkmal B) von Anspruch 1 gefordert. Diese Varianten sind also vom Anspruchsgegenstand weiter entfernt, da auch für diese die Merkmale D1), D) und D2) nicht offenbart sind. Das oben unter Punkt 4.1.1 zur Variante "AMS" Gesagte gilt also a fortiori ausgehend von den in E2 offenbarten Knochenplatten mit den Verblockungsmechanismen "CSLP" und "Danek's".
4.1.3 Variante "Crimp"
Die Variante "Crimp" ist insbesondere in Figur 12 näher dargestellt. Wie in dem die Seiten 18 und 19 überspannenden Absatz und den beiden nachfolgenden Absätzen beschrieben, erfolgt hierbei die Verblockung der eingeschraubten Knochenschraube 30, indem ein Teil der an der Knochenplatte 20 befindlichen Lippe 25a,b in eine Vertiefung 32 des Schraubenkopfes hineingedrückt wird. Dies erfolgt mit einem Hebelarm (41 bis 43), der mit dem "crimping tool 40" verbunden ist, das auch zum Eindrehen der Knochenschraube benutzt wird. Ob es sich bei diesem Hebelarm um ein "zusätzliche[s] weitere[s] Hilfsmittel" entsprechend Merkmal B) handelt, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, kann dahingestellt bleiben, da die Verblockung hier nicht "nur durch Zusammenwirken des speziell ausgebildeten Plattenlochs mit der Knochenschraube" [Hervorhebung hinzugefügt] erfolgt (wie dies beispielsweise bei der Variante "AMS" der Fall ist). Die Tatsache, dass in Absatz [0009] des Streitpatents Spreizschrauben oder separate Deckel als Beispiele für "weitere Hilfsmittel" genannt sind, ändert nichts an diesem Sachverhalt: ohne Betätigung des Hebelarms am Crimp-Werkzeug 40 erfolgt in diesem Ausführungsbeispiel keinerlei Verblockung der Schraube im Plattenloch.
Bei der Variante "Crimp" ist weiterhin zu untersuchen, ob eine Verblockbarkeit der in das Plattenloch eingeschraubten Knochenschraube "unter einem Winkel aus einem vordefinierten Winkelbereich um den Elevationswinkel (Epsilon) der Lochachse des Plattenlochs herum" gegeben ist, was gemäss Merkmal B) zusätzlich erforderlich ist. Bei der in E2 beschriebenen Schraube ist dies nicht der Fall, da deren Kopf in den Zeichnungen durchweg als bündig an die ihn umgebende Lippe (25a,b, 103, 203) anliegend dargestellt ist. Dies entspricht auch der Funktion der Lippe: am Ende des jeweils zweiten Absatzes der Seiten 12 und 21 ist explizit erwähnt, dass mit dieser Lippe der durch die Bohrung vorgegebene Winkel der Schraube beibehalten werden soll, was im Gegensatz zur Verschwenkbarkeit entsprechend Merkmal B) steht.
Es gibt auch keinen Anlass, die Verblockung der Variante "Crimp" mit der der Variante "AMS" (die wie oben erwähnt das Merkmal B) offenbart) zu kombinieren, wie dies vom Beschwerdeführer vorgeschlagen wurde. Dies würde nämlich dem oben erwähnten Zweck der Lippe (Aufrechthaltung des Winkels) zuwiderlaufen. Es handelt sich nach Ansicht der Kammer um alternative Varianten mit jeweils unterschiedlichen Vorteilen. Auch der die Seiten 14 und 15 überbrückende Satz kann nicht als Hinweis auf eine solche Kombination gesehen werden, da er sich auf eine Modifikation der (E2 zugrundeliegenden) Erfindung in Form einer Knochenplatte bezieht. Diese Knochenplatte ist, wie erwähnt, im zweiten Absatz von Seite 7 allgemein beschrieben und beinhaltet nicht notwendigerweise einen bestimmten Verblockungsmechanismus. Dies geht auch aus den ersten beiden Sätzen des letzten Absatzes von Seite 14 hervor sowie auch aus der Tatsache, dass eine Lippe entsprechend der "Crimp"-Variante lediglich Merkmal der abhängigen Ansprüche 5 und 30 von E2 und damit ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Knochenplatten gemäss der zugeordneten unabhängigen Ansprüche 1 und 27 von E2 ist.
