T 1636/16 06-07-2021
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VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON FORMKÖRPERN MIT HILFE VON MISCHUNGEN VON AMINEN MIT GUANIDIN-DERIVATEN
Hexion Inc.
Evonik Operations GmbH
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Änderungen - Erweiterung des Schutzbereichs (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zulässig (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 2 307 360 unter Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent unter Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.
III. Im Einspruchsverfahren verteidigte die Patentinhaberin ihr Patent in geänderter Form. Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zu dem Schluss, der Hauptantrag sei wegen mangelnder Neuheit nicht gewährbar (Artikels 54 EPÜ), erfülle aber unter anderem die Erfordernisse der Artikel 123(2) EPÜ. Hilfsantrag 1 sei wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht gewährbar. Hilfsantrag 2 wurde von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen.
IV. Gegen diese Entscheidung wurde von der Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdebegründung wurde ein neuer Hilfsantrag 1 eingereicht.
V. In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung wurden von den Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2) Argumente gegen die Gewährbarkeit der vorgelegten Anträge vorgebracht. Die Beschwerdegegnerin 1 beantragte zudem, den mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hilfsantrag 1 nicht zum Verfahren zuzulassen.
VI. Die Beschwerdeführerin legte daraufhin die Hilfsanträge 2 und 3 vor und argumentierte deren Zulässigkeit und Gewährbarkeit. Beide Hilfsanträge waren bereits während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren, als Hilfsanträge 2 und 1, eingereicht worden.
VII. Hierzu äußerte sich die Beschwerdegegnerin 1 ein weiteres Mal im schriftlichen Verfahren. Sie beantragte, auch die weiteren Hilfsanträge nicht zum Verfahren zuzulassen.
VIII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK wurden die Parteien über die vorläufige Einschätzung der Kammer informiert. Die Kammer verwies unter anderem darauf, dass insbesondere Fragen zu den durchgeführten Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ) Gegenstand der Erörterungen während der mündlichen Verhandlung sein könnten. Die Kammer vertrat auch die vorläufige Auffassung, dass eine Nichtzulassung des Hilfsantrags 1 zum Verfahren nicht ausreichend begründet sei, dass jedoch eine Zulassung von Hilfsantrag 3 nicht zu erwarten sei. In Bezug auf Hilfsantrag 2 informierte die Kammer die Parteien darüber, dass eine Entscheidung über die Zulassung von der Relevanz des Antrags abhänge.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags, auf dem auch die angefochtene Entscheidung beruht, hat den folgenden Wortlaut:
Verfahren zur Herstellung von Formkörpern umfassend folgende Schritte
I) Bereitstellen einer Form,
II) Einbringen eines Blends enthaltend ein oder
mehrere Epoxidharze und eine Mischung in die
Form nach Schritt I),
III) Härtung des in der Form enthaltenden Materials,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mischung in Schritt II) eine Härterkomponente b) und 0,4 bis 0,9 Aminäquivalent, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes im Blend des Schritt II), an einer Härterkomponente a) enthält, wobei
die Härterkomponente a)
ein oder mehrere Amine mit einer Funktionalität >= 2 enthält und mindestens ein Amin beim stöchiometrischen Vermischen mit dem Epoxidharz im 100 g Ansatz bei Raumtemperatur zu einer Aushärtungszeit von weniger als 24 h führt und
die Härterkomponente b)
mindestens eine Verbindung der Formel I
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
enthält, wobei der Anteil der Härterkomponente b) 5 bis 30 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung beträgt und in Formel I R1 bis R3, R5 und R6 unabhängig voneinander einen organischen Rest mit 1 bis 20 C-Atomen und Wasserstoff bedeutet und R4 ausgewählt ist aus der Gruppe von einem organischen Rest mit 1 bis 20 C-Atomen und einer -C(NH)NR5R6 Gruppe.
X. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut:
Verfahren zur Herstellung von Formkörpern umfassend folgende Schritte
I) Bereitstellen einer Form,
II) Einbringen eines Blends enthaltend ein oder
mehrere Epoxidharze und eine Mischung in die
Form nach Schritt I), mittels Infusionstechnologie,
III) Härtung des in der Form enthaltenden Materials,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mischung in Schritt II) eine Härterkomponente b) und 0,4 bis 0,9 Aminäquivalent, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes im Blend des Schritt II), an einer Härterkomponente a) enthält, wobei
die Härterkomponente a)
mindestens zwei Härterkomponenten a1) und a2) enthält, wobei die
Härterkomponente al)
ein Polyetheraminen mit einer Funktionalität >= 2, ausgewählt aus der Gruppe von Polyetheramin D 230, Polyetheramin D 400, Polyetheramin T 403, Polyetheramin T 5000 ist und die
Härterkomponente a2)
ein weiteres Aminen mit einer Funktionalität >= 2, ausgewählt aus der Gruppe von Isophorondiamin, Aminoethylpiperazin, 1,3-Bis(aminomethyl)cyclohexan und Triethylentetraamin ist und
mindestens ein Amin beim stöchiometrischen Vermischen mit dem Epoxidharz im 100 g Ansatz bei Raumtemperatur zu einer Aushärtungszeit von weniger als 24 h führt und
die Härterkomponente b)
Tetramethylguanidin ist, wobei der Anteil der Härterkomponente b) 5 bis 30 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung beträgt.
XI. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut (die Definitionen der Härterkomponenten a1) und a2) sind in von der Kammer verkürzter Form angegeben):
Verfahren zur Herstellung von Formkörpern umfassend folgende Schritte
I) Bereitstellen einer Form,
II) Einbringen eines Blends enthaltend ein oder
mehrere Epoxidharze und eine Mischung in die
Form nach Schritt I),
III) Härtung des in der Form enthaltenden Materials,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mischung in Schritt II) eine Härterkomponente b) und 0,4 bis 0,9 Aminäquivalent, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes im Blend des Schritt II), an einer Härterkomponente a) enthält, wobei
die Härterkomponente a)
ein oder mehrere Amine mit einer Funktionalität >= 2 enthält und mindestens ein Amin beim stöchiometrischen Vermischen mit dem Epoxidharz im 100 g Ansatz bei Raumtemperatur zu einer Aushärtungszeit von weniger als 24 h führt und
die Härterkomponente b)
mindestens eine Verbindung der Formel I
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
enthält, wobei der Anteil der Härterkomponente b) 5 bis 30 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung beträgt und in Formel I R1 bis R3, R5 und R6 unabhängig voneinander einen organischen Rest mit 1 bis 20 C-Atomen und Wasserstoff bedeutet und R4 ausgewählt ist aus der Gruppe von einem organischen Rest mit 1 bis 20 C-Atomen und einer -C(NH)NR5R6 Gruppe,
wobei die Härterkomponente a) mindestens zwei Härterkomponenten a1) und a2) enthält, wobei die Härterkomponente al) ausgewählt ist aus der Gruppe der Polyetheraminen mit einer Funktionalität >= 2 und die Härterkomponente a2) ausgewählt ist aus der Gruppe von weiteren Aminen mit einer Funktionalität >= 2,
und wobei
als Härterkomponente a1)
ein Polyetheramin mit einer Funktionalität >= 2 ausgewählt aus der Gruppe von (...),
als Härterkomponente a2)
ein weiteres Amin mit einer Funktionalität >= 2 ausgewählt aus der Gruppe von (...) und
wobei das Verhältnis von a1) zu a2) im Bereich von 0,1 bis 10 zu 1 liegt, enthält,
wobei als Härterkomponente a1) ein Polyetheramin ausgewählt aus der Gruppe von Polyetheramin D 230, Polyetheramin D 400, Polyetheramin T 403 und Polyetheramin T 5000 und als Härterkomponente a2) ein weiteres Amine ausgewählt ist aus der Gruppe von Isophorondiamin, Aminoethylpiperazin, 1,3-Bis(aminomethyl)cyclohexan und Triethylentetraamin und als Härterkomponente b) Tetramethylguanidin eingesetzt wird,
und wobei zum Einbringen in die Form nach Schritt II) die Infusionstechnologie eingesetzt wird.
