T 1802/16 20-04-2021
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Verfahren zum gerasterten Aufbringen von Fluiden auf Substrate
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Ausreichende Offenbarung (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Entscheidung im schriftlichen Verfahren (ja)
Anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 319 703 zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, dass der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgeht, und dass der ihr vorgelegte Stand der Technik weder die Neuheit noch die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in der erteilten Fassung in Frage stellen kann.
III. Sie hat dabei unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E3|EP 1 211 095 A1 ; |
E5|US 2003/0067415 A1;|
E6|US 5 665 457; |
E7|DE 29 45 217 C2; |
E8|"Offsetdrucktechnik", Helmut Teschner, 6. Auflage 1989, Seiten 191 bis 197. |
IV. Die Beteiligten, die beide hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hatten, wurden mit einer Ladung gemäß Regel 115 (1) EPÜ vom 4. Mai 2020 zu einer mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2021 geladen.
V. Mit Schreiben vom 26. Mai 2020 hat die Beschwerdeführerin beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen. Daraufhin wurden die Beteiligten in einer am 24. Juni 2020 erlassenen Mitteilung darüber informiert, dass der anberaumte Termin zur mündliche Verhandlung auf den 6. Mai 2021 verlegt werde.
VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) vom 4. November 2020 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung hinsichtlich sachlicher oder rechtlicher Fragen des Beschwerdefalles mit. Sie kam zum Schluss, dass angesichts der dargelegten vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zu gewähren wäre.
VII. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen. In einem darauffolgenden Schreiben vom 4. Februar 2021 hat auch die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"Verfahren zum gerasterten Aufbringen von Fluiden auf Substrate, wobei
- [A.i] im Fall i) eines wenigstens in einem Abschnitt (3) ungerasterten Substrats (1) oder einer wenigstens in dem Abschnitt (3) ungerasterten Beschichtung (2) des Substrats (1) ein gerastertes erstes Bild (5') eines ersten Fluids (5) unter Einsatz einer ersten Auftragsvorrichtung (4) auf das Substrat (1) in dem Abschnitt (3) aufgebracht wird, wobei es sich bei dem ersten Fluid (5) um einen transparenten Lack handelt und das erste Bild (5') als Halbtonbild aufgetragen wird, das eine Anisotropie aufweist, oder [A.ii] im Fall ii) eines wenigstens in dem Abschnitt (3) gerasterten Substrats (1) oder einer wenigstens in dem Abschnitt (3) gerasterten Beschichtung (2) des Substrats (1) ein verschieden gerastertes erstes Bild (5') eines ersten Fluids (5) auf das Substrat (1) in dem Abschnitt (3) aufgebracht wird, wobei beide Raster verschiedene Rasterformen und/oder Rastergrößen und/oder Rasterabstände und/oder Rasterwinkel aufweisen,
- [B1] ein ungerastertes, das erste Bild (5') überdeckendes zweites Bild (6') eines zweiten Fluids (6) unter Einsatz einer zweiten Auftragsvorrichtung (7) auf das Substrat (1) in dem Abschnitt (3) aufgebracht wird, [B1.i] welches im Fall i) aufgrund der Anisotropie des ersten Bildes (5') einen richtungsabhängigen Glanz aufweist, [B2] wobei es sich bei dem zweiten Fluid (6) um einen transparenten Lack handelt,
- [C] die Formation (8) des zweiten Fluids (6) auf dem Substrat (1) in dem Abschnitt (3) im Wesentlichen durch das Raster des ersten Bilds (5') in dem Abschnitt (3) bestimmt wird, wobei das zweite Fluid (6) von dem ersten Fluid (5) abperlt und sich an solchen Stellen des Substrats (1) bzw. dessen Beschichtung (2) sammelt und dort die Schichtdicke des zweiten Fluids (6) erhöht, die nicht mit erstem Fluid (5) beschichtet sind, und
- [D] das erste Bild (5') für das zweite Fluid (6) ein latentes, transparentes Benetzungsbild darstellt."
X. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulässigkeit der Änderungen
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei im Laufe des Prüfungsverfahrens durch Einführung eines auf das Abperlen des zweiten Fluids von dem ersten Fluid abzielenden Verfahrensschritts beschränkt worden. Diese Änderung gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Die entsprechende Stelle in Absatz [0031] der Offenlegungsschrift werde durch den Verweis auf das in der Figur 1 gezeigte Beispiel eingeleitet. Der in diesem Zusammenhang beschriebene Einsatz einer ersten und einer zweiten Auftragsvorrichtung finde allerdings keinen Niederschlag im erteilten Anspruch 1.
