T 1103/17 (Sicherheitselement / Giesecke+Devrient) 03-02-2022
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Sicherheitselement mit Beugungsstruktur und Verfahren zur Herstellung dieses Elements
Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG
CCL Secure Pty Ltd
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag 1 - Antrag identisch mit dem im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassenen Hilfsantrag - Antrag hätte früher eingereicht werden müssen - Antrag wirft neue Probleme auf
Änderung nach Ladung - stichhaltige Gründe (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
I. Gegen das Europäische Patent wurde Einspruch eingelegt von der Einsprechenden 1, der Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG, und der Einsprechenden 2, der Innovia Security Pty Ltd. Die Einsprüche stützen sich auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ.
II. Die Einspruchsabteilung entschied, das Patent zu widerrufen wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit des Hauptantrags gegenüber jedem der Dokumente
D2: WO 02/051646 A1 und
D9: JP 06-075517 A,
wobei die Maschinenübersetzung der D9 als D9a bezeichnet wird, und wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit des Hilfsantrags 1 gegenüber
D7: WO 02/00446 A1.
Ein weiterer, während der mündlichen Verhandlung eingereichter und ebenfalls als Hilfsantrag 1 bezeichneter Anspruchssatz wurde im Einspruchsverfahren nicht zugelassen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin, die Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH, im Einspruchsverfahren noch Giesecke & Devrient GmbH genannt, Beschwerde eingelegt. Sie beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent in der der Entscheidung der Einspruchsabteilung als Hauptantrag zugrunde liegenden Fassung oder in der während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren nicht zugelassenen, mit der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag erneut eingereichten Fassung aufrechtzuerhalten.
IV. Die Einsprechende 1 beantragte als erste Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen. Außerdem solle der Hilfsantrag nicht im Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
V. Dasselbe beantragt die Einsprechende 2, deren Namen während des Beschwerdeverfahrens in CLL Secure Pty Ltd. geändert wurde, als zweite Beschwerdegegnerin.
VI. In einer Mitteilung legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar. Danach seien die am Hauptantrag vorgenommenen Änderungen durch einen Einspruchsgrund veranlasst und brächten keinen zusätzlichen Sachverhalt ein. Unter der von der Kammer vorgenommenen Auslegung der Ansprüche seien diese neu, beruhten jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber jedem der Dokumente D2, D7 und D9. Der Hilfsantrag werde voraussichtlich nicht zugelassen.
VII. Die Patentinhaberin reichte daraufhin einen neuen Hilfsantrag 2 ein und zitierte das Patentdokument
D19: WO 2006/024478 A2.
VIII. Von den im Beschwerdeverfahren zitierten Druckschriften ist außer den oben genannten lediglich die
D5: WO 03/095227 A1
relevant für die vorliegende Entscheidung.
IX. Eine mündliche Verhandlung fand per Videokonferenz in angekündigter Abwesenheit der Einsprechenden 2 statt. Die Einsprechende 1 hat während der Verhandlung, gegen die Zulassung sowohl des Hilfsantrags 2 als auch D19 argumentiert.
X. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
Sicherheitselement für Sicherheitspapiere, Wertdokumente und dergleichen mit einer flächigen Beugungsstruktur,
dadurch gekennzeichnet, dass
die flächige Beugungsstruktur mit einer aus zwei Schichten bestehenden Schichtenfolge aus einer semitransparenten Metallschicht, die durch eine durchgehende dünne Metallschicht gebildet ist
und deren Dicke so gewählt ist, dass sie im sichtbaren Spektralbereich eine Transmission zwischen 70% und 90% aufweist, und einer hochbrechenden Schicht mit einer Schichtdicke zwischen 30 nm und 70 nm versehen ist.
XI. Anspruch 2 des Hauptantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 in der Definition der semitransparenten Metallschicht, die hier keine durchgehende dünne Metallschicht ist, sondern
... durch ein Raster aus opaken metallischen Rasterelementen gebildet ist...
Weiterhin ist statt der Dicke der Schicht "deren Größe und Flächenanteil" so gewählt, dass sie eine Transmission zwischen 70% und 90% aufweist.
