T 1841/16 24-02-2022
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Dialysevorrichtung
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Spät eingereichte Dokumente - zugelassen (nein) (ja)
I. Sowohl die Einsprechende als auch die Patentinhaberin legten Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 2 497 507 auf der Basis des ersten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 24. Februar 2022 statt.
III. Die endgültigen Anträge der Parteien lauten wie folgt:
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der ange-fochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte die Patentinhaberin die Auf-rechterhaltung des Patents in der von der Einspruchs-abteilung aufrechterhaltenen Fassung (erster Hilfsan-trag) oder auf Grundlage der Ansprüche des zweiten Hilfsantrags wie im Schreiben vom 26. November 2018 angegeben, der Ansprüche des dritten Hilfsantrags oder der Ansprüche des vierten Hilfsantrags, jeweils wie im Schreiben vom 25. Oktober 2019 angegeben.
IV. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:
D1: Drukker et al.: "Replacement of Renal Function by
Dialysis", Kluwer Academic Publishers, Fourth
edition, 1996, S. 344
D2: US-A-3,878,095
D3: DE-T-2 005 808
D4: WO-A-2010/040819
D5: WO-A-96/09080
D6: Gerthsen et al.: "Physik, ein Lehrbuch zum
Gebrauch neben Vorlesungen", Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York Tokyo, 15. Auflage,
1986, S. 210
D7: EGEC: "Ground source heat pump: a guide book",
2008
D8: US-A-2009/0038307
D9: WO-A-2007/120812
D10: US-A-5,861,555
D11: US-A-2010/0004534
D12: Auszug aus Wikipedia: "Wärmepumpe", Seite zuletzt
bearbeitet am 22. Februar 2011
D13: EP-A-1 132 101
D14: EP-A-0 269 442
D15: WO-A-03/020403
D16: EP-A-2 218 472
D17: Eidesstattliche Versicherung von Reiner
Spickermann, 4. März 2016 mit Email an R.
Spickermann vom 17. September 2010
D18: EP-A-2 595 670 und WO-A-2012/019693
D19: US-A-2004/0079089
Doc Check Flexicon "Hämoperfusion"
V. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:
"Dialysevorrichtung (2), umfassend folgende Merkmale:
einen Zufluss (4), um eine Dialysierflüssigkeit in einer Flussrichtung (6) zu einer Dialysemembran (8) zu leiten;
einen Abfluss (10), um ein Dialysat von der Dialyse-membran (8) abzuleiten gekennzeichnet durch eine mit dem Zufluss (4) gekoppelte Wärmepumpe (12), die ausge-bildet ist, um Wärmeenergie zwischen einem Wärmereser-voir (14) und der Dialysierflüssigkeit im Zufluss (4) auszutauschen."
VI. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch den am Ende des Anspruchs hinzugefügten folgenden Wortlaut:
"wobei die Dialysiervorrichtung ferner eine mit dem Zufluss (4) gekoppelte Entgasungsvorrichtung (20) aufweist, die ausgebildet ist, um in der Dialysier-flüssigkeit enthaltene Gase zu entfernen".
VII. Die Argumente der Einsprechenden zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D18
D18 offenbare eine Wärmepumpe in Form eines Peltier-Elements, das Wärme aus einem Wärmereservoir, z.B. der Umgebungsluft oder der gebrauchten Dialysierflüssig-keit, in den Zufluss der Dialysierflüssigkeit übertrage (Seite 25, Zeilen 4 bis 7; Seite 26, Zeilen 27 ff.). Außerdem beziehe sich D18 auf extrakorporale Blutbe-handlungen, bei denen Dialysierflüssigkeit zu einer Dialysemembran geleitet wird, was aus verschiedenen Textpassagen hervorgehe (Seite 1, Absatz 2; Seite 10, Absatz 4; Seite 13, Absatz 2; Seite 14, Absätze 2 und 4; Seite 21, letzter Absatz).
Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D18.