Anders als im Fall i) sammle sich das zweite Fluid gemäß dem Alternativgegenstand im Fall ii) nicht nur in der durch das erste Fluid gebildeten Negativstruktur, sondern auch in den Vertiefungen zwischen dem gerasterten Substrat bzw. der gerasterten Beschichtung. Folglich verlaufe der Formationsschritt des zweiten Bilds nicht unter denselben Verhältnissen. Die Begründung der Einspruchsabteilung unter Ziffer 3.3 der angefochtenen Entscheidung sei somit nicht zutreffend.
Ausreichende Offenbarung
Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 schließe die Verwendung eines nicht transparenten Fluids für das erste Bild für den Fall ii) nicht aus. Auch Absatz [0029] des Patents decke die Möglichkeit ab, dass das erste Fluid aus einem nicht transparenten Lack hergestellt werde, was jedoch im Widerspruch zu der Bedingung von Merkmal D des erteilten Anspruchs 1, wonach das erste Bild für das zweite Bild ein latentes, bevorzugt transparentes Benetzungsbild darstellt, stehe. Vor diesem Hintergrund sei die Erfindung in den Merkmalen des Anspruchs 1 für den Fall ii) nicht ausreichend offenbart.
Neuheit
Sämtliche Merkmale von Anspruch 1 würden von den Druckschriften E3, E5 und E6 neuheitsschädlich vorweggenommen.
In Absatz [0007] der Druckschrift E3 sei ein vertauschtes Druckverfahren beschrieben, bei welchem ein Muster eines klaren Films oder transparenten Lacks auf ein Substrat aufgebracht werde. Absatz [0013] der Druckschrift E3 verdeutliche, dass "klar" in dieser Offenbarung im Sinne von "transparent" zu verstehen sei. Nach Absatz [0006] der Druckschrift E3 weise das Muster Linien auf. Folglich sei die Bezeichnung "pattern" als Raster bzw. Linienraster zu verstehen und umfasse somit auch das Halbtonbild. Dazu werde auf das Dokument E8, das beispielsweise auf Seite 192 unter "Rasterart" eine Vielzahl von verschiedenen Rastern als Halbtonbilder erwähne, verwiesen. In einem weiteren Verfahrensschritt gemäß der Druckschrift E3 werde Tinte auf die gerasterte Lackschicht aufgetragen. Die Tinte perle zwangsweise von dem Lack ab und sammele sich an solchen Stellen des Substrats, die nicht mit dem Lack beschichtet seien. Die raue und somit gerasterte Oberflächenstruktur des in der Druckschrift E3 zu bedruckenden Verpackungsmaterials könne in Abhängigkeit des Maßstabs der Betrachtung eine gerasterte Oberfläche darstellen, zumal sich im Anspruch 1 weder ein gezieltes noch ein informationsenthaltendes oder ein bestimmte grafische Effekte erzielendes Raster wiederfinde. Auch die Beschreibung des Streitpatents in Absatz [0034] schließe nicht aus, dass es sich um ein zufällig gerastertes Substrat handeln kann. Daher sei auch die zweite Alternative des Anspruchsgegenstands offenbart.
Die Druckschrift E5 offenbare eine in Form eines als "pattern" bezeichneten Linienrasters aufgebrachte Schicht 12 aus einem transparenten Lack. Nichts anderes stelle ein Halbtonbild dar. Dadurch sei auch die Anisotropie gegeben. In Absatz [0021] der Druckschrift E5 werde beschrieben, dass die Tinte 18 von der Schicht 12 abperle und sich an solchen Stellen auf dem Substrat sammle, die nicht mit dem ersten Fluid beschichtet seien.
Auf die gedruckte, aus einem transparenten Lack bestehende Beschichtung 2 gemäß der Druckschrift E6 werde ein gerastertes Bild 3 mit einer härtbaren Tinte auf Wasserbasis aufgebracht, so dass ein Halbtonbild mit Anisotropie und einem richtungsabhängigen Glanz gegeben sei. Dass das erste Bild 3 transparent sei, gehe schon daraus hervor, dass die darunter liegende, in Spalte 2, Zeilen 43 bis 46 als Versiegelungsschicht bzw. Grundierung bezeichnete Designschicht 2 sichtbar sein müsse. Auch die Hinzugabe von Pigmenten in dem in Spalte 3, Zeilen 47 bis 64 beschriebenen Ausführungsbeispiel führe nicht dazu, dass die Schicht 3 transluzent oder nicht transparent ausgestaltet sei. Das Halbtonbild sei durch die Formulierung "gedruckte Porenraster" in Spalte 2, Zeilen 48 bis 50 offenbart. Die zusätzliche Schicht 4 perle von dem ersten Bild ab und sammle sich an solchen Stellen des Substrats, die nicht mit der ersten Schicht 1 beschichtet seien. Die Designschicht 2 als Grundierung werde möglicherweise in einem Rotationsdruckverfahren aufgebracht, wodurch ihre Oberfläche als gerasterte Oberfläche ausgebildet sei, so dass die Druckschrift auch bezüglich der zweiten Alternative relevant sei.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher nicht neu.
