T 2375/15 (Spezialapplikationen in Kraftfahrzeugen/DEUTSCHE TELEKOM) 16-04-2021
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Kommunikationssystem zum Abwickeln von Spezialapplikationen in Kraftfahrzeugen
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein): "integriert" breit auszulegen
Zulassung von verspäteten Anträgen - Hilfsanträge 2 und 3 (nein): keine eindeutige Gewährbarkeit
I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genügt, legten sowohl die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) als auch die Einsprechende (Beschwerdeführerin II) Beschwerde ein.
II. Im Einspruchsverfahren wurde unter anderem auf die folgende Druckschrift Bezug genommen:
E1: EP 0 891 111 A2.
III. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen. Hilfsweise wurde beantragt, das Patent in geänderter Fassung gemäß den von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung als gewährbar erachteten Ansprüchen (Hilfsantrag 1) oder gemäß den Ansprüchen der Hilfsanträge 2 und 3, je eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018, aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
IV. In ihrem Schriftsatz vom 12. April 2021 zog die Beschwerdeführerin I den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte, das Verfahren schriftlich fortzusetzen.
V. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin abgesetzt. Diese Entscheidung ergeht somit im schriftlichen Verfahren (Artikel 12(8) VOBK 2020).
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (d.h. Anspruch 1 in der erteilten Fassung) hat folgenden Wortlaut:
"Kommunikationssystem zum Abwickeln von Spezialapplikationen in Kraftfahrzeugen (9) über ein Mobilfunknetz mittels einer Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6), welche in ein Endgerät (7) im Kraftfahrzeug (9) integriert ist, wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über eine Kartennummer (6.1) und/oder eine Rufnummer (6.2) eindeutig identifizierbar ist und wobei der Zugang zum Mobilfunknetz durch die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) sichergestellt ist,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über die Kartennummer (6.1) und/oder die Rufnummer (6.2) dem Endgerät (7) über dessen Gerätenummer (7.2) und dem Kraftfahrzeug (9) über dessen Fahrgestellnummer (9.1) fest zugeordnet ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 (d.h. Anspruch 1 in der vor der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung) hat folgenden Wortlaut:
"Kommunikationssystem zum Abwickeln von Spezialapplikationen in einem Kraftfahrzeug (9) über ein Mobilfunknetz mittels einer Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6), welche in ein Endgerät (7) im Kraftfahrzeug (9) integriert ist, wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über eine Kartennummer (6.1) und/oder eine Rufnummer (6.2) eindeutig identifizierbar ist und wobei der Zugang zum Mobilfunknetz durch die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) sichergestellt ist,
wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über die Kartennummer (6.1) und/oder die Rufnummer (6.2) dem Endgerät (7) über dessen Gerätenummer (7.2) und dem Kraftfahrzeug (9) über dessen Fahrgestellnummer (9.1) fest zugeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Zuordnung der Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) zu dem Endgerät (7) und dem Kraftfahrzeug (9) in einer Datenbank abgespeichert ist, wobei die Datenbank bei einem Mobilfunknetzbetreiber (1) und/oder bei einem Telematikdienstleister (3) und/oder bei einem Fahrzeughersteller (2) geführt wird."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat folgenden Wortlaut:
"Kommunikationssystem zum Abwickeln von Spezialapplikationen in Kraftfahrzeugen (9) über ein Mobilfunknetz mittels einer Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6), welche in einem im Kraftfahrzeug (9) fest verbauten Endgerät (7) eingebaut ist, wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über eine Kartennummer (6.1) und/oder eine Rufnummer (6.2) eindeutig identifizierbar ist und wobei der Zugang zum Mobilfunknetz durch die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) sichergestellt ist,
wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über die Kartennummer (6.1) und/oder die Rufnummer (6.2) dem Endgerät (7) über dessen Gerätenummer (7.2) und dem Kraftfahrzeug (9) über dessen Fahrgestellnummer (9.1) fest zugeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Zuordnung der Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) zu dem Endgerät (7) und dem Kraftfahrzeug (9) in einer Datenbank abgespeichert ist, wobei die die [sic] Datenbank beim Mobilfunknetzbetreiber (1) und/oder bei einem Telematikdienstleister (3) und/oder bei einem Fahrzeughersteller (2) geführt wird."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hat folgenden Wortlaut:
"Kommunikationssystem zum Abwickeln von Spezialapplikationen in Kraftfahrzeugen (9) über ein Mobilfunknetz mittels einer Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6), welche in einem im Kraftfahrzeug (9) fest verbauten Endgerät (7) eingebaut ist, wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über eine Kartennummer (6.1) und/oder eine Rufnummer (6.2) eindeutig identifizierbar ist und wobei der Zugang zum Mobilfunknetz durch die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) sichergestellt ist,
wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) über die Kartennummer (6.1) und/oder die Rufnummer (6.2) dem Endgerät (7) über dessen Gerätenummer (7.2) und dem Kraftfahrzeug (9) über dessen Fahrgestellnummer (9.1) fest zugeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Zuordnung der Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (6) zu dem Endgerät (7) und dem Kraftfahrzeug (9) in einer Datenbank abgespeichert ist, wobei die die [sic] Datenbank beim Mobilfunknetzbetreiber (1) und bei einem Telematikdienstleister (3) und bei einem Fahrzeughersteller (2) geführt wird."
