T 1776/15 (VERFAHREN ZUR BIOGAS ERZEUGUNG/FRAUHENHOFER-GESELLSCHAFT) 13-11-2020
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Verfahren zur Konversion von Biomasse aus nachwachsenden Rohstoffen zu Biogas in anaeroben Fermentern
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (nachfolgend "Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 183 374 zurückzuweisen. Das Patent beruht auf der europäischen Patentanmeldung mit der Nummer 08786369.2, veröffentlicht als WO 2009/16082 (nachfolgend "die Patentanmeldung") und trägt den Titel "Verfahren zur Konversion von Biomasse aus nachwachsenden Rohstoffen zu Biogas in anaeroben Fermentern".
II. Gegen das erteilte Patent wurde Einspruch eingelegt gestützt auf Artikel 100(a) in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung neu und erfinderisch sei, und die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstünden.
IV. Die Beschwerdeführerin stützte ihre Beschwerdebegründung auf die neu eingereichte Entgegenhaltung E6, und Argumente betreffend Artikel 100(a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ.
V. Die Patentinhaberin (nachfolgend "Beschwerdegegnerin") brachte in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung Gegenargumente vor.
VI. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 17(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung des strittigen Sachverhalts mit.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand wie anberaumt am 13. November 2020 statt.
VIII. Anspruch 1 des erteilten Streitpatents lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Konversion von Biomasse aus nachwachsenden Rohstoffen zu Biogas in anaeroben Fermentern, bei dem nachwachsende Rohstoffe in einen mindestens ersten anaeroben Fermenter-Reaktor gemeinsam mit Flüssigkeit und weiteren für die Methanogenese notwendigen Ausgangsstoffen eingebracht und dort einem Gärprozess unterworfen werden, nachfolgend der Gärrest einer Fest-Flüssig-Phasentrennung unterzogen und die abgetrennte Feststoffphase einer Thermodruckhydrolyse bei Temperaturen von mindestens 170 °C und Drücken von mindestens 1,0 MPa unterworfen wird und die so behandelte Feststoffphase entweder in den ersten anaeroben Fermenter-Reaktor rückgeführt oder einem zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt wird und einem weiteren Gärprozess unterworfen wird, und bei dem mindestens Anteile der Flüssigphase nach der Fest-Flüssig-Phasentrennung dem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt werden."
IX. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Entgegenhaltungen verwiesen:
E1: WO 2006/042551;
E2: DE 196 15 551;
E3: DE 198 43 502;
E4: "Energie aus Biomasse: Grundlagen, Techniken und
Verfahren", M. Kaltschmitt, H. Hartmann (Hrsg.),
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 2001
(Auszüge);
E5: EP 0 566 056;
E6: "Untersuchungen zur Verbesserung der bio-
chemischen Umsatzrate lignocellulosehaltiger
organischer Abfälle", D. Radke, Dissertation,
Aachen 2000, ISBN 3-932590-64-3.
X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Zulassung der verspätet vorgebrachten Beweismittel ins Verfahren
Die Entgegenhaltung E6 wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Entgegenhaltung E6 sei, nachdem bekannt wurde unter welchem Gesichtspunkt die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung den beanspruchten Gegenstand als neu und erfinderisch ansah, bei der nächstmöglichen Gelegenheit eingereicht worden und inhaltlich als unmittelbare Reaktion auf die Entscheidung zu werten. Außerdem sei diese Entgegenhaltung schwer auffindbar gewesen.
Die Entgegenhaltung E6 sei zudem prima facie relevant, um die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands zu verneinen.
Die prima facie Relevanz dieser Entgegenhaltung ergebe sich für den Fachmann aus den Seiten 86 und 87, insbesondere aus Teil 6 der Abbildung 3-4 in Zusammenschau mit Absatz 2.2.2.3 der Seiten 53 und 54, die die Verwendung der Thermodruckhydrolyse klar offenbare.
Anspruch 1 des Patents beinhalte vier alternative Verfahren die durch zwei "oder" Begriffe gekennzeichnet seien. So werde die behandelte Feststoffphase entweder dem ersten oder einem zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt, um dort einem weiteren Gärprozess unterworfen zu werden. In einem weiteren Schritt seien mindestens Anteile der Flüssigphase nach der Fest-Flüssig-Phasentrennung dem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zuzuführen. Die Abbildung 3-4, Teil 6 der Entgegenhaltung E6 zeige mindestens eines der beanspruchten alternativen Verfahren in einem Hydrolyse-Methanisierungreaktor. Die abgebildeten Reaktoren produzieren Biogas das abgeleitet sei. Sie seien nicht von den beanspruchten Fermentern zu unterscheiden. Die Bezeichnung "Organik" in der Abbildung 3-4 Teil 6 der Entgegenhaltung E6 stehe für organische Abfälle, die nicht von nachwachsenden Rohstoffen zu unterscheiden seien. Die Zulassung der Entgegenhaltung E6 sei deswegen gerechtfertigt.
Neuheit - Anspruch 1
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei in 7 Merkmale (1.1 bis 1.7) zu unterteilen:
1.1 bei dem nachwachsende Rohstoffe;
1.2 in einen mindestens ersten anaeroben Fermenter-Reaktor gemeinsam mit Flüssigkeit und weiteren für die Methanogenese notwendigen Ausgangsstoffen eingebracht und dort einem Gärprozess unterworfen werden;
1.3 nachfolgend der Gärrest einer Fest-Flüssig-Phasentrennung unterzogen;
1.4 und die abgetrennte Feststoffphase einer Thermodruckhydrolyse bei Temperaturen von mindestens 170 °C und Drücken von mindestens 1,0 MPa unterworfen wird;
1.5 und die so behandelte Feststoffphase entweder in den ersten anaeroben Fermenter-Reaktor rückgeführt oder einem zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt wird;
1.6 und einem weiteren Gärprozess unterworfen wird;
1.7 und bei dem mindestens Anteile der Flüssigphase nach der Fest-Flüssig-Phasentrennung dem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt werden.
Die o.g. Merkmale 1.1 bis 1.6 seien in der Entgegenhaltung E1 explizit offenbart, während das Merkmal 1.7 implizit aus der Entgegenhaltung E1, im Lichte der Entgegenhaltungen E4 oder E5, zu entnehmen oder abzuleiten sei. Die Entgegenhaltung E1 sei somit neuheitsschädlich für den Anspruch 1 des Streitpatents.
Die Entgegenhaltung E1 offenbare ein Verfahren zur Biogaserzeugung mittels anaerober Hydrolyse aus Biomasse, insbesondere aus nachwachsenden Rohstoffen wie Gräsern, Stroh sowie Dung, Gülle und deren Stoffmischungen, mit der Möglichkeit einer mehrstufigen Nassfermentation, wobei nach einer ersten Fermentationsstufe der Gärrest einer Phasentrennung ggf. mit Entwässerung unterzogen werde. Hierfür seien ein Separator, eine Zentrifuge, eine Schneckenpresse und/oder eine Entwässerungseinheit genannt (Seite 2, Absatz 1 und letzter Absatz).
Eine feststoffreiche Phase, die maximal ca. 15 bis 30 Volumen % des gesamten Gärrestes ausmache, sei zur Beförderung zum nächsten Reaktor offenbart (Seite 10, Zeilen 26-29). Die durch die Entwässerung entstandene Flüssigphase könne zur Weiterverwendung in einem Tank zwischengelagert werden. Die feststoffreiche Phase werde danach mittels einer anaeroben Hydrolyse behandelt, welche beispielsweise bei einer Temperatur von 190 °C oder höher und entsprechend erhöhtem Druck arbeite (Seite 9, Zeile 30, bis Seite 10, Zeile 9). Zur Erzielung eines hohen Wirkungsgrades, sei vor der anaeroben Hydrolyse ein Wärmeaustausch zwischen dem noch zu behandelnden Gärrest und dem bereits mittels anaerober Hydrolyse behandelten Gärrest vorgesehen. Nach der anaeroben Hydrolyse könne der behandelte Gärrest erneut einer Fermentation unterzogen werden, indem er wahlweise dem ersten Fermenter / Reaktor oder einem zweiten Fermenter / Reaktor zugeführt werde. Damit seien die o.g. Merkmale 1.1 bis 1.6 in der Entgegenhaltung E1 offenbart.