XII. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut (die Definitionen der Härterkomponenten a1) und a2) sind in von der Kammer verkürzter Form angegeben):
Verfahren zur Herstellung von Formkörpern umfassend folgende Schritte
I) Bereitstellen einer Form,
II) Einbringen eines Blends enthaltend ein oder
mehrere Epoxidharze und eine Mischung in die
Form nach Schritt I),
III) Härtung des in der Form enthaltenden Materials,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mischung in Schritt II) eine Härterkomponente b) und 0,4 bis 0,9 Aminäquivalent, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes im Blend des Schritt II), an einer Härterkomponente a) enthält, wobei
die Härterkomponente a)
ein oder mehrere Amine mit einer Funktionalität >= 2 enthält und mindestens ein Amin beim stöchiometrischen Vermischen mit dem Epoxidharz im 100 g Ansatz bei Raumtemperatur zu einer Aushärtungszeit von weniger als 24 h führt und
die Härterkomponente b)
mindestens eine Verbindung der Formel I
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
enthält, wobei der Anteil der Härterkomponente b) 5 bis 30 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung beträgt und in Formel I R1 bis R3, R5 und R6 unabhängig voneinander einen organischen Rest mit 1 bis 20 C-Atomen und Wasserstoff bedeutet und R4 ausgewählt ist aus der Gruppe von einem organischen Rest mit 1 bis 20 C-Atomen und einer -C(NH)NR5R6 Gruppe,
wobei die Härterkomponente a) mindestens zwei Härterkomponenten a1) und a2) enthält, wobei die Härterkomponente al) ausgewählt ist aus der Gruppe der Polyetheraminen mit einer Funktionalität >= 2 und die Härterkomponente a2) ausgewählt ist aus der Gruppe von weiteren Aminen mit einer Funktionalität >= 2,
und wobei
als Härterkomponente a1)
ein Polyetheramin mit einer Funktionalität >= 2 ausgewählt aus der Gruppe von (...),
als Härterkomponente a2)
ein weiteres Amin mit einer Funktionalität >= 2 ausgewählt aus der Gruppe von (...) und
wobei das Verhältnis von a1) zu a2) im Bereich von 0,1 bis 10 zu 1 liegt, enthält,
und wobei zum Einbringen in die Form nach Schritt II) die Infusionstechnologie eingesetzt wird.
XIII. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vor:
Die angefochtene Entscheidung sei in Bezug auf die Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit fehlerhaft, nicht jedoch bezüglich Zulässigkeit der durchgeführten Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ, des beabsichtigten Schutzumfangs (Artikel 123(3) EPÜ) und der Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) des Hauptantrags.
Alle vorgelegten Hilfsanträge seien ins Verfahren zuzulassen , da sie entweder bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen seien, oder aber als direkte Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung bzw. die Eingaben und Argumentationen der Beschwerdegegenrinnen im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden seien.
Einwände bezüglich der durchgeführten Änderungen und behaupteten Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123(2) und (3) EPÜ), die erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht wurden, seien wegen verspäteten Vorbringens nicht zulässig und dürften daher nicht berücksichtigt werden.
XIV. In ihren Erwiderungen auf die Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachten die Beschwerdegegnerinnen im Wesentlichen folgendes vor:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei unzulässig geändert worden und verletze daher die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Neuheit (Artikel 54 EPÜ) sowie das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) sei ebenso zu verneinen wie ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EÜ). Zudem sei der in den vorgelegten Hilfsanträgen beanspruchte Schutzbereich gegenüber dem Schutzbereich des erteilten Patents erweitert worden (Artikel 123(3) EPÜ). Die Ansprüche der vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2 seien nicht klar (Artikel 84 EPÜ).
Die Zulässigkeit der Hilfsanträge 2 und 3 wurde ebenfalls bestritten, da diese Anträge verspätet vorgelegt worden seien.
