T 0844/17 15-02-2021
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Vorrichtung zum Umrichten einer elektrischen Grösse umfassend einen Sternpunktreaktor
General Electric Technology GmbH
ABB AB
Hauptantrag - Neuheit (nein)
Hilfsanträge 1 bis 4 eingereicht mit der Beschwerdebegründung - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 454 794 widerrufen wurde.
II. Das nachfolgende Dokument ist für diese Entscheidung relevant:
O21.2: US 2004/0218318 A1
III. In der angefochtenen Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung unter anderem festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des geänderten Hauptantrags gegenüber O21.2 nicht neu sei.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 15. Februar 2021 lediglich in Anwesenheit der Einsprechenden 02 vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 4, allesamt mit der Beschwerdeschrift eingereicht.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) beantragte im schriftlichen Verfahren die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 02) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des Hauptantrags lautet wie folgt (Merkmalsbezeichnungen in eckigen Klammern hinzugefügt):
"Vorrichtung (1) zum Umrichten einer elektrischen Größe im Bereich der Energieübertragung und -Verteilung [Merkmal a] mit
- einem zwischen einem Wechselspannungsnetz (11) und einem Gleichspannungskreis (7) schaltbaren Umrichter (2), der Leistungshalbleiterventile (3) aufweist, die sich zwischen einem Wechselspannungsanschluss (4) und einem Gleichspannungsanschluss (5,6) erstrecken, wobei jedes Leistungshalbleiterventil (3) eine Reihenschaltung aus bipolaren Submodulen (8) umfasst, die jeweils einen Energiespeicher sowie eine Leistungshalbleiterschaltung aufweisen [Merkmal b], und
- einer mit dem Wechselspannungsanschluss (4) verbundenen Netzanschlusseinheit (9) zum Verbinden mit dem Wechselspannungsnetz (11) [Merkmal c],
g e k e n n z e i c h n e t d u r c h
einen mit einem Potentialpunkt (13) zwischen der Netzanschlusseinheit (9) und dem Umrichter (2) verbundenen Sternpunktreaktor (14), der zu einem geerdeten Sternpunkt (16) verschaltete Drosselspulen (15) aufweist [Merkmal d], wobei die Drosselspulen (15) so ausgestaltet sind, dass diese für Wechselstrom mit der Grundschwingungsfrequenz des Wechselspannungsnetzes (11) einen Strompfad mit hoher Impedanz zum Erdpotenzial und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz zum Erdpotenzial darstellen [Merkmal e]."
VI. Im Hinblick auf die von der Kammer bezüglich der Hilfsanträge 1 bis 4 getroffene Entscheidung, wird der Wortlaut dieser Anträge vorliegend nicht wiedergegeben.
VII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der beschwerdeführenden Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit gegenüber O21.2
Das Dokument O21.2 offenbare einen klassischen VSC-Umrichter (VSC = Voltage Source Converter) umfassend eine Reihenschaltung zweier zentraler Kondensatoren im Gleichspannungszwischenkreis (siehe Figur 1, Bezugszeichen 10a, 10b). Durch eine feste Erdung des Gleichspannungszwischenkreises über den Erdungspunkt 11 in Figur 1 werde eine Symmetrierung des Gleichspannungszwischenkreises realisiert, sodass keine Probleme mit einem fliegenden Potenzial aufträten, welche der Erfindung zugrunde lägen.
In der Figur 1 offenbare das Dokument O21.2 drei Resonanzschaltungen ("resonance circuit", 18, 18', 18") zum Wiederaufladen der Kondensatoren des Umrichters. Die Resonanzschaltungen seien in einer geerdeten Sternpunktschaltung miteinander verbunden. Den Absätzen [0029] bis [0032] der O21.2 sei zu entnehmen, dass die Resonanzschaltungen Hilfsventile mit abschaltbaren Leistungshalbleitern umfassten und aus sogenannten "ARCP-Schaltungen" bestünden (siehe Absatz [0031]). Außer den Leistungshalbleitern umfasse eine ARCP-Schaltung eine Drosselspule in Reihe geschaltet zu den Leistungshalbleitern.