1. HAUPTANTRAG
1.1 Neuheit hinsichtlich E1 (Artikel 54 EPÜ)
Dokument E1 offenbart gemäß dem Wortlaut von Anspruch 1 in der erteilten Fassung (Gliederung laut der angefochtenen Entscheidung):
M1 Kommunikationssystem (Fig. 1) zum Abwickeln von Spezialapplikationen in Kraftfahrzeugen
M2 über ein Mobilfunknetz ("GSM Netz") mittels einer Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (Sp. 4, Z. 11-14; in jedem GSM-Endgerät ist bekanntlich eine SIM-Karte erforderlich),
M3 welche in ein Endgerät ("Endgerät 2") im Kraftfahrzeug integriert ist (Sp. 5, Z. 53-54: "... Fahrzeuges, in welches das Endgerät 2 eingebaut ist ..."),
M4 wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte über eine Kartennummer (d.h. IMSI in GSM-Systemen) und/oder eine Rufnummer ("Telefonnummer 8") eindeutig identifizierbar ist,
M5 wobei der Zugang zum Mobilfunknetz durch die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte sichergestellt ist (das ist die inhärente Aufgabe jeder SIM-Karte in einem GSM Netz),
M6 wobei die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte über die Kartennummer und/oder die Rufnummer ("Telefonnummer 8") dem Endgerät über dessen Gerätenummer ("Seriennummer"; vgl. Fig. 1c, Schritt 30) und
M7 dem Kraftfahrzeug über dessen Fahrgestellnummer ("Kfz-Fahrgestellnummer") fest zugeordnet ist (vgl. Sp. 5, Z. 33-36: "... Insbesondere werden individuelle Daten, wie Kfz-Fahrgestellnummer ... [an die Dienstleistungszentrale] übermittelt.").
1.1.1 Die Beschwerdeführerin I führte an, dass E1 nicht offenbare, dass die SIM-Karte gemäß Merkmale M2 und M3 in ein Endgerät im Kraftfahrzeug integriert sei, sondern einen "einfachen Gerätetausch" zu ermöglichen scheine. Nach dieser Merkmalskombination sei erfindungsgemäß sowohl die SIM-Karte als auch das Endgerät ein integraler Bestandteil des Kraftfahrzeugs, der keinesfalls einfach ausgetauscht werden könne. Eine SIM-Karte, die anspruchsgemäß "in ein Endgerät im Kraftfahrzeug integriert ist", sei demnach in dem Endgerät "fest verbaut", das wiederum seinerseits im Fahrzeug integriert sei. Alles andere würde im Hinblick auf den erfindungsgemäßen Gedanken (vgl. Absatz [0010] des Streitpatents), wonach nicht der "normale" Nutzer, sondern der Fahrzeughersteller Kunde des entsprechenden Mobilfunknetzbetreibers sei, keinen Sinn ergeben. Eine solche Integration könne jedoch in Dokument E1 nicht gezeigt sein, weil sie dessen "Erfindungsgedanken" widerspräche. Bei E1 sei nämlich der "normale" Nutzer der Kunde des Mobilfunknetzbetreibers (siehe z.B. Fig. 1c, erster Block: "Kunde kauft Gerät beim Einbaupartner"). Ein solcher Kunde könne auch jederzeit ein anderes Gerät kaufen und freischalten lassen (vgl. E1, Fig. 2a). Darüber hinaus verfüge die "Dienstleistungszentrale" nach E1 nicht zwingend über eine dem Endgerät zugehörige Telefonnummer. Es liege demnach die Rufnummer eines Nutzers oder eines Einbaupartners vor; es gebe jedoch in E1 nicht die beanspruchte, dem Endgerät selbst zugeordnete Rufnummer. Damit würden auch aus diesem Grund die Merkmale M2 und M3 nicht offenbart.