Rückführung von Prozesswasser (Merkmal 1.7)
Die Rückführung von Prozesswasser oder Presswasser innerhalb des beanspruchten Verfahrens zur Biogasherstellung sei Stand der Technik, wie es in der Entgegenhaltung E4 festgestellt sei (Seite 670ff., letzter Absatz; Seite 686ff., letzter Absatz; Seite 666ff., letzter Absatz). Dieser Schritt sei somit als normale Maßnahme zur Prozessoptimierung bekannt und als Bestandteil der Offenbarung der Entgegenhaltung E1 anzusehen (vgl. Patent, Seite 2, Zeile 32ff., siehe Verweis auf die Entgegenhaltung E5).
Es sei zudem offensichtlich, dass ein organischer Feststoff, der mit einer Schneckenpresse behandelt werde, zwangsläufig einen gewissen Anteil an Feuchtigkeit aufweise. Dadurch werde dem ersten oder zweiten Reaktor wieder Flüssigkeit zugeführt.
Der Transport von Stroh, welches einen hohen Trockengehalt aufweise, sei mit Pumpen nicht möglich wenn an irgendeiner Stelle des Prozesses keine Anmischung des Strohs mit einer Flüssigkeit erfolge. Gemäß der Lehre der Entgegenhaltung E1 müsse dafür prozessintern vorhandenes Wasser verwendet werden (Seite 2, Zeile 11). Das Merkmal 1.7 sei infolgedessen implizit aus der Entgegenhaltung El bekannt.
Weitere Hinweise für eine implizite Offenbarung des Merkmals 1.7 in der Entgegenhaltung E1 ergeben sich aus der Entgegenhaltung E5. In dieser sei die Rückführung der Flüssigphase einer Fest/Flüssig-Trennung sowie die Zuführung dieser Flüssigphase in einen nachgeschalteten Fermenter beschrieben (Seite 10, Zeile 33ff.; Seite 11, Zeile 14ff.; Seite 10, Zeile 55ff. und Seite 13, Zeile 12ff.). Insbesondere sei in Figur 1 eine Prozesswasserrückführung offenbart, bei der feststoffhaltiges Substrat zunächst einer Fest-Flüssig-Trennung (FFT 4) unterzogen werde. Anschließend werde die Flüssigphase (20) dann über den Umweg einer weiteren Behandlung (Reaktor 3) der Feststoffphase (14) vor der nachfolgenden Fermentation (Reaktor 2) zumindest anteilig wieder zugeführt. Es sei dem Fachmann außerdem bekannt, u.a. aus den Entgegenhaltungen E4 und E5, dass bei einer Fest/Flüssig-Trennung durch Pressen, Zentrifugation oder Siebung von Material aus Fermentern/Reaktoren, die darin enthaltene Biomasse, insbesondere die methanogenen Mikroorganismen, mehrheitlich in der Flüssigphase verbleiben, da die Partikelgröße der Mikroorganismen deutlich unterhalb der üblichen Trennkorngröße liege. Die Rückführung bzw. Zuführung einer Bakterien-enthaltenden Flüssigphase sei somit in den Entgegenhaltungen E4 und E5 offenbart. Dieses komme inhaltlich der beanspruchten Zuführung von vor der Thermodruckhydrolyse aus dem Gärrest gewonnener Prozessflüssigkeit zu sterilem und hydrolysiertem Feststoff in einer weiteren Fermentationsstufe gleich.
Fest-Flüssig-Trennung / Phasentrennung
Der Begriff "Fest-Flüssig-Phasentrennung" in Anspruch 1 umfasse im weitesten Sinne eine "Entwässerung", die durch das Abpressen oder eine Zentrifugation des Gärrests erfolgen könne (vgl. Patent Seite 4, Zeilen 30-31). Das Beispiel im Patent beschreibe weiter eine Konzentration des Feststoffs durch Entwässerung und somit eine Fest-Flüssig-Phasentrennung wie in der Entgegenhaltung E1 offenbart.
In der Entgegenhaltung E1 sei die Fest-Flüssig-Phasentrennung durch die beschriebenen Trenngeräte explizit gelehrt (Seite 9, Zeile 16ff.; Seite 10, Zeile 18ff.). Die Fermentation von lignozellulosehaltigem Substrat in einem Fermenter mit anschließender Abtrennung der verbleibenden Fasern zur Durchführung einer Hydrolyse ("remaining straw parts are separated") sei ebenfalls beschrieben (Seite 10, Zeilen 18-20). Neben der Abtrennung einer faserhaltigen, also mehrheitlich feststoffhaltigen Fraktion, sei auch eine wässrige Phase beschrieben, was durch die Bezeichnung "sludge and liquid to storage tank" in den Abbildungen 2 bis 4 und auf Seite 9, Zeile 16ff bestätigt werde.
Der Feststoffgehalt von 10-15% oder bis zu 30% nach Anwendung von Separatoren in den Ausführungsbeispielen der Entgegenhaltung E1 beziehe sich auf die Verwendung von z.B. Schneckenpressen (Seite 23, Zeile 30ff.). Schneckenpressen seien auch im Patent als mögliche Geräte zur Separation genannt (Absatz [0033]). Da die Phasentrennung im Patent keine 100%-ige Auftrennung in eine Fest- und Flüssigphase bewirke, sei auch kein Unterschied zwischen einer Entwässerung, wie sie mit Hilfe von Separatoren in der Entgegenhaltung E1 beschrieben sei und einer Fest-Flüssig-Trennung des beanspruchten Verfahrens erkennbar.
Thermodruckhydrolyse
Die Prozessbedingungen der Hydrolyse in der Entgegenhaltung E1 umfassen auch die einer Thermodruckhydrolyse (Seite 10, Zeile 5ff.).
In der Entgegenhaltung E4 sei zudem die Möglichkeit einer der Fermentation vorgeschalteten Hydrolyse beschrieben, wodurch ein zellulosehaltiges Ausgangsmaterial aufgeschlossen werde (Seite 660, dritter Absatz). Der Ausdruck "Zelluloseaufschluss" verweise direkt und eindeutig auf die Anwendung einer Thermodruckhydrolyse. Zudem sei die Kombination eines mehrstufigen Verfahrens zur Vergärung von Feststoffen, u.a. die durch Thermodruckhydrolyse gewonnene feststoffhaltige Phase, und die Vorteile einer Fest-Flüssig-Trennung beschrieben.
Erfinderische Tätigkeit
Die Entgegenhaltung El sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.
Die Lehre der Entgegenhaltung El offenbare ein Verfahren zur Herstellung von Biogas aus organischen Abfällen, umfassend die aufeinanderfolgenden Schritte: i) Verdauung der organischen Abfälle in einem ersten Reaktor; ii) Hydrolyse der verdauten organischen Abfälle in einem anaeroben Hydrolysebehälter; und iii) Verdauung der hydrolysierten organischen Abfälle in einem zweiten Reaktor; wobei entstehende Gase aus dem anaeroben Hydrolysebehälter entfernt werden (vgl. Seite 2, Zeilen 15-18, Abbildungen 2-4).
Die Verfahrensführung bestehend aus Reaktor-Separator-Hydrolyse (Tank) der Entgegenhaltung E1 entspreche exakt der Verfahrensführung von Anspruch 1.
Die "Fest-Flüssig-Phasentrennung" des Merkmals 1.3, die Thermodruckhydrolyse Parameter des Merkmals 1.4, und die Rückführung von Prozesswasser des Merkmals 1.7, seien entweder der Entgegenhaltung El implizit zu entnehmen oder naheliegend.