Aus den Figuren 3 und 4 der O21.2 sei nicht eindeutig und unmittelbar ersichtlich, in welcher Anordnung die Drosselspulen der Resonanzschaltungen miteinander verbunden seien. Zudem sei unklar, welche Elemente der in Figur 3 gezeigten Anordnung einer Resonanzschaltung 18 gemäß Figur 1 entsprächen. Zwar liefere der Absatz [0041] den Hinweis, dass sich die Resonanzschaltung zwischen einem mit dem Bezugszeichen 15 bezeichneten Punkt und dem Erdungspunkt erstrecke. In der Figur 3 fehle aber das entsprechende Bezugszeichen 15, sodass die Elemente der Resonanzschaltung 37 und 18 einander nicht eindeutig und unmittelbar zugeordnet werden könnten.
Darüber hinaus sei die Drosselspule 35 in Figur 3 auf der dem Erdungspunkt 11 abgewandten Seite des Hilfsventils 37 angeordnet. Daraus folge, dass die Drosselspulen der Resonanzschaltungen in der entsprechenden Anordnung der Figur 1 nicht miteinander zu einem Sternpunkt verschaltet seien, sodass das Merkmal d des Anspruchs 1 durch O21.2 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sei.
Gemäß Absatz [0030] der O21.2 erzeuge die Resonanzschaltung eine Resonanz bei der Kommutation des Stromes zwischen den einzelnen Phasen des Umrichters. Daraus folge, dass die Drosselspule der Resonanzschaltung auf diejenige Frequenz abgestimmt sein müsse, die der Kommutierungsfrequenz des Umrichters entspreche. Eine entsprechende Ausgestaltung der Drosselspulen in O21.2 stehe jedoch dem Merkmal e des Anspruchs 1 entgegen, wonach die Drosselspulen so auszubilden seien, dass diese für Wechselstrom mit der Grundschwingungsfrequenz des Wechselspannungsnetzes einen Strompfad mit hoher Impedanz und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz zum Erdpotenzial darstellten. Folglich werde auch das Merkmal e nicht durch O21.2 offenbart.
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden 01 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit gegenüber O21.2
Übertrage man die in Figur 3 des Dokuments O21.2 gezeigte Konfiguration der Resonanzschaltung auf die drei Resonanzschaltungen 18, 18' 18'' gemäß Figur 1, so sei eindeutig erkennbar, dass die Resonanzschaltungen drei Drosselspulen 35 umfassten, die zur Bildung eines Sternpunktreaktors gemäß Merkmal d zu einem geerdeten Sternpunkt zusammengeschaltet seien.
Hinsichtlich des Merkmals e des Anspruchs 1 offenbare O21.2, dass ein Vorteil der Resonanzschaltung darin bestehe, dass sich automatisch eine Symmetrie in Bezug auf das Erdpotenzial ergebe (siehe O21.2. in Absatz [0033] und Absatz [0006]). Daraus folge, dass die Konfiguration der Drosselspulen 35 in jeder Phase der Resonanzschaltungen 18, 18' 18'' per Definition einen Strompfad mit einer hohen Impedanz für Wechselstrom mit der Grundfrequenz des Wechselspannungsnetzes, und einen Strompfad mit einer niedrigen Impedanz für einen Gleichstrom, darstelle. Das Merkmal e des Anspruchs 1 sei folglich ebenfalls durch O21.2 offenbart.