Erster Hilfsantrag - Ausreichende Offenbarung
Im Absatz [0027] des Streitpatents sei erwähnt, dass durch den Zufluss auch Bestandteile einer Dialysier-flüssigkeit geleitet werden können. Das Streitpatent lehre aber nicht, wie in diesem Fall Wärmeenergie zwischen einem Wärmereservoir und der Dialysierflüssig-keit im Zufluss ausgetauscht werden könne.
Ebenso sei es nicht möglich, dass die Entgasungsein-richtung im Zufluss die Dialysierflüssigkeit entgast, wenn im Zufluss lediglich ihre Bestandteile fließen.
Es gebe auch keine Hinweise, wie die verschriebene Konzentration und Zusammensetzung der Dialysierflüssig-keit nach der Entgasung sichergestellt werden könne.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher nicht ausführbar, wenn in dem Zufluss nicht die fertige Dialysierflüssigkeit, sondern nur einer ihrer Bestandteile geleitet werde.
Erster Hilfsantrag - Unzulässige Erweiterung
In den ursprünglichen Verfahrensansprüchen 13 bis 15 fänden sich keine Bezugnahmen auf eine Dialysevorrich-tung gemäß der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 11. Mittel zur Durchführung der Verfahrensschritte seien auch nicht implizit offenbart. Somit könne der Gegen-stand der Ansprüche 11 bis 13 des ersten Hilfsantrags den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht ent-nommen werden, so dass eine unzulässige Erweiterung vorliege.
Zudem beinhalte das Verfahren des ursprünglichen Anspruchs 13 das Temperieren der der Dialysemembran zugeleiteten Dialysierflüssigkeit, also das Erwärmen in der Dialysemembran. Dies sei aber mit der Vorrichtung, wie sie in den Absätzen [0042] bis [0044] beschrieben werde, nicht durchführbar, da hier die Erwärmung im Zufluss stattfinde. Diese Absätze könnten daher nicht als Stütze für den Gegenstand der Ansprüche 11 bis 13 dienen. Dieses neue Vorbringen sei bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erstmalig aufgefallen. Da der Einwand nicht komplex sei, sei er zuzulassen.
Erster Hilfsantrag - Neuheit gegenüber D18
Die in Figur 1 der D18 gezeigte Pumpe 9 könne als Entgasungsvorrichtung betrachtet werden, da in dieser eine Trennung zwischen Flüssigkeit und Gas erfolge.
Außerdem sei eine Entgasungseinrichtung implizit offenbart, da es zum Prioritätszeitpunkt der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung keine Dialyse-vorrichtungen ohne eine solche Einrichtung gegeben habe.
Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D18.
Zulassung der Dokumente D12, D14 bis D17, und D19
D12 sei ein Beleg für den allgemeinen Kenntnisstand des Fachmannes. Sowohl D14 als auch D15 offenbaren, dass eine Wärmepumpe in Form eines Peltier-Elements zum Temperieren von Blut oder dessen Bestandteilen einge-setzt werde. D16 zeige den Einsatz eines Peltier-Elements in der Medizintechnik, und D17 das Fachwissen der einschlägigen Fachkreise zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents.
D19 sei im Zuge einer Nachrecherche aufgrund des zweiten Hilfsantrags gefunden worden und betreffe ein thermoelektrisches System zu Temperaturregulierung eines Fluids, insbesondere einer Dialysierflüssigkeit. Es sei von höchster Relevanz auch für den ersten Hilfsantrag.
Da alle diese Druckschriften für den beanspruchten Gegenstand relevant seien, seien sie ins Beschwerde-verfahren zuzulassen.
Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D19 in Kombination mit D2, D3 oder D5
Obwohl sich die Ausführungsbeispiele der D19 auf die Erwärmung von Blut in kardiopulmonaren Verfahren beziehen, sei die Anwendung des thermoelektrischen Systems bei der Dialyse auch erwähnt (Absätze [0004], [0008], [0040] und [0041]). Daher unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nur darin, dass eine mit dem Zufluss gekoppelte Entgasungseinrichtung vorhanden sei.