Erfinderische Tätigkeit
Die in Absatz [0006] der Druckschrift E3 erwähnte Linienrasterung stelle für den Fachmann einen eindeutigen Hinweis dar, gewisse Effekte oder Eigenschaften zu erzielen. Dem Dokument E8 entnehme der Fachmann, dass Effektraster u.a. in Form von Linienrastern bei der Reproduktion von Halbtonbildern eingesetzt werden, wenn bestimmte grafische Effekte erzielt werden sollen. Somit habe der Fachmann Anlass, ausgehend von der Druckschrift E3 in Verbindung mit der Druckschrift E8, Halbtonbilder zu verwenden. Dies gelte analog für den Fall, dass, wie im Dokument E3, ein metallisierter Film als Klebeschicht auf dem Substrat dargestellt sei.
Aus der Druckschrift E6 gehe nicht hervor, dass ein transparenter Lack als Fluid für das erste Bild verwendet werde. Dies liege für den Fachmann jedoch nahe. Zur Verwendung von Halbtonbildern finde der Fachmann bereits in der Druckschrift E6 eine Anregung. Das darin offenbarte Porenmuster entspreche nämlich einem Raster bestehend aus Rasterpunkten. Daraus ergäben sich auch die Anisotropie und der richtungsabhängige Glanz des zweiten Bilds. Auch der Druckschrift E3 sei die Verwendung eines Halbtonbilds zu entnehmen, denn das darin offenbarte dreidimensionale Druckverfahren stünde einer Halbtonreproduktion durch die Verwendung eines Halbtonbilds nicht entgegen. Aufgrund des Hinweises in der Druckschrift E6, wonach das "pattern" als Schicht 3 aufgedruckt werde, würde der Fachmann auch das Dokument E8 hinzuziehen, das auf Seite 192 rechts unten ein "pore pattern" als Punktraster ausbilde. Bezüglich der zweiten Alternative des beanspruchten Gegenstands werde auf Spalte 2, Zeile 31 bis 35 und Zeilen 43 bis 47 der Druckschrift E6 verwiesen, wonach das Substrat beispielsweise als dekoratives Papier, dessen Oberfläche typischerweise eine gewisse Rauheit und kleine Vertiefungen aufweise, auszubilden sei. Deshalb sei das aus der Druckschrift E6 bekannte Substrat gerastert. Da die Druckschrift E6 nicht offenbare, dass das Porenmuster an einer Rasterung des Substrats angepasst werde, müssten die Raster verschieden sein. Der Spalte 2, Zeilen 36 bis 37 der Druckschrift E6 entnehme der Fachmann, dass die in der Figur 1 gezeigte Designschicht 2 mit jeglicher bekannten Drucktechnik auf das Substrat 1 aufgebracht werden könne. Dazu gehörten auch das Tiefdruck- und das Prägedruckverfahren. Somit sei dem Fachmann eine Anregung gegeben, eine gerasterte Beschichtung einzusetzen.
In der Druckschrift E7 werde ein transparenter Lack auf einem Farbbild aufgebracht. Ob die Farbe zuerst aufgebracht werde und darauf der transparente Lack oder umgekehrt zunächst der transparente Lack und darauf die Farbe, sei allerdings für die Druckschrift E7 von untergeordneter Bedeutung. Ein Vertauschen dieser Schritte wäre somit selbstverständlich. Auch offenbare die Druckschrift E7 in naheliegender Weise die Schaffung eines Halbtonbilds, indem eine eine Prägung vortäuschende Tiefenwirkung durch Rasterungen herbeigeführt werde, welche erforderlich seien, um ein Halbtonbild zu schaffen. Auch die ungerasterte Beschichtung des Substrats sei aus der Druckschrift E7 bekannt.
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XI. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin war im Wesentlichen wie folgt:
Zulässigkeit der Änderungen; ausreichende Offenbarung
Infolge der vorgenommenen Änderungen am Gegenstand von Anspruch 1 des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hauptantrags erübrige sich eine weitere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Neuheit
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei zweifelsfrei neu gegenüber jedem der Druckschriften E3, E5 und E6.
An keiner einzigen Textstelle und in keiner der Figuren der Druckschrift E3 werde das technische Merkmal "Halbtonbild" explizit oder implizit offenbart. Der Fachmann würde den in der Druckschrift E3 verwendeten Begriff "Muster" keinesfalls als ein Halbtonbild verstehen. Unter dem weiteren Begriff "gerastertes Substrat" verstehe der Fachmann ein in dem Substratmaterial technisch erzeugtes Raster. Ein Substrat, welches dagegen nur eine naturgegebene, raue Oberfläche aufweise, würde der Fachmann keinesfalls als "gerastert" verstehen.