XII. Die Ansprüche 21 und 22 definieren den Ansprüchen 1 und 2 entsprechende "Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements".
XIII. In den Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrags 1 wurde im Vergleich zum Hauptantrag jeweils das Merkmal hinzugefügt,
... wobei das Sicherheitselement zumindest in einem Teilbereich eine hohe optische Transparenz aufweist und in diesem Teilbereich nur eine einzige Metallschicht enthält.
Die Verfahrensansprüche 21 und 22 wurden entsprechend geändert.
XIV. Der Hilfsantrag 2 entspricht dem Hauptantrag ohne die Ansprüche 1 und 21.
XV. Die Argumente der Parteien finden sich, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, in den folgenden Entscheidungsgründen.
Die Lehre der Patentschrift
1. Das Patent beschreibt ein durchsichtiges Sicherheitselement, das eine Beugungsstruktur, wie etwa ein Hologramm, aufweist. Die Beugungsstruktur soll auch auf einem hellen, diffus reflektierenden Untergrund, zum Beispiel auf Banknoten, gut erkennbar sein, ohne dabei einen zu stark metallisch wirkenden Glanz aufzuweisen. Erreicht wird das dadurch, dass die Beugungsstruktur sowohl mit einer semitransparenten, dünnen oder gerasterten Metallschicht als auch mit einer hochbrechenden Schicht kombiniert wird. Die Metallschicht dunkelt dabei den Hintergrund so weit ab, dass einerseits die Gesamttransparenz erhalten bleibt und andererseits die hochbrechende Schicht die Beugungsstruktur brillant zur Geltung bringen kann (siehe Absätze [0003] - [0012], [0021] und [0035] der Patentschrift).
Hauptantrag - Auslegung der Ansprüche
2. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 definieren jeweils ein Sicherheitselement mit einer flächigen Beugungsstruktur, die mit einer "aus zwei Schichten bestehenden Schichtenfolge" versehen ist. Dabei ist eine der beiden Schichten als semitransparente Metallschicht und die andere als hochbrechende Schicht definiert. Ansprüche 1 und 2 unterscheiden sich lediglich durch die Definition der Metallschicht.
3. Laut Patentinhaberin schließt die Anspruchsdefinition zwar nicht aus, dass das Sicherheitselement weitere Schichten aufweisen könne. Es gehe aus den Ansprüchen jedoch eindeutig hervor, dass der visuelle Eindruck des Sicherheitselements nur durch die Schichtenfolge der zwei optisch wirksamen Schichten bestimmt werde. Jede weitere, optisch wirksame Schicht würde das Erscheinungsbild zerstören. Falls beispielsweise eine dritte, optisch wirksame Schicht vorhanden wäre, würde dies zu einer Dreischichtenfolge führen, die dem Verständnis des Anspruchs zuwiderliefe. Der Anspruch müsse deshalb so verstanden werden, dass weitere, eventuell vorhandene Schichten den durch die Zweischichtenfolge erzeugten visuellen Eindruck des Sicherheitselements nicht merklich beeinflussen dürften. Dieses Verständnis der Ansprüche sei auch von der Beschreibung gestützt. Die anhand der Figur 3 beschriebene und im Anspruch 14 der Patentschrift definierte weitere optisch wirksame Schicht 48 sei nur in Teilbereichen vorhanden, in denen dementsprechend auch keine erfindungsgemäße Zweischichtenfolge vorhanden sei.
4. Die Anspruchsauslegung der Patentinhaberin ist jedoch enger als durch die Ansprüche gerechtfertigt. Die Ansprüche schränken die Beschaffenheit von eventuell weiter vorhandenen Schichten weder explizit noch implizit ein, da sie den visuellen Eindruck des gesamten Sicherheitselements offenlassen. Im Gegenteil, Anspruch 14 der Patentschrift definiert, dass "die Schichtenfolge" (also diejenige, die in Anspruch 1 definiert ist) "mit einer opaken Metallschicht kombiniert ist". Das zeigt, dass sich die definierte Zweischichtenfolge auch im Sinne der Erfindung durchaus mit einer weiteren optisch wirksamen Schicht kombinieren lässt, ohne dass sie dadurch aufhört, die im Anspruch definierte Zweischichtenfolge zu sein. Auch die Patentschrift liefert keinen Hinweis darauf, dass die Zweischichtenfolge dort, wo sie mit der zusätzlichen, optisch wirksamen Metallschicht 48 kombiniert ist, nicht mehr unter die in Anspruch 1 definierte Schichtenfolge fällt (siehe Absätze [0017] und [0036]).