Die technische Aufgabe sei es demnach, den Gehalt an störenden Gasen im Dialysator zu verringern.
Zu diesem Zweck seien aus der D3 (Seite 9, mittlerer Absatz, Figur 3) ein Gasblasenfänger sowie aus der D2 (Spalte 6, Zeilen 23 bis 32) und der D5 (Seite 5, Zeile 28) Entgasungsvorrichtungen im Dialysierflüssigkeits-zulauf bekannt.
Für den Fachmann sei es somit naheliegend, eine Ent-gasungseinrichtung in dem System gemäß D19 vorzusehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 bis D5 oder D10 in Kombination mit D19, D6, D7, D8, D9, D11 oder D13
Der Gegenstand des Anspruchs 1, abgesehen von den Merkmalen der Wärmepumpe, sei in D1 bis D5 oder D10 offenbart. Insbesondere sei aus D2 bekannt, die zulaufende Dialysierflüssigkeit mittels eines Wärme-tauschers 25 zu erwärmen (Figur 1).
Die sich dem Fachmann stellende Aufgabe könne darin gesehen werden, eine energieeffiziente und/oder alternative Methode zur Temperierung der Dialysier-flüssigkeit bereitzustellen.
Der Fachmann erhalte aus den Druckschriften D6, D7, und D8 Hinweise, dass Wärmepumpen im Hinblick auf ihren Wirkungsgrad vorteilhaft seien. Aus den Druckschriften D11 und D13 sei zudem bekannt, ein Peltier-Element, also eine Wärmepumpe, zum Erwärmen von medizinischen Flüsigkeiten, z.B. Substitutionsflüssigkeit, zu verwenden. Überdies offenbare die D9 die Temperierung einer Peritoneal-Lösung in einem Kühlschrank, der nach dem Prinzip einer Wärmepumpe arbeite.
D19 zeige die Verwendung einer Wärmepumpe zum Erwärmen von Dialysierflüssigkeit (Absätze [0004], [0008], [0040] und [0041]). Dabei werde in Absatz [0023] auf die Aufgabe, die Wärmetauscheffizienz zu verbessern, hingewiesen.
Der Fachmann würde daher den Einsatz einer Wärmepumpe in dem Dialysierflüssigkeitskreislauf einer der Entgegenhaltungen D1 bis D5 oder D10 als naheliegend in Erwägung ziehen, um die Energieeffizienz zu verbessern.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Die Argumente der Patentinhaberin zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D18
Ein Peltier-Element stelle eine besondere Bauart einer Wärmepumpe dar. Dabei diene eine Hälfte des Peltier-Elements als Wärmereservoir, von dem Wärme-energie auf die andere Hälfte übertragen werde. Es sei also in D18 kein separates Wärmereservoir vorhanden, aus welchem Wärmeenergie abgezogen und in die Dialysierflüssigkeit eingegeben werde.
Zudem sei D18 nicht eindeutig zu entnehmen, dass der Dialysefilter, zu dem die Dialysierflüsigkeit geleitet werde, zwangsläufig eine Dialysemembran haben müsse. Es könne sich auch, beispielsweise, um einen Aktivkohlefilter für eine Hämoperfusionsbehandlung handeln, durch den erwärmte Dialysierflüssigkeit zur Spülung hindurchgepumpt werde.
Im Falle einer Peritonealdialyse sei eine separate Dialysemembran gar nicht erforderlich, da das Bauchfell des Patienten als Dialysefilter fungiere.
Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D18.
Erster Hilfsantrag - Ausreichende Offenbarung
Unter Bezugnahme auf die Figuren 1, 3 und 4 würden im Streitpatent drei Ausführungsbeispiele beschrieben, in denen die Wärmepumpe an jenen Teil des Zuflusses angeschlossen ist, der Dialysierflüssigkeit führt. Im Übrigen sei ein Erwärmen der Dialysierflüssigkeit auch dadurch möglich, dass ein vorab erwärmter Bestandteil zugeführt werde.