Betreffend Merkmal 1.3, der "Fest-Flüssig-Phasentrennung".
Die Entgegenhaltung E1 offenbare in einer Ausführungsform dass die Biogaserzeugungsanlage einen Separator enthalte, der mit dem ersten Reaktorausgang verbunden sei, um eine selektive Abtrennung von Partikel einer vorbestimmten Größe zu ermöglichen, und ferner über einen eigenen Ausgang verfüge, der mit dem anaeroben Tank zur nachgeschalteten Hydrolyse der abgetrennten Partikel verbunden sei (Seite 8, Zeile 26 ff.; Seite 18, Zeilen 7-10; Abbildungen 2-4).
Im Ausführungsbeispiel des Streitpatents (Absatz [0033]) werden 136 t/d Gärrest mit Hilfe einer Schneckenpresse entwässert. Dabei entstehen ca. 107 t Flüssigphase mit einem Feststoffgehalt von 4% und ca. 31 t Feststoffe mit einem Trockenrückstand von 30%. Damit sei im Streitpatent die Fest-Flüssig-Phasentrennung nicht als 100%ige Auftrennung in eine reine Feststoff- und Flüssigphase ausgeführt.
Die Abtrennung eines Gärrests bestehend aus Feststoffen und Flüssigkeit führe zwangsläufig zur Bildung von Fraktionen die feststoffärmer bzw flüssigkeitsreicher seien, d.h. einer Flüssig- und Feststoffphase.
Betreffend Merkmal 1.4, der Thermodruckhydrolyse bei Temperaturen von mindestens 170 °C und Drücken von mindestens 1,0 MPa.
Die Entgegenhaltung El offenbare verschiedene Prozessbedingungen für die Hydrolyse, darunter auch solche, die einer Thermodruckhydrolyse entsprechen (Seite 9, Zeilen 26-32). Auch wenn in den Ausführungsbeispielen der Entgegenhaltung El mildere Prozessbedingungen für die Hydrolyse beschrieben seien, seien, unter den zahlreich angeführten Hydrolysebedingungen, auch solche für eine Thermodruckhydrolyse (vgl. Seite 10, Zeile 5ff.).
Betreffend Merkmal 1.7, Rückführung der Flüssigphase.
Obwohl die Rückführung der Flüssigphase in einen zweiten anaeroben Fermenter nicht explizit offenbart sei, enthalte die Entgegenhaltung E1 mehrere Hinweise dafür (vgl. Seite 10, Zeile 16 ff. und 26 ff.). Eine Anmischung des Strohs mit einer Flüssigkeit sei unabdingbar und müsse durch internes Prozesswasser erfolgen, da die Prozesse ohne die Zufuhr von Wasser bevorzugt auskommen sollen (vgl. Seite 2, zweiter und letzter Absatz). Demnach leitet die Entgegenhaltung El den Fachmann zur Verwendung von prozessinterner Flüssigkeit für die Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen.
Im Patent seien keine Hinweise auf besondere und/oder überraschend auftretende Effekte einer Flüssigkeitsrückführung oder "Prozesswasserrückführung" zu finden. Es seien auch keine Beweise vorhanden die belegen, dass die Flüssigphase des Gärrestes aus einem Fermenter - Reaktor die vor der Hydrolyse abgetrennt werde und daher "intakte Methanbakterien und Mikroorganismen" enthalte - nachdem sie einem weiteren Fermenter zugeführt werde, dort durch Methanisierung der hydrolysierten Feststoffe zu einem höheren Abbaugrad führe, oder eine höhere Ausbeute an Biogas in kürzerer Zeit erreiche (Seite 9, Zeilen 32-33).
Der hohe Abbaugrad sei vielmehr der thermischen Behandlung des in der Thermodruckhydrolyse behandelten Feststoffs geschuldet. Bei der Vergärung von sterilem Substrat aus der Thermodruckhydrolyse sei bei hinreichender Verweilzeit zu erwarten, dass sich auch stabile Populationen aus Mikroorganismen bilden, die den Biogasprozess ermöglichen. Da der Wortlaut von Anspruch 1 ein Verfahren umfasse, bei dem die abgetrennte Flüssigphase dem ersten anaeroben Fermenter zugeführt werde, während die abgetrennte Feststoffphase nach der Thermodruckhydrolyse einem zweiten anaeroben Fermenter zugeführt werde, sei die Rückführung der Flüssigphase sogar unwesentlich, da sie in dieser Ausführungsform keinen Effekt erziele.
Die Rückführung von Prozesswasser innerhalb eines Verfahrens zur Herstellung von Biogas sei Stand der Technik. Die Entgegenhaltungen E4 und E5 bestätigen diese Tatsache.
Die Entgegenhaltung E4 offenbare auf Seite 670, dass
"Beim [...] Prozess ist es sinnvoll Prozesswasser zur Befeuchtung des Ausgangsmaterials zu verwenden, um so das Frischmaterial mit Bakterien anzuimpfen",
und weiter auf Seite 686, dass
"Bei der Fest/Flüssig-Trennung der Feststoffvergärung fällt Presswasser an, das... zur Rückimpfung eingesetzt werden kann. Bei der Flüssigvergärunq kann Presswasser zum Anmaischen der Ausgangsstoffe eingesetzt werden."
Die Rückführung des Prozesswassers sei wertvoll bezüglich seiner Inhaltsstoffe, vermeide Abfall und Kosten für die Entsorgung und Verwendung von frischem Wasser (Seiten 666, 667).
Damit sei dem Fachmann, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, bekannt, dass eine höhere Ausbeute von Biogas pro Zeit durch das Animpfen von Frischmaterial mit bakterienhaltigem Prozesswasser, das beispielsweise durch Entwässerung von Gärresten gewonnen werde, erreicht werde.
Die Entgegenhaltung E5 beschreibe in Abbildung 1 ebenso eine Prozesswasserrückführung, bei dem feststoffhaltiges Substrat zunächst einer Fest-Flüssig-Trennung (FFT 4) unterzogen werde, die Flüssigphase (20) über den Umweg einer weiteren Behandlung (Reaktor 3) dieser Feststoffphase vor der nachfolgenden Fermentation aber zumindest anteilig wieder zugeführt werde (22). Die weitere Behandlung der Flüssigphase bestehe in einer Methanvergärung (Reaktor 3), so dass durch diese Rückführung methanogene Mikroorganismen der Feststoffphase zugeführt werden (22). Dieser Schritt sei der beanspruchten Rückführung von, vor der Thermodruckhydrolyse, aus dem Gärrest gewonnener Prozessflüssigkeit zu sterilen Feststoff, der nach der Thermodruckhydrolyse gewonnen werde, und dann einer weiteren Fermentation unterzogen werde, gleichzusetzen (u.a. Seite 10, Zeile 55ff.).
Es gäbe keine Beweise für eine verbesserte Vergärung die der Rückführung zuzuschreiben sei. Außerdem umfasse Anspruch 1 Ausführungsformen, z.B. wenn die Flüssigphase in die nicht sterile Feststoffphase rückgeführt werde, die dem Verfahren keinen höheren Abbaugrad ermöglichen. Somit sei die objektiv zu lösende Aufgabe die Bereitstellung eines weiteren alternativen Verfahrens zur Konversion von Biomasse in Biogas.
Ein Fachmann hätte die Merkmalskombination von Anspruch 1 auf Basis der Entgegenhaltung El in Zusammenschau mit der Entgegenhaltung E4 oder E5 sofort abgeleitet. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass Anspruch 1, auf Basis des verfügbaren Standes der Technik, die Erfordernisse einer erfinderischen Tätigkeit nicht erfülle.
XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Zulassung der verspätet vorgebrachten Beweismittel ins Verfahren
Die Beschwerdeführerin habe keine Gründe angegeben die die erstmalige Vorlage der Entgegenhaltung E6 im Beschwerdeverfahren rechtfertigen.