Die Druckschrift E5 offenbare ein Herstellverfahren für Antennenstrukturen. Es sei deshalb abwegig zu behaupten, der Fachmann entnehme der Druckschrift E5 die Offenbarung eines Halbtonbilds.
An keiner Stelle entnehme der Fachmann der Druckschrift E6, die ein Herstellverfahren für ein Holzimitat offenbare, die Merkmale "Halbtonbild" und "richtungsabhängiger Glanz". Letztgenanntes Merkmal würde der Fachmann bei Holzimitaten jedenfalls keinesfalls als verwirklicht ansehen, da Hölzer von Natur aus keinen richtungsabhängigen Glanz aufweisen. Auch das Merkmal A.ii sei nicht in der Druckschrift E6 offenbart. Das in der Figur 1 der Druckschrift E6 gezeigte "base paper" sei eindeutig ungerastert. Der Hinweis auf Spalte 2, Zeilen 48 bis 51 der Druckschrift E6 stehe geradezu im Gegensatz zu dem Erfordernis "verschieden gerastertes erstes Bild" in Merkmal A.ii.
Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag sei daher neu.
Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von der Druckschrift E3 und in Kombination mit der Druckschrift E8 würde der Fachmann nicht in naheliegender Weise zur Erfindung gelangen. Die in den Figuren der Druckschrift E3 gezeigten Antennen-Linien 12 würde der Fachmann wegen der nicht vorhandenen Notwendigkeit, diese Linien irgendwie anders als einzig parallel auszugestalten, auf die einfachste Weise und daher ungerastert erzeugen.
Das Merkmal "Halbtonbild" sei weder in der Druckschrift E6 offenbart noch durch die Druckschrift E6 nahegelegt. Für das bloße Drucken des Porenmusters sei kein Halbtonverfahren erforderlich. Der Fachmann habe keine Veranlassung die Lehre der Druckschrift E6 abzuwandeln und dazu auf Fachwissen oder auf eine der Druckschriften E3 oder E8 zurückzugreifen, zumal die Dokumente völlig verschiedene Druckprodukte beschrieben. Auch auf das Merkmal "gerastertes Substrat" erhalte der Fachmann ausgehend von der Druckschrift E6 keinen Hinweis. Das in der Figur 1 der Druckschrift E6 gezeigte Papier mit Bezugszeichen 1 erkenne der Fachmann jedenfalls als eindeutig ungerastert. Zwar könnten Löcher im Bedruckstoff materialbedingt vorhanden sein (Spalte 2, Zeile 44), jedoch werde der Fachmann immer annehmen, dass es besser sei, wenn keine störenden Löcher vorhanden seien. Einen technischen Rasterprozess zur gezielten Erzeugung dieser Löcher würde der Fachmann daher völlig ausschließen.
Aus der Druckschrift E7 sei ein Verfahren zum Herstellen eines Holzmaserungs-Dessins bekannt. Die Merkmale "Halbtonbild" und "richtungsabhängiger Glanz" seien weder offenbart noch nahegelegt. Bezüglich des verwendeten Druckverfahrens werde in Spalte 2, Zeilen 28 bis 30 lediglich angegeben, dass eine Maserung von schwarzen Linien auf einem braunen Grund gedruckt werde. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei somit zweifelsfrei erfinderisch gegenüber der Druckschrift E7.
Aus diesen Gründen beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Nachdem beide Verfahrensbeteiligten ihre jeweiligen Anträge auf mündliche Verhandlung zurückgenommen haben, kann die vorliegende Entscheidung auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des vorliegenden schriftlichen Vorbringens der Beteiligten unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ im schriftlichen Verfahren gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020, der gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020 vorliegend anzuwenden ist, ergehen.
2. Auslegung des Anspruchswortlauts
2.1 "im Fall i) ... oder im Fall ii)"
Durch die Syntax des Wortlauts von Anspruch 1 werden zwei durch "oder" verknüpfte und somit unabhängig voneinander beanspruchte Verfahren definiert. Das Verfahren gemäß der ersten Alternative ("Fall i)") weist die Merkmale A.i, B1, B1.i, B2, C und D auf. Das Verfahren gemäß der zweiten Alternative ("Fall i)") hingegen weist die Merkmale A.ii, B1, B2, C und D auf.
2.2 "als Halbtonbild aufgetragen" (Merkmal A.i)
Halbtonbilder zeigen verschiedene kontinuierlich ineinander übergehende Tonwertabstufungen vom tiefsten Schwarz bis zum hellsten Grau oder, bei farbigen Fotos, Farbabstufungen innerhalb der einzelnen Farben vom tiefsten bis zum hellsten Farbton. Da viele Druckverfahren nicht in der Lage sind, echte Halbtöne eines Fotos zu produzieren, wird zum Beispiel beim Hochdruck und auch beim Offsetdruck das Halbtonbild mittels eines sogenannten Rasters in Rasterpunkte zerlegt. Durch gezielte Auswahl der Form, Größe und Dichte der Rasterpunkte entstehen die reproduzierten Ton- und Farbabstufungen.