Obwohl die Knochenschraube selbst nicht Bestandteil von Anspruch 1 des Streitpatents ist, sieht die Kammer es als hypothetisch und technisch unrealistisch an, die in E2 mit Bezug auf die "Crimp"-Variante beschriebene Knochenschraube durch eine dünnere zu ersetzen, wie dies in einer modifizierten Darstellung von Figur 5 vom Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung vorgeschlagen wurde, um eine Verschwenkbarkeit entsprechend Merkmal B) zu demonstrieren. Hierdurch würden sich Probleme bei der Verblockung durch das Crimpwerkzeug ergeben, da aufgrund des dann notwendigerweise auftretenden Spalts zwischen Schraubenkopf und Innenseite der Lippe beim Crimpen Hebelkräfte auf die im Knochen befindliche Schraube ausgeübt und damit unerwünschte Bewegungen der Schraube verursacht würden. Ein solcher Spalt würde auch dem erwähnten Zweck der Lippe (Aufrechthaltung des Winkels) zuwiderlaufen.
Eine Knochenplatte entsprechend der Variante "Crimp" nimmt somit Merkmal die Merkmale A) und C), nicht jedoch das Merkmal B) vorweg.
Merkmal D1) erfordert, dass die Plattenoberseite zumindest im Bereich um das jeweilige Plattenloch herum senkrecht zur Lochachse verläuft. Der Beschreibung von E2 sind keine diesbezüglichen Angaben zu entnehmen. Auch die - ohnehin nur schematischen - Zeichnungen (Figuren 4 bis 7 und 10 bis 14) offenbaren dieses Merkmal nicht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann der obere Rand der von der ansonsten ebenen Plattenoberseite (23) aufragenden und jeweils äusserst schmal dargestellten Lippen (25a,b, 103, 203) nicht als "die Plattenoberseite" angesehen werden. Es ist zwar richtig, dass Platte und Lippen in den Schnittzeichnungen (Figuren 4, 5, 11 und 12) einstückig dargestellt sind, aber die genaue Form und der Verlauf des oberen Randes ist diesen Zeichnungen überhaupt nicht zu entnehmen. Diese mögen zwar eine in etwa senkrechte Orientierung zur Lochachse suggerieren - der exakte Winkel ist jedoch nicht offenbart. Merkmal D1) erfordert einen (genau) senkrechten - und nicht etwa einen im Wesentlichen senkrechten - Verlauf. Auch in den perspektivischen Darstellungen (Figuren 6, 7 und 10) ist nicht klar zu erkennen, dass die Lippen tatsächlich "im Bereich um das jeweilige Plattenloch herum" verlaufen, also den vollen Umfang der jeweiligen Löcher umgeben. Dass dieses - in Anspruch 1 eindeutig definierte - Merkmal auch in den (ebenfalls schematischen) Zeichnungen des Streitpatents nicht bei sämtlichen Plattenlöchern deutlich zu erkennen sein mag, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich hierbei um ein beanspruchtes Unterscheidungsmerkmal gegenüber E2 handelt.
Die in E2 offenbarte Lippe mag zwar als "Überhöhung" im Sinne des Merkmals D) anzusehen sein, die so angeordnet ist, dass der Kopf einer Knochenschraube "versenkt aufgenommen werden kann" (Merkmal D2)). Allerdings sind diese Merkmale auf die jeweils vorangehenden Merkmale zurückbezogen ("wobei hierzu ....", "die in Bezug auf das jeweilige Plattenloch so angeordnet ist, dass ...") und stellen somit weitere Spezifizierungen des - durch E2 nicht vorweggenommenen - Merkmals D1) dar.
Von der Knochenplatte mit der Verblockungsvariante "Crimp" unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 somit durch die Merkmale B), D1, D) und D2) und ist folglich von dieser Variante weiter entfernt als von der Variante "AMS".
Auch im Rahmen der Verblockungsvariante "Crimp" gibt E2 selbst keinerlei Hinweis auf die Merkmale D1), D) und D2) und die oben erwähnte, ihnen zugrundeliegende technische Aufgabe. Da der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, inwiefern dies bei den Dokumenten E1 und E5 der Fall sein sollte, und auch die Kammer dies nicht zu erkennen vermag, wird der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von der Variante "Crimp" nicht nahegelegt. Eine Betrachtung des zusätzlichen Unterscheidungsmerkmals B) und damit einhergehender technischer Vorteile erübrigt sich in dieser Situation.
4.1.4 Ausgehend von einer Knochenplatte gemäss E2 wird der beanspruchte Gegenstand auch in Kombination mit den Dokumenten E1 und E5 nicht nahegelegt.