Es sei weder ersichtlich warum die Entgegenhaltung E6 nicht bereits in der ersten Instanz hätte vorgelegt werden können, noch warum diese Entgegenhaltung prima facie neuheitsschädlich gegenüber dem beanspruchten Gegenstand sein solle. Auf Seite 2, Punkt 3 und den Seiten 4 und 15 der Beschwerdebegründung sei die Entgegenhaltung E6 nur zitiert worden um eine mangelnde erfinderische Tätigkeit zu begründen.
Die Entgegenhaltung E6 sei prima facie nicht relevant, da die Reaktoren im Teil 6 der Abbildung 3-4 als Hydrolysereaktoren bezeichnet werden. Auch wenn sie optional als kombinierte Hydrolyse- und Methanreaktoren betrieben werden können, seien sie keine Fermenter, insbesondere nicht im Lichte der Patentbeschreibung (siehe Spalte 2, Zeilen 16-30). Der einzige Fermenter in der Abbildung 3-4, Teil 6, sei der Methanisierung-reaktor.
Ein weiterer Unterschied des Verfahrens in Abbildung 3-4, Teil 6, der Entgegenhaltung E6 gegenüber dem Verfahren von Anspruch 1 sei der dort als "Organik" bezeichnete Rohstoff, während im beanspruchten Verfahren nachwachsende Rohstoffe verwendet werden. Der Verweis auf eine ausdrückliche Verwertung von lignozellulosehaltiger Abfälle, betreffe jedoch nur die Verfahren die in Abbildung 3-4, Teil 1 und 2, beschrieben seien.
Die von der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichte Entgegenhaltung E6 sei als verspätet anzusehen und aus den o.g. Gründen nicht ins Verfahren zuzulassen.
Neuheit
Es gehe aus der Entgegenhaltung E1 eindeutig hervor, dass nur eine Abtrennung von größeren Partikeln vorgesehen sei, dieser Schritt keinesfalls aber als Phasentrennung des Gärrestes angesehen werden könne, da die kleineren Partikel in der Flüssigphase verbleiben (Seite 8, Zeile 26ff., Ansprüche 32, 34).
Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe auf einer erfinderischer Tätigkeit. Keine der Entgegenhaltungen E1 in Zusammenschau mit E4 oder E5, die den fehlenden Verfahrensschritt beschreiben, gäben dem Fachmann einen Hinweis auf die erfindungsgemäße Lösung.
Für die Entgegenhaltung E4 sei es das Ziel, die bis dahin bekannten Grundlagen für die Energiegewinnung aus Biomasse zusammenzutragen.
In der Entgegenhaltung E5 bestünde die Aufgabe darin ein Steuerungskonzept bereitzustellen, durch welches während der anaeroben Hydrolyse der pH-Wert, die Feststoffkonzentration und die Feststoffverweilzeit unabhängig voneinander einstellbar seien. Die organischen Substanzen seien dafür zuerst versäuert worden, bevor sie der Hydrolyse unterworfen werden. Zur Steuerung der o.g. Parameter sei in der Hydrolysestufe versäuerte Flüssigkeit zugegeben worden. Die Methanisierung sei ausschließlich in der Hydrolyse und in einer nachgeschalteten Methanisierungsstufe erfolgt.
Die erfindungsgemäße Aufgabe oder Lösung sei ausgehend von der Entgegenhaltung E1 alleine oder in Zusammenschau mit den Entgegenhaltungen E4 oder E5 nicht naheliegend ableitbar.
In der Entgegenhaltung E1 und E5 seien keine Hinweise zu finden weshalb der Fachmann verschiedene Verfahrensschritte kombiniert hätte, um zu der vorliegenden Erfindung zu gelangen.
Erst durch den erfindungsgemäßen Einsatz der Thermodruckhydrolyse als physikalischen Verfahrensschritt und durch den erfindungsgemäßen Einsatz der Flüssigphase eines Gärrestes, mit noch intakten Methanbakterien und anderen Mikroorganismen, zu dem in der Thermodruckhydrolyse aufgeschlossenen Feststoff, in einem weiteren Fermenter-Reaktor, könne die weitere Umsetzung auch dieser Feststoffe zu Biogas mit hoher Ausbeute realisiert werden.
Fest-Flüssig-Phasentrennung
In der Entgegenhaltung E1 seien die Separatoren ausschließlich zur Abtrennung von Partikeln die über einem vorgegebenen Grenzwert liegen eingesetzt worden, so dass nur Teile der Feststoffphase abgetrennt werden (Seite 8, Zeile 26ff, Ansprüche 32 und 34). Somit sei keine Phasentrennung einer Feststoffphase von einer Flüssigphase des Gärrestes nach dem ersten Fermenter durchgeführt worden.
Es finde auch keine Phasentrennung statt, da der Gärrest mit einem Trockengehalt von unter 15 % mittels Pumpen bzw. bis zu maximal 30 % Trockengehalt durch den Einsatz von Förderschnecken zum Hydrolysetank transportiert werde (Seite 10, Zeilen 26-29). Dies sei auch den Abbildungen 2 bis 4 zu entnehmen, wonach nach dem ersten Separator Schlamm und Flüssigkeit in einen Vorratstank überführt werden. Der verbleibende Gärrest aus dem ersten Separator werde dann in einem zweiten Separator auf einen Feststoffgehalt von 10 - 15 % entwässert in welchem deshalb noch 85 - 90 % Flüssigphase vorliegen müsse.
Die Definition einer Fest-Flüssig-Phasentrennung bestehe aus einer möglichst vollständigen Trennung einer festen Phase und einer flüssigen Phase (im technischen Sinne) und hat nichts mit einer Separation oder Abtrennung von unterschiedlich großen Partikeln aus einer Feststoffphase zu tun, wie sie in der Entgegenhaltung El vorgeschlagen werde. Bei der Separation oder Abtrennung gemäß Entgegenhaltung El, liegen im Ergebnis Fraktionen von größeren und kleineren Partikeln vor, während bei einer erfindungsgemäßen Fest-Flüssig-Phasentrennung im Ergebnis zwei unterschiedliche Phasen vorliegen, nämlich eine Feststoffphase, mit durchaus unterschiedlich großen Feststoffpartikeln, und eine Flüssigphase.
Auch wenn die Definition einer Fest-Flüssig-Phasentrennung im technischen Sinne anwendungsbezogene Spielräume eröffne, so könne diese Auslegung nicht soweit ausgedehnt werden, dass eine vollkommen unterschiedliche Verfahrensführung aus der Lösung nach Entgegenhaltung E1 ableitbar wäre.
In der Entgegenhaltung El seien zur Entwässerung des Gärrestes nur Angaben zu finden, die zur Optimierung des Transports von Abfall oder Gärresten dienen. Die Verfahrensschritte der Separation großer Partikel und eine Entwässerung des Gärrests für einen besseren Transport können nicht ein vollkommen unterschiedliches Verfahren, bestehend aus einer Rückführung der abgetrennten Flüssigphase mit intakten Mikroorganismen vor der Hydrolyse in einen Reaktor, nahelegen.
Thermodruckhydrolyse
In der Entgegenhaltung E1 sei bezüglich der Hydrolysebedingungen angegeben, dass die Hydrolyse vorzugsweise bei einem Druck durchzuführen sei, der im Wesentlichen gleich oder höher sei als der Sättigungsdampfdruck, oder im Wesentlichen dem Umgebungsdruck entspreche, so dass ein einfaches und kostengünstiges Hydrolysesystem bereitgestellt werde (Seite 9, Zeilen 26-29). Bevorzugt seien Hydrolysen die in einem Temperaturbereich von etwa 75 °C bis etwa 85 °C für etwa 14 bis etwa 16 Stunden durchgeführt werden. Alle Ausführungsbeispiele verwenden Hydrolysebedingungen bei Normaldruck über 8 Stunden bei einer Temperatur von 80 °C (Seite 11, Zeilen 28-30). Ohne eine Anregung oder Hinweis in der Entgegenhaltung E1, dass die Anwendung einer Thermodruckhydrolyse gegenüber anderen Hydrolyseverfahren vorteilhaft sei, sei ihre bloße Kenntnis für den Fachmann nicht ausreichend, um sie in dem in der Entgegenhaltung E1 offenbarten Verfahren einzusetzen.