XV. Anträge der Parteien
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung der Streitpatents in geänderter Form auf Basis eines der Haupt- oder Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 20. Dezember 2019, zum Teil auf frühere Anträge zurückgreifend.
Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde, und damit den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 2 307 360 in vollem Umfang. Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) beantragte zudem die Nichtzulassung der Hilfsanträge 2 und 3. Der Antrag auf Nichtzulassung des Hilfsantrags 1 wurde während der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt.
XVI. Am 6. Juli 2021 fand eine mündliche Verhandlung, mit Einverständnis aller Parteien, in Form einer Videokonferenz, statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
2.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die von den Einsprechenden/Beschwerdegegnerinnen vorgebrachten Einwände unzulässiger Änderungen verworfen. Dieser Einschätzung traten die Beschwerdegegnerinnen entgegen. Sie argumentierten einerseits, die geänderten Merkmale als solche seien zwar in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart, jedoch werde durch einen Teil der Änderungen eine ursprünglich nicht offenbarte Kombination von Merkmalen erhalten. Andererseits beziehe sich der in den Anspruch aufgenommene Wert für den Anteil der Härterkomponente b) in der ursprünglich eingereichten Beschreibung nicht auf die besagte Härterkomponente, sondern auf die Gesamtheit der Verbindungen der Formel I.
2.2 Die Kammer erachtet die Argumentation der Beschwerdegegnerinnen aus den nachfolgend angegebenen Gründen für überzeugend.
2.3 Anspruch 1 des Hauptantrags wurde gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung dadurch geändert, dass die Menge der Härterkomponente b) in der Mischung des einzubringenden Blends statt "0,3 bis 0,9 Aminäquivalente, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes" nunmehr "0,4 bis 0,9 Aminäquivalente, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes" beträgt. Des weiteren wurde ein Merkmal zugefügt, wonach der "Anteil der Härterkomponente b) 5 bis 30 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung beträgt".
Die Beschwerdeführerin hat bezüglich einer Basis für die durchgeführten Änderungen auf die Beschreibung verwiesen (Seite 9, Zeile 11 für das Merkmal "0,4 bis 0.9 Aminäquivalente" und Seite 16, Zeile 19 für das Merkmal "5 bis 30 Gew.-%").
2.4 Nach Ansicht der Kammer findet sich zumindest bezüglich des sich auf den Anteil der Härterkomponente b) beziehenden Merkmals keine ausreichende Basis in der ursprünglichen Beschreibung.
Zwar wird an der von der Beschwerdeführerin angegebenen Stelle der Bereich von 5 bis 30 Gew.-% offenbart, dieser bezieht sich jedoch auf den Anteil der Formel I in der Mischung.
Gemäß ursprünglichem Anspruch enthält die Härterkomponente b) mindestens eine Verbindung der Formel I. Sie kann somit auch weitere Bestandteile enthalten. Für den Fall, dass die Härterkomponente b) nicht aus lediglich einer Verbindung der Formel I besteht, ist der Anteil der Verbindung der Formel I an der Mischung kleiner als der (Gesamt-)Anteil aller Bestandteile der Härterkomponente b). Der Anteil von Verbindungen der Formel I an der Mischung des im beanspruchten Verfahren verwendeten Blends ist somit nicht in jedem Fall identisch mit dem Anteil der Härterkomponente b).
Die durchgeführte Änderung berücksichtigt diesen Sachverhalt jedoch nicht. Die herangezogene Passage der Beschreibung bezieht sich nicht auf den Anteil der Härterkomponente b) an der Mischung des Blends, sondern auf den Anteil der Formel I. Da dieser Anteil jedoch, wie ausgeführt, nicht identisch ist, kann die Passage nicht als Basis für die durchgeführte Änderung herangezogen werden.
2.5 Zwar wird, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ebenso wie im geänderten Anspruch auch die Obergrenze für den Anteil der Härterkomponente b) auf 30 % beschränkt, jedoch gilt dies eben nur für den Fall, dass diese Härterkomponente b) ausschließlich aus Verbindungen der Formel I besteht, und keine weiteren Bestandteile enthält. Dies lässt sich jedoch dem Anspruchswortlaut nicht entnehmen.
