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T 0976/17 (ÜBERPRÜFEN DER DATENANZEIGE IN EINEM SICHERHEITSKRITISCHEN SYSTEM/BECKHOFF) 05-10-2021
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM ÜBERPRÜFEN DER DATENANZEIGE IN EINEM SICHERHEITSKRITISCHEN SYSTEM
Patentansprüche - Spezifizierung einer Mustererkennung als funktionelles Merkmal
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag und Hilfsanträge (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 13720972.2 gemäß Artikel 97(2) EPÜ aufgrund mangelnder Klarheit (Artikel 84 EPÜ).
II. Die Kammer hat in einem Bescheid ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt. Die Kammer legte dar, weshalb sie die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht als erfüllt ansieht. Auf der Grundlage von D1 (FR 2494471 A1) und D3 (EP 2189908 A1) aus dem erstinstanzlichen Verfahren wurden darüber hinaus Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erhoben und die Gründe dafür dargelegt.
III. Mit Schreiben vom 19. November 2020 reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag sowie Hilfsanträge 1 und 2 ein. Es wurden außerdem weitere Argumente im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ und die erfinderische Tätigkeit übermittelt.
IV. Am 5. Oktober 2021 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf alle vorgetragenen Argumente bezüglich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ diskutiert wurden.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Erteilung des Patents auf der Grundlage des mit Scheiben vom 19. November 2020 eingereichten Hauptantrags, oder auf der Grundlage eines der mit demselben Schreiben eingereichten Hilfsanträge 1 und 2.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:
"1. Verfahren zum Betreiben eines Computersystems (203; 401), das einen Computer (205; 403) und eine Anzeigeeinrichtung (207; 405) umfasst,
wobei auf dem Computer (205; 403) ein graphischer Editor (501) ausgeführt wird, um mittels graphischer Elemente ein nach Kompilierung ausführbares Computerprogramm schreiben zu können,
wobei dem Computer (205; 403) Eingangsgrößen, die graphische Elemente einer graphischen Programmiersprache umfassen, zugeführt werden,
wobei die zugeführten graphische Elemente graphischen [sic] Befehle und eine Verbindung zwischen den graphischen Befehlen umfassen,
wobei basierend auf den zugeführten Eingangsgrößen (425) Bildsignale (427) für die Anzeigeeinrichtung (207; 405), die Informationen für die Anzeigeeinrichtung umfassen, welche diese in die Lage versetzen, die zugeführte Eingangsgröße visuell darzustellen, gebildet werden und basierend auf den zugeführten Eingangsgrößen ein Referenzmuster gebildet wird,
wobei die vom Computer (205; 403) der Anzeigeeinrichtung (207; 405) zugeführten Bildsignale (427) erfasst werden,
wobei an den erfassten Bildsignalen (427) eine Mustererkennung durchgeführt wird, bei der in den erfassten Bildsignalen wenigstens ein Element aus der Gruppe der Elemente Regelmäßigkeiten, Wiederholungen, Ähnlichkeiten und Gesetzmäßigkeiten ermittelt und aus dem wenigstens einen ermittelten Element wenigstens ein Muster gebildet wird, und
wobei das mittels der Mustererkennung erkannte Muster mit dem Referenzmuster verglichen wird (307), um eine Aussage zu machen, ob die zugeführten Eingangsgrößen den dargestellten Eingangsgrößen entsprechen."
VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet:
"1. Verfahren zum Betreiben eines Computersystems (203; 401), das einen Computer (205; 403) und eine Anzeigeeinrichtung (207; 405) umfasst,
wobei auf dem Computer (205; 403) ein graphischer Editor (501) ausgeführt wird, um mittels graphischer Elemente ein nach Kompilierung ausführbares Computerprogramm schreiben zu können,
wobei dem Computer (205; 403) Eingangsgrößen, die graphische Elemente einer graphischen Programmiersprache umfassen, zugeführt werden,
wobei die zugeführten graphische Elemente graphischen Befehle und eine Verbindung zwischen den graphischen Befehlen umfassen,
wobei den zugeführten Eingangsgrößen (425) eine Kennung (511, 513, 515) zugeordnet wird (510),
wobei basierend auf den zugeführten Eingangsgrößen (425) mit der zugeordneten Kennung (511, 513, 515) Bildsignale (427) für die Anzeigeeinrichtung (207; 405), die Informationen für die Anzeigeeinrichtung umfassen, welche diese in die Lage versetzen, die zugeführte Eingangsgröße visuell darzustellen, und ein Referenzmuster gebildet werden [sic],
wobei die vom Computer (205; 403) der Anzeigeeinrichtung (207; 405) zugeführten Bildsignale (427) erfasst werden,
wobei an den erfassten Bildsignalen (427) eine Mustererkennung durchgeführt wird, bei der in den erfassten Bildsignalen wenigstens ein Element aus der Gruppe der Elemente Regelmäßigkeiten, Wiederholungen, Ähnlichkeiten und Gesetzmäßigkeiten ermittelt und aus dem wenigstens einen ermittelten Element wenigstens ein Muster gebildet wird, wobei während der Mustererkennung auf die Kennung gescannt wird, und
wobei das mittels der Mustererkennung erkannte Muster mit dem Referenzmuster verglichen wird (307), um eine Aussage zu machen, ob die zugeführten Eingangsgrößen den dargestellten Eingangsgrößen entsprechen."