Durch das Auftragen des gerasterten ersten Bildes als Halbtonbild im Merkmal A.i wird im Sinne von Absatz [0017] des Patents erreicht, dass detailreiche, natürliche Strukturen nachgebildet werden, so dass das erste Bild "wie ein graphisches Bild aufgebaut sein [kann] und nicht nur grobe Rasterstrukturen" aufweist. Daraus leitet die Kammer ab, dass die Rasterung des gemäß Merkmal A.i aufgebrachten ersten Bilds nicht beliebig ist, sondern gezielt für die Erzeugung von halbtonartigen Wiedergaben geeignet sein muss.
2.3 "das eine Anisotropie aufweist" (Merkmal A.i)
Unter dem Begriff "Anisotropie" wird generell die Richtungsabhängigkeit von physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften eines Stoffes verstanden.
In den Absätzen [0018] und [0031] des Patents wird die Anisotropie des ersten gerasterten Bildes bevorzugt an der Verwendung eines Linienrasters geknüpft. Ein Bild mit einer anderen Rasterform, wie Punkte, Ellipsen oder Sterne (vgl. Absatz [0035] des Patents) kann aber auch mit einer Anisotropie behaftet sein, wenn das Bild mindestens eine Eigenschaft aufweist, die nicht nach allen Richtungen hin gleich ist. Die Kammer nimmt zur Kenntnis, dass der Wortlaut von Anspruch 1 nicht verlangt, dass die Anisotropie des ersten Bildes wahrnehmbar sein soll.
2.4 "ein latentes Benetzungsbild" (Merkmal D)
Aus der Fotographie ist der Begriff "latentes Bild" als die nach Belichtung eines fotografischen Films entstehende, zunächst unsichtbare Darstellung bekannt.
Die Verteilung des zweiten Fluids auf der Oberfläche des Substrats bzw. dessen Beschichtung wird gemäß Merkmal C in Abhängigkeit vom Raster des ersten Bildes bestimmt. Dementsprechend wird das Merkmal D so verstanden, dass das erste Bild die Benetzung des zweiten Fluids bestimmt ohne aber optisch wahrnehmbar zu sein.
3. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Im Erteilungsverfahren wurde Anspruch 1 unter anderem durch die Hinzufügung des folgenden Nebensatzes in Merkmal C geändert:
"wobei das zweite Fluid (6) von dem ersten Fluid (5) abperlt".
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass diese Änderung eine Verallgemeinerung der ursprünglich offenbarten Ausführungsform gemäß Figur 1 zur Folge habe, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, hält die Kammer nicht für schlüssig.
Mit dem Einreichen des Hauptantrags zusammen mit der Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin unter anderem die erste Auftragsvorrichtung in Merkmal A.i und die zweite Auftragsvorrichtung in Merkmal B1 aufgenommen, so dass die diesbezüglichen Beanstandungen der Beschwerdeführerin gegenstandslos geworden sind.
Auch der Sichtweise, dass der Verweis in Absatz [0037] der Offenlegungsschrift auf die erste Alternative wegen der unterschiedlichen Verhältnisse bei der Formation des zweiten Bilds nicht als Offenbarungsstelle für die Änderung in Bezug auf die zweite Alternative gelte, kann die Kammer nicht zustimmen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugestehen, dass, wie den Figuren 1 und 2 zu entnehmen ist, unterschiedliche Verhältnisse bei den den Fällen i) und ii) entsprechenden Ausführungsformen vorliegen. In beiden Ausführungsformen sammelt sich das zweite Fluid jedoch nach dem Abperlen von dem ersten Fluid an denjenigen Stellen des Substrats bzw. dessen Beschichtung an, die nicht mit dem erstem Fluid beschichtet sind. Durch den Verweis auf Figur 1 in den Zeilen 16 und 32 auf Seite 9 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung (entsprechend Absatz [0037] der Offenlegungsschrift) ist das auf Seite 8, Zeilen 9 bis 11 offenbarte Abperlen des zweiten Fluids auch für den Fall ii) ursprünglich offenbart.
Aus diesen Gründen können die Einwände der Beschwerdeführerin unter Artikel 123 (2) EPÜ die Kammer nicht überzeugen. Sie stehen deshalb der Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag nicht entgegen.