2.6 Von der Beschwerdeführerin wurde auch vorgebracht, der Fachmann würde aus der Gesamtheit der Anmeldung entnehmen, dass sich die zitierte Passage auf Seite 16 der Beschreibung entgegen des tatsächlichen Wortlauts doch auch auf den Anteil der Härterkomponente b) an der Mischung des Blends beziehe.
Die Kammer kann der ursprünglich eingereichten Anmeldung eine solche allgemeine Offenbarung jedoch nicht entnehmen.
Zunächst wird im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 kein Anteil der Härterkomponente b) angegeben, eine solche wird lediglich im ursprünglichen Anspruch 6 offenbart. Dort wird jedoch eine Obergrenze von 55 Gew.-% genannt. Außerdem wird eine den Anspruch 6 stützende Passage bereits auf Seite 6, Zeilen 2 bis 4 der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Diese Passage verweist auf den Anteil der Härterkomponente b) von 5 bis 55 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung. Sie verweist jedoch nicht auf einen Anteil von 30 Gew.-%. Dieser Wert wird lediglich auf der Seite 16, Zeile 19 offenbart, dort allerdings wie voranstehend erläutert für den Anteil der Formel I an der Mischung.
2.7 Da Anspruch 1 des Hauptantrags somit unzulässig geändert wurde und der Antrag folglich nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt, ist er bereits aus diesem Grund nicht gewährbar. Eine Erörterung weiterer von den Beschwerdegegnerinnen vorgebrachter Beanstandungen erübrigt sich daher.
3. Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123(3) EPÜ)
3.1 Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, der Schutzbereich des erteilten Patents sei durch die am Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen erweitert worden. Der Antrag erfülle daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ. Die Beschwerdegegnerin 1 hatte bereits im schriftlichen Verfahren vorgebracht, dass insbesondere die Präzisierung der Härterkomponente a) zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führe, weil sich der Bezugspunkt des im Anspruch verbliebenen, sich auf die Aushärtung eines Amins beim Vermischen mit dem Epoxidharz beziehenden Merkmals geändert habe.
3.2 Nach Ansicht der Kammer erweitert Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags den Schutzbereich des erteilten Patents wegen der durchgeführten Änderungen aus den nachfolgend angegebenen Gründen.
3.3 Gemäß erteiltem Anspruch 1 kann das Blend des beanspruchten Verfahrens lediglich 0,3 bis 0,9 Aminäquivalente, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes, an einer Härterkomponente a) enthalten. Diese Härterkomponente a) wird dadurch definiert, dass sie "ein oder mehrere Amine mit einer Funktionalität >= 2 enthält und mindestens ein Amin beim stöchiometrischen Vermischen mit dem Epoxidharz im 100 g Ansatz bei Raumtemperatur zu einer Aushärtungszeit von weniger als 24 h führt". Somit werden anspruchsgemäß Blends umfasst, die Amine mit einer Funktionalität >= 2 in einem Anteil von wenigstens 0,3 und maximal 0,9 Aminäquivalenten enthalten, und von denen zumindest eines die geforderte Aushärtungszeit unter den angegebenen Bedingungen erfüllt. Nicht umfasst werden vom Anspruch Blends, die einen Anteil eines Amins mit einer Funktionalität >= 2 außerhalb des angegebenen Bereichs enthalten. Ebenfalls nicht umfasst vom Anspruchswortlaut werden Blends, die nicht wenigstens eines der besagten Amine enthalten, welches auch das Merkmal der Aushärtung erfüllt.