Prozesswasserrückführung
Die Entgegenhaltung El beschreibe keine Flüssigkeitszugabe, geschweige denn ein gewonnenes Prozesswasser, das in einen Prozess zurückgeführt werden könne, da trockenes Stroh (TS = 90-95 %) in den ersten Fermenter eingesetzt und dort aufgeschlossen werde. Nach der Fermentation werde der Gärrest in den Separatoren aufgetrennt und dem Hydrolysetank zugeführt (Seite 10, Zeilen 18-20), während die separierte Flüssigkeit als Schlamm ausgetragen wird (Abbildungen 2-4).
Eine solche Rückführung von "Prozesswasser" - mit "intakten Methanbakterien und Mikroorganismen" - sei weder aus der Entgegenhaltung E1 bekannt, noch könne der Fachmann dies aus seiner allgemeinen Kenntnis bezüglich der Prozessoptimierung und dem "prozessinternen Einsatz von Flüssigkeit" ableiten.
Die in der Entgegenhaltung El angegebene Verfahrensführung gebe keine Hinweise und Anregungen, dass eine Rückführung von Prozesswasser, das aus einer Fest-Flüssig-Phasentrennung gewonnen werde, erfolgen solle. Diese Rückführung sei weder aus der Entgegenhaltung El bekannt, noch gäbe es Hinweise darin dass die Rückführung in einem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor erfolgen solle.
Aus der Entgegenhaltung E4, die die bekannten Grundlagen für die Energiegewinnung aus Biomasse zusammenfasse, seien ebenfalls keine Hinweise und Anregungen zu entnehmen, wodurch die Thermodruckhydrolyse mit dem aus der Entgegenhaltung El offenbarten Verfahren zu kombinieren sei. Dasselbe gelte für die Lehre der Entgegenhaltung E5.
Ausgehend von der Aufgabe der Erfindung - eines Verfahrens welches bei kürzerer Gesamtverweilzeit der nachwachsenden Rohstoffe in der Biogasanlage und/oder eine höhere Quantität und/oder Qualität des Biogases realisiere - sei zu ermitteln ob der Fachmann veranlasst gewesen wäre den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, um zu dem beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Bei dieser Analyse müsse eine rückschauende Betrachtungsweise vermieden werden.
XII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
XIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und die von der Beschwerdeführerin neu eingereichte Entgegenhaltung E6 nicht ins Verfahren zuzulassen.
Nichtzulassung eines verspätet vorgebrachten Beweismittels und einer nicht substantiierten Argumentationslinie ins
Verfahren
1. Die Entgegenhaltung E6 wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung als angebliche Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht um einen neuen Neuheitseinwand oder zumindest eine mangelnde erfinderische Tätigkeit zu belegen, ohne jedoch die Gründe anzugeben, warum diese Entgegenhaltung und die darauf basierende Argumentationslinie nicht schon im Einspruchsverfahren eingereicht werden konnte.
1.1 Nach Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK 2007 steht die Zulassung einer erst mit der Beschwerdebegründung (oder Beschwerdeerwiderung) eingereichten Entgegenhaltung, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können, im Ermessen der Kammer.
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1.2 Die Entgegenhaltung E6 hätte im Einspruchsverfahren vorgebracht werden können, weil die dem Verfahren zu Grunde liegenden Ansprüche dem Patent wie erteilt entsprechen und somit nicht geändert worden sind. Die Einspruchsabteilung hatte in ihrer vorläufigen Meinung vom 3. November 2014 und vom 5. Februar 2014 schon angegeben, dass der vorliegende Stand der Technik, vor allem die Entgegenhaltungen E1, E2 und E3, weder die Neuheit noch die erfinderischen Tätigkeit des Patents in Frage stellen konnte, so dass dieses unverändert hätte aufrechterhalten werden können.
1.3 Eine neue Angriffslinie welche eine mangelnde Neuheit und/oder erfinderische Tätigkeit der Ansprüche wie erteilt durch die neue Entgegenhaltung E6 belegen soll kann deswegen nicht als eine Reaktion auf die angefochtene Entscheidung angesehen werden. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Erklärung, wonach die Entgegenhaltung E6 schwer auffindbar war und deshalb nicht hätte früher vorgelegt werden können, ist nur pauschal angegeben und stellt keine Rechtfertigung dar, die ein derartig verspätetes Vorbringen begründen kann. Die Beschwerdeführerin hätte zweifelsohne innerhalb der Einspruchsfrist den Stand der Technik vollständig recherchieren können und müssen, um ein verspätetes Vorbringen zu vermeiden. Spätestens nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung hätte sie reagieren können und sollen.
1.4 Eine Veranlassung die durch Vorgänge im bisherigen Verfahren die verspätete Einreichung der Entgegenhaltung E6 erklären könne ist weder erkennbar, noch wurde dies vorgetragen.
1.5 Zudem kann die Entgegenhaltung E6 nicht als prima facie relevant angesehen werden, weil die darin enthaltene Abbildung 3-4, Teil 6 erstens auf das Merkmal "Organik" verweist, das sich nicht auf nachwachsende Rohstoffe einschränken lässt, und zweitens die Darstellung der Reaktoren, die vor und nach der Thermodruckhydrolyse (steam explosion: SE) abgebildet sind, nur optional als kombinierte Hydrolyse- und Methanisierungreaktoren auszulegen sind. Folglich gelten entweder der eine, der andere oder beide Reaktoren nicht zwangsläufig als Fermenter, geschweige denn als ein Fermenter in den eine abgetrennte Flüssigphase zurückgeführt wird.
In der Tat liefert die Entgegenhaltung E6 keine neuen Erkenntnisse für das vorliegende Verfahren, welche über den Inhalt der sich schon im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen hinausgehen.
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1.6 Aus diesen Gründen lässt die Kammer, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ und unter Berücksichtigung des Artikels 12(4) VOBK 2007, die Entgegenhaltung E6 nicht ins Verfahren zu.
2. Die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 3. April 2020 verwies auf frühere Schriftsätze und Ausführungen, welche die Entgegenhaltungen E1 mit E2 oder mit E3 kombinieren, die Anspruch 1 eine erfinderische Tätigkeit absprachen.
Da die Beschwerdeführerin diesen Einwand in ihrer Beschwerdebegründung nicht substantiiert hatte und in der letzten Eingabe nur pauschal erwähnt, kam die Kammer zur Schlussfolgerung, dass der Einwand nicht in das Verfahren zuzulassen ist (Artikel 25(2) VOBK 2020 in Verbindung mit Artikel 12(4) und Artikel 12(2) VOBK 2007).
Hauptantrag
Neuheit
3. Die Neuheitseinwände der Beschwerdeführerin basieren auf der Offenbarung der Entgegenhaltung E1 und auf dem Allgemeinwissen des Fachmanns. Die Entgegenhaltung El offenbare die beanspruchten Merkmale 1.1 bis 1.6 explizit, sowie implizit das Merkmal 1.7 wobei "... mindestens Anteile der Flüssigphase nach der Fest-Flüssig-Phasentrennung dem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt werden."
3.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die Entgegenhaltung E1 ein Verfahren zur Biogaserzeugung mittels anaerober Hydrolyse aus Biomasse offenbare, insbesondere aus nachwachsenden Rohstoffen wie Gräsern, Stroh sowie Dung, Gülle und deren Stoffmischungen, mit der Möglichkeit einer mehrstufigen Nassfermentation, wobei nach einer ersten Fermentationsstufe der Gärrest einer Phasentrennung ggf. mit Entwässerung unterzogen wurde. Hierfür wurden Separatoren, wie eine Zentrifuge, Schneckenpresse und/oder eine Entwässerungseinheit genannt.
