T 0086/17 10-11-2020
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Becher aus einem Papiermaterial
Spät vorgebrachter Klarheitseinwand - zugelassen (nein)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Hauptantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2080715 in geändertem Umfang form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ sowie unzulässige Erweiterung nach Artikel 100 c) EPÜ.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung,
- dass der Gegenstand des Produktanspruchs 1 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 4. Oktober 2016 eingereichten Hauptantrag zwar die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ erfüllte, allerdings der Gegenstand des nebengeordneten Verfahrensanspruchs 8 gemäß Hauptantrag nicht neu war, und
- dass der Gegenstand des Produktanspruchs 1 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag, der auf die Produktansprüche des Hauptantrags beschränkt war, die Erfordernisse des EPÜ erfüllte.
Daher wurde das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der Produktansprüche gemäß Hilfsantrag aufrechterhalten.
IV. Im Beschwerdeverfahren haben die Parteien folgende Anträge gestellt:
Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 4. Oktober 2016,
oder hilfsweise
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag 1, der dem Anspruchssatz gemäß der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung des Patent entsprach, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 4. Oktober 2016, d.h. die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden,
oder weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag 2, erstmals eingereicht mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019.
Die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 18. März 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen wäre, während die Beschwerde der Patentinhaberin erfolgreich sein dürfte.
In Reaktion auf diese Mitteilung brachte die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 Argumente zur Berücksichtigung des Hilfsantrags 2 im Verfahren vor.
VI. Am 10. November 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert wurde. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
VII. Es wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D2: WO 2008/009372 A1
D3: JP 2003-128 038 A sowie zwei beglaubigte deutsche Übersetzungen (Übersetzung RWS und Übersetzung Kobayashi)
D4: FR 1 181 342 A
E1: JP 2001-192 015 A
E3: EP 1 254 842 A1
E4: JP 2003-312635 A
E6: US 6,260,756 B1
E7: DE 10 2005 017 741 A1.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"1. Becher (1) aus einem Papiermaterial mit einem befüllbaren Innenraum (5), der durch einen konischen Mantel (2) und einen Boden (3) gebildet wird, wobei der Boden (3) am unteren Ende des Innenraums (5) mit einer Zarge (4) im Wesentlichen flüssigkeitsdicht am Mantel (2) befestigt ist, wobei der Mantel (2) und/oder der Boden (3) im Bereich der Zarge (4) und/oder die Zarge (4) selbst wenigstens in einem Bereich entlang des Umfangs eine nach außen ragende Aufweitung (10) aufweist, und dass ein unterer Rand (14) der Aufweitung (10) eine Standfläche für den Becher (1) bildet, wobei der Becher (1) einen Außenmantel (17) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der konische Außenmantel (17) an seinem unteren Ende eine nach innen gerichtete Einrollung (20) aufweist, die einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel (17) verlaufenden Bereich (23) aufweist, wobei der Innendurchmesser (U) an der oberen Kante der Einrollung (20) größer ist als der größte Außendurchmesser (Y) der Aufweitung (10) an der Zarge (4)."
Der unabhängige Anspruch 8 gemäß Hauptantrag lautet:
"8. Verfahren zum Herstellen eines Bechers aus einem Papiermaterial, der aus einem konischen Mantel und einem im Bereich des geringeren Umfangs des Mantels eingesetzten Boden besteht, wobei der Boden mit dem Mantel unter Bildung einer Zarge verbunden wird, wobei während der Bildung der Zarge der Mantel und/oder der Boden im Bereich der Zarge und/oder die Zarge selbst wenigstens in einem Bereich entlang des Umfangs nach außen aufgeweitet wird, so dass ein unterer Rand der Aufweitung eine Standfläche für den Becher bildet, dadurch gekennzeichnet, dass ein Außenmantel auf den, den Innenraum begrenzenden konischen Mantel aufgeschoben und fixiert wird und wobei - nach dem Formen der aufgeweiteten Zarge - der hülsenförmig vorgeformte Außenmantel in axialer Richtung auf den, den Innenraum begrenzenden konischen Mantel aufgeschoben wird."
IX. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgende Merkmalsgliederung von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag Bezug genommen (entsprechend der Anlage zur Beschwerdebegründung der Patentinhaberin):
1a) Becher (1) aus einem Papiermaterial mit einem befüllbaren Innenraum (5),
1b) der durch einen konischen Mantel (2) und einen Boden (3) gebildet wird,
1c) wobei der Boden (3) am unteren Ende des Innenraums (5) mit einer Zarge (4) im Wesentlichen flüssigkeitsdicht am Mantel (2) befestigt ist,
1d) wobei der Mantel (2) und/oder der Boden (3) im Bereich der Zarge (4) und/oder die Zarge (4) selbst wenigstens in einem Bereich entlang des Umfangs eine nach außen ragende Aufweitung (10) aufweist, und
1e) dass ein unterer Rand (14) der Aufweitung (10) eine Standfläche für den Becher (1) bildet,
1f) wobei der Becher (1) einen Außenmantel (17) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass
1g) der konische Außenmantel (17) an seinem unteren Ende eine nach innen gerichtete Einrollung (20) aufweist,
1h) die einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel (17) verlaufenden Bereich (23) aufweist,
1i) wobei der Innendurchmesser (U) an der oberen Kante der Einrollung (20) größer ist als der größte Außendurchmesser (Y) der Aufweitung (10) an der Zarge (4).