3.4 Im Gegensatz zum erteilten Anspruch werden durch die durchgeführten Änderungen nun lediglich solche Vertreter der Härterkomponente a) auf einen bestimmten Bereich festgelegt, die unter die - im geänderten Anspruch spezifischere und somit engere - Definition der Härterkomponenten a1) und a2) fallen. Das Blend des beanspruchten Verfahrens kann somit auch andere Härterkomponenten, nicht von der engeren Definition des geänderten Anspruchs umfassten Härterkomponenten enthalten, und zwar in einem Anteil, der auch außerhalb des ursprünglich angegebenen Bereichs liegt. Zudem muss im geänderten Anspruch nicht mehr eines der als Härterkomponente enthaltenen spezifischen Amine das Merkmal der Aushärtungszeit erfüllen. Anspruchsgemäß ist es nämlich ausreichend, dass "ein Amin" diese Bedingung erfüllt, wobei dieses Amin sich gemäß Anspruchswortlaut nicht auf eine der Komponenten a1) oder a2) bezieht. Daher werden nun, wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgebracht, auch Blends umfasst, die Amine enthalten können, welche gemäß erteiltem Anspruch ausgenommen waren, also solche, die nicht unter die als Härterkomponenten a1) und a2) des geänderten Anspruchs 1 angegebenen fallen, aber unter die breitere Definition der Härterkomponente a) des erteilten Anspruchs 1. Da solche Amine in der erteilten Fassung nicht zu einem Anteil von weniger als 0,3 oder mehr als 0,9 Aminäquivalenten enthalten sein konnten, führt die durchgeführte Änderung zu einer Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123(3) EPÜ).
3.5 Dass der Bereich des Anteils, in dem diese Amine enthalten sind, zusätzlich auch auf einen Anteil von lediglich 0,4 bis 0,7 (statt 0,3 bis 0,9) Aminäquivalenten, pro Äquivalent Epoxid des eingesetzten Epoxidharzes, eingeschränkt wurde, ändert diesen Sachverhalt nicht.
3.6 Von der Beschwerdeführerin wurde argumentiert, die Änderung bestünde lediglich in der Aufnahme von Merkmalen von erteilten abhängigen Ansprüchen. Daher seien die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ zwangsläufig erfüllt.
3.7 Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Zwar stammen die relevanten aufgenommenen Merkmale aus erteilten abhängigen Ansprüchen, jedoch wurde im Anspruch 1 eine weitere Änderung vorgenommen. Es wurde nämlich die Bedingung gestrichen, dass als Härterkomponente a) ein oder mehrere Amine mit einer Funktionalität >= 2 in der Mischung nur innerhalb des angegebenen Bereichs von wenigstens 0,3 und maximal 0,9 Aminäquivalenten enthalten sein können. Da dieses Merkmal nicht ergänzt wurde durch die Merkmale aus abhängigen Ansprüchen, die im geänderten Anspruch die Härterkomponente a) definieren, sondern durch dieses ersetzt wurde, handelt es sich nicht lediglich um die Aufnahme von Merkmalen abhängiger Ansprüche. Um im vorliegenden Fall zu einem Anspruch zu gelangen, der den Erfordernissen des Artikels 123(3) EPÜ gerecht wird, hätten die Merkmale aus den angeführten abhängigen Anspruchs zusätzlich zu den bereits im unabhängigen Anspruch enthaltenen aufgenommen werden müssen, anstatt sie lediglich zu ersetzen (siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 2019, Kapitel II.E.2.4.14).
3.8 Hilfsantrag 1 ist daher nicht gewährbar, weil er aus den oben ausgeführten Gründen den Schutzbereich des erteilten Patents erweitert, Artikel 123(3) EPÜ. Weitere von den Beschwerdegegnerinnen erhobene Einwände können daher unberücksichtigt bleiben.
4. Hilfsantrag 2 - Zulässigkeit
4.1 Hilfsantrag 2 wurden vor Inkrafttreten der zum 1. Januar 2020 geänderten Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eingereicht, so dass für dessen Zulassung die Verfahrensordnung in der Fassung vom 25. Oktober 2007 (VOBK 2007) anzuwenden ist (Artikel 25(2) VOKB 2020).
4.2 Die Beschwerdegegnerin 1 beanstandete, dass Hilfsantrag 2 nicht bereits mit Einreichen der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, sondern erst mit der Antwort auf die Beschwerdeerwiderungen.