3.1.1 Bei dieser Entwässerung, welche als Phasentrennung angesehen werden muss, fiel eine feststoffreiche Phase, die ca. 15 bis 30 Volumen % des gesamten Gärrestes ausmacht, sowie eine Flüssigphase an, die zur Weiterverwendung in einem Tank zwischengespeichert werden konnte. Die feststoffreiche Phase wurde mittels einer anaeroben Hydrolyse behandelt, die beispielsweise bei einer Temperatur von 190°C oder höher und entsprechend erhöhtem Druck arbeitete. Zur Erzielung eines hohen Wirkungsgrades wurde vor der anaeroben Hydrolyse ein Wärmeaustausch zwischen noch zu behandelndem Gärrest und bereits in der anaeroben Hydrolyse behandeltem Gärrest vorgesehen.
3.1.2 Nach der anaeroben Hydrolyse konnte der behandelte Gärrest erneut einer Fermentation unterzogen werden, indem er wahlweise dem ersten Fermenter / Reaktor oder einem zweiten Fermenter / Reaktor zugeführt wurde (vgl. Abbildungen 1 bis 6).
3.1.3 Die Rückführung von Prozesswasser innerhalb eines Biogasprozesses sei implizit in der Entgegenhaltung E1 offenbart und dem Fachmann geläufig und eine normale Maßnahme der Prozessoptimierung. Der hohe Trockensubstanzgehalt (TS-Gehalt) von Stroh und die Notwendigkeit geringer TS-Gehalte für den Transport der Stoffströme mit Pumpen bzw. Schneckenpressen wiesen klar auf einer Rückführung der Flüssigphase bzw. von Prozesswasser hin (Seite 10, Zeile 16ff. und Zeile 26ff.). Zudem müsse das Stroh an irgendeiner Stelle im Prozess mit einer Flüssigkeit angemischt werden, was nur mit prozessintern vorhandenem Wasser geschehen könne, da das Verfahren bevorzugt ohne Wasserzusatz durchgeführt werde (Seite 2, Zeilen 9 bis 12).
3.1.4 Diese Sicht werde durch das allgemeine Fachwissen in der Entgegenhaltung E4 gestützt. Die Einspeisung oder Substratzufuhr, im Kapitel "Behandlung fester Substrate", sei inhaltlich der Zufuhr nachwachsender Rohstoffe gleichzusetzen. "Vor der Einspeisung wird das Material zerkleinert und mit vergorenem Prozesswasser angemaischt. Nach der Gärung wird das Gärgut auf einen Trockenmassegehalt von rund 50 % entwässert und kann einer Nachkompostierung zugeführt werden" (Seite 670ff. und Überbrückungssatz von Seite 670-671). Die aktive Biomasse könne in Feststoffprozessreaktor somit erhöht werden, indem bakterienreiche Fraktionen des ausgegorenen Materials als Impfmaterial rückgeführt werde (siehe Seite 666ff.). Es sei deshalb nicht nur die Rückführung von Prozesswasser, sondern auch die von Presswasser, die durch die Fest/Flüssig-Trennung der Feststoffvergärung anfalle, zum Anmaischen oder Rückimpfen zu entnehmen (Seite 686ff). Die Möglichkeit eines Aufschluss des Ausgangsmaterials vor dem Gärprozess weise ebenso auf eine mögliche Anwendung einer Thermodruckhydrolyse hin (Seite 660).
3.1.5 Die Entgegenhaltung E5 beschreibe neben einer Rückführung der Flüssigphase einer Fest/Flüssig-Trennung, auch die Zuführung dieser Flüssigphase in einen nachfolgenden Fermenter (Seite 10, Zeile 33ff; Seite 11, Zeile 14ff.; Abbildung 1).
4. Die Kammer stellt fest, dass das Merkmal 1.7 in Kombination mit den anderen Merkmalen des beanspruchten Verfahrens, explizit in der Entgegenhaltung E1 nicht offenbart ist. Folglich ist das Merkmal 1.7 bestenfalls implizit in der Entgegenhaltung El offenbart.
4.1 Ein "implizites" Merkmal muss zweifelsfrei aus dem Gesamtzusammenhang einer Entgegenhaltung erkennbar sein, oder sich aus diesem zwangsläufig ergeben (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage, Juli 2019, im Folgenden "Rechtsprechung", I.C.4.3).
4.1.1 Die Entgegenhaltung El beschreibt u.a. die Gärung eines Gemisches aus Dung und Stroh im einem Reaktor aus dem die verbleibenden Strohanteile in einem Separator abgetrennt, und in einem anaeroben Tank zur Hydrolyse überführt werden. Die Beförderung von Material durch Pumpen bzw. Schneckenpumpen erlaubt, dass das Material einen TS-Gehalt bis maximal 30% aufweist (Seite 10, Zeile 16ff., und Zeile 26ff.).
4.1.2 Durch die ausgewählte Art der Beförderung besteht die Notwendigkeit den Gärrest nicht zu stark zu entwässern (vgl Seite 9, Zeile 16ff.) was durch die Bezeichnung "sludge and liquid to storage tank" in den Abbildungen 2 bis 4 nach dem Separatoren (4) bestätigt wird. Die Verwendung einer Schneckenpresse wird nur als nachgeschalteter zweiter Separator (5, 5b) offenbart (Seite 23, Zeile 30 ff., Abbildungen 2-4).
4.2 Auch wenn die Durchführung der Hydrolyse durch Verwendung eines höheren Drucks als dem Umgebungsdruck, wie z.B. dem Sättigungsdruck bei einer Temperatur von 125 °C, 190 °C usw., die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Biogasproduktionsanlage optimiert werden kann (Seite 9, Zeile 30 ff.), z.B. unter anderen bei Temperaturen von 175 °C bis 200 °C (Seite 10, Zeile 9 ff.) ist weder die Temperatur 190 °C noch der zuletzt aufgeführte Temperaturbereich in irgendeiner Form als bevorzugt ausgewiesen. Der letzte Temperaturbereich entspricht auch nur zum Teil den Parametern der Thermodruckhydrolyse von Anspruch 1.
4.3 Die Ausführungsbeispiele der Entgegenhaltung E1 zeigen nicht eindeutig eine Phasentrennung oder, in breiterer Auslegung eine Entwässerung, der eindeutig und unmittelbar eine Zuführung der gewonnenen Flüssigkeit aus dem Gärrest vor der Thermodruckhydrolyse entweder in den ersten Fermenter oder einem nachfolgenden Fermenter folgt. Des Weiteren bedeutet, obwohl das Verfahrens auf die Zugabe von Chemikalien, Enzymen oder Wasser verzichtet (Seite 2, Zeile 9 bis 12), dies nicht zwangsläufig dass für die Rückführung prozessinternes Wasser verwendet wird, ganz zu schweigen von einer abgetrennten Flüssigphase bzw. von Prozesswasser.
4.4 Die Entgegenhaltung El beschreibt letztendlich nicht eindeutig und unmittelbar eine Kombination einer Prozesswasserrückführung, wie beansprucht, und einen Verfahrensschritt in dem die Feststoffphase nach einer Fest-Flüssig-Phasentrennung einer Thermodruckhydrolyse bei Temperaturen von mindestens 170 °C und Drücken von mindestens 1,0 MPa unterworfen wird.
4.5 Die Entgegenhaltung E4, die das allgemeine Fachwissen darstellt, erwähnt für die Behandlung fester Substrate: "Vor der Einspeisung wird das Material zerkleinert und mit vergorenem Prozesswasser angemaischt. Nach der Gärung wird das Gärgut auf einen Trockenmassegehalt von rund 50 % entwässert und kann einer Nachkompostierung zugeführt werden" (vgl. Seite 670ff.; Seiten 670-671 Überbrückungssatz), somit kann die aktive Biomasse in Feststoffprozessreaktor erhöht werden, indem bakterienreiche Fraktionen des ausgegorenen Materials als Impfmaterial rückgeführt werden (siehe Seite 666 ff.).