Ferner wird auf die folgende Merkmalsgliederung von Anspruch 8 gemäß Hauptantrag Bezug genommen (entsprechend der Anlage zur Beschwerdebegründung der Patentinhaberin):
8a) Verfahren zum Herstellen eines Bechers aus einem Papiermaterial,
8b) der aus einem konischen Mantel und einem im Bereich des geringeren Umfangs des Mantels eingesetzten Boden besteht,
8c) wobei der Boden mit dem Mantel unter Bildung einer Zarge verbunden wird,
8d) wobei während der Bildung der Zarge der Mantel und/oder der Boden im Bereich der Zarge und/oder die Zarge selbst wenigstens in einem Bereich entlang des Umfangs nach außen aufgeweitet wird,
8e) so dass ein unterer Rand der Aufweitung eine Standfläche für den Becher bildet, dadurch gekennzeichnet, dass
8f) ein Außenmantel auf den, den Innenraum begrenzenden konischen Mantel aufgeschoben und fixiert wird und
8g) wobei - nach dem Formen der aufgeweiteten Zarge - der hülsenförmig vorgeformte Außenmantel in axialer Richtung auf den, den Innenraum begrenzenden konischen Mantel aufgeschoben wird.
X. Eine Wiedergabe des Wortlauts der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge ist nicht erforderlich, da der Entscheidungsausspruch zum Hauptantrag ergeht.
XI. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Revidierte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen
Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikeln 12 (4) bis (6) und 13 (2) VOBK 2020, anstelle derer Artikel 12 (4) und 13 VOBK 2007 weiterhin anwendbar sind (Artikel 25 (2) und (3) VOBK 2020).
2. Zulassung ins Verfahren des Klarheitseinwandes bezogen auf die Merkmale 1h) und 1i) von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag - Artikel 13 VOBK 2007 und Artikel 13 (1) VOBK 2020
Die Einsprechende erhebt zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer einen Klarheitseinwand bezüglich der Merkmale 1h) und 1i) von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Somit liegt eine Änderung des Vorbringens der Einsprechenden gegenüber der Begründung ihrer Beschwerde bzw. ihrer Erwiderung auf die Beschwerde der Patentinhaberin vor, deren Zulassung ins Verfahren gemäß Artikel 13 VOBK 2007 und Artikel 13 (1) VOBK 2020 im Ermessen der Kammer steht.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist ein die Änderung des Vorbringens in diesem späten Stadium des Verfahrens rechtfertigender Grund, wenn es stichhaltige Gründe für das verspätete Vorbringen gibt. Eine Änderung ist beispielsweise als Reaktion auf unvorhersehbare Entwicklungen im Verfahren gerechtfertigt, wie etwa auf Bemerkungen oder Einwände, die erstmals im Verfahren vorgebracht wurden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.A.4.5.).
Die Einsprechende argumentiert zur Rechtfertigung der Änderung ihres Vorbringens, dass diese wiederum durch einen geänderten Vortrag der Patentinhaberin im Schriftsatz vom 20. Mai 2020 veranlasst sei. Auf Seite 2, vorletzter Absatz, dieses Schriftsatzes habe die Patentinhaberin zugestanden, dass der im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufende Bereich der Einrollung gemäß Merkmal 1h) von Anspruch 1 zumindest nahe an der Innenseite des Außenmantels verläuft und dort auch anliegen kann und zumindest auch eine Schräge wesentliche Merkmale der Erfindung seien, um ein Aufschieben des Außenmantels zu vereinfachen. Dies ergäbe sich aus Merkmal 1i) von Anspruch 1. Dadurch sei erstmals ersichtlich geworden, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht alle wesentlichen Merkmale der Erfindung definiere und nicht den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ genüge.
Die Kammer merkt an, dass sich die Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 20. Mai 2020 auf Seite 2, vorletzter Absatz, inhaltlich lediglich auf den Absatz [0049], Spalte 12, Zeilen 41 bis 48, der Patentschrift bezieht. Eine Änderung des Vortrags bzw. ein Zugeständnis der Patentinhaberin, das eine unvorhersehbare Entwicklung im Verfahren darstellte, ist hingegen nicht zu erkennen. Der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt wird durch den genannten Vortrag der Patentinhaberin in keiner Weise geändert.
Daher sieht die Kammer den von der Einsprechenden in Bezug genommen Vortrag der Patentinhaberin nicht als eine erstmals im Verfahren vorgebrachte Bemerkung an, die ein geändertes Vorbringen der Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer rechtfertigte. Die Kammer erachtet den von der Einsprechenden zur Rechtfertigung ihres geänderten Vorbringens vorgetragenen Grund einer Reaktion auf den Vortrag der Patentinhaberin folglich nicht als stichhaltige Begründung für die Zulassung des verspäteten Klarheitseinwands ins Verfahren an.
Zudem stützt sich der verspätet vorgebrachte Klarheitseinwand auf das im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vorhandene Merkmal 1h) bzw. resultiert aus dem im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vorhandene Merkmal 1i), wie von der Einsprechenden selbst eingeräumt, der bereits der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag. Somit waren die Merkmal 1h) bzw. 1i) von Anspruch 1 der Einsprechenden schon bei Einlegung der Beschwerde bekannt. Selbst wenn der Einsprechenden der vorgebrachte Klarheitsmangel erst auf den Schriftsatz der Patentinhaberin vom 20. Mai 2020 hin auffiel, hätte der Klarheitseinwand bezüglich der Merkmale 1h) und 1i) bereits früher im Verfahren geltend gemacht werden können und müssen, spätestens jedoch mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden.
Daher übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 13 VOBK 2007 und Artikel 13 (1) VOBK 2020 dahingehend aus, den Klarheitseinwand hinsichtlich Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht ins Verfahren zuzulassen.