Ebenso sei in den genannten drei Ausführungsbeispielen die Entgasungseinrichtung in jenem Bereich des Zuflusses angeordnet, der fertige Dialysierflüssigkeit führe. Eine Entgasung der Dialysierflüssigkeit könne aber auch im Bereich der einzelnen Bestandteile erfolgen, um das funktionale Merkmal zu erfüllen.
Die im Anspruch 1 definierte Erfindung sei daher über ihre gesamte Breite ausführbar.
Erster Hilfsantrag - Unzulässige Erweiterung
Die Merkmale der Ansprüche 11 bis 13 des ersten Hilfsantrags seien in den Absätzen [0013] und [[0016] bis [0018] der Offenlegungsschrift offenbart. Daher liege keine unzulässige Erweiterung vor.
Der in der mündlichen Verhandlung erstmalig erhobene Einwand bezüglich des Merkmals "dass die der Dialyse-membran zugeleitete Dialysierflüssigkeit mit der Wärme-pumpe temperiert wird" solle gemäß Artikel 13(2) VOBK nicht zugelassen werden.
Erster Hilfsantrag - Neuheit gegenüber D18
Es gebe keinerlei Hinweise, dass die Pumpe der D18 dazu ausgebildet sei, der zu fördernden Flüssigkeit darin gelöstes Gas zu entziehen. Daher sei eine Entgasungs-vorrichtung aus D18 nicht bekannt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit neu gegenüber D18.
Zulassung der Druckschriften D12, D14 bis D17 und D19
Die Einspruchsabteilung habe zu Recht entschieden, die verspätet eingereichten Druckschriften D12 und D14 bis D17 nicht ins Einspruchsverfahren zuzulassen, da sie für den Gegenstand der Erfindung nicht relevant seien. Sie sollten daher auch nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
D19 stelle keinen relevanten Stand der Technik dar. Infolge dessen solle D19 als verspätet zurückgewiesen werden.
1. Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D19 in Kombination mit D2, D3 oder D5
Aus D19 sei nicht bekannt, das thermoelektrische Element zum Beheizen der Dialysierflüssigkeit zu verwenden. Da dies auch nicht in D2, D3 oder D5 offenbart sei, führe eine Kombination dieser Druck-schriften nicht zum Erfindungsgegenstand.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher erfinderisch.
Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 bis D5 oder D10 in Kombination mit D19, D6, D7, D8, D9, D11 oder D13
In D2 sowie in sämtlichen übrigen Entgegenhaltungen, die sich auf eine Dialysemaschine beziehen, werde die Dialysierflüssigkeit mittels eines Wärmetauschers in Kombination mit elektrischen Heizelementen temperiert. In dem Wärmetauscher werde die frische Dialysierflüssigkeit durch das bereits erwärmte, gebrauchte Dialysat aufgeheizt. Dadurch werde bereits eine Energieersparnis gegenüber Vorrichtungen erreicht, die ausschließlich auf elektrische Heizeinrichtungen setzten. Das Problem der mangelnden Effizienz einer rein elektrischen Heizung sei daher bereits gelöst.
Die von der Einsprechenden zitierten Druckschriften D6, D7, D8, D9, D11 und D13 befassten sich mit dem Einsatz von Wärmepumpen in anderen technischen Anwendungen. Keine dieser Druckschriften beschreibe die Verwendung einer Wärmepumpe zur Erwärmung von Dialysierflüssigkeit im Zulauf zum Dialysator oder lege eine solche nahe. Möglicherweise sei eine Wärmepumpe als ungeeignet an-gesehen worden, große Volumenströme von Zimmertempera-tur oder weniger auf Körpertemperatur zu erhitzen.