4. Ausreichende Offenbarung
Im Vergleich zum Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 wurde der Gegenstand von Anspruch 1 des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hauptantrags durch die Streichung von "bevorzugt" in Merkmal D dahingehend eingeschränkt, dass das erste Bild und deshalb auch das erste Fluid zwangsläufig transparent sind. Somit kommt die Beanstandung der Beschwerdeführerin, dass Anspruch 1 im Hinblick auf die Möglichkeit, dass das erste Fluid auch aus einem nicht transparenten Material bestehen könne, einen Widerspruch enthalte, nicht mehr zum Tragen.
Folglich kann auch der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag nicht entgegenstehen.
5. Neuheit
5.1 Neuheit gegenüber der Druckschrift E3
Wie die nachstehend wiedergegebene Figur 3 der Druckschrift E3 zeigt, offenbart der Stand der Technik ein Verfahren zum gerasterten Aufbringen von zwei Fluiden 12 und 14 auf ein Substrat 10.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Nach dem in Absatz [0007] der Druckschrift E3 beschriebenen vertauschten Druckverfahren besteht das erste Fluid aus einem transparenten Lack und das zweite Fluid aus Tinte. Das erste Bild wird deshalb mit Tinte anstelle von transparentem Lack überdeckt, sodass das Merkmal B2 nicht in dem Zusammenhang in der Druckschrift E3 offenbart ist.
Außerdem hat das Argument der Beschwerdeführerin, dass der in der Druckschrift E3 verwendete Begriff "pattern" als ein Raster zu verstehen sei, das ein Halbtonbild umfasse, die Kammer nicht überzeugt. Das in Absatz [0006] der Druckschrift E3 offenbarte Linienmuster ("pattern of substantially parallel lines") kann angesichts der Auslegung des Begriffs "Halbtonbild" in Punkt 2.2 nicht unmittelbar und eindeutig als Halbtonbild verstanden werden. Deshalb ist auch das Merkmal A.i nicht aus der Druckschrift E3 bekannt.
Bezüglich des Merkmals A.ii in der als "Fall ii)" beanspruchten zweiten Alternative bemerkt die Kammer, dass die Druckschrift E3 an keiner Stelle einen Hinweis offenbart, wonach das gemäß Absatz [0009] als eine nichtbedruckte, metallisierte Schicht oder Folie gebildete Substrat zumindest abschnittsweise gerastert sei. Vielmehr teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass eine naturgegebene, raue Oberfläche nicht als "gerastert" zu betrachten ist.
Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der Druckschrift E3 neu (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
5.2 Neuheit gegenüber der Druckschrift E5
Auch bezüglich der Druckschrift E5 ist die Kammer zum Schluss gekommen, dass dort kein als Halbtonbild aufgetragenes erstes Bild offenbart ist. Das bevorzugt aus Akrylharz bestehende erste Fluid (s. Absatz [0015] der Druckschrift E5) wird in einem für eine Antenne geeigneten Muster 12 auf ein Substrat 10, das in der unten wiedergegebenen Figur 4 der Druckschrift E5 irrtümlicherweise mit dem Bezugszeichen '12' dargestellt ist, gedruckt. Es ist jedoch nicht aus der Druckschrift E5 ersichtlich, ob das Muster, wie es nach obiger Auslegung von dem Merkmal A.i verlangt wird, gezielt zur Erzeugung von halbtonartigen Wiedergaben geeignet ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
In einem weiteren Schritt wird leitfähige Tinte 18 auf das erste Bild 12 aufgetragen. Die Tinte sammelt sich an den freien Stellen des Substrats 10 an. Entgegen dem Erfordernis von Merkmal B2 handelt es sich bei der leitfähigen Tinte 18 jedoch nicht um einen transparenten Lack.
Die Beschwerdeführerin hat die Kammer deshalb nicht davon überzeugt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 von der Druckschrift E5 neuheitsschädlich vorweggenommen wird (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
5.3 Neuheit gegenüber der Druckschrift E6
Nach dem aus der Druckschrift E6 bekannten Verfahren wird zur Erzeugung eines Holzimitats auf die ungerasterte Beschichtung 2 eines Papiersubstrats 1 ein
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Porenmuster 3 als erstes Bild aufgebracht (s. die oben dargestellte Figur 1 und Spalte 2, Zeilen 25 bis 26). Es ist jedoch nicht unmittelbar erkennbar, ob das Porenmuster derart gerastert ist, dass es verschiedene Tonwertstufen wiedergibt. Die Kammer kann sich deshalb dem Argument der Beschwerdeführerin nicht anschließen, dass das erste Bild als Halbtonbild aufgetragen sei.
Auch hat die Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Argumente vorgebracht, die unmittelbar und eindeutig belegen, dass die für das Porenmuster verwendete wärmehärtende Tinte als transparenter Lack betrachtet werden kann.