Berücksichtigung D19
5. D19 wurde in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer durch die Patentinhaberin eingereicht. Es zeigt, unter anderem, experimentelle Resultate der Messung von Reflexionskoeffizienten an dünnen Metallschichten.
6. Laut Einsprechender 2 ist das Einreichen verspätet. D19 gehöre nicht zum Stand der Technik und könne deshalb kein Fachwissen belegen. Ob die darin angegebenen Zahlen stimmten, wisse man nicht. D19 sei deshalb nicht zu berücksichtigen.
7. D19 wurde nach dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht und gehört damit richtigerweise nicht zum Stand der Technik. Allerdings kann D19, unabhängig von seinem Veröffentlichungsdatum, als Beweismittel für universell gültige Reflexionseigenschaften dünner Metallschichten dienen. Als solches ist es potenziell relevant zur Beurteilung der Patentierbarkeit und wird deshalb im Verfahren berücksichtigt.
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
8. D2 offenbart eine Dekorfolie, die zur Sicherung von Sicherheitspapieren und Wertdokumenten wie Pässen, Kreditkarten oder Ausweisen dient, und damit ein "Sicherheitselement" ist (siehe D2, Seite 1, 2. Absatz und Seite 14, letzter Absatz). Das in die Lackschicht 10 eingeprägte Relief zur Erzeugung eines Hologramms (Seite 5, zweiter Satz des dritten Absatzes) ist eine "flächige Beugungsstruktur". Diese ist in Teilbereichen der Dekorfolie mit einer durchgehenden, dünnen Metallschicht 11 versehen (siehe die unten abgebildete Figur 1 aus D2 und Seite 5, 2. Absatz), die typischerweise eine Dicke von 5 nm bis 15 nm aufweist und für einen Großteil des Lichts transparent ist (Seite 8, letzter Absatz).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
An die Metallschicht 11 schließt sich eine dielektrische Schicht 3 an, die in sieben der auf Seite 6, letzter Absatz, angegebenen neun Ausführungsbeispielen hochbrechend ist und eine typische Dicke von 50 nm bis 200 nm aufweist. Die Schicht 11 ist "für einen Grossteil des einfallenden Lichts 12 transparent" (Seite 8, letzter Absatz). An die Schicht 11 schließt eine weitere Metallschicht 6 an (Seite 5, 2. Absatz), die entweder mehr als 50 nm dick und hochreflektierend, oder aber ebenso dünn und lichtdurchlässig wie die Schicht 11 sein kann (Seiten 8 und 9 überspannender Absatz).
9. Insoweit ist die Offenbarung von D2 von der Patentinhaberin nicht bestritten. Was jedoch bestritten wird, ist, dass die beiden Schichten 11 und 3 eine "aus zwei Schichten bestehende Schichtenfolge" im Sinne des Anspruchs 1 bilden würden. Die Schichten 11 und 3 seien funktionell untrennbar mit der Schicht 6 verbunden, da nur die Kombination der an den zugehörigen Grenzflächen 13 und 14 reflektierten Lichtstrahlen zu den gewünschten brillanten Interferenzeffekten führe. Es läge deshalb ein Dreischichtsystem vor, das die Fachperson nicht auf das Zweischichtsystem des Anspruchs 1 lesen würde. Ein Zweischichtensystem gebe es in D2 nur dort, wo keine Schicht 11 vorhanden sei, wie etwa in den Regionen 36 der oben abgebildeten Figur 1. Dort sei die Metallschicht 6 allerdings dick und undurchsichtig.