D19 zeige lediglich die Erwärmung von Blut in einem extrakorporalen Kreislauf mittels einer Wärmepumpe. Dabei seien der Volumenstrom und das Temperaturinter-vall kleiner als im Dialysatkreislauf. Der Fachmann werde also durch D19 nicht angeregt, im Dialyse-flüssigkeitszufluss einer der Druckschriften D1 bis D5 oder D10 eine Wärmepumpe vorzusehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher erfinderisch.
1. Gegenstand der Erfindung
Die Erfindung bezieht sich auf eine Dialysevorrichtung mit einem Zufluss 4, um Dialysierflüssigkeit zu einer Dialysemembran zu leiten, und einem Abfluss 10, um Dialysat von der Dialysemembran abzuleiten (Figur 1). Der Zufluss ist mit einer Wärmepumpe 12 gekoppelt, die Wärmeenergie zwischen einem Wärmereservoir und der Dialysierflüssigkeit im Zufluss auszutauscht. Zusätz-lich (gemäss Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages) befindet sich im Zufluss eine Entgasungsvorrichtung 20, um in der Dialysierflüssigkeit enthaltene Gase zu entfernen.
Mittels der Wärmepumpe kann die Dialysierflüssigkeit von einer Anfangstemperatur von ca. 10° C auf die Körpertemperatur von ca. 36° C gebracht werden, um ein Abkühlen des Blutes, das auf der anderen Seite der Dialysemembran im extrakorporalen Kreislauf fließt, zu verhindern.
2. Hauptantrag - Neuheit gegenüber D18
Es ist unbestritten, dass D18 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ gehört, da D18 nach dem Anmeldetag des Patents veröffentlicht wurde, jedoch eine Priorität gültig beansprucht, die früher als das Anmeldedatum des Patents ist.
D18 offenbart in Figur 1 eine Dialysevorrichtung, bei der ein Peltier-Element 1 mit einem Zufluss 7 zu einer Behandlungseinrichtung (z.B. ein Dialysefilter) gekoppelt ist.
Ein Peltier-Element ist ein elektrothermischer Wandler, der basierend auf dem Peltier-Effekt bei Stromdurch-fluss durch zwei Halbleiter eine Temperaturdifferenz erzeugt. Wie in D18 beschrieben (Seite 26, Zeilen 22 bis 25), wird Wärme vom Kaltabschnitt 1b in Figur 1 auf den Warmabschnitt 1a gepumpt. Da die Leitung 7 im Bereich 5 in einer Wärmetauschbeziehung mit dem Warm-abschnitt 1a steht (Seite 23, Zeilen 18 bis 25), wird die durch sie hindurchfließende Dialysierflüssigkeit erwärmt.
Ein Peltier-Element kann als Wärmepumpe, wie sie in Anspruch 1 definiert ist, bezeichnet werden. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin findet ein Wärmeaustausch zwischen einem separaten Wärmereservoir (der Umgebungsluft 13 oder der in der Leitung 19 fließenden gebrauchten Dialysierflüssigkeit) und der Dialysierflüssigkeit statt.
Was das Merkmal "Dialysemembran" angeht, das nach Ansicht der Patentinhaberin nicht in D18 offenbart ist, merkt die Kammer an, dass Dialysierflüssigkeit als zu erwärmendes medizinisches Fluid in D18 explizit genannt wird (Seite 21, Zeilen 27 bis 29). Darüber hinaus erwähnt die Druckschrift D18 auf Seite 14, Zeilen 4 bis 9 eine Behandlungseinrichtung mit zwei Fluidkreis-läufen. Die einzige Blutbehandlungsvorrichtung, die einen Zufluss von (erwärmter) Dialysierflüssigkeit in einem vom extrakorporalen Blutkreislauf getrennten Fluid-kreislauf benötigt, ist ein Dialysator mit einer Dialysemembran. Eine Dialysemembran ist also implizit in D18 offenbart.