Berücksichtigung der Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren
Die Patentinhaberin habe bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens ausreichend Gelegenheit gehabt, die neuen Hilfsanträge 1 bis 4 einzureichen. Es werde daher beantragt, diese Hilfsanträge nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
IX. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden 02 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit gegenüber O21.2
Das Dokument O21.2 offenbare Resonanzschaltungen 18, 18', 18", die an einem Potentialpunkt zwischen der Netzanschlusseinheit (z.B. einem Transformator) und dem Umrichter angeschlossen seien und welche die Drosselspulen 35 aufwiesen. Die Resonanzschaltungen 18, 18', 18" würden folglich einen Sternpunktreaktor im Sinne des Merkmals d ausbilden. Zusammen mit dem Kondensator 17 würden die Resonanzschaltungen (umfassend die Drosselspulen 35 und die Hilfsventile 37), eingesetzt, um eine ungleiche Spannungsverteilung zwischen den Halbleiterbauelementen zu vermeiden (siehe O21.2. in Absatz [0006]). Die Resonanzschaltungen seien folglich so konfiguriert, dass sie für einen Wechselstrom mit der Grundfrequenz des Wechselspannungssystems einen Strompfad mit hoher Impedanz zum Massepotential und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz zum Massepotential gemäß Merkmal e darstellten.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 schließe das Vorhandensein von weiteren Schaltungselementen zwischen den Drosselspulen 35 und dem Erdungspunkt 11 nicht aus. So seien in O21.2. zwar die Hilfsventile 37 zwischen den Drosselspulen 35 und dem Erdungspunkt 11 angeordnet, die Drosselspulen 35 seinen aber nichtsdestotrotz zu einem Sternpunktreaktor verschaltet.
Das Dokument O21.2 offenbare explizit, dass ein Mittelpunkt 15 der Reihenschaltung zwischen den beiden Stromventilen 5 und 6, der den Phasenausgang des Umrichters bilde, mit einer Wechselspannungsphasenleitung 16 verbunden sei. Auch wenn die Bezugszeichen 15 und 16 in Figur 3 nicht dargestellt seien, könne der Fachmann diesen Mittelpunkt in Figur 3 erkennen, bei dem es sich um den Potentialpunkt handele, an dem der "rechte" Kontakt der Drosselspule 35 angeschlossen sei. Der "linke" Kontakt der Drosselspule 35 sei über das Hilfsventil 37 mit dem Erdungspunkt 11 verbunden. Somit sei aufgrund der in Figur 1 gezeigten Anordnung der Resonanzschaltungen 18, 18' und 18'' klar, dass die Drosselspulen 35 zu einem Sternpunktreaktor verschaltet seien.
Weiterhin seien die Drosselspulen 35 von Natur aus so ausgebildet, dass sie für Wechselstrom mit der Grundschwingungsfrequenz des Wechselspannungsnetzes einen Strompfad mit hoher Impedanz gegenüber dem Erdpotenzial und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz gegenüber dem Erdpotenzial darstellten.
Aus Absatz [0030] der O21.2 sei im Folgenden klar, dass die Spannung am Phasenausgang des Umrichters eine Wechselspannung im Sinne des Anspruchs 1 sei. Gemäß Absatz [0027] der O21.2 bilde der Mittelpunkt 15 der Reihenschaltung zwischen den beiden Stromventilen 5 und 6 den Phasenausgang des Stromrichters und sei mit der Wechselspannungsphasenleitung 16 verbunden. Die Frequenz der Umschaltung der Spannung am Phasenausgang sei folglich die Grundfrequenz des Wechselspannungsnetzes. Damit sei klar, dass die Resonanzschaltungen und damit auch die Drosselspulen auf die Grundfrequenz des Wechselspannungsnetzes abgestimmt seien und nicht auf eine andere "Kommutierungsfrequenz", wie von der Patentinhaberin behauptet.
Da die Drosselspulen 35 eine "hohe", auf die Grundfrequenz des Wechselspannungsnetzes abgestimmte Impedanz aufweisen müssten, sei es selbstverständlich, dass die Drosselspulen 35 eine "niedrige" Impedanz für Gleichströme darstellten, da die Impedanz einer Drosselspule proportional zur Frequenz sei.
Berücksichtigung der Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren
Die Patentinhaberin habe neue Hilfsanträge 1 bis 4 eingereicht, die auf den Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sowie auf Merkmalen beruhten, die entweder im abhängigen Anspruch 6 oder im abhängigen Anspruch 7 enthalten seien. Im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren habe die Patentinhaberin jedoch lediglich einen Hilfsantrag eingereicht, der auf den Merkmalen des Hauptantrags und des abhängigen Anspruchs 4 beruhte. Die Patentinhaberin hätte die Hilfsanträge 1 bis 4 bereits im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren einreichen können, was sie jedoch unterlassen habe. Es werde daher beantragt, diese Hilfsanträge nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Weiterhin würfen die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen neue komplexe Fragen auf, die bislang nicht Gegenstand des Verfahrens waren. In der mündlichen Verhandlung hätte die Einspruchsabteilung klar ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, das angefochtene Patent widerrufen zu wollen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Patentinhaberin weitere Hilfsanträge einreichen sollen, was sie jedoch unterlassen habe.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Die Einsprechenden haben geltend gemacht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu sei gegenüber dem Dokument O21.2.