4.2 E1 als Ausgangspunkt
E1 ist in den Absätzen [0003] und [0004] des Streitpatents gewürdigt. Von der in E1 offenbarten Knochenplatte unterscheidet sich der Anspruchsgegenstand unstreitig durch die Merkmale C), D1), D) und D2). Die in E1 beschriebene Knochenplatte ist somit vom oben erwähnten nächstliegenden Stand der Technik (Variante "AMS" von E2, wo zusätzlich auch Merkmal C) offenbart ist) weiter entfernt, da sie auch nicht speziell für den Kieferbereich ausgelegt ist.
Die den Unterscheidungsmerkmalen zugrundeliegende technische Aufgabe kann, ähnlich wie unter Punkt 4.1.1 darin gesehen werden, eine Knochenplatte speziell für den maxillo-facialen Bereich bereitzustellen, bei der der Chirurg die Solleindrehrichtung der Knochenschraube besser erkennen kann.
E1 selbst enthält weder einen Hinweis auf diese Aufgabe noch auf die Unterscheidungsmerkmale.
Eine Zusammenschau von E1 mit den Varianten "AMS", "CSLP" und "Danek's" von E2 kann schon deshalb nicht zum beanspruchten Gegenstand führen, da dort, wie oben erwähnt, die Merkmale D1), D) und D2) in keiner Weise offenbart sind.
Bei einer Kombination von E1 mit der Variante "Crimp" von E2 ist zunächst zu berücksichtigen, dass E1 eine Knochenplatte mit winkelvariabler Knochenschraube entsprechend Merkmal B) offenbart. Wie bereits unter Punkt 4.1.3 erwähnt, ist am Ende des jeweils zweiten Absatzes der Seiten 12 und 21 von E2 bezüglich der "Crimp"-Variante jedoch explizit angegeben, dass mit der Lippe der durch die Bohrung vorgegebene Winkel der Schraube beibehalten werden soll. Dies steht dem erklärten Ziel der Winkelvariabilität entsprechend Merkmal B) entgegen und der damit angestrebte Vorteil der Knochenplatte von E1 ginge somit verloren, was gegen eine derartige Kombination spricht. Überdies enthält Dokument E2 auch bezüglich der Variante "Crimp" keinerlei Hinweis auf den mit den Unterscheidungsmerkmalen D1), D) und D2) erreichbaren technischen Vorteil. Der Fachmann hätte daher keine Veranlassung, dieses Dokument ausgehend von E1 überhaupt in Betracht zu ziehen, und würde, auch wenn er dies täte, nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen, da diese Unterscheidungsmerkmale, wie unter Punkt 4.1 dargelegt, in E2 nicht offenbart sind.
Der in der Beschwerdebegründung vorgebrachte Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit E2 basiert auf der - unzutreffenden - Voraussetzung, dass E2 eine Knochenplatte mit den Merkmalen D1) D) und D2) zeigt und kann insofern nicht greifen.
Ausgehend von einer Knochenplatte gemäss E1 wird der beanspruchte Gegenstand in Kombination mit dem Dokument E2 also nicht nahegelegt.
4.3 E5 als Ausgangspunkt
Von der in E5 offenbarten Knochenplatte unterscheidet sich der Anspruchsgegenstand ebenfalls unstreitig durch die Merkmale C), D1), D) und D2). Auch in diesem Dokument gibt es weder einen Hinweis auf die unter Punkt 4.2 erwähnte Aufgabe noch auf die Unterscheidungsmerkmale. Der in der Beschwerdebegründung erhobene Einwand, dass es für den Fachmann naheliegend sei, die in E5 beschriebene Platte ausserhalb der Bereiche, wo noch Material zum Halten der Schraubenköpfe benötigt wird, partiell auszudünnen, ist spekulativ, da es keinerlei Anlass hierzu gibt. Eine Kombination mit der Lehre von Dokument E2 ist aus den gleichen Gründen wie unter Punkt 4.2 angegeben nicht naheliegend und führt auch nicht zum beanspruchten Gegenstand.
Ausgehend von einer Knochenplatte gemäss E5 wird der beanspruchte Gegenstand also weder durch das allgemeine Fachwissen noch durch die Lehre von E2 nahegelegt.
4.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents beruht folglich gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Dies gilt auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 10, die auf bevorzugte Ausführungsformen gerichtet sind. In dieser Situation erübrigt es sich, auf die von der Beschwerdegegnerin gestellten Hilfsanträge einzugehen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.