Dagegen benötigt das von der Patentinhaberin zitierte Hämoperfusionsverfahren keinen zweiten Fluidkreislauf, der Dialysierflüssigkeit zur Behandlungseinrichtung führt. Zudem wird die Flüssigkeit, die möglicherweise zum Spülen durch den extrakorporalen Kreislauf geleitet wird, nicht als Dialysierflüssigkeit bezeichnet. Auch bei der Peritonealdialyse gibt es keine zwei Fluid-kreisläufe. Diese Behandlungsverfahren können also in D18 im Zusammenhang mit der Dialysierflüssigkeit nicht gemeint sein.
Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu (Artikel 54(1) und (3) EPÜ) gegenüber D18.
3. Erster Hilfsantrag - Ausreichende Offenbarung
Die Einsprechende behauptet, es sei nicht möglich, Wärmeenergie zwischen einem Wärmereservoir und der Dialysierflüssigkeit im Zufluss auszutauschen, wenn lediglich Bestandteile einer Dialysierflüssigkeit im Zufluss fließen würden, was laut Absatz [0027] des Patents vorgesehen sei. Daher sei die Erfindung nicht ausreichend offenbart.
Gemäß Anspruch 1 ist der Zufluss vorgesehen, um eine Dialysierflüssigkeit zu leiten, und die Wärmepumpe ist mit dem Zufluss gekoppelt und ausgebildet, um Wärme-energie zwischen einem Wärmereservoir und der Dialy-sierflüssigkeit im Zufluss auszutauschen. Der Fachmann erhält also die Information, dass die Wärmepumpe durch ihre Kopplung mit dem Zufluss zum Wärmeaustausch zwischen dem Wärmereservoir und der Flüssigkeit im Zufluss ausgebildet ist. Dabei ist es unerheblich, welche Flüssigkeit sich im Zufluss befindet.
Anspruch 1 sieht auch eine Entgasungsvorrichtung vor, die ausgebildet ist, um in der Dialysierflüssigkeit enthaltene Gase zu entfernen. Der Bezug auf die Dialy-sierflüssigkeit, die anspruchsgemäß im Zufluss geleitet werden kann, vermittelt dem Fachmann die Information, dass die Entgasungsvorrichtung zur Entfernung der Gase in der Flüssigkeit im Zufluss ausgebildet ist. Auch hier ist es unerheblich, welche Flüssigkeit sich im Zufluss tatsächlich befinden soll.
Die Erfindung, wie sie im Anspruch definiert ist, ist somit durch die Ausführungsbeispiele in der Beschrei-bung ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).
4. Erster Hilfsantrag - Unzulässige Erweiterung
4.1 Die Merkmale der abhängigen Ansprüche 11 bis 13 sind in der ursprünglich eingereichten Beschreibung im Zusammenhang mit der Vorrichtung nach den Ansprüchen 1 bis 10 offenbart,und zwar auf Seite 4, Zeile 29 bis Seite 5, Zeile 6 und auf Seite 5, Zeile 27 bis Seite 6, Zeile 20, die den von der Patentinhaberin erwähnten Absätzen [0013] und [0016] bis [0018] der Offen-legungsschrift entsprechen. Aus Seite 4, Zeile 29 bis Seite 5, Zeile 6 und aus Seite 12, Zeile 30, bis Seite 13, Zeile 4, im Zusammenhang mit Figur 3 geht hervor, dass die der Dialysemembran zugeleitete Dialysier-flüssigkeit, also die Dialysierflüssigkeit im Zufluss, durch die Wärmepumpe 12 erwärmt wird. Der in Anspruch 13 definierte Spülvorgang ist auch auf Seite 13, Zeilen 19 bis 29 beschrieben.
4.2 Dieser Einwand der Einsprechenden nach Artikel 123(2) EPÜ gegen die abhängigen Ansprüche 11 bis 13 ist somit nicht erfolgreich.
