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T 1264/15 25-01-2021
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MÖBELKLAPPENANTRIEB FÜR VERSCHIEDENE KLAPPENTYPEN
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die streitgegenständliche Patentanmeldung (nachstehend "Streitanmeldung") zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass die beim Eintritt in die regionale Phase vor dem europäischen Patentamt eingereichten Ansprüche den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ nicht genügten.
III. Als Antwort auf die von der Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vorgetragenen Einwände gegen die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 einen neuen Hauptantrag sowie drei Hilfsanträge ein.
IV. In einem Telefongespräch am 18. Januar 2021 wurde die Beschwerdeführerin über verbleibende Einwände der Kammer gegen die mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 eingereichten Anträge informiert.
V. Die Beschwerdeführerin reichte mit Schreiben vom 18. Januar 2021 einen einzigen neuen Hauptantrag und am gleichen Tag eine korrigierte Fassung desselben ein. Dieser Antrag sollte alle bis dahin im Verfahren befindlichen Anträge ersetzen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage des mit Schreiben von 18. Januar 2021 eingereichten Hauptantrags in der korrigierten Fassung.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Möbelklappenantrieb mit einem einen Elektromotor aufweisenden ersten Bauteil zur lösbaren Befestigung an einem einen Stellarm aufweisenden zweiten Bauteil, wobei der zweite Bauteil eine aus einer Mehrzahl von mechanischen Stelleinheiten für verschiedene Klappentypen ausgewählte Stelleinheit eines bestimmten Klappentyps ist, wobei eine Kraftübertragungsvorrichtung zur Bewegung des Stellarms vorgesehen ist, wobei die Kraftübertragungsvorrichtung (11) am ersten Bauteil (7) angeordnet ist und mit einer auf dem Stellarm (4) angeordneten Schnittstelle (9) in Eingriff bringbar ist, wobei die Kraftübertragungsvorrichtung (11) als Zapfen ausgebildet ist und wobei die Schnittstelle (9) als Ausnahmeöffnung ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass eine Positioniervorrichtung (12) vorgesehen ist, mit der die Lage der Kraftübertragungsvorrichtung (11) derart verstellbar ist, dass der erste Bauteil (7) an dem zweiten Bauteil (8) in mindestens zwei, vorzugsweise mindestens drei, je nach Klappentyp verschiedenen Positionen des Stellarms (4) befestigbar ist, wobei die Positioniervorrichtung (12) mindestens ein Anschlagelement (12') aufweist, mit dem die Kraftübertragungsvorrichtung (11) derart verschiebbar bewegbar ist, dass sie in die als Ausnahmeöffnung ausgebildete Schnittstelle (9) am gegebenenfalls bereits montierten zweiten Bauteil (8) eingeschoben werden kann."
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Artikel 123(2) EPÜ
Anspruch 1 des Hauptantrags basiere auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 3 bis 5 und 7 bis 8, sowie Passagen auf Seite 2, Zeilen 11, 12 und 24 bis 26; Seite 2, Zeile 33 bis Seite 3, Zeile 4 und Seite 12, erster Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung.
Artikel 84 EPÜ
Anspruch 1 des Hauptantrags offenbare sowohl die konkreten Ausbildungen der Kraftübertragungsvorrichtung und der Positioniervorrichtung als auch die Zweckangabe der Positioniervorrichtung, nämlich die Anpassbarkeit des ersten Bauteils an je nach Klappentyp verschiedene Stelleinheiten.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 genüge somit den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.
1. Zulassung des neuen Hauptantrags
Die korrigierte Fassung des am 18. Januar 2021 eingereichten Hauptantrags überwindet alle Einwände, die die Kammer bezüglich Artikel 123(2) EPÜ und 84 EPÜ erhoben hatte.
Der Antrag wurde daher zugelassen (Artikel 13(2) VOBK 2020 zusammen mit Artikel 25(2) VOBK 2020).
2. Artikel 123(2) EPÜ
Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 bis 5, 7 bis 8 sowie Seite 2, Zeilen 11 und 12, Seite 2, Zeile 33 bis Seite 3, Zeile 4, und Seite 12, erster Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung.
Der abhängige Anspruch 2 basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 2 und Seite 4, Zeilen 11-15 der ursprünglichen Beschreibung.
Die abhängigen Ansprüche 3 bis 4, 6 bis 8, 10 und 12 bis 13 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 6, 9, 11 bis 13, 15, 17 und 18.
Die abhängigen Ansprüche 5, 9 und 11 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 10, 14 und 16, wobei die Anordnung des Verriegelungselements bzw. der Anzeigevorrichtung am ersten Bauteil in den Figuren 5 bis 7 in Zusammenhang mit Seite 8, Zeilen 1 bis 8 der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist.
