T 1633/15 (Ohrpassstück mit Adapterdichtung/SIVANTOS) 22-12-2020
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Ohrpassstück mit Adapterdichtung
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Streitpatent zurückgewiesen wurde, legten die gemeinsamen Beschwerdeführerinnen Beschwerde ein.
II. Auf die folgenden Druckschriften wird Bezug genommen:
E1:|WO 99/07182 A2; |
E2:|US 3,813,499; |
E3:|WO 97/36457 A1; |
E4:|WO 2005/055655 A1; und |
E7:|Erhard, Gunter: "Konstruieren mit Kunststoffen", 3. Auflage, S. 309-321, Hanser Verlag, München 2004.|
III. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden) beantragen, das Patent unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.
Am Ende der Verhandlung vor der Kammer, die am 22. Dezember 2020 stattfand, verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
IV. Anspruch 1 des Streitpatents lautet:
"Externe Hörereinheit für eine Hörvorrichtung mit
- einem Ohrpassstück (10),
- einem Hörer (11), der am Schallauslass einen Hörerstutzen (19) aufweist,
- einem Adapter (12), der direkt in das Ohrpassstück (10) eingesetzt ist, und
- einer Dichtung (13), die den Hörerstutzen (19) vollumfänglich umgibt,
dadurch gekennzeichnet, dass
- der Hörerstutzen (19) ein erstes Schnappelement (21) aufweist,
- der Adapter (12) ein zweites Schnappelement (26) aufweist, welches in das erste Schnappelement (21) lösbar eingeschnappt ist, und
- die Dichtung (13) aus einem elastischeren Material als der Hörerstutzen (19) und der Adapter (12) besteht und zwischen den Hörerstutzen (19) und den Adapter (12) eingepasst ist."
1. HAUPTANTRAG
Anspruch 1 des Streitpatents umfasst die folgenden einschränkenden Merkmale (Merkmalsgliederung aus der angefochtenen Entscheidung):
1-A Externe Hörereinheit für eine Hörvorrichtung mit
1-B einem Ohrpassstück,
1-C einem Hörer,
1-C1 der am Schallauslass einen Hörerstutzen aufweist,
1-D einem Adapter,
1-D1 der direkt in das Ohrpassstück eingesetzt ist,
und
1-E einer Dichtung,
1-E1 die den Hörerstutzen vollumfänglich umgibt,
wobei
1-C2 der Hörerstutzen ein erstes Schnappelement
aufweist,
1-D2 der Adapter ein zweites Schnappelement aufweist,
welches in das erste Schnappelement lösbar
eingeschnappt ist,
und
1-E2 die Dichtung aus einem elastischeren Material als
der Hörerstutzen und der Adapter besteht und
1-E3 zwischen den Hörerstutzen und den Adapter
eingepasst ist.
1.1 Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ gegenüber einer Kombination von E1 und dem allgemeinen Fachwissen der Fachperson und entspricht somit den Erfordernissen des Artikels 52(1) EPÜ.
1.2 Die Hörgeräteanordnung von E1 wird durch Figur 3 anschaulich illustriert:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
1.2.1 Das Dokument E1 offenbart:
1-A Externe Hörereinheit (Fig. 3) für eine Hörvorrichtung mit
1-B einem Ohrpassstück (Fig. 3: "acoustic coupler 50"; S. 8, Z. 20-22: "The acoustic coupler 50 (Fig. 3) contains ... a conforming accoustic seal 51 which conforms to the shape of the ear canal when inserted therein ..."),
1-C einem Hörer (Fig. 3: "receiver 41"),
1-C1 der am Schallauslass einen Hörerstutzen (Fig. 3: "receiver housing 42") aufweist,
1-D einem Adapter (Fig. 3: "coupling sleeve 52", "acoustic coupler 50"),
1-D1 der direkt in das Ohrpassstück eingesetzt ist (Fig. 3; S. 8, Z. 20-21: "The acoustic coupler 50
(Fig. 3) contains a coupling sleeve 52 having coupling threads 53 ..."), wobei
1-C2 der Hörerstutzen ein erstes Schnappelement (Fig. 3: "partial male threads 45") aufweist,
1-D2 der Adapter ein zweites Schnappelement (Fig. 3: "coupling threads 53") aufweist, welches in das erste Schnappelement lösbar eingeschnappt ist (S. 8, Z. 26-29: "... Attachment is performed by applying axial (push) forces to the acoustic coupler which cause deformation of the coupling sleeve 52 as it is being pushed against the tapered and partial male thread 45 of the receiver assembly 48 ..."; S. 9, Z. 17-21: "The material and dimensional designs of the receiver housing 42 and the acoustic coupler 50, particularly the threads, are selected to minimize axial attachment forces and rotational detachment forces. This results in a simple snap on, twist off mechanism which can be readily understood and operated, even by persons having limited dexterity or poor vision.").
1.2.2 In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung unterscheidet sich somit der Gegenstand von Anspruch 1 von der Offenbarung von E1 durch
- eine Dichtung, die den Hörerstutzen vollumfänglich umgibt, wobei die Dichtung aus einem elastischeren Material als der Hörerstutzen und der Adapter besteht und zwischen den Hörerstutzen und den Adapter eingepasst ist (d.h. Merkmale 1-E bis 1-E3 von Anspruch 1).