4.3 Der Einwand, die Ansprüche 11 und 12 bezögen sich auf eine Erwärmung der Dialyseflüssigkeit im Dialysator und nicht im Zulauf, wurde von der Einsprechenden erstmalig während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht. Die Einsprechende hat keine stichhaltigen Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 für diese Änderung des Beschwerdevorbringens vorliegen. Die Ausführungen, nach welchen dieses neue Vorbringen bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erstmalig aufgefallen und der Einwand nicht komplex sei, stellen keine außergewöhnlichen Umstände dar. Folglich wurde dieser Einwand gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zugelassen.
5. Erster Hilfsantrag - Neuheit gegenüber D18
5.1 Die in Figur 1 der D18 gezeigte Pumpe 9 kann nicht als Entgasungsvorrichtung angesehen werden, da es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass sie ausgebildet ist, um in der Dialysierflüssigkeit enthaltene Gase zu entfernen.
5.2 Die Behauptung der Einsprechenden, eine Entgasungs-vorrichtung sei implizit in D18 offenbart, da es zum Prioritätszeitpunkt keine Dialysevorrichtungen ohne eine solche Vorrichtung gegeben habe, wurde von dieser nicht belegt. Daher liegt für die Kammer eine implizite Offenbarung dieses Merkmals nicht vor.
5.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber D18 (Artikel 54(1) und (3) EPÜ).
6. Zulassung der Druckschriften D12, D14 bis D17 und D19
Die Einspruchsabteilung hat die verspätet vorgebrach-ten Druckschriften D12 und D14 bis D17 für nicht prima facie relevant erachtet und sie deshalb nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen.
Die Einsprechende beantragte die Zulassung dieser Dokumente in das Beschwerdeverfahren.
Die Kammer ist so wie die Einspruchsabteilung der Ansicht, dass die genannten Druckschriften nicht über den Offenbarungsgehalt anderer, bereits im Verfahren befindlicher Druckschriften hinausgehen.
Aus diesen Gründen wurden die Druckschriften D12 und D14 bis D17 gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
D19 wurde mit Schreiben vom 14. März 2019 als Reaktion zu einem neuen, im Schreiben vom 26. November 2018 angegebenen Hilfsantrag eingereicht. D19 ist prima facie relevant, da Systeme zur Temperaturregulierung einer Dialysierflüssigkeit (Absatz [0004]) in diesem Dokument erwähnt werden. D19 wurde von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13(1) VOBK zugelassen.
7. Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D19 in Kombination mit D2, D3 oder D5
Die Druckschrift D19 befasst sich mit dem Erwärmen von Blut in einem kardiopulmonaren Kreislaufsystem mittels thermoelektrischer Module, die als Wärmepumpen betrachtet werden können (Absätze [0040] und [0041]). In den Absätzen [0004] und [0008] wird zwar erwähnt, dass es üblich ist, Dialysierflüssigkeit zu erwärmen. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass die beschriebene Vorrichtung im Zulauf zu einem Dialysator angeordnet ist oder für eine solche Anordnung geeignet ist.
Entgegen der Meinung der Einsprechenden offenbart D19 also nicht eine Dialysevorrichtung mit einer mit dem Dialysierflüssigkeitszufluss gekoppelten Wärmepumpe. Die Argumente der Einsprechenden, die auf der Annahme basieren, der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Vorrichtung der D19 lediglich darin, dass eine mit dem Zufluss gekoppelte Entgasungseinrichtung vorhanden sei, können also nicht überzeugen.
Ausgehend von D19 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 daher erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
8. Ester Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 bis D5 oder D10 in Kombination mit D19, D6, D7, D8, D9, D11 oder D13
D1 bis D5 oder D10 offenbaren eine Dialysevorrichtung , von der sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch eine mit dem Zufluss gekoppelte Wärmepumpe, die ausgebildet ist, um Wärmeenergie zwischen einem Wärmereservoir und der Dialysierflüssigkeit im Zufluss auszutauschen, unterscheidet.