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 fügt gegenüber dem des Hilfsantrags 1 am Ende des Anspruches folgendes weitere Teilmerkmal hinzu:
"wobei, wenn das erkannte Muster dem Referenzmuster entspricht, eine erste Prüfsumme basierend auf den zugeführten Eingangsgrößen (425) und eine zweite Prüfsumme basierend auf dem erkannten Muster gebildet werden, welche miteinander verglichen werden".
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.
1. Die Erfindung umfasst als wesentlichen Gedanken, dass an Bildsignalen für eine Anzeigeeinrichtung eine Mustererkennung durchgeführt wird, siehe Seite 5, vierter und fünfter Absatz, der Anmeldung. Bei Erkennung eines oder mehrerer Muster in den Bildsignalen findet ein Vergleich zwischen einem erkannten Muster und einem Referenzmuster statt. Erfindungsgemäß wird vorgeschlagen, dass dieses Referenzmuster basierend auf der dem Computer zugeführten Eingangsgröße gebildet wird, wobei diese Eingangsgröße als Basis für die Bildung der Bildsignale verwendet wird. Durch einen Vergleich von erkanntem Muster und dem Referenzmuster soll festgestellt werden, ob die angezeigte Information der des Bildsignals entspricht.
Hauptantrag
2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags, welcher der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt, indem als Eingangsgrößen graphische Elemente einer graphischen Programmiersprache zugeführt werden. Auf dem Computer wird hierzu ein graphischer Editor ausgeführt.
3. Mangelnde Klarheit - Artikel 84 EPÜ
Die Kammer sieht darin eine Verwendung des ursprünglich beanspruchten Gegenstands in der Umgebung einer graphischen Programmiersprache, die die Gründe für eine mangelnde Klarheit in der angefochtenen Entscheidung nicht überwinden können.
3.1 Die Kammer stimmt der Entscheidung zu, dass die Einzelheiten, wie ein Referenzmuster und das Vergleichsmuster berechnet werden, als wesentliche Merkmale anzusehen sind, für die der Wortlaut des Anspruchs 1 entsprechende Schritte spezifizieren müsste. Im Rahmen der Musterkennung ist es von großer Bedeutung, welche Informationen für die Erkennung der Muster verwendet werden, da die Merkmale der Muster nicht beliebig gewählt werden können, sondern stark von der Art der verarbeiteten Signale abhängen. Darin liegt ein wesentlicher Schlüssel dafür, ob eine Mustererkennung den gewünschten Erfolg bringt. Eine Verwendung ungeeigneter Merkmale für die Mustererkennung stellt den gewünschten Erfolg in Frage.
Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer die funktionelle Angabe in Anspruch 1, wonach Regelmäßigkeiten, Wiederholungen, Ähnlichkeiten oder Gesetzmäßigkeiten ermittelt werden, hierfür als Angabe zur Bestimmung der Muster als unzureichend.
3.2 Funktionelle Merkmale sind grundsätzlich dann zulässig, wenn (i) diese Merkmale ohne Einschränkung der erfinderischen Lehre anders nicht objektiv präziser umschrieben werden können, und (ii) die funktionellen Merkmale dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren, die er mit zumutbarem Denkaufwand ausführen kann (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, II.A.3.4). Vor allem letzteres (Punkt (ii)) ist beim beanspruchten Gegenstand nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin hat keinen Nachweis erbracht, wie für den beanspruchten Einsatzbereich eine solche konkrete bekannte Ausführungsform für die Bestimmung von Referenzmustern zur Mustererkennung aussehen könnte. Auch bieten die Anmeldungsunterlagen diesbezüglich keine eindeutigen Informationen, die eine Formulierung der Mustererkennung als funktionelles Merkmal erlauben würden.
3.3 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung mehrfach betont, dass sich die Erfindung auf "bestimmte" Aspekte konzentriert, um für einen Vergleich von Bildsignalen und angezeigter Information nicht alles untersuchen zu müssen, also nur bestimmte Muster überprüft werden müssten. Dazu würde "ein spezifisches Element" herangezogen, welches "kennzeichnend" für diese Muster bzw. für diesen Anwendungsfall sein soll. Dabei hat die Beschwerdeführerin, wie auch im schriftlichen Verfahren, auf die Figur 5 der Anmeldungsunterlagen als Ausführungsbeispiel für eine Mustererkennung bei einem graphischen Editor verwiesen (vgl. Seite 3, Absatz 2 der Beschwerdebegründung). Graphische Befehle 503, 505, 507 sowie das Verbindungselement 509, welche in einem graphischen Editor vorliegen, würden üblicherweise in Form von XML-Textdateien abgespeichert und könnten dann zur Bildung des Referenzmusters verwendet werden. Das Muster würde dann zusätzlich in Form von Kennungen 511, 513, 515 nach Art von QR-Codes in die Darstellung integriert.