3. Änderungen (Artikel 123 (3) EPÜ) - Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
3.1 Die Einsprechende wendet sich gegen die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ erfüllt. Hierbei argumentiert die Einsprechende anhand einer auf Seite 2 der Beschwerdebegründung als Abbildung 1 bezeichneten Skizze (siehe unten), dass die Änderung der Definition von "am oberen Ende der Einrollung" im erteilten Anspruch 1 zu "an der oberen Kante der Einrollung" im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag als schutzbereichserweiternd zu betrachten sei.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
(Abbildung 1 auf Seite 2 der Beschwerdebegründung der Einsprechenden)
Bei der in obiger Abbildung 1 dargestellten Einrollung 20 sei der Durchmesser DE am oberen Ende E der Einrollung 20 kleiner als der Außendurchmesser DZ der Zarge 4. Die Ausgestaltung falle also nicht unter den erteilten Schutzanspruch. Bei der beispielhaften Ausgestaltung in Abbildung 1 sei der Innendurchmesser DK an der oberen Kante K der Einrollung 20 größer als der größte Außendurchmesser DZ der Aufweitung an der Zarge 4. Somit falle die Gestaltung unter den Schutzbereich des Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Der nach Anspruch 1 im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufende Bereich führe nicht quasi automatisch zu einem Zusammenfallen von oberer Kante und oberem Ende der Einrollung. Der in Abbildung 1 an den Bechermantel 2 grenzende Bereich der generell runden Einrollung 20 stelle einen im Wesentlichen parallel verlaufenden Bereich zum Außenmantel 17 bereit.
Auch dem Streitpatent sei nicht zu entnehmen, dass die obere Kante und das obere Ende zwangsläufig zusammenfallen müssten. Vielmehr werden diese Begriffe getrennt benutzt (siehe Absatz [0068] des Streitpatents), was darauf schließen ließe, dass die von ihnen definierten Bereiche der Einrollung nicht zusammenfallen müssten.
Somit sei der Schutzbereich des Streitpatents nach Erteilung so erweitert worden, dass Ausgestaltungen darunter fielen, die nicht unter den erteilten Anspruch 1 gefallen wären.
3.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und folgt der angefochtenen Entscheidung unter Punkt II.2.1.4) sowie der Meinung der Patentinhaberin, dass sich unter Heranziehung der Patentschrift aus Figuren 4, 5 und 10 sowie der Beschreibung im Absatz [0068], Spalte 17, Zeilen 34 bis 41, eindeutig ergibt, dass die obere Kante der nach innen gerichteten Einrollung auch das obere Ende der nach innen gerichteten Einrollung definiert.
Die in Abbildung 1 eingereichte Skizze der Einsprechenden ist als eine theoretisch abstrakte Darstellung zu betrachten, die sich allerdings nicht an der Gesamtlehre von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag orientiert. Vor dem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Offenbarung in Absatz [0068] der Patentschrift liest der Fachmann die Begriffe "oberes Ende" und "obere Kante" vielmehr als Synonyme. Die Begriffe werden im Absatz [0068] also nicht, wie von der Einsprechenden argumentiert, getrennt, sondern in der Tat gleichbedeutend verwendet.
Die Einsprechende entgegnete in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass bei der Betrachtung der Schutzbereichserweiterung vor dem Hintergrund von Absatz [0068] auf eine Ausführungsform abgestellt werde. Der Schutzbereich von Anspruch 1 sei aber nicht auf die in Absatz [0068] der Patentschrift beschriebene Ausführungsform beschränkt bzw. nicht durch diese Ausführungsform bestimmt, sondern die Ansprüche definierten den Schutzgegenstand.
Die Kammer merkt an, dass sich Absatz [0068] der Patentschrift nicht nur auf eine Ausführungsform bezieht, sondern darüber hinaus geht. Denn in Absatz [0068], Spalte 17, Zeilen 36 bis 37, ist angegeben, dass dies auch, d.h. unter anderem, Figur 5 zu entnehmen ist. Daher ist Anspruch 1 vor dem Hintergrund von Absatz [0068] der Patentschrift nicht reduziert auf die Ausführungsform nach Figur 5 zu lesen.
Anhand von Absatz [0068] und den Figuren 4, 5 und 10 der Patentschrift ist entsprechend der Meinung der Patentinhaberin festzustellen, dass es beim beanspruchten Gegenstand ausschließlich um Einrollungen geht, die gemäß Merkmal 1h) einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufweisen und die gemäß Merkmal 1i) eine obere Kante der Einrollung aufweisen, wobei diese obere Kante gleichzeitig das obere Ende der Einrollung darstellt. In den Figuren 4, 5 und 10 ist eindeutig zu erkennen, dass der parallel zum Außenmantel verlaufende Bereich mit seiner oberen Kante oder seinem oberen Ende auch das obere Ende oder die obere Kante der nach innen gerichteten Einrollung definiert, wobei die obere Kante und das obere Ende der Einrollung identisch sind.
Die Definitionen "am oberen Ende der Einrollung" und "an der oberen Kante der Einrollung" werden im Streitpatent gleichbedeutend verwendet.
Somit liegt keine Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents vor, so dass die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ erfüllt sind.
4. Neuheit gegenüber Dokument D3 (Artikel 54 (2) EPÜ) -
Anspruch 8 gemäß Hauptantrag
4.1 Die Patentinhaberin wendet sich gegen die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 8 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der Offenbarung von Dokument D3 ist und argumentiert, dass D3 das Merkmal 8g) von Anspruch 8 nicht beschreibe, wobei - nach dem Formen der aufgeweiteten Zarge - der Außenmantel in axialer Richtung auf den, den Innenraum begrenzenden konischen Mantel aufgeschoben wird.