1.1.2 Das ist nicht überzeugend. Die Beschwerdeführerin I scheint den Begriff "integriert" in Merkmal M3 mit "nicht austauschbar" gleichzusetzen. Dabei ist eine solche Lehre weder dem Anspruchswortlaut noch der Beschreibung zu entnehmen. Der Ausdruck "integriert" impliziert nämlich kein bestimmtes Ausmaß an Verkopplung von Gerätekomponenten, während Absatz [0009] des Streitpatents den Begriff "fest verbaut" erwähnt. Darüber hinaus beinhaltet die Beschreibung keine Beispiele, die darstellen könnten, was sich genau hinter dem Terminus "fest verbaut" verbirgt, z.B. ob die SIM-Karte auf die Platine des Endgerätes gelötet werden muss oder ob es genügt, wenn die SIM-Karte vor ihrer Inbetriebnahme ins Fach des Endgerätes eingeschoben und befestigt wurde. Daher können weder der Ausdruck "integriert" im Anspruch noch der Begriff "fest verbaut" in der Beschreibung den herkömmlichen Einbau einer konventionellen SIM-Karte in einem GSM-Endgerät ausschließen, wobei lediglich die mechanische Halterung fest genug sein muss, um eine stabile elektrische Verbindung durch die Kontaktflächen zwischen SIM-Karte und Platine während des Betriebs zu gewährleisten.
Hierbei ist nicht zu bestreiten, dass in E1 die
SMS-Kurznachricht, welche die Konfiguration des Endgerätes auslösen kann, nicht unbedingt die Telefonnummer des Endgerätes sein muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Möglichkeit nicht offenbart oder gar ausgeschlossen ist. Im Gegenteil gibt Spalte 3, Zeilen 5-11 von E1 Folgendes an (Unterstreichung durch die Kammer):
"Vorzugsweise wird, wenn eine Freischaltung gewünscht wird, der Dienstleistungszentrale zur Freischaltung mindestens eine Kommunikationsteilnehmer-Identifikation, insbesonder [sic] Telefonnummer des freizuschaltenden Endgerätes oder eines damit verbundenen oder darin eingebauten Mobiltelefons übergeben."
1.1.3 Die Beschwerdeführerin I führt ferner aus, dass es E1 an der beanspruchten Zuordnung der drei Nummern und vor allem an der "Festigkeit" dieser Zuordnung gemäß Merkmale M6 und M7 fehle. Die festen Zuordnungen seien nämlich feste "logische" Zuordnungen in dem Sinne, dass die fest definierten Tripel aus Kartennummer, Gerätenummer und Fahrgestellnummer in einem untrennbaren Zusammenhang stünden, der letztendlich in einer Datenbank eines der Beteiligten gespeichert werde. Im Übrigen zeigten der volatile Einbau und die Möglichkeit, Endgeräte und/oder Kraftfahrzeuge nach Belieben wechseln zu können, dass das Merkmal M7 insofern nicht offenbart sei, als es in E1 nicht die beanspruchte feste Zuordnung der drei Nummern gebe. Schließlich müsse eine erfindungsgemäße feste Zuordnung dergestalt sein, wie sie in Absatz [0009] des Streitpatents beschrieben werde. Dort heißt es (Unterstreichung hinzugefügt):
"Dadurch steht die Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungskarte (SIM-Karte) ausschließlich in Bezug zu einem Endgerät, in dem sie fest verbaut ist und zu einem bestimmten Fahrzeug, in welches das Endgerät integriert ist."