Der Gegenstand des Hauptantrags ist daher in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbart und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
3. Artikel 84 EPÜ
Die Anmeldung stellt sich die technische Aufgabe, einen Möbelklappenantrieb zur Verfügung zu stellen, bei dem der Elektroantrieb derart ausgebildet ist, dass er an unterschiedlichen Stelleinheiten für verschiedene Möbelklappentypen befestigbar ist, siehe Seite 2, Zeile 33 bis Seite 3, Zeile 4.
3.1 Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags definiert, dass das erste Bauteil des Möbelklappentriebs, zur lösbaren Befestigung an einem einen Stellarm aufweisenden zweiten Bauteil, einen Elektromotor aufweist, sowie eine als Zapfen ausgebildete Kraftübertragungsvorrichtung, wobei der Zapfen mit einer als Ausnahmeöffnung auf dem Stellarm des zweiten Bauteils angeordneten Schnittstelle zur Bewegung des Stellarms in Eingriff bringbar ist. Es ist für den Fachmann implizit, dass die Kraftübertragungsvorrichtung, d.h. der Zapfen, mit dem Elektromotor mechanisch verbunden ist und dazu dient eine Kraftübertragung zwischen dem Elektromotor des ersten Bauteils und dem Stellarm des zweiten Bauteils zu verwirklichen.
Der Zapfen stellt dabei das konkrete dingliche Merkmal dar, mit dem die Funktion der Kraftübertragung erfindungsgemäß verwirklicht wird.
3.2 Ferner wird im Anspruch definiert, dass eine Positioniervorrichtung vorgesehen ist, mit der die Lage der Kraftübertragungsvorrichtung derart verstellbar ist, dass der erste Bauteil an dem zweiten Bauteil in mindestens zwei, vorzugsweise mindestens drei, je nach Klappentyp verschiedenen Positionen des Stellarms befestigbar ist, wobei die Positioniervorrichtung mindestens ein Anschlagelement aufweist, mit dem die Kraftübertragungsvorrichtung derart verschiebbar bewegbar ist, dass sie in die als Ausnahmeöffnung ausgebildete Schnittstelle am gegebenenfalls bereits montierten zweiten Bauteil eingeschoben werden kann.
Aus diesem Wortlaut geht für den Fachmann hervor, dass durch die beanspruchte Vorrichtung eine Anpassung der Lage der Kraftübertragungsvorrichtung d.h. des Zapfens an die Lage der Ausnahmenöffnung verschiedener zweiter Bauteile, mit jeweils je nach Klappentyp verschiedenen (Öffnungs-)Positionen des Stellarms, mittels des Anschlagselements der Positioniervorrichtung ermöglicht wird. Somit ist für den Fachmann sowohl die Bedeutung der verschiedenen Positionen als auch die Funktion der Positioniervorrichtung, nämlich die Anpassbarkeit des ersten Bauteils an verschiedene zweite Bauteile mit jeweils je nach Klappentyp unterschiedlichen Öffnungspositionen klar.
Wiederum stellt das mindestens eine Anschlagelement das dingliche Merkmal dar, mit dem die Funktion einer Positionierung der Kraftübertragungseinrichtung, d.h. des Zapfens erreich wird.
3.3 Die Ausgestaltung einer Kraftübertragung zwischen einem Zapfen (z.B. einer Welle) und einem Stellarm bzw. die Ausgestaltung einer Anschlagvorrichtung für die Verschiebung eines Zapfens ist Teil des allgemeinen Fachwissens. Eine detailliertere Definition dieser Einrichtungen ist daher nicht geboten und würde den Gegenstand der Erfindung über Gebühr einschränken.
Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags definiert somit alle erfindungswesentlichen Merkmale und genügt den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.
3.4 Die abhängigen Ansprüche, welche bevorzugte Ausführungsformen des ersten Bauteils definieren, genügen ebenfalls den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.
4. Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, die Sache selbst zu entscheiden oder sie an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Wenn besondere Gründe dafür sprechen, kann die Kammer die Sache gemäß Artikel 11 VOBK 2020 an das Organ zurückverweisen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat.
Im vorliegenden Fall hat sich die Prüfungsabteilung in der Entscheidung nur mit den Erfordernissen des Artikel 84 EPÜ befasst, nicht aber mit den weiteren Fragen der Patentierbarkeit. Unter diesen Umständen ist die Kammer der Auffassung, dass sie über die Beschwerde ohne eine Entscheidung der Prüfungsabteilung in den weiteren Fragen der Patentierbarkeit nicht mit angemessenem Aufwand entscheiden kann. Es liegt also ein besonderer Grund für eine Zurückverweisung vor.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 18. Januar 2021 eingereichten Ansprüche 1 bis 13 des korrigierten Hauptantrags zurückverwiesen.