4.2 Die Einsprechende weist darauf hin, dass Anspruch 1 von D3 offenbare, "dass die äußere Manschette [7] zwischen dem unteren Rand des eingerollten Teils 5 des Pappbecher-Hauptteils 8 und dem Erweiterungsanfangsteil des Erweiterungsteils 3 mittels einer kleberlosen Struktur eingeschoben und befestigt wird." Hier werde also ein Einschubvorgang beschrieben, bei dem die Zarge in Form des Erweiterungsteils 3 bereits existiere. Nachdem ein Aufschieben nur in axialer Richtung möglich sei, werde gemäß D3 der Außenmantel in Form der Manschette 7 auf den Innenmantel in Form des Pappbecher-Hauptteils 8 axial aufgeschoben, an dem bereits die Zarge in Form des Erweiterungsteil 3 vorliege. Auch zeigten die Gestaltungen gemäß den Absätzen [0010], [0013] und [0021] von D3 jeweils Verfahren, wobei die Zarge 3 bereits aufgeweitet sei, wenn die äußere Hülle 7 aufgeschoben werde, so dass sie den Gegenstand von Anspruch 8 neuheitsschädlich vorwegnähmen.
Dass in den jeweiligen Übersetzungen von D3 in Absatz [0021] eindeutig ein Vorgang und somit ein Verfahren zum Herstellen eines Bechers beschrieben werde, zeige sich im Übrigen auch an der sprachlichen Verwendung des Vorgangspassivs, das zur Beschreibung einer Handlung bzw. des Verfahrens in Absatz [0021] eingesetzt werde, im Gegensatz zum Zustandspassiv, das zur Beschreibung des Produkts verwendet werde.
4.3 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und teilt die Meinung der Patentinhaberin, dass sich zwar die Absätze [0030] und [0031] von D3 eindeutig auf das Verfahren zum Herstellen eines Bechers beziehen, wonach allerdings zunächst die äußere Hülle aufgeschoben und dann die Zarge aufgeweitet wird. Jedoch ist in den Absätzen [0010], [0013] und [0021] keine eindeutige und unmittelbare Offenbarung zu finden, die die Reihenfolge des Aufschiebens der äußeren Hülle und des Aufweitens der Zarge gemäß Anspruch 8 betrifft.
Der Vortrag der Einsprechenden zum Vorgangs- und Zustandspassiv betrifft eine rein grammatikalische Interpretation von D3. Die Kammer folgt der Auffassung der Patentinhaberin, dass der Fachmann die Lehre von D3 vor dem Hintergrund seines allgemeinen Fachwissens als Ingenieur auf dem Gebiet der Verpackungstechnologie liest, aber nicht sprachlich im Hinblick auf eine mögliche grammatikalische Interpretation analysiert. Der Fachmann kann der Offenbarung im Absatz [0021] von D3 nicht eindeutig entnehmen, ob ein Produkt oder ein Verfahren beschrieben ist. Dies lässt der Absatz [0021] vielmehr offen. Hingegen ist in den Absätzen [0030] und [0031] unmittelbar und eindeutig das Verfahren zum Herstellen eines Bechers gemäß der Lehre von D3 angegeben. Im Lichte der Offenbarung in den Absätzen [0030] und [0031] ist somit eine klare Abgrenzung zwischen der Lehre von D3, die das Verfahren zum Herstellen eines Bechers explizit in den Absätzen [0030] und [0031] beschreibt, und der Lehre von D3 zu finden, die in den Absätzen [0010], [0013] und [0021] Gestaltungen des Bechers beschreibt.
Daher offenbart D3, entgegen der Feststellung der angefochten Entscheidung, das Merkmal 8g) weder implizit noch explizit, dass - nach dem Formen der aufgeweiteten Zarge - der hülsenförmig vorgeformten Außenmantel in axialer Richtung auf den, den Innenraum begrenzenden konischen Mantel aufgeschoben wird, so dass der Gegenstand von Anspruch 8 neu gegenüber der Offenbarung von D3 ist.
5. Neuheit gegenüber Dokument E1 (Artikel 54 (2) EPÜ) -
Anspruch 8 gemäß Hauptantrag
5.1 Die Einsprechende argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 8 nicht neu gegenüber der Offenbarung von E1 sei. Dabei offenbare E1 auch das Merkmal 8e) von Anspruch 8, wonach ein unterer Rand der Aufweitung eine Standfläche für den Becher bildet.
Nach Figur 3 von E1 werde der Boden 12 mit dem Mantel 11 unter Bildung einer Zarge 14 verbunden (Merkmal 8c)), wobei während der Bildung der Zarge der Mantel beziehungsweise die Zarge 14 wenigstens in einem Bereich entlang des Umfangs nach außen aufgeweitet werde (Merkmal 8d); siehe Figur 3, Absätze 19 bis 22). Damit bildet der untere Rand der Aufweitung 14 eine Standfläche für den Becher, so dass Merkmal 8e) im Zwischenprodukt nach Figur 3 von E1 gezeigt sei. Gemäß Merkmal 8d) werde unter anderem definiert, dass die Zarge selbst aufgeweitet werde. Somit sei die Lage der Aufweitung nicht auf den Boden oder den Mantel begrenzt, sondern werde auch allgemein als Teil der Zarge definiert. Aus Figur 1 von E1 sei klar erkenntlich, dass das Umschlagteil 22 Teil der Zarge sei und die Standfläche bilde. Folglich werde durch E1 Merkmal 8e) vorweggenommen. Somit sei der Gegenstand von Anspruch 8 nicht neu gegenüber der E1.
5.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und teilt die Meinung der Patentinhaberin, dass sich das Merkmal 8e) auf den fertiggestellten Becher bezieht. Denn Anspruch 8 ist auf ein Verfahren zum Herstellen eines Bechers gerichtet.