Ferner hat die Beschwerdeführerin bezüglich der als Fall ii) bezeichneten zweiten Alternative argumentiert, dass die Designschicht 2 möglicherweise in einem Rotationsdruckverfahren aufgebracht worden sei, wodurch ihre Oberfläche als gerasterte Oberfläche ausgebildet wäre. Diesem hypothetischen Ansatz ist die Kammer jedoch nicht gefolgt. Das Vorlegen eines wenigstens abschnittsweise gerasterten Substrats bzw. einer gerasterten Beschichtung des Substrats ist der Druckschrift E6 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 auch gegenüber der Druckschrift E6 neu (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Erste Alternative - "Fall i)"
Die Beschwerdeführerin hat zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des ersten Alternativgegenstands von Anspruch 1 ausgehend sowohl von der Druckschrift E3 als auch von den Druckschriften E6 und E7 vorgetragen. Jede dieser Druckschriften offenbart ein Verfahren zum gerasterten Aufbringen von Fluiden, wobei ein zweites Fluid jeweils auf ein gerastertes erstes Bild aufgebracht wird und sich an den Stellen sammelt, die nicht mit dem ersten Fluid beschichtet sind.
Ausgehend von der Druckschrift E3
Wie oben in Punkt 5.1 bereits angegeben, offenbart die Druckschrift E3 in der Ausführungsform des vertauschten Druckverfahrens (s. Absatz [0007]) ein mit Tinte überzogenes Linienmuster aus transparentem Lack.
Ausgehend von der Druckschrift E3 ergeben sich für den ersten Alternativgegenstand somit folgende Unterschiede:
- [wobei] das erste Bild als Halbtonbild aufgetragen wird (Merkmal A.i) und
- wobei es sich bei dem zweiten Fluid um einen transparenten Lack handelt (Merkmal B2).
In Punkt 5 der Entscheidungsbegründung hat die Einspruchsabteilung keine objektive technische Aufgabe formuliert, sondern sich auf die Feststellung beschränkt, dass keine der Druckschriften E3, E6 oder E7 eine Anregung für die Verwendung von Halbtonbildern im Zusammenhang mit dem ersten Bild enthalte. Diese Feststellung ist jedoch nicht ausreichend, um die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands anzuerkennen. Vielmehr ist die Frage entscheidend, ob der gesamte vorliegende Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bietet, die objektive technische Aufgabe auf die von Anspruch 1 vorgeschlagene Weise zu lösen.
Ausgehend von der Druckschrift E3 ergeben sich die durch die Unterscheidungsmerkmale erreichten technischen Wirkungen und damit die objektive technische Aufgabe aus den Absätzen [0016] und [0017] des Patents: die Erzielung von ungestörten Glanzeffekten unter Nachbildung detailreicher, natürlicher Strukturen.
Die Beschwerdeführerin hat nicht überzeugend dargelegt, wie der Kernpunkt des in der Druckschrift E3 offenbarten vertauschten Druckverfahrens, nämlich die Beschichtung eines bestehenden Rasters mit einer Tinte, mit der Lehre des Dokuments E8, die Erzeugung eines Rasterbilds durch Auftragen von Tinte, technisch zu vereinbaren wäre. Auch hat sie keine stichhaltigen Gründe vorgetragen, weshalb der Fachmann das aus der Druckschrift E3 bekannte Raster gezielt für die Erzeugung von halbtonartigen Wiedergaben ausbilden würde. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Fachmann weder durch das allgemeine Fachwissen noch durch die technische Lehre des Dokuments E8 veranlasst wird, zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe das aus der Druckschrift E3 bekannte erste Bild als ein Halbtonbild aus einem transparenten Lack aufzutragen.
Ausgehend von der Druckschrift E6 oder E7
Die Druckschriften E6 und E7 offenbaren jeweils ein Herstellungsverfahren, bei dem ein Muster aus Tinte bzw. Druckfarbe mit einem transparenten Lack überzogen wird.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich folgendermaßen von den Druckschriften E6 (s. auch Punkt 5.3) und E7:
- wobei es sich bei dem ersten Fluid um einen transparenten Lack handelt (Merkmal A.i),
- [wobei] das erste Bild als Halbtonbild aufgetragen wird (Merkmal A.i) und
- [wobei] das erste Bild für das zweite Fluid ein latentes, transparentes Benetzungsbild darstellt (Merkmal D).
Die technische Wirkung des zweiten Unterscheidungsmerkmals folgt aus Absatz [0017] des Patents: die Nachbildung detailreicher, natürlicher Strukturen. Aus Absatz [0015] des Patents kann die technische Wirkung des ersten und des dritten Unterscheidungsmerkmals abgeleitet werden: Das erste Fluid beeinflusst die optisch wahrnehmbaren Effekte des erzeugten Rasters aus zweitem Fluid nur durch seine Rasterung, nicht jedoch durch seine Farbe; so können die optischen Effekte des zweiten Bilds verstärkt werden. Die objektive technische Aufgabe besteht deshalb in der Verstärkung der optischen Effekte unter Nachbildung detailreicher, natürlicher Strukturen.