4.3 Der Antrag ist identisch mit Hilfsantrag 2 der Einspruchsentscheidung, der von der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereicht worden war, und der von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen wurde (siehe Annex zur Entscheidung der Einspruchsabteilung). Der Antrag hätte daher bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht, und dessen Zulässigkeit beantragt werden können. Die Beschwerdeführerin hat sich jedoch dazu entschieden, ihn erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich als Antwort auf die Erwiderungen der Beschwerdegegnerinnen auf die Beschwerdebegründung, erneut einzureichen. Sie hat dieses Vorgehen damit begründet, dass die Zulässigkeit des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 1 von der Beschwerdegegnerin 1 in ihrer Beschwerdeerwiderung in Frage gestellt wurde. Des weiteren erläuterte sie, dass der Antrag wieder vorgelegt wurde, falls die Kammer dem Antrag der Beschwerdegegnerin 1 auf Nichtzulassung des ersten Hilfsantrags folgen sollte. Die Kammer erachtet dies nicht als überzeugende Begründung für das verspätete Einreichen eines Antrags, der bereits während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegt worden war, da die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten muss (Artikel 12(2) VOBK 2007). Die Beschwerden der Patentinhaberin richtet sich daher zunächst gar nicht gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Hilfsantrag 2 nicht zum Verfahren zuzulassen. Die nachträgliche Wiedereinreichung des Antrags verstößt nach Ansicht der Kammer zudem der gebotenen Verfahrensökonomie. Sie ist daher auch der Auffassung, dass der Antrag bereits mit der Beschwerdebegründung hätte eingereicht werden müssen.
4.4 Der verspätet vorgelegte Hilfsantrag 2 wird daher nicht zum Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK 2007).
5. Hilfsantrag 3 - Zulässigkeit
5.1 Hilfsantrag 3 wurde zusammen mit Hilfsantrag 2 eingereicht. Für dessen Zulässigkeit, gegen die die Beschwerdegegnerin 1 ebenfalls Einwände erhob, ist daher ebenfalls die Verfahrensordnung in der Fassung vom 25. Oktober 2007 (VOBK 2007) anzuwenden (Artikel 25(2) VOBK 2020).
5.2 Der Antrag ist identisch mit Hilfsantrag 1 der Einspruchsentscheidung, der von der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereicht worden war, und der von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassen wurde (siehe Annex zur Entscheidung der Einspruchsabteilung). Der Antrag hätte daher ebenfalls bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht, und dessen Zulässigkeit beantragt werden können.
5.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass die Härterkomponente a) der in Schritt II) des beanspruchten Verfahrens genannten Mischung näher definiert wird, und dass das Einbringen gemäß Schritt II) des Verfahrens durch Infusionstechnologie erfolgt. Der Anspruch unterscheidet sich vom ursprünglich eingereichten Anspruch 1 - wie Anspruch 1 des Hauptantrags - aber auch durch das sich auf den Anteil der Härterkomponente b) beziehende Merkmal, dass nämlich "die Härterkomponente b) mindestens eine Verbindung der Formel I enthält, wobei der Anteil der Härterkomponente b) 5 bis 30 Gew.-% bezogen auf den Gewichtsanteil der Mischung beträgt".
5.4 Der Antrag erfüllt somit aus den bereits unter Punkt 2. dieser Entscheidung genannten Gründen ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ und wäre daher offensichtlich nicht gewährbar. Da die Zulassung dieses verspätet vorgelegten Hilfsantrags 3 nach Ansicht der Kammer daher ebenfalls gegen die gebotene Verfahrensökonomie verstoßen würde, wird er nicht zum Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK 2007).
6. Zusammenfassend ist festzustellen, dass keiner der vorliegenden Anträge der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin sowohl zulässig als auch gewährbar ist. Der Widerruf des Patents durch die Einspruchsabteilung ist daher gerechtfertigt, die Beschwerde muss zurückgewiesen werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.