Die Einsprechende bezieht sich auf die Figuren 3 und 1 von E1. Figur 3 zeigt jedoch noch keinen fertiggestellten Becher, sondern vielmehr das Verpressen und Aufweiten einer Zarge des Bechers, mit der Mantel und Boden des Bechers miteinander verbunden werden. Den fertiggestellten Becher zeigt hingegen die Figur 1 von E1. Entgegen der Meinung der Einsprechenden ist E1 weder zu entnehmen, dass das in Figur 3 gezeigte Zwischenprodukt eine Standfläche aufweist noch dass das Zwischenprodukt als Becher überhaupt funktionieren kann.
Der teilweise fertiggestellte Becher in Figur 3 weist noch keinen Außenmantel auf. Dies ist erst bei dem fertiggestellten Becher gemäß Figur 1 der Fall. Ersichtlich bildet die Zarge selbst bzw. der untere Rand der Aufweitung an der Zarge gemäß Figur 1 aber keine Standfläche mehr für den Becher gemäß Merkmal 8e). Vielmehr bildet der Außenmantel, der um die Zarge herumgeschlagen ist, die Standfläche für den Becher.
Das in Figur 1 von E1 erkennbare Umschlagteil 22 bildet eindeutig einen Teil des Außenmantels. Die Zarge wird aus Boden und Mantel gebildet (vgl. Merkmal 8c)), aber nicht aus dem Außenmantel. Wenn der Außenmantel bzw. sein Umschlagteil 22 Bestandteil der Zarge wäre, wie von der Einsprechenden vorgetragen, könnte im Übrigen der Außenmantel nicht nach dem Formen der Zarge auf den Mantel aufgeschoben werden, da er ja dann bereits mit der Zarge verpresst wäre.
Folglich ist Merkmal 8e) von Anspruch 8 nicht aus E1 bekannt, dass ein unterer Rand der Aufweitung eine Standfläche für den Becher bildet. Der Gegenstand von Anspruch 8 ist damit neu gegenüber E1.
6. Neuheit gegenüber Dokument D2 (Artikel 54 (3) EPÜ) -
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
6.1 Die Einsprechende bestreitet die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von D2. Entgegen der Feststellung der angefochtenen Entscheidung offenbare D2 nach Figur 4 oder Figur 5 auch die Merkmale 1h) und 1i) von Anspruch 1, dass die nach innen gerichtete Einrollung einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufweist, wobei der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer ist als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge.
Die Einrollung 520 gemäß Figur 5 und die Einrollung 420 gemäß Figur 4 von D2 wiesen jeweils einen Bereich auf, der an dem Innenmantel 2 anliege, und deswegen zwangsläufig flachgedrückt werde. Der Innenmantel 2 erstrecke sich parallel zum Außenmantel 517. In der Realität werde es immer im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufende Bereiche an der Einrollung geben. Somit weise die Einrollung 420, 520 einen wenigstens im Wesentlichen parallel zum Außenmantel 417, 517 verlaufenden Bereich auf und nehme Merkmal 1h) vorweg.
Wie in den Figuren 4 und 5 von D2 gesehen werden könne, sei der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer als der größte Außendurchmesser Y der Aufweitung 10 an der Zarge sei, so dass Merkmal 1i) in D2 mangels gegenteiliger Angaben in der Beschreibung gezeigt sei.
6.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und teilt wie folgt die Meinung der Patentinhaberin sowie der Einspruchsabteilung unter Punkt II.3.2) der angefochtenen Entscheidung.
Den Figuren 4 und 5 von D2 ist zu entnehmen, dass die Einrollung einer Kreislinie folgt. Weder Figur 4 noch Figur 5 zeigt eine Einrollung, die gemäß Merkmal 1h) einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufweist. Dass die Einrollung durch ein Anliegen an den Innenmantel flachgedrückt werde und dass ein im Wesentlichen paralleler Bereich der Einrollung zwangsläufig immer vorhanden sei, ist D2 dabei auch nicht zu entnehmen. Somit ist Merkmal 1h) in D2 nicht gezeigt.
Weiterhin sind Figur 4 und 5 schematische Darstellungen zur Verdeutlichung der prinzipiellen konstruktiven Merkmale. Als solche sind diese Figuren aber nicht so exakt, dass ihnen Größenverhältnisse entnommen werden könnten. Auch in der Beschreibung zu den Figuren 4 und 5 finden sich keine Angaben zu den Größenverhältnissen des Innendurchmessers an der oberen Kante der Einrollung und des größten Außendurchmessers der Aufweitung an der Zarge. Somit ist D2 auch das Merkmal 1i) von Anspruch 1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer ist als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge.
Da D2 weder Merkmal 1h) noch 1i) von Anspruch 1 zeigt, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Offenbarung von D2.
7. Erfinderische Tätigkeit gegenüber E1 (Artikel 56 EPÜ) - Anspruch 8 gemäß Hauptantrag
7.1 Wie unter Punkt 5.2 oben festgestellt, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 8 von der Lehre von E1 durch das Merkmal 8e), dass ein unterer Rand der Aufweitung eine Standfläche für den Becher bildet.