Eine Wärmepumpe weist im Vergleich zu einer elek-trischen Heizung einen höheren Wirkungsgrad auf. Die technische Wirkung dieses Unterscheidungsmerkmals besteht also darin, dass die zum Betrieb der Dialyse-vorrichtung erforderliche Energie reduziert wird.
Das zu lösende Problem ist demnach, die Dialysebehandlung im Hinblick auf den Energieverbrauch effizienter und damit kostengünstiger zu machen.
In den Vorrichtungen gemäß D1 bis D5 oder D10 wird die Dialysierflüssigkeit mittels eines Wärmetauschers in Kombination mit elektrischen Heizelementen temperiert. Insbesondere wird die Dialysierflüssigkeit in der Vor-richtung gemäß D2 mittels einer Kombination aus Wärme-tauscher (E) und elektrischer Heizung (R) erwärmt. Im Wärmetauscher wird die Restwärme der gebrauchten Dialy-sierflüssigkeit benutzt, um die frische Flüssigkeit vorzuwärmen, bevor sie von der elektrischen Heizung weiter erhitzt wird (Spalte 2, Zeilen 29 bis 38). Dadurch wird der Stromverbrauch der elektrischen Heizung signifikant reduziert und somit bereits eine energieeffizientere Dialysevorrichtung geschaffen.
Es gehört zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, dass Wärmepumpen einen besseren Wirkungsgrad als andere Heizeinrichtungen haben (D6, D7 und D8). Weiterhin ist aus D13 (Absatz [0050], Figur 1) und aus D19 (Absätze [0040] und [0041] bekannt, ein Peltier-Element oder ein thermoelektrisches Modul als Wärmepumpe zum Erwärmen von medizinischen Flüssigkeiten, wie z.B. Blut in einem extrakorporalen Kreislauf oder Substitutionsflüssig-keit, zu verwenden. In diesen Fällen geht es allerdings darum, relativ kleine Volumenströme um wenige Grad zu erwärmen.
Dagegen müssen während einer Dialysebehandlung üb-licherweise mehr als 100 l Dialysierflüssigkeit von typischerweise ca. 10°C Eintrittstemperatur auf eine Temperatur von 36°C (Bluttemperatur) erwärmt werden (Absätze [0006] bis [0008] des Streitpatents). Keine der von der Einsprechenden vorgelegten Druckschriften legt jedoch nahe, zu diesem Zweck eine Wärmepumpe im Zulauf zu einem Dialysator einzusetzen.
Würde der Fachmann die Lehre von D13 oder D19 berücksichtigen, würde er ein Peltier-Element allenfalls vorsehen, um im extrakorporalen Blutkreislauf das Blut nach dem Durchströmen des Dialysators wieder auf die Körpertemperatur zu erwärmen, nicht aber um die Dialysierflüssigkeit im Zulauf zum Dialysator zu erwärmen.
In D11 wird mittels einer Wärmepumpe oder eines Peltier-Elements Flüssigkeit in einem Reservoir zur Betätigung eines Injektors erwärmt (Absatz [0025], Figur 1). Es handelt sich hierbei aber nicht um eine medizinische Flüssigkeit. In D9 wird vorgeschlagen, einen Wärmetauscherbeutel, der von biologischer Flüssigkeit (z.B. Blut) durchflossen wird, zum Kühlen in einen Kühlschrank zu legen (Seite 99, Zeilen 11 bis 14). Der Fachmann kann jedoch auch diesen Offenbarungen keinen Hinweis entnehmen, eine Wärmepumpe zum Erwärmen in einem Dialysierflüssigkeitszufluss vorzusehen.
Ausgehend von einer der D1 bis D5 oder D10 in Kombination mit D19, D6, D7, D8, D9, D11 oder D13 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 daher auch erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
9. Somit steht keiner der von der Einsprechenden erhobenen Einwände der Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem ersten Hilfsantrags entgegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.