Die Einspruchsabteilung schloss sich jedoch der Auffassung der Einsprechenden an, wonach die Zuordnungen durch "Verbauen" oder "Integrieren" verwirklicht werden würden.
Die Argumente der Beschwerdeführerin I sind nicht stichhaltig, und zwar unabhängig von der Auslegung der Merkmale M6 und M7:
1.1.4 Eine Datenbank wird im System gemäß Anspruch 1 weder ausdrücklich erwähnt noch impliziert, da eine Zuordnung gemäß Merkmale M6 und M7 lediglich durch die Verknüpfung auf irgendeine Art der beanspruchten Nummern erfolgt. Der in Punkt II.2.1b der angefochtenen Entscheidung angeführten Auslegung der Merkmale M6 und M7 und deren Schlussfolgerungen ist beizupflichten. E1 offenbart ein im Fahrzeug eingebautes GSM-Endgerät mit eigener Telefonnummer. Danach besaß im Jahr 1998 jedes GSM-Endgerät eine eigene Gerätenummer (IMEI/Seriennummer). Dazu musste eine Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte (SIM-Karte) mit eigener Kartennummer (IMSI) im GSM-Endgerät eingelegt und dadurch "fest zugeordnet" werden, um eine eigene Telefonnummer (MSISDN/Rufnummer) benutzen zu können. Ferner wird in E1 jedes Kraftfahrzeug durch eine eigene Fahrgestellnummer identifiziert. Somit sind Merkmale M6 und M7 alleine durch den bloßen Einbau eines mit einer Seriennummer versehenen GSM-Endgerätes, das wiederum eine SIM-Karte mit IMSI und Rufnummer beinhaltet, in einem durch eine Fahrgestellnummer identifizierten Kraftfahrzeug verwirklicht. Solche Zuordnungen bleiben unverändert, solange kein Ersatz der Telefonnummer, der SIM-Karte und/oder des Endgerätes im Fahrzeug stattfindet und sind somit als "feste Zuordnungen" im anspruchsgemäßen Sinne anzusehen.
1.1.5 In E1, wie vor allem aus Fig. 1c, Schritt 30 ersichtlich ist, verfügt die "Dienstleistungszentrale" über die im entsprechenden Vertrag genannte Mobilrufnummer des Benutzers des Endgerätes, insbesondere die Telefonnummer des Endgerätes (siehe Spalte 3, Zeilen 5-11) und über die Seriennummer des Endgerätes. Die Seriennummer muss im System von E1 auch in der Dienstleistungszentrale gespeichert sein, da ein Gerätetausch eine Löschung der Registrierung des alten Gerätes in der Zentrale (anhand der im jeweiligen Nutzerantrag genannten Seriennummer des alten Gerätes) und eine Registrierung des neuen Gerätes in der Zentrale (anhand der im Nutzerantrag genannten Mobilrufnummer und der Seriennummer des neuen Gerätes) erfordert (siehe Fig. 2a, Schritte 43 und 44). Bei der Registrierung wurde auch die Fahrgestellnummer an die Dienstleistungszentrale übermittelt (siehe Spalte 5, Zeilen 33-36). Somit muss zwangsläufig das kundenbezogene Tripel Mobilrufnummer, Seriennummer und Fahrgestellnummer in einer Datenbank der Dienstleistungszentrale von E1 gespeichert sein (siehe z.B. Fig. 1b, Schritt 25).
1.1.6 Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht neu hinsichtlich E1.
1.2 Der Hauptantrag ist mithin nicht nach Artikel 54 EPÜ gewährbar.
2. HILFSANTRAG 1
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen durch die folgenden zusätzlichen Merkmale (Gliederung der angefochtenen Entscheidung, Unterstreichungen der Kammer):
M8 die Zuordnung der Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte zu dem Endgerät und dem Kraftfahrzeug in einer Datenbank abgespeichert ist,
M9 wobei die Datenbank bei einem Mobilfunknetzbetreiber und/oder bei einem Telematikdienstleister und/oder bei einem Fahrzeughersteller geführt wird.