1.2.3 Die objektive technische Aufgabe besteht nun darin, "akustische Rückkopplungen bei der externen Hörereinheit von E1 weiter zu vermeiden" (siehe auch Seite 3, Zeilen 17-19 der ursprünglichen Anmeldung).
1.2.4 Die Kammer schließt sich der Ansicht der Beschwerdegegnerin an, wonach die Hülse ("coupling sleeve 52") von E1 selbst bereits aus einem elastischen, deformierbaren Material besteht (siehe S. 8, Z. 22-23: "... The coupling sleeve 52 is made of an elastically deformable, thin walled material, such as plastic ...") und daher selbst ohne Weiteres eine Dichtungsfunktion übernehmen kann. Damit wäre die naheliegende Lösung für die Fachperson auf dem Gebiet der Hörgeräte, die Abdichtung zwischen den schon existierenden Kontaktflächen zwischen dem Element 42 ("receiver housing") und dem Element 52 ("coupling sleeve") durch eine geeignete Materialwahl oder durch eine verbesserte Formgebung zu verbessern, um akustische Rückkopplungen weiter zu vermeiden.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) ausgehend von E1.
1.2.5 Die Beschwerdeführerinnen argumentierten sinngemäß, dass, wie von der Beschwerdegegnerin eingeräumt, die Deformation und die Reibungskräfte in E1 zwischen den ersten Schnappelementen 45 und den zweiten Schnappelementen 53 notwendigerweise einen Verschleiß des Ohrpassstücks 50 bedingen würden. Aus diesem Grund würden unabsichtliche und unerwünschte Schallverluste (und somit Rückkopplungen) im herkömmlichen Hörgerät auftreten. Um dieses Problem zu lösen, würde die Fachperson automatisch eine Dichtung berücksichtigen. Solche Dichtungen seien z.B. aus E2, Sp. 2, Z. 58-60; E3, Abb. 9, "elastomeric O-ring seal 96", S. 10, Z. 14-17 oder E4, S. 1, Z. 12-16 bekannt.
Damit der "snap on, twist off"-Mechanismus von E1 nicht beeinträchtigt wird, würde die Fachperson als Dichtung die Anordnung von E1 mit einem notorisch bekannten Elastomer-Dichtungsring versehen, entweder vor dem Hörerstutzen 42 oder an einer entsprechenden Stelle in der Hülse 52. Somit gelange die Fachperson ohne erfinderisches Zutun zu den Merkmalen 1-E, 1-E1 und
1-E3.
Merkmal 1-E2 sei auch naheliegend, das es notorisch bekannt sei, eine Dichtung zu benutzen, die elastischer ist als die abzudichtenden Materialien. Die Fachperson würde daher eine naheliegende alternative Ausführung des Belüftungskanals auswählen, um die Okklusionseffekte zu vermeiden (siehe E1, S. 11, Z. 13-20 und Fig. 10: "vent tube 61"). Damit sei das Argument, dass die Dichtung den "snap on, twist off"- Mechanismus oder die Belüftung in der herkömmlichen externen Hörereinheit beeinträchtigen würde, nicht überzeugend.
1.2.6 Die Kammer ist von diesen Argumenten nicht überzeugt. Mit Bezug auf Merkmal 1-C2 bestehen die Beschwerdeführerinnen darauf, dass das gesamte Element 42 ("receiver housing") von E1 als Hörerstutzen zu verstehen sei, und nicht nur das Element 43 ("receiving housing coupler"), wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht. In diesem Fall ist es zweifelhaft, ob der von den Beschwerdeführerinnen ins Feld geführte Elastomer-Dichtungsring das Element 42 ("receiver housing") tatsächlich vollumfänglich umgeben würde, unter Anderem weil, wie in Fig. 3 veranschaulicht, beide Schnappelemente 45 und 53 rotationssymmetrisch ausgelegt sind und damit nicht mit einer festen Axialposition einhergehen. Andererseits ist es aufgrund der Deformationen, die der "snap on, twist off"-Mechanismus in Element 52 ("coupling sleeve") verursachen würde, nicht selbstverständlich, dass ein solcher Ring die erwünschte Abdichtung wirksam erzielen könnte, und zwar unabhängig davon, wie der Belüftungskanal in E1 ausgeführt wird.
1.2.7 Die Berücksichtigung von E7 kann diese Schlussfolgerung nicht ändern, da die in Abschnitt 8.1.1.3 und Bild 8.31 auf Seite 321 von E7 vorgeschlagene Abdichtung mit dem oben ausgeführten Dichtungsring gleichzusetzen ist.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 selbst unter Berücksichtigung der von den Beschwerdeführerinnen angeführten objektiven Aufgabe, "die Dichtigkeit beim Schnappmechanismus von E1 zu verbessern" auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), ausgehend von E1 in Kombination mit E2, E3, E4 oder mit dem durch E7 belegten allgemeinen Fachwissen der Fachperson.
2. Da keine weiteren Einwände gegenüber dem Streitpatent erhoben wurden, ist das Streitpatent wie erteilt aufrechtzuerhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.