Auch wenn dieser mögliche Verfahrenschritt im Rahmen der Behandlung fester Substrate bei diskontinuierlichen Prozessen als sinnvoll betrachtet werden könnte, kann dieser Verfahrenschritt nicht losgelöst von dem in der Entgegenhaltung E4 beschriebenen Verfahren betrachtet werden. Somit kann er auch keine implizite Offenbarung für eine direkte und eindeutige Verwendung dieses isolierten Verfahrenschritts in einem anderem in der Entgegenhaltung E1 offenbarten Verfahren begründen.
Mit anderen Worten, ein Verfahrensschritt in einem Verfahren, der in einer Entgegenhaltung (E4) die das allgemeine Fachwissen darstellt beschrieben ist, kann nicht von diesem Verfahren losgelöst betrachtet werden und als impliziertes isoliertes technisches Merkmal einem anderen Verfahren, das in einer anderen Entgegenhaltung (E1) beschrieben ist, zugewiesen werden, unabhängig davon, ob dieser Verfahrensschritt logisch erscheint oder nicht.
4.6 Dasselbe gilt für die Entgegenhaltung E5, die gleichfalls den fehlenden beanspruchten Verfahrensschritt beschreibt, aber das Verfahren der Entgegenhaltung E1 mit dem fehlenden Verfahrensschritt nicht unmittelbar und eindeutig als implizites Merkmal ergänzen kann.
4.7 Aus diesem Grund nimmt die Entgegenhaltung E1, im Lichte des allgemein Fachwissens der Entgegenhaltung E4 oder der Patentschrift E5, den Gegenstand von Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich vorweg. Damit erfüllt Anspruch 1 und die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 8 die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.
Erfinderische Tätigkeit
5. Die Entgegenhaltung E1 wird von allen Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
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5.1 Die Kammer unterstreicht, dass jede Analyse die über das hinausgeht was der Fachmann objektiv aus dem Stand der Technik hergeleitet hätte, nur das Ergebnis einer Ex-post-facto-Analyse sein kann. Jeder Versuch, die Offenbarung des nächstliegenden Stands der Technik so auszulegen, dass dadurch die technische Lehre der Offenbarung aufgrund der nachträglichen Kenntnis der Erfindung verfälscht wird, ist auszuschließen, da damit der technische Beitrag der Erfindung und die objektive Bestimmung der technischen Aufgabe verfälscht wird (vgl. Rechtsprechung, I.D.6).
5.2 Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen befasst sich die Entgegenhaltung E1 mit einem Verfahren zur Biogaserzeugung mittels anaerober Hydrolyse aus Biomasse. Das Verfahren umfasst drei aufeinanderfolgende Schritte: i) Aufschluss des organischen Abfalls in einem ersten Reaktor; ii) Hydrolyse des aufgeschlossenen organischen Abfalls in einem anaeroben Hydrolysetank; und iii) Aufschluss des hydrolysierten organischen Abfalls in einem zweiten Reaktor; wobei entstehende Gase aus dem anaeroben Hydrolysetank entfernt werden (Zusammenfassung, Seite 2, Zeilen 13-18).
5.3 Obwohl organische Abfälle u.a. aus Gräsern, Stroh, Dung, Gülle und deren Stoffmischungen bestehen, die in dem in der Entgegenhaltung E1 offenbarten Verfahren eingesetzt werden können, und als nachwachsende Rohstoffe zu betrachten sind, beinhalten organische Abfälle auch Tierreste, bakterielles Material, Hausmüll, Industriemüll, Industrieabwässer, sowie Klärschlamm, die nicht als nachwachsende Rohstoffe zu betrachten sind (Seite 2, letzter Absatz, Anspruch 2).
5.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass das Verfahren auch die Möglichkeit einer mehrstufigen Fermentation beschreibe, wobei nach einer ersten Fermentationsstufe der Gärrest mit Hilfe von einem Separator einer Phasentrennung ggf. mit Entwässerung unterzogen werde. Hierfür werden Separatoren wie z.B. eine Zentrifuge, Schneckenpresse und/oder eine Entwässerungseinheit genannt (Seite 8, Zeile 26 ff., und Seite 23, Zeilen 30-31). Eine daraus resultierende feststoffreiche Phase, die maximal ca. 15 bis 30 Volumen % des gesamten Gärrestes ausmachen könne, werde zum nächsten Reaktor befördert (Seite 10, Zeilen 26-29). Die dabei gleichzeitig entstehende Flüssigphase wird in einem Tank überführt (Abbildungen 2-4).
Nach Auffassung der Kammer beschreibt die Überführung der durch Separatoren erzeugten Flüssigphase in einen Tank nicht eindeutig deren Weiterverwendung, auch wenn sie zwischengelagert wird. Außerdem muss eine Anmaischung des organischen Abfalls nicht zwangsläufig mit prozessintern vorhandenem Wasser durchgeführt werden, auch wenn das Verfahren in der Entgegenhaltung E1 bevorzugt auf die Zugabe von unter anderem Wasser verzichtet.
5.5 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass die feststoffreiche Fraktion nach partieller Entwässerung mittels einer anaeroben Hydrolyse behandelt wird, vorzugsweise bei einem Druck der gleich oder höher ist als der Sättigungsdampfdruck und einer Temperatur von etwa 75°C bis etwa 85 °C für etwa 14 bis etwa 16 Stunden. Alternativ kann die Hydrolyse bei einer Temperatur von 190 °C oder höher und entsprechend erhöhtem Druck durchgeführt werden (Seite 9, Zeile 30, bis Seite 10, Zeile 9). Die anaerobe Hydrolyse kann deshalb unter Bedingungen durchgeführt werden, die einer Thermodruckhydrolyse entsprechen, auch wenn, aus Sicht der Kammer, diese Bedingungen nicht zu den bevorzugten gehören.
Nach der anaeroben Hydrolyse kann schließlich der behandelte Gärrest erneut einer Fermentation unterzogen werden, indem er wahlweise dem ersten Fermenter / Reaktor oder einem zweiten Fermenter / Reaktor zugeführt wird.
5.6 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern besteht kein Anlass, bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit einen breit gefassten Anspruch mithilfe der Beschreibung enger zu interpretieren, wenn es sich nicht um das Verständnis von unklaren Begriffen, sondern um die Beurteilung eines breit gefassten Patentbegehrens in Relation zum Stand der Technik handelt (siehe Rechtsprechung, I.C.4.8, und II.A.3.3). Nach Auffassung der Kammer gibt es keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Betreffend das Merkmal 1.3, die "Fest-Flüssig-Phasentrennung"
5.7 Der Begriff "Fest-Flüssig-Phasentrennung" der im Verfahren von Anspruch 1 verwendet wird, wird so breit ausgelegt, wie es dem Fachmann sinnvoll erscheint. Der Begriff kann, wie durch die im Streitpatent genannten dafür verwendeten Techniken bestätigt (Absatz [0012]), nicht auf eine vollständige Trennung der unterschiedlichen Fraktionen beschränkt werden. Da das Ausmaß der Trennung im Anspruch 1 nicht festgelegt ist, umfasst der Begriff eine Entwässerung durch Pressen, Zentrifugation, oder Siebung, im breitesten Sinne und unabhängig von dem verfolgten Zweck (z.B. der Transportfähigkeit).
5.7.1 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin ferner darin überein, dass die Entgegenhaltung E1 eine Ausführungsform offenbart, in der die Biogaserzeugungsanlage einen Separator enthält, der mit dem ersten Reaktorausgang verbunden ist, und eine selektive Abtrennung von Partikeln einer vorbestimmten Schwellengröße aus dem verdauten Abfall erlaubt, z.B. aus gemischten Dung und Stroh. Darüber hinaus verfügt der Separator über einen Ausgang für die abgetrennten Partikel der mit dem anaeroben Tank zur Hydrolyse der abgetrennten großen Partikel verbunden ist (Seite 8, Zeile 26 ff.; Seite 9, Zeile 16 ff.; Seite 10, Zeile 18 ff.; Seite 18, Zeilen 7-10; Abbildungen 2-4). Es erfolgt dabei zwangsläufig eine Trennung des Gärrests nach der ersten Fermentation in eine Festphase und eine Flüssigphase.