7.2 Die Einsprechende argumentiert, dass das Merkmal 8e) von Anspruch 8 die technische Wirkung habe, dass die aufgeweitete Zarge eine breitere Aufstandsfläche für den Becher bilde. Damit werde die objektive technische Aufgabe gelöst, die Standsicherheit des Bechers zu verbessern. Dies werde dem Fachmann aber durch E1 bereits nahegelegt. Der Fachmann wisse, dass die Zarge eine Standfläche ausbilden könne. In E1 werde die Zarge aufgeweitet, was offensichtlich die Standsicherheit verbessere. Das zusätzliche Vorsehen des Umschlagteils 22 des Außenmantels als Teil der Zarge und der damit gebildeten Standfläche stelle lediglich eine weitergehende Lehre der E1 dar, die der Fachmann im Rahmen seines Fachwissens auch wegließe, wenn er die Stabilität und Abdichtung der Zarge allein als ausreichend beurteilte. Dies liege im Rahmen seines fachmännischen Wissens, da er in der Lage sei, eine fluiddichte Verbindung ohne ein derartiges Umschlagteil vorzusehen. Somit käme er durch das naheliegende Weglassen des Umschlagteils 22 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 8.
7.3 Die Kammer folgt diesbezüglich der Argumentation der Patentinhaberin. Entgegen der Meinung der Einsprechenden bildet das Umschlagteil 22 in Figur 1 von El keinen Teil der Zarge. Denn gemäß Merkmal 8c) von Anspruch 8 ist vorgesehen, dass der Boden mit dem Mantel unter Bildung einer Zarge verbunden wird. Gemäß Anspruch 8 wird die Zarge also aus dem Mantel und dem Boden gebildet. Auch nach E1 wird die Zarge lediglich durch den Mantel und den Boden gebildet, wobei die Bildung und Aufweitung der Zarge in den Figuren 3 und 4 von E1 dargestellt ist.
Die Lehre von El ist darauf gerichtet, den Außenmantel bis zum unteren Rand des Bechers zu erstrecken und um die aufgeweitete Zarge umzuschlagen, um unter anderem eine gute Optik des Bechers zu erzielen (Absatz [0006] und Figur 1). Der Fachmann erhält aus der Lehre von E1 keinen Hinweis, den Außenmantel aus Figur 1 nicht um die Zarge herumzuschlagen, wenn diese aufgeweitet ist oder den Außenmantel mit Umschlagteil sogar wegzulassen. Der Lehre von E1 ist keinerlei Anregung oder Anlass für den Fachmann zu entnehmen, den Becher aufgrund seines allgemeinen Fachwissens so auszuführen, dass ein unterer Rand der Aufweitung der Zarge eine Standfläche für den Becher bildet.
Für den Fall, dass der Fachmann dennoch das Umschlagteil des Außenmantel als Teil der Zarge weglassen wollte, sähe er sich mit der Frage konfrontiert, wie der Außenmantel nach dem Formen der Zarge auf den Mantel aufzuschieben wäre, da dieser dann ja bereits mit der Zarge verpresst wäre, für die er in E1 keine Antwort findet.
Daher ist Gegenstand von Anspruch 8 gemäß Hauptantrag durch die Lehre von E1 allein oder in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nicht nahegelegt.
8. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) - Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
8.1 Kombination von D3 mit E4
8.1.1 Die Einsprechende erhebt einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von D3 in Kombination mit E4 zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung. Die Patentinhaberin rügt die Verspätung dieser Angriffslinie und widerspricht deren Berücksichtigung im Verfahren.
Da die Einsprechende diese Angriffslinie mittelbar im Einspruchsschriftsatz vorbrachte, übt die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend aus, diese Argumentationslinie im Rahmen der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ins Verfahren zuzulassen.
8.1.2 Es ist unstreitig, dass D3 nach der Ausführungsform von der Figur 6A, die die Einsprechende als nächstliegender Stand der Technik betrachtet, weder Merkmal 1h), also einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich der Einrollung, noch Merkmal 1i) von Anspruch 1 zeigt, dass der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer ist als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge.
8.1.3 Nach Ansicht der Einsprechenden bedingten die Unterscheidungsmerkmale 1h) und 1i) die technische Wirkung, ein einfacheres Aufschieben des Außenmantels über die bereits ausgeformte Zarge zu ermöglichen. Ausgehend von der Figur 6A sieht die Einsprechende die objektive technische Aufgabe darin, ein einfacheres Aufschieben des Außenmantels und eine einfachere Herstellbarkeit des Bechers zu ermöglichen.
Sollten sich nach D3 beim Aufschieben des Außenmantels auf den Innenbecher Probleme ergeben, so berücksichtigte der Fachmann selbstverständlich alternative Ausgestaltungen von Einrollungen im Stand der Technik, insbesondere wenn diese ebenfalls am unteren Rand des Mantels und für den Zweck vorgesehen seien, einen Abstand zwischen dem Mantel und dem Becher zur besseren Wärmeisolation bereitzustellen. So konsultierte der Fachmann beispielsweise E4, mit der eine einfachere Herstellbarkeit des Bechers möglich wäre, und die in Figur 2 eine Einrollung 41 an der Unterseite des Außenmantels 40 zeige, wobei die Einrollung 41 die Merkmale 1i) und 1h) aufweise. Der Fachmann käme somit bei Kombination der Lehren von D3 und E4 in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1.
8.1.4 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Patentinhaberin, dass der Fachmann aus den folgenden Gründen D3 nicht mit E4 kombinierte.
D3 betrifft ein Fixieren des Außenmantels am Innenbecher ohne Klebstoff. Zu diesem Zweck wird der Außenmantel zwischen der Mundrolle des Innenbechers und der aufgeweiteten Zarge eingeklemmt. Es ist offensichtlich, dass für dieses bei allen Ausführungsformen von D3 vorgesehene Einklemmen des Außenmantels zwischen der Mundrolle und der aufgeweiteten Zarge des Innenbechers sich der Außenmantel auf keinen Fall bis zum unteren Rand des Bechers erstrecken kann. Dann wäre nämlich dieses Einklemmen zum Fixieren des Außenmantels nicht mehr möglich.