2.1 Anspruch 1 - Neuheit hinsichtlich E1 (Artikel 54 EPÜ)
2.1.1 Obigem Punkt 1.1.5 ist zu entnehmen, dass die Zuordnung der Mobilfunk-Teilnehmer-Identifizierungs-Karte über die Rufnummer zu dem Endgerät über dessen Gerätenummer und dem Kraftfahrzeug über dessen Fahrgestellnummer in irgendeiner Art und Weise in der Datenbank abgespeichert werden muss (Merkmal M8). Zudem wird auch die Datenbank bei einem Telematikdienstleister (d.h. die "Dienstleistungszentrale" von E1) geführt (Merkmal M9).
2.1.2 Somit ist auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht neu hinsichtlich E1.
2.2 Der Hilfsantrag 1 ist folglich ebenfalls nicht nach Artikel 54 EPÜ gewährbar.
3. HILFSANTRÄGE 2 UND 3
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag im Wesentlichen durch das folgende zusätzliche Merkmal (Gliederung und Unterstreichungen der Kammer):
M10 das Endgerät ist im Kraftfahrzeug fest verbaut.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch die folgenden Änderungen in Merkmal M9:
M9 wobei die Datenbank bei einem Mobilfunknetzbetreiber und[deleted: /oder] bei einem Telematikdienstleister und[deleted: /oder] bei einem Fahrzeughersteller geführt wird.
3.1 Zulassung der Hilfsanträge 2 und 3 (Artikel 13(1) VOBK 2020)
3.1.1 Die Hilfsanträge 2 und 3 wurden nach Einreichung der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I eingereicht. Deren Zulassung ins Verfahren liegt somit im Ermessen der Kammer nach Artikel 13(1) VOBK 2020 (i.V.m. Artikel 25 VOBK 2020). Eines der Kriterien bei der Ausübung dieses Ermessens ist dabei die "eindeutige Gewährbarkeit".
3.1.2 Im Vergleich zu den Ansprüchen des Hilfsantrags 1 wurde in den Hilfsanträgen 2 und 3 hinzugefügt, dass die Teilnehmer-Identifizierungs-Karte "in einem im Kraftfahrzeug fest verbauten" Endgerät eingebaut ist (Merkmal M10). Zusätzlich wurde im Hilfsantrag 3 das letzte Merkmal geändert, so dass "die Datenbank beim Mobilfunknetzbetreiber und bei einem Telematikdienstleister und bei einem Fahrzeughersteller geführt wird" (geändertes Merkmal M9).
3.1.3 Die Beschwerdeführerin I führt dazu ins Treffen, dass mit den Hilfsanträgen noch deutlicher herausgestellt werde, dass es sich bei dem beanspruchten System um eine Einheit aus Kraftfahrzeug, Endgerät und SIM-Karte handle, dessen Komponenten nicht - zumindest nicht ohne Weiteres - nach Belieben ausgetauscht werden könnten.
3.1.4 Die Kammer stellt zunächst fest, dass diese Hilfsanträge nach der Beschwerdebegründung, aber vor der Zustellung der vorläufigen Meinung der Kammer eingereicht wurden und somit objektiv auch nicht als Reaktion auf diese vorläufige Meinung angesehen werden können.
3.1.5 Was die eindeutige Gewährbarkeit dieser Hilfsanträge angeht, ist die Kammer im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin I der Auffassung, dass die Begriffe "fest verbaut" und "integriert" nicht als Synonyme zu betrachten sind. Der Begriff "fest verbaut" ist nämlich - trotz fehlender Ausführungsbeispiele (vgl. Punkt 1.1.2 oben) - spezifischer als die Begriffe "verbaut" oder "integriert", da diese eine Art der Beweglichkeit des "verbauten" oder "integrierten" Elements nicht prinzipiell ausschließen (z.B. könnte das im Kraftfahrzeug integrierte Endgerät trotzdem noch verstellbar sein). Folglich erfüllt der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 prima facie nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Darüber hinaus liegt der von der Beschwerdeführerin I genannte Vorteil ("dass der Vertrag quasi am Kraftfahrzeug hängt") eher im geschäftlichen als im technischen Bereich (Artikel 56 EPÜ).
3.2 Aus dem Obigen folgt, dass die Hilfsanträge 2 und 3 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen sind.
4. Da somit kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, ist das Streitpatent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.