2.2 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Dokument O21.2 die Merkmale a, b und c des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbart.
2.3 Streitig ist hingegen, ob dem Dokument O21.2 die Merkmale d und e unmittelbar und eindeutig entnehmbar sind. Die Einspruchsabteilung hatte in diesem Zusammenhang in der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen auf die Figur 1 sowie die Beschreibung in den Absätzen [0029] bis [0032] des Dokuments O21.2 verwiesen. Ferner hat sie festgestellt, dass die Drosselspule 35 gemäß Figur 3 der O21.2 zu einer Hilfsschaltung gehöre, welche die Entladung des Kondensators 17 bei einem Nulldurchgang der Phasen ausführe, wobei die Symmetrierung der Phasen erreicht werde (siehe insbesondere die Punkte 5.1 und 5.5 der Gründe für die angefochtene Entscheidung).
2.4 Merkmal d
Gemäß Merkmal d weißt die Vorrichtung nach Anspruch 1 einen mit einem Potenzialpunkt zwischen der Netzanschlusseinheit und dem Umrichter verbundenen Sternpunktreaktor auf, der zu einem geerdeten Sternpunkt verschaltete Drosselspulen aufweist.
Die Kammer kann der Patentinhaberin nicht in ihrer Argumentation folgen, wonach das Dokument O21.2 das Merkmal d nicht offenbare, weil zwischen den Drosselspulen 35 und dem geerdeten Sternpunkt, d.h. dem Erdungspunkt 11, Hilfsventile 37 angeordnet seien.
Die Kammer hält vielmehr das Argument der Einsprechenden für überzeugend, wonach der Anspruch 1 des Hauptantrags das Vorhandensein von weiteren Elementen zwischen den Drosselspulen und dem geerdeten Sternpunkt nicht ausschließt. Im Übrigen hat die Einsprechende 02 zurecht vorgetragen, dass die Figur 3 in Verbindung mit Figur 1 der O21.2 im Lichte der zugehörigen Beschreibungen unmittelbar und eindeutig eine Verbindung der Drosselspulen 35 mit den Potenzialpunkten 15, 15' und 15'' offenbart.
Für die Kammer kann daher insgesamt kein Zweifel daran bestehen, dass die in Figur 3 gezeigte Anordnung der Drosselspulen 35 in Verbindung mit der in Figur 1 gezeigten Anordnung der Resonanzschaltungen 18, 18' und 18'' gemäß Merkmal d einen mit einem Potenzialpunkt (15, 15', 15'') zwischen einer Netzanschlusseinheit und dem Umrichter verbundenen Sternpunktreaktor offenbart, der zu einem geerdeten Sternpunkt verschaltete Drosselspulen 35 aufweist. Eine geeignete Netzanschlusseinheit, wie beispielsweise ein Transformator, ist zwingend und damit implizit vorhanden.
2.5 Merkmal e)
Gemäß Merkmal e) sind die Drosselspulen so ausgestaltet, dass diese für Wechselstrom mit der Grundschwingungsfrequenz des Wechselspannungsnetzes einen Strompfad mit hoher Impedanz zum Erdpotenzial und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz zum Erdpotenzial darstellen.
Die Kammer stimmt mit der Einsprechenden 02 darin überein, dass die Drosselspulen 35 in dem Dokument O21.2 zum Zwecke der Symmetrierung durch die Resonanzschaltung im Sinne des Merkmals e so ausgestaltet sein müssen, dass diese für Wechselstrom mit der Grundschwingungsfrequenz des Wechselspannungsnetzes einen Strompfad mit hoher Impedanz zum Erdpotenzial und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz zum Erdpotenzial darstellen. Die Abstimmung der Drosselspulen auf eine nicht näher spezifizierte "Kommutierungsfrequenz", auf welche die Impedanz der Drosselspulen abgestimmt sein müsse, hält die Kammer angesichts der Argumente der Einsprechenden 02 hingegen für nicht überzeugend.