E4 zeigt in der Figur 2 jedoch, den Außenmantel bis zur Standfläche des Bechers über eine Zarge ohne Aufweitung herunterzuziehen. Dadurch wird zum einen eine gute Optik und darüber hinaus auch eine große Standfläche erzielt. Der Außenmantel wird nach E4 mittels Klebstoff befestigt. Das Erstrecken des Außenmantels bis zur Standfläche des Bechers und das Fixieren des Außenmantels mittels Klebstoff nach E4 laufen aber der Lehre von D3 gerade zuwider.
Folglich lassen sich die entgegengesetzten Lehren von D3 und E4 nicht in naheliegender Weise kombinieren, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber einer Kombination dieser Lehren auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
8.2 Kombination von D4 mit E6
8.2.1 Die Einsprechende wendet sich gegen die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Ausführungsform nach der Figur 8b von E6 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Zur Stützung ihrer Argumentation verweist die Einsprechende ferner auf die weitere Ausführungsform nach der Figur 4 von E6.
Wenn der Fachmann die Wärmeisolationseigenschaften des Bechers nach D4 verbessern möchte, sei ihm aus der Figur 8b von E6 bekannt, zusätzlich einen Außenmantel vorzusehen. Wie Figur 4 von D4 zeige, sei zwischen den Außenwänden des Bechers ein Spalt vorgesehen, in dem der Außenmantel angeordnet werden könne. Für den Fachmann sei es selbstverständlich kein Problem, diesen Spalt in der gewünschten Größe für den Außenmantel vorzusehen, sodass die Stapelbarkeit nicht beeinträchtigt werde. Weiterhin befände sich im oberen Bereich der Zarge genügend freier Platz, der die Einrollung aufnähme. Dabei sei der Figur 4b von E6 auch eine Einrollung mit einem im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich zu entnehmen. Merkmal 1i) von Anspruch 1 ergäbe sich zwangsläufig.
8.2.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Patentinhaberin, dass sich die Lehren von D4 und E6 nicht in naheliegender Weise kombinieren lassen.
Es ist als unstreitig anzusehen, dass D4 einen Becher aus Papiermaterial ohne Außenmantel betrifft und die Merkmale 1f) bis 1i) von Anspruch 1 nicht offenbart.
Nach der Lehre von D4 ist eine aufgeweitete Zarge am Becher für eine Stapelbarkeit der Becher vorgesehen. Dabei ist in der Figur 4 von D4 zwar eine Spalt zwischen den gestapelten Bechern zu erkennen. Dass in diesem Spalt aber ein Außenmantel aufgenommen werden könnte, geht aus D4 nicht hervor. Die Kammer teilt vielmehr die Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt II.3.3.2 der angefochtenen Entscheidung, dass durch das Vorsehen eines zusätzlichen Außenmantels die in D4 bezweckte Stapelfähigkeit der Becher zumindest erschwert wäre. Schon aus diesem Grund zöge der Fachmann einen zusätzlichen Außenmantels nach der Lehre von E6 bei dem aus D4 bekannten Becher nicht in Betracht.
Dokument E6 zeigt zwar einen Becher, dessen Außenmantel eine nach innen gerichtete Einrollung aufweist. Allerdings ist entgegen der Meinung der Einsprechenden, der Lehre von E6, insbesondere aus der Figur 4b, nicht zu entnehmen, dass diese Einrollung des Außenmantels einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufweist. Dass der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung zwangsläufig größer als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge ist, geht aus E6 auch nicht hervor. Denn der Fachmann erhält aus E6 bereits keinen Hinweis, eine Aufweitung an der Zarge vorzusehen.
Selbst wenn der Fachmann versuchte, die Lehren von D4 und E6 miteinander zu kombinieren, so führte dies zu einem Becher, bei dem weder die Einrollung einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufwiese, noch der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge wäre, wie nach den Merkmalen 1h) und 1i) von Anspruch 1 gefordert ist.
Aus diesen Gründen kombinierte der Fachmann die Lehre von E6 nicht mit der Lehre von D4, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D4 in Anbetracht der Lehre von E6 nicht nahegelegt ist.
8.3 Kombination von E3 mit E6
8.3.1 Die Einsprechende bringt vor, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von Figur 3 von E3 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit der Ausführungsform nach Figur 8b von E6 nahegelegt sei.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von E3 lediglich dadurch, dass der Becher gemäß Merkmal 1a) aus einem Papiermaterial sei, und dass der Außenmantel eine Einrollung gemäß den Merkmalen 1g) bis 1i) aufweise.
Die Einrollung ermögliche eine Beabstandung der Papiermanschette von der Becherwand und löse somit die objektive Aufgabe eine bessere Wärmeisolation bereitzustellen. Dem Fachmann sei eine derartige Einrollung aber aus E6 (Figur 8b) bekannt. Es lägen keine Gründe vor, warum er diese nicht bei der Papiermanschette der E3 vorsähe. Vielmehr würde der Fachmann in Kenntnis der E6, die bereits mit ihrem Titel "Wärmeisolierender Behälter" eine Lösung der Aufgabe verspreche, eine entsprechende Einrollung in der Papiermanschette von E3 vorsehen, wenn er die Wärmeisolierung des Bechers verbessern möchte.
Das Unterscheidungsmerkmal, dass der Becher aus einem Papiermaterial sei, habe keine technische Wirkung. Der beanspruchte Becher aus einem Papiermaterial weise selbstverständlich eine Kunststoffbeschichtung auf, da das Papiermaterial sonst bei der bestimmungsgemäßen Befüllung mit Flüssigkeit durchfeuchtet würde, und der Becher somit nicht dicht und nicht formstabil wäre. Für den Fachmann sei es naheliegend, dass er Becher zur Aufnahme von Flüssigkeiten entweder aus einem mit Kunststoff beschichteten Papiermaterial oder nur aus Kunststoff formen könne. Im Allgemeinen sei der Schritt von Kunststoff zu Papier für den Fachmann naheliegend.
