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T 0842/17 22-06-2021
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Vorrichtung und Verfahren zur Prüfung von Wertdokumenten
Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Anmeldung Nr. 10011627 zurückzuweisen, weil die Erfordernisse des Artikels 52(1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973 (Hauptantrag) und des Artikels 123(2) EPÜ (Hilfsantrag) nicht erfüllt seien. Die europäische Anmeldung 10011627 ist eine Teilanmeldung der europäischen Stammanmeldung 05770995.
II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis der folgenden Anmeldeunterlagen zu erteilen:
- Ansprüche 1 - 21 des mit "Patentansprüche" überschriebenen und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 22. Juni 2021 eingereichten Anspruchssatzes;
- Beschreibung: S. 1, 1A, 2 - 24 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 22. Juni 2021 eingereicht;
- Figuren: Blätter 1 - 6 wie ursprünglich eingereicht.
III. Es wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D1: EP 1 158 459 A
D2: GB 1 439 173
D9: US 2004/0061855 A1
IV. Der unabhängige Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:
Vorrichtung (1) zur Prüfung von lumineszierenden Wertdokumenten (BN), mit einer Lichtquelle (14, 51, 52, 68) zur Anregung von Lumineszenzstrahlung und einem Lumineszenzsensor (12), um die vom Wertdokument (BN) ausgehende Lumineszenzstrahlung spektral aufgelöst zu erfassen,
wobei der Lumineszenzsensor (12) ein abbildendes Gitter (24) mit einem Hohlspiegel (26) zur spektralen Zerlegung der Lumineszenzstrahlung und eine Detektoreinheit (21) zur spektral aufgelösten Messung einer anderen als der nullten Ordnung der von dem abbildenden Gitter (24) spektral zerlegten angeregten Lumineszenzstrahlung aufweist,
dadurch gekennzeichnet, daß
eine andere Detektoreinheit (27) zur nicht-spektralaufgelösten Messung der angeregten Lumineszenzstrahlung und zur Messung der nullten Ordnung der von dem abbildenden Gitter (24) kommenden Lumineszenzstrahlung ausgelegt ist.
Bis auf die Änderung, dass es sich bei dem abbildenden Gitter (24) um ein abbildendes Gitter (24) "mit einem Hohlspiegel (26)" handelt, entspricht dieser Anspruch dem Anspruch 1 des Hilfsantrags, wie er der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123(2) EPÜ
Anspruch 1 beruht auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 19 und der ursprünglichen Beschreibung (Seite 7, Zeilen 1 bis 20 und Seite 13, Zeilen 4 bis 15) in Verbindung mit den Figuren 2 und 4.
Die Kammer ist zwar wie die Prüfungsabteilung der Ansicht, dass das abbildende Gitter 24 in den in Figuren 2 und 4 gezeigten Ausführungsbeispielen in Verbindung mit zusätzlichen optischen Komponenten wie einem teilweise transparenten Umlenkspiegel 16, einer Kondensorlinse 19, einem Filter 20 und einem Hohlspiegel 26 offenbart ist.
Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen würde der Fachmann dabei jedoch erkennen, dass die Art, wie die Lumineszenzstrahlung auf den Eingangsspalt AS einer Einrichtung zur spektralen Zerlegung geführt wird, im Wesentlichen unabhängig davon ist, wie die spektrale Zerlegung in der Einrichtung anschließend erfolgt. Dies zeigt sich unter anderem an der in Figur 10 gezeigten, nicht erfindungsgemäßen Alternative (siehe auch Beschwerdebegründung, Seite 10, viert- und drittletzter Absatz). In dieser Alternative wird die Lumineszenzstrahlung zwar auf die gleiche Weise wie in der in Figur 4 gezeigten Ausführungsform der Erfindung auf den Eingangsspalt geführt, dann aber auf eine andere Weise spektral zerlegt, nämlich ohne abbildendes Gitter mit Hohlspiegel, sondern vielmehr mit einem Plangitter 71 und Kollimatorspiegeln 70 und 72 (siehe auch Seite 19, Zeilen 9 bis 20 der ursprünglichen Beschreibung).
Daher stellt das Weglassen des teilweise transparenten Umlenkspiegels 16, der Kondensorlinse 19 und des Filters 20, die alle der Bearbeitung der Lumineszenzstrahlung vor dem Eingangsspalt AS dienen, im Gegensatz zur Meinung der Prüfungsabteilung (Punkt II.B.2. der angefochtenen Entscheidung) keine Zwischenverallgemeinerung dar.
Der von der Prüfungsabteilung in diesem Zusammenhang ebenfalls genannte Hohlspiegel 26, der bei der spektralen Zerlegung und Abbildung der Lumineszenzstrahlung sehr wohl eine Rolle spielt, ist im vorliegenden Anspruch 1, im Gegensatz zum Anspruch 1 des Hilfsantrags, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, enthalten.
Anspruch 1 erfüllt daher die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 21 entsprechen (wo notwendig mit Anpassungen an Anspruch 1) den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 15, 18 und 20 bis 24 und erfüllen daher ebenfalls die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ.
3. Artikel 56 EPÜ 1973
3.1 D1
D1 offenbart wie die Anmeldung eine Vorrichtung zur Prüfung lumineszierender Wertpapiere (siehe Absatz [1]). D1 weist in dem in den Figuren 6 und 8 gezeigten und in den Absätzen [62] bis [68] beschriebenen dritten Ausführungsbeispiel ("more sophisticated embodiment", siehe Absatz [62]) ein kompaktes Mikrospektrometer mit einem abbildenden Gitter mit Hohlspiegel ("focussing grating type micro-spectrometer", siehe Absatz [64]) auf, welches die Lumineszenzstrahlung der Wertpapiere spektral aufgelöst auf eine Detektoreinheit ("linear photodetector array", siehe Absatz [64]) abbildet.