Das Dokument O21.2 offenbart in Absatz [0030] Folgendes:
"The resonance circuit 18 is suitably of a so-called quasi-resonant type, which implies that the resonance only is initiated when the current is to be commutated between two current valves, i.e. when the voltage on the phase output of the converter is to be changed-over."(Hervorhebung hinzugefügt)
Die deutsche Übersetzung der obigen Passage lautet wie folgt:
"Der Resonanzkreis 18 ist zweckmäßigerweise vom sogenannten quasi-resonanten Typ, was bedeutet, dass die Resonanz nur dann angeregt wird, wenn der Strom zwischen zwei Stromventilen umgeschaltet werden soll, d.h. wenn die Spannung am Phasenausgang des Umrichters umgeschaltet werden soll."
Die Einspruchsabteilung hat diesen Vorgang unter Punkt 5.5 der angefochtenen Entscheidung zutreffend so beschrieben, dass durch die Hilfsschaltung die Entladung der Kondensatoren 17 beim Nulldurchgang der Phasen ausgeführt werde, wodurch die Symmetrierung der Phasen erreicht werde (siehe O21.2 insbesondere in den Absätzen [0006], [0030] und [0033]).
Der Phasenausgang wird gemäß Absatz [0027] der O21.2 durch den Mittelpunkt 15 der Reihenschaltung zwischen den beiden Stromventilen 5 und 6 gebildet, wie auch aus Figur 1 ersichtlich ist. Die Frequenz der Umschaltung der Spannung am Phasenausgang entspricht somit zwingend der Grundfrequenz des Wechselspannungsnetzes im Sinne des Merkmals e. Hierdurch ergibt sich weiterhin, dass die Resonanzschaltungen 18, 18', 18'', welche mit dem Mittelpunkt 15 und damit mit dem Phasenausgang des Umrichters verbunden sind, auf die Grundfrequenz des Wechselspannungsnetzes abgestimmt sind und nicht auf eine andere nicht näher spezifizierte "Kommutierungsfrequenz", wie von der Patentinhaberin behauptet wurde, um eine ungleiche Spannungsverteilung zwischen den Stromventilen des Umrichters durch Symmetrierung auszugleichen. Diesbezüglich verweist die Kammer im Übrigen auf Absatz [0006] des Dokuments O21.2, wo explizit eine ungleiche Spannungsverteilung über den Halbleiterkomponenten als zu lösendes Problem genannt wird und ferner auf Absatz [0033], der zur Lösung des Problems die Bereitstellung der Resonanzschaltungen gemäß Figur 1 zur automatischen Symmetrierung nennt.
Somit offenbart das Dokument O21.2 auch das Merkmal e des Anspruchs 1, wonach die Drosselspulen so ausgestaltet sind, dass diese für Wechselstrom mit der Grundschwingungsfrequenz des Wechselspannungsnetzes einen Strompfad mit hoher Impedanz zum Erdpotenzial und für einen Gleichstrom einen Strompfad mit niedriger Impedanz zum Erdpotenzial darstellen.
2.6 Im Hinblick auf das weitere Argument der Patentinhaberin, die Problematik von fliegenden Potenzialen stelle sich in dem Dokumente O21.2 nicht, stellt die Kammer fest, dass fliegende Potenziale nicht Gegenstand des Anspruchs 1 sind und dort insbesondere auch keine Merkmale vorhanden sind, die implizit auf die Problematik von fliegenden Potenzialen schließen lassen. Ferner ist zu bemerken, wie die Einsprechenden zutreffend festgestellt haben, dass in dem Dokument O21.2, siehe insbesondere Absatz [0033], explizit als Vorteil der Resonanzschaltung nach Figur 1 eine sich automatisch einstellende Symmetrierung in Bezug auf das Erdpotenzial genannt ist.
2.7 Die Kammer ist daher insgesamt zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu ist gegenüber dem Dokument O21.2 (Artikel 54 EPÜ).
3. Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 4 in das Beschwerdeverfahren (Artikel 12 (4) VOBK 2007)
3.1 Mit der Beschwerdeschrift hat die Patentinhaberin neue Hilfsanträge 1 bis 4 vorgelegt, auf deren Grundlage sie hilfsweise die Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents beantragt, von denen jedoch keiner mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1 sachlich übereinstimmt. Die Einsprechenden haben jeweils die Nichtzulassung dieser Hilfsanträge in das Beschwerdeverfahren beantragt.
3.2 Artikel 12 (4) VOBK 2007 räumt der Kammer das Ermessen ein, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
Die Patentinhaberin hat in der Beschwerdebegründung zum einen die Grundlage für die Änderungen in den Hilfsanträgen 1 bis 4 dargelegt. Zum anderen hat sie in materiellrechtlicher Hinsicht im Wesentlichen auf die Argumentation zum Hauptantrag verwiesen. Auch im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat sie sich zur Frage der Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 bis 4 nicht geäußert, obwohl sie hierzu ausreichend Gelegenheit hatte und sie im Übrigen Kenntnis von dem Antrag der beiden Einsprechenden haben musste, wonach die betreffenden Hilfsanträge nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen seien.
Die Kammer hatte ferner unter Punkt 16 ihrer Mitteilung nach Artikel 15 VOBK 2020 dargelegt, dass die Frage der Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 4 in das Beschwerdeverfahren in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu erörtern sein würde. Weder auf die Ankündigung der Kammer noch auf die Ausführungen der Einsprechenden hat die Patentinhaberin reagiert. Durch ihre Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung hat sie auch die letzte Möglichkeit für das Vorbringen von Argumenten zu diesem Punkt nicht wahrgenommen.
3.3 Im Hinblick auf das vorangegangene Verfahren vor der Einspruchsabteilung bemerkt die Kammer, dass die Patentinhaberin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung einen Hilfsantrag eingereicht hatte, nachdem der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags als nicht neu gegenüber dem erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokument zum Stand der Technik O21.2 angesehen wurde. Weder hat sie daraufhin weitere Hilfsanträge vorgelegt noch ist dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zu entnehmen, dass sie in dieser Hinsicht einen entsprechenden Versuch unternommen hätte. Im Hinblick auf den einzigen in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag hatte die Einspruchsabteilung explizit bemerkt, dass dieser Antrag in das Verfahren zuzulassen sei, da er auf eine Kombination von erteilten Ansprüchen gerichtet sei, und weil das Dokument O21.2 erstmals in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde (siehe Seite 3, erster Absatz des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 31. Januar 2017). Den Gang der mündlichen Verhandlung kann die Kammer daher nur so interpretieren, dass die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bewusst darauf verzichtet hat, weitere Hilfsanträge einzureichen, obwohl sie hierzu nicht nur Gelegenheit sondern auch Veranlassung bestanden hatte.
3.4 Die Kammer bemerkt darüber hinaus, dass das Dokument O21.2 zwar erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde. Es lag jedoch nicht nur im Bereich des Zumutbaren, sondern es konnte auch von der Patentinhaberin erwartet werden, in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vorsichtshalber die Hilfsanträge 1 bis 4, insbesondere für den Fall vorzubereiten, dass die Einspruchsabteilung das Dokument O21.2 für relevant erachten würde. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Patentinhaberin keine Argumente vorgebracht hat, die die Einreichung der Anträge erst mit der Beschwerdeschrift hätten rechtfertigen können.
3.5 Im Hinblick auf die obigen Erwägungen ist die Kammer zu dem Schluss gelangt, dass die Hilfsanträge 1 bis 4 bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten eingereicht werden können und sollen. Die Kammer übt daher ihr Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend aus, die Hilfsanträge 1 bis 4 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
4. Schlussbemerkungen
Da der Hauptantrag nicht das Erfordernis von Artikel 54 EPÜ erfüllt und die Hilfsanträge 1 bis 4 darüber hinaus nicht im Beschwerdeverfahren zuzulassen waren, war dem Hauptantrag der Einsprechenden 01 und 02 stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.