Betreffend das Merkmal 1.4, die "... Feststoffphase einer Thermodruckhydrolyse bei Temperaturen von mindestens 170 °C und Drücken von mindestens 1,0 MPa unterworfen wird;"
5.7.2 Die Kammer stimmt weiter mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass die Entgegenhaltung El verschiede Prozessbedingungen für die Hydrolyse offenbart, darunter auch die einer Thermodruckhydrolyse (Seite 9, Zeilen 26-32).
5.8 Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass das Verfahren in der Entgegenhaltung E1 eine Entwässerung der Festphase durch Separatoren beschreibt, die den Transport des Gärrests ermöglicht, und Temperaturen für die Hydrolyse die im Bereich von 50°C bis 200°C liegen. Die Entgegenhaltung E1 offenbart aber kein Verfahren in dem die Merkmale 1.3 und 1.4 eindeutig und unmittelbar miteinander kombiniert sind.
Rückführung von Prozesswasser
5.9 Laut der Beschwerdeführerin liegt der Unterschied zwischen dem in der Entgegenhaltung E1 beschriebenen Verfahren und dem anspruchsgemäßen Verfahren mindestens darin, dass die ".... so behandelte Feststoffphase entweder in den ersten anaeroben Fermenter-Reaktor rückgeführt oder einem zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt wird und einem weiteren Gärprozess unterworfen wird, und bei dem mindestens Anteile der Flüssigphase nach der Fest-Flüssig-Phasentrennung dem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt werden".
5.10 Die im Streitpatent mit diesem Unterschied verbundenen Vorteile liegen in einem Verfahren das die Konversion von Biomasse zu Biogas in anaeroben Fermentern schneller ermöglicht und/oder eine höhere Quantität und/oder Qualität des Biogases realisiert (Absatz [0008]).
5.10.1 Es ist zwischen den Parteien strittig ob das beanspruchte Verfahren diese technischen Effekte erzielt und zwar über den gesamten im Anspruch definierten Bereich. Es gibt im Patent weder Vergleichsdaten noch wurden andere Beweismittel eingereicht. Der Wortlaut von Anspruch 1 lässt außerdem eine Ausführungsform zu, bei der die Flüssigkeit nach der Fest-Flüssig-Trennung dem ersten anaeroben Fermenter zugeführt wird, während die abgetrennte Feststoffphase nach der Thermodruckhydrolyse einem zweiten anaeroben Fermenter zugeführt werden kann.
5.10.2 Angesichts des Fehlens jeglicher Daten die die behaupteten technischen Effekte bestätigen, und dem breit gefassten Wortlaut von Anspruch 1, können diese Auswirkungen nicht bei der Formulierung der technischen Aufgabe berücksichtigt werden.
5.11 Ausgehend von der Entgegenhaltung E1 liegt die Aufgabe der Erfindung daher darin ein weiteres Verfahren zur Konversion von Biomasse in Biogas in anaeroben Fermentern bereitzustellen.
5.12 Die Lösung dieser Aufgabe besteht in einem Verfahren wie im Anspruch 1 definiert, bestehend aus den Merkmalen gemäß der Punkte 1.1. bis 1.7.
5.13 Die Entgegenhaltung E4, ein Standardwerk für die Energiegewinnung aus Biomasse verweist, wie schon in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, in Bezug auf die Fermentation von festen Substraten in mehreren Passagen auf die Rückführung von Prozesswasser in Fermenter, bzw. auf die Verwendung von Presswasser (Seite 683, Punkt 15.3.2; Seite 686, Absatz 4; Seite 666, Absatz 2; Seite 670).
5.14 Die Entgegenhaltung E5 beschreibt gleichfalls neben einer Rückführung der Flüssigphase aus einer Fest/Flüssig-Trennung die Zuführung dieser Flüssigphase in einen nachfolgenden Fermenter (Seite 10, Zeile 33ff; Seite 11, Zeile 14ff; Abbildung 1). Die Rückführung des Methanisierungsablaufs bewirkt, dass methanogene Mikroorganismen beständig in den Fermenter zur Feststoffhydrolyse eingetragen werden, wodurch sich dort neben einer hydrolytischen auch eine methanogene Biozönose ansiedelt (Seite 10, Zeile 55ff., und Seite 13, Zeile 12ff.). Diese Rückführung bewirkt eine Steuerung des pH-Werts im Fermenter und dessen Pufferung (siehe Seite 13, Zeile 12ff).
5.15 Das Argument der Beschwerdeführerin, ein Fachmann hätte im Lichte der Entgegenhaltungen E4 oder E5 in Betracht gezogen das die "...so behandelte Feststoffphase entweder in den ersten anaeroben Fermenter-Reaktor rückgeführt oder einem zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt wird und einem weiteren Gärprozess unterworfen wird, und bei dem mindestens Anteile der Flüssigphase nach der Fest-Flüssig-Phasentrennung dem ersten oder zweiten anaeroben Fermenter-Reaktor zugeführt werden.", weil in diesen Entgegenhaltungen mehrmals die Rückführung von Prozesswasser in Fermenter und dessen Verwendung für die Energiegewinnung aus Biomasse aufgeführt wird, vermag die Kammer nicht zu überzeugen.
5.15.1 In der Entgegenhaltung E4, auf die sich die Beschwerdeführerin stützt, wird die Rückführung von Prozesswasser in Fermenter oder dessen Verwendung mit Ausgangssubstraten, Verfahrensschritten, und Verfahrensführungen kombiniert, die sich vom beanspruchten Verfahren unterscheiden.
5.15.2 Die Entgegenhaltung E5, auf die sich die Beschwerdeführerin ebenfalls stützt, beschreibt ebenfalls ein Verfahren, das sich vom beanspruchten Verfahren darin unterscheidet, dass der pH-Wert, die Feststoffkonzentration und die Feststoffverweilzeit unabhängig voneinander einstellbar sind (Seite 4, Zeilen 11-13), und dafür die Rückführung der Flüssigphase nach erfolgter Fest/Flüssig-Trennung sowie die Zuführung dieser Flüssigphase über den Umweg einer Methanisierung im Reaktor 3 in einen nachfolgenden Fermenter beschrieben ist. Das Verfahren in der Entgegenhaltung E5 offenbart auch keine Thermodruckhydrolyse einer Festphase, die aus der Fest/Flüssig-Trennung eines Gärrests aus einer ersten Fermentation stammt, während die Flüssigphase direkt in den ersten oder zweiten Reaktor zurückgeführt wird.
5.16 Obwohl ein Fachmann theoretisch die Möglichkeit hätte einen solchen Verfahrensschritt einzufügen, ist in der Entgegenhaltung E1, im Lichte der zu lösenden Aufgabe, kein Anhaltspunkt oder eine Anregung dafür erkennbar, aus den Verfahren der Entgegenhaltungen E4 und E5 einen Verfahrensschritt herauszulösen, um ein weiteres Verfahren zur Konversion von Biomasse in Biogas in anaeroben Fermentern wie beansprucht bereitzustellen, worin nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden und die Festphase, nach einer Fest-Flüssig-Trennung des Gärrests, einer Thermodruckhydrolyse mit spezifischen Parametern unterzogen wird. Damit ist das beanspruchte Verfahren für den Fachmann nicht aus der Zusammenschau der Entgegenhaltungen E1 mit E4 oder E5 naheliegend, da sich kein Hinweis auf die erfindungsgemäße Lösung ergibt.
5.17 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht damit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dasselbe gilt für die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 8. Damit sind die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ erfüllt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.