Diese Detektoreinheit misst daher eine andere als die nullte Ordnung der vom Gitter spektral zerlegten Lumineszenzstrahlung, wodurch das dritte Ausführungsbeispiel der D1 den Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbart.
D1 verfolgt also denselben Zweck wie die Erfindung und hat in dem in den Figuren 6 und 8 gezeigten dritten Ausführungsbeispiel die wichtigsten Merkmale mit Anspruch 1 gemeinsam. Das dritte Ausführungsbeispiel der D1 stellt daher einen geeigneten Ausgangspunkt für den Aufgabe-Lösungsansatz dar.
3.2 Unterschied
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich hiervon durch den die andere Detektoreinheit betreffenden kennzeichnenden Teil.
3.3 Technische Wirkung, objektive technische Aufgabe
Die technische Wirkung der unterscheidenden Merkmale ist es, weitere Informationen für die Prüfung der Wertdokumente zur Verfügung zu stellen, welche spektral die gesamte Lumineszenzstrahlung betreffen und mit hoher Intensität vorliegen.
Hierdurch wird die objektive technische Aufgabe gelöst, durch die Bereitstellung eines zusätzlichen Parameters die Prüfung der Wertdokumente zuverlässiger zu gestalten.
3.4 Erfinderische Tätigkeit
Diese Aufgabe würde sich der Fachmann im Bereich der Prüfung von Wertdokumenten immer stellen. Aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus würde er dabei ausgehend vom dritten Ausführungsbeispiel der D1 auch durchaus in Betracht ziehen, eine weitere Detektoreinheit vorzusehen, um zusätzliche Informationen über die Lumineszenzstrahlung zu erhalten, welche dann für die Prüfung verwendet werden können.
Die anderen zwei Ausführungsbeispiele der D1 weisen kein Gitter auf und würden den Fachmann daher nicht dazu anregen, mit einer solchen weiteren Detektoreinheit eine Messung der nullten Ordnung der von dem abbildenden Gitter kommenden Lumineszenzstrahlung vorzunehmen.
In Bezug auf das dritte Ausführungsbeispiel würde der Fachmann von einer solchen Messung sogar Abstand nehmen, da sie bei dem dort verwendeten Mikrospektrometer seitlich erfolgen müsste, was eine komplette Neukonstruktion des kompakten, mit der Detektoreinheit verbundenen abbildenden Gitters mit Hohlspiegel (siehe Figur 8) erfordern würde.
Ausgehend von D1 alleine hätte der Fachmann also keinen Anlass, das dritte Ausführungsbeispiel so abzuändern, dass eine weitere Detektoreinheit so angeordnet wird, dass sie zur Messung der nullten Ordnung der von dem abbildenden Gitter kommenden Lumineszenzstrahlung ausgelegt ist.
D2 offenbart zwar die Verwendung eines Gitters zur spektralen Zerlegung von Fluoreszenzstrahlung (Seite 3, Zeilen 61 bis 74), erwähnt aber keine Messung der nullten Ordnung der von diesem Gitter kommenden Lumineszenzstrahlung.
D9 offenbart ebenfalls die Verwendung eines Gitters zur spektralen Zerlegung von Fluoreszenzstrahlung (siehe Absatz [46]), wobei die erste Ordnung der von dem Gitter kommenden Strahlung detektiert wird (siehe Absatz [39]). Die nullte Ordnung dieser Strahlung wird zwar erwähnt, jedoch wird nur beschrieben, in welche Richtung sie projiziert wird, ohne jedoch zu offenbaren, sie zu messen (siehe Absatz [39]). Stattdessen schlägt D9 vor, ein "blaze grating" zu verwenden, um möglichst viel Lichtleistung in der ersten Ordnung der vom Gitter kommenden Strahlung zu konzentrieren (siehe Absatz [42]). Die Lehre der D9 würde den Fachmann also eher davon abhalten, die nullte Ordnung der vom Gitter kommenden Strahlung zu messen.
Auch die Dokumente D2 und D9 würden den Fachmann daher nicht dazu anregen, das dritte Ausführungsbeispiel der D1 so abzuändern, dass eine weitere Detektoreinheit so angeordnet wird, dass sie zur Messung der nullten Ordnung der von dem abbildenden Gitter kommenden Lumineszenzstrahlung ausgelegt ist.
Stattdessen würde der Fachmann ausgehend vom dritten Ausführungsbeispiel der D1 zur Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens gegebenenfalls ein zusätzliches Pixel in der vorhandenen Detektoreinheit ("first line of photosensitive pixels", siehe Absatz [66]) oder an einem Ende derselben vorsehen. Eventuell würde der Fachmann auch einen Teil der vom Lichtleiter 4c ("optical fiber", siehe Absatz [64]) geführten Lumineszenzstrahlung auskoppeln und sie, ohne sie spektral aufzulösen, auf einen weiteren Sensor leiten. Auf diese Weise würde er jedoch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
3.5 Schlussfolgerung
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher in Anbetracht des verfügbaren Standes der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ 1973. Dies gilt entsprechend auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 21.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
- Ansprüche 1 - 21 des mit "Patentansprüche" überschriebenen und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 22. Juni 2021 eingereichten Anspruchssatzes;
- Beschreibung: S. 1, 1A, 2 - 24 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 22. Juni 2021 eingereicht,
- Figuren: Blätter 1 - 6 wie ursprünglich eingereicht.