Die Kammer schließt sich der Sichtweise der Beschwerdegegnerin an, dass mangels stichhaltiger Gründe für die gezielte Anpassung des aus der Druckschrift E6 bekannten Porenmusters bzw. des aus der Druckschrift E7 bekannten Holzmaserungs-Dessins zur Erzeugung von halbtonartigen Wiedergaben, eine solche Maßnahme für den Fachmann ausgehend von diesen Dokumenten nicht naheliegend wäre. Außerdem fehlen dem Fachmann schlüssige Gründe dafür, die für die Auftragung des ersten Bilds in den Druckschriften E6 und E7 verwendete Tinte bzw. Druckfarbe durch einen transparenten Lack zu ersetzen.
6.2 Zweite Alternative ("Fall ii)")
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den zweiten Alternativgegenstand ist die Beschwerdeführerin von der Druckschrift E6 ausgegangen, die, wie oben in Punkt 5.3 dargelegt, folgende Anspruchsmerkmale nicht offenbart:
- [wobei] im Fall ii) eines wenigstens in dem Abschnitt gerasterten Substrats oder einer wenigstens in dem Abschnitt gerasterten Beschichtung des Substrats ein verschieden gerastertes erstes Bild eines ersten Fluids auf das Substrat in dem Abschnitt aufgebracht wird (Merkmal A.ii),
- wobei beide Raster verschiedene Rasterformen und/oder Rastergrößen und/oder Rasterabstände und/oder Rasterwinkel aufweisen (Merkmal A.ii), und
- [wobei] das erste Bild für das zweite Fluid ein latentes, transparentes Benetzungsbild darstellt (Merkmal D).
Die durch die verschiedenen Rasterformen erreichte technische Wirkung kann gemäß Absatz [0014] und Absatz [0036] des Patents so formuliert werden, dass die endgültige Struktur aus dem zweiten Fluid aus sich heraus, d.h. ohne wesentliche Wechselwirkung mit dem Untergrund, einen optischen Effekt hervorruft.
Das latente, transparente Benetzungsbild sorgt seinerseits dafür, dass die optischen Effekte des zweiten Bilds verstärkt werden (s. Absatz [0015] des Patents). Damit besteht die objektive technische Aufgabe in der Verstärkung der optischen Effekte ohne wesentliche Wechselwirkung mit dem Untergrund.
Die Beschwerdeführerin hat die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Fachmann eine Veranlassung gehabt hätte, die in der Figur 1 der Druckschrift E6 gezeigte Designschicht 2, die nach Spalte 2, Zeile 43 bis 47 optional mit einer Versiegelung versehen ist, als gerasterte Oberfläche zu gestalten. Vielmehr ist der Beschwerdegegnerin darin recht zu geben, dass der Fachmann das in der Figur 1 der Druckschrift E6 gezeigte Substrat 1 als eindeutig ungerastert erkennen würde. Auch dem Argument der Beschwerdegegnerin, das der Fachmann einen technischen Rasterprozess zur gezielten Erzeugung von Löchern, die zwar materialbedingt in der Oberfläche des Substrats vorhandenen sein können, ausschließen würde, kann die Kammer beitreten, zumal ein solcher Prozess nicht in dem vorliegenden Stand der Technik offenbart ist.
Darüber hinaus ist für die Kammer nicht ersichtlich, aufgrund welcher Überlegungen der Fachmann veranlasst wäre, das aus der Druckschrift E6 bekannte Tintenmuster 3 bzw. das in der Druckschrift E7 offenbarte Druckfarbemuster als ein für das zweite Fluid latentes, transparentes Benetzungsbild zu gestalten.
6.3 Ergebnis
Aus den vorgenannten Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt hat, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags in naheliegender Weise aus dem vorgelegten Stand der Technik ergibt. Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
7. Anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr
7.1 Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung nach Artikel 116 (1) EPÜ in ihrem Schriftsatz vom 2. Dezember 2020, also innerhalb eines Monats ab Zustellung der von der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020, zurückgenommen, weshalb die vorliegende Entscheidung auf der Basis des schriftsätzlichen Vorbringens ohne mündliche Verhandlung ergeht (vgl. Punkt 1. oben).
7.2 Der Rückzahlungstatbestand nach Regel 103 (4) c) EPÜ ist damit erfüllt. Deshalb entscheidet die Beschwerdekammer nach Regel 103 (6) Satz 2 EPÜ, dass gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ die von der Beschwerdeführerin entrichtete Beschwerdegebühr anteilig in Höhe von 25 % zurückgezahlt wird.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 6 des Hauptantrags, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung;
Zeichnungen: Figuren 1 und 2 der Patentschrift.
3. Die Beschwerdegebühr wird in Höhe von 25% zurückgezahlt.