3.4 Ein konkretes Beispiel anhand welcher Information der Fachmann erkennen kann, ob und wann ein Merkmal kennzeichnend oder spezifisch für diesen Zweck ist, lässt sich daraus jedoch nicht entnehmen. In Figur 5 wird zwar gezeigt, wie eine graphische Programmierung aussehen kann (z.B. mittels Logik-Blöcken wie UND bzw. ODER Funktionen mit mehreren Eingängen, die untereinander verknüpft werden). Auch wird ein QR-Code als Referenzmuster gezeigt. Jedoch bleibt offen, welche Information ein solcher QR-Code repräsentiert. Auch ist die eigentliche Mustererkennung nur als Blackbox 517 abgebildet. Der zugehörige Beschreibungstext auf Seite 21, Zeilen 23ff. und Seite 22, Zeilen 4 bis 31 liefert diesbezüglich keine weitergehenden Informationen, wie eine Mustererkennung konkret erfolgen soll. Insbesondere findet sich in der Beschreibung auch keine Stütze für die von der Beschwerdeführerin angeführten XML-Textdateien.
3.5 Gerade der Bezug auf einen graphischen Editor und die Tatsache, dass Befehle und Parameter anspruchsgemäß in einer graphischen Programmiersprache dargestellt werden sollen, erfordern umso mehr eine Anweisung an den Fachmann, wie in diesem Fall Referenzmuster und Vergleichsmuster zu bestimmen sind, und auf welche Weise eine Mustererkennung auf diesen Anwendungsfall angepasst erfolgen soll, um den beanspruchten Zweck zu erreichen. Anders als bei der Entgegenhaltung D3, auf die die Beschwerdeführerin als Beispiel Bezug genommen hat und wo konkret die Kontur als Merkmal zur Mustererkennung von Piktogrammen beschrieben wird, schweigt sich die Anmeldung jedoch diesbezüglich aus. Die Beschwerdeführerin hat keine konkreten Merkmale für Referenzmuster und Mustererkennungsverfahren genannt, die bei einem graphischen Editor in Frage kämen und dem Fachmann ohne weiteres zur Verfügung standen. Hinzu kommt, dass eine Kontur gerade im Hinblick auf Figur 5 gar nicht hilfreich wäre, weil sich die Kontur der Boxen der unterschiedlichen Elemente der graphischen Programmiersprache nicht unterscheidet und daher gerade nicht als geeignetes Merkmal für ein Referenzmuster dienen kann.
3.6 Der Gegenstand von Anspruch 1 erfüllt daher nicht das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ) für das als wesentlich erachtete Merkmal der Mustererkennung und die Frage wie der Fachmann aus den Bildsignalen geeignete Merkmale zur Bildung von Referenzmustern findet.
Hilfsantrag 1
4. Anspruch 1 dieses Antrags fügt im wesentlichen hinzu, dass den Eingangsgrößen eine Kennung zugeordnet wird und dass während der Mustererkennung auf diese Kennung gescannt wird.
4.1 Die Kammer stellt hierzu fest, dass auch die Bezeichnung "Kennung" nicht mehr zum Ausdruck bringt, als dass die Zusatzinformation "kennzeichnend" sein soll. Was eine solche kennzeichnende Information zur Bildung von Referenzmustern aus den Bildsignalen konkret sein könnte oder anhand welcher Kriterien dies erfolgen soll, bleibt dadurch aber weiter unspezifiziert.
4.2 Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich während der mündlichen Verhandlung auf Figur 4 der Anmeldung und die darin gezeigt Ziffer "8" als Kennung verwiesen. Die Kammer stellt fest, dass Figur 4 sowie der zugehörige Beschreibungstext zur Interpretation von Anspruch 1 ungeeignet ist, weil diese ein anderes Ausführungsbeispiel ohne Bezug auf einen graphischen Editor darstellt, während anspruchsgemäß Befehle und Parameter in einer graphischen Programmiersprache dargestellt werden sollen. Die gezeigte Ziffer "8" stellt daher keine Kennung im Sinne von Anspruch 1 dar.
Hilfsantrag 2
5. Anspruch 1 dieses Antrags fügt als weiteres Teilmerkmal einen Vergleich von Prüfsummen von erkanntem Muster und Referenzmuster hinzu.
5.1 Es handelt sich bei diesem Merkmal um eine ergänzende Maßnahme, wie anhand der Tatsache ersichtlich ist, dass eine zusätzliche Vergleichseinrichtung 527 vorgesehen ist (vgl. Figur 5), die unabhängig von der Mustererkennung 517 operiert (siehe auch Seite 23, Zeile 28ff.).
5.2 Damit können die zusätzlichen Merkmale das oben erörterte Klarheitsproblem bei der Mustererkennung nicht beheben.
6. Somit erfüllt auch keiner der Hilfsanträge das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ) für das als wesentlich erachtete Merkmal der Mustererkennung und die Frage wie der Fachmann aus den Bildsignalen geeignete Merkmale zur Bildung von Referenzmustern findet.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.