8.3.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Patentinhaberin sowie der Einspruchsabteilung unter Punkt II.3.3.3) der angefochtenen Entscheidung, dass E3 einen Kunststoffbehälter mit einer Papiermanschette betrifft. Somit zeigt E3 bereits keinen Becher aus einem Papiermaterial, sondern einen Becher aus Kunststoff.
Die Kammer folgt weiter der Argumentation der Patentinhaberin, dass der Fachmann das Kunststoffmaterial in E3 nicht in naheliegender Weise durch Papiermaterial bzw. mit Kunststoff beschichtetem Papiermaterial ersetzte. Denn Kunststoffmaterial ist grundsätzlich anders formbar als Papiermaterial. Aufgrund der Herstellung der Kunststoffbehälterteile im Tiefziehverfahren gemäß der Lehre von E3 (siehe Absatz [0012]) sind Boden und Mantel beispielsweise einstückig ausgeführt. Im Gegensatz dazu, ist bei dem beanspruchten Becher aus Papiermaterial die Verbindung der Teile Boden und Mantel mittels einer Zarge erforderlich.
Aufgrund der unterschiedlichen Materialien und dadurch bedingten Herstellungstechniken, berücksichtigte oder wählte der Fachmann E3 nicht als Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die zum beanspruchten Gegenstand führte. Auch erhält der Fachmann aus E3 keinerlei Anregung, den Kunststoffbehälter durch einen Papierbehälter zu ersetzten. Denn dies liefe der Lehre von E3 entgegen, die von einem Kunststoffbehälter mit einer Papiermanschette ausgeht.
Eine Kombination der Lehren von E3 und E6 führt somit nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1.
8.4 Kombination von E7 mit D4
8.4.1 Die Einsprechende argumentiert, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von der Ausführungsform nach Figur 5 oder Figur 6 von E7 in Kombination mit Figur 4 von D4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von E7 lediglich durch das Merkmal 1d) bezüglich der aufgeweiteten Zarge. Dieses Unterscheidungsmerkmal habe die technische Wirkung, dass die Aufstandsfläche des Bechers erhöht werde und der Boden einfacher einsetzbar sei. Somit sei die Aufgabe in der Erhöhung der Standfestigkeit des Bechers und Vereinfachung der Herstellbarkeit zu sehen. D4 lehre eine Aufweitung der Zarge, um das Einsetzen des Bodens zu vereinfachen und die Aufstandsfläche zu vergrößern. Damit sei der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von E7 in Kombination mit D4 nahegelegt.
8.4.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt und teilt die Meinung der Patentinhaberin, dass E7 nach den Figuren 5 und 6 einen Becher aus Papiermaterial mit einem Außenmantel betrifft, von dem sich der Gegenstand von Anspruch 1 durch die Merkmale 1d), 1e), 1h) und 1i) unterscheidet.
Hierbei zeigt weder die Figur 5 noch die Figur 6 von E7 einen Mantel, einen Boden oder eine Zarge, die entlang des Umfangs eine nach außen ragende Aufweitung aufweist. Vielmehr ist der Figur 5 und der Figur 6 von E7 eindeutig zu entnehmen, dass auch die Zarge dem konischen Verlauf des Innenmantels folgt. Somit ist E7 auch nicht zu entnehmen, dass ein unterer Rand der Aufweitung eine Standfläche für den Becher bildet. Darüber hinaus zeigt weder die Figur 5 noch die Figur 6 von E7, dass die nach innen gerichtete Einrollung des Außenmantels einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufweist, wobei der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer ist als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge.
Wie unter Punkt 8.2.2 oben bereits dargelegt, gibt D4 zumindest auf die Merkmale 1h) und 1i) von Anspruch 1 keinen Hinweis.
Da weder die Lehre von E7 noch die Lehre von D4 das Vorsehen der Merkmale 1h) und 1i) anregt, dass die nach innen gerichtete Einrollung einen im Wesentlichen parallel zum Außenmantel verlaufenden Bereich aufweist, wobei der Innendurchmesser an der oberen Kante der Einrollung größer ist als der größte Außendurchmesser der Aufweitung an der Zarge ist, führt eine Kombination dieser Dokumente nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1.
9. Aus diesen Gründen beruhen die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.
10. Die Ansprüche 2 bis 7 definieren weitere Merkmale des Produkts nach Anspruch 1 und die Ansprüche 9 bis 13 definieren weitere Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 8. Daher ist der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 13 ebenfalls neu bzw. beruht der Gegenstand dieser Ansprüche ebenso auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ).
11. Die Einsprechende hat keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag erhoben (siehe Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung).
Beide Parteien erklärten übereinstimmend, dass die Beschreibung der Patentschrift keiner Anpassung an die Ansprüche gemäß Hautantrag bedürfte (siehe Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung).
Daher befindet die Kammer, dass die Patentinhaberin überzeugend die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidungen zum Hauptantrag dargetan hat, während die gegen den Hauptantrag erhobenen Einwände der Einsprechende nicht zu überzeugen vermochten, so dass der Beschwerde der Patentinhaberin stattgegeben werden kann, die der Einsprechenden indes zurückzuweisen ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung:
Spalten 1 bis 18 der Patentschrift
Ansprüche:
Nrn 1 bis 13 eingereicht als Hauptantrag während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 4. Oktober 2016
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 10 der Patentschrift.