10. Unter der weiter oben dargelegten Auslegung des Anspruchsmerkmals ist dieses Argument gegenstandslos. Die Schichtenfolge in Anspruch 1 schließt nicht aus, dass weitere, optisch wirksame Schichten vorhanden sind. Deshalb handelt es sich bei den beiden Schichten 11 und 3 um eine "aus zwei Schichten bestehende Schichtenfolge" im Sinne des Anspruchs 1, auch wenn daran die weitere, optisch wirksame Schicht 6 anschließt.
11. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich deshalb nur dadurch von D2, dass die Metallschicht 11 eine Transmission zwischen 70% und 90% aufweist.
12. Der technische Effekt des unterscheidenden Merkmals liegt darin, dass durch die Transmission das Intensitätsverhältnis, und damit die Stärke der Interferenz, der von den Schichten 11 und 6 reflektierten Strahlen beeinflusst wird.
13. Das objektive technische Problem besteht darin, die Schicht 11 so zu realisieren, dass sie die in D2 gewünschte Auslöschung einzelner Wellenlängen des Lichts ermöglicht, und damit die in D2 angestrebte hohe Brillanz der Interferenzfarben und den hohen Kontrast zum Hologramm bewirkt (Seite 7, Ende 1. Absatz und Seite 8, 1. Absatz).
14. Um die möglichst vollständige Auslöschung einzelner Farben zu erreichen, würde die Fachperson die Dicke der Metallschicht 11 aus dem in D2 angegebenen Bereich von 5 nm bis 15 nm abhängig vom verwendeten Metall (Seite 8, Mitte des letzten Absatzes) so auswählen, dass die von der Schicht 11 reflektierte Intensität in etwa der von der Schicht 6 reflektierten Intensität entspricht. Die Fachperson würde dabei berücksichtigen, dass ein Teil des Lichts bei der doppelten Durchquerung der Schichten 11 und 3 absorbiert wird. Weitere Verluste des durch die Schicht 11 transmittierten Lichts entstehen durch die unvollständige Reflexion an der Grenzfläche 14 der Schichten 3 und 6 und der Rückreflexion an der Unterseite der Schicht 11. Um diese nicht unerheblichen Verluste auszugleichen, wäre es nahe gelegen, die Dicke der Schicht 11 so zu wählen, dass deren Transmission im Bereich 70% bis 90% liegt. Dass solche Transmissionswerte für die meisten der in D2 angegebenen Metalle in dem in D2 angegebenen Dickenbereich möglich sind, wird durch die Figuren 7a und 7b von D19 belegt. Letzteres wird von der Patentinhaberin auch nicht angezweifelt.
15. Alternativ wäre die Fachperson auch ohne diese Überlegungen zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt. D2 gibt eine Auswahl von bevorzugten Materialien für das Metall der Schicht 11 vor: Aluminium, Silber, Gold, Chrom, Kupfer und Tellur. D2 gibt ebenfalls einen Dickenbereich von 5 nm bis 15 nm für die Schicht 11 vor, mit der Anmerkung, dass die Dicke, unter anderem, abhängig vom verwendeten Metall ist (Seite 8, letzter Absatz). Das bedeutet, dass die Dicke umso dünner sein muss, je geringer die Lichtdurchlässigkeit des Metalls ist.
16. D19 zeigt in den Figuren 7a und 7b die Abhängigkeit des Reflexionskoeffizienten von der Schichtdicke. Es erschließt sich aus den Figuren, dass bei den Materialien Silber, Gold, Chrom und Kupfer (wenn auch nicht bei Aluminium) über einen großen Bereich der in D2 angegebenen Schichtdicken die Transmission im Bereich zwischen 70 und 90% liegt. Selbst dann, wenn ein gewisses Maß an Absorption einberechnet wird. Deshalb wäre die Fachperson auch bei einer zufälligen Auswahl aus den erlaubten Ausgestaltungsmöglichkeiten in der Mehrzahl der Fälle zu einem Sicherheitselement nach Anspruch 1 gelangt.
17. Die Patentinhaberin macht geltend, dass D2 über die Transparenz des Metallfilms 11 lediglich aussage, dass diese "wenigstens 50%" betragen müsse und für "einen Grossteil des einfallenden Lichts" transparent sein solle (Anspruch 5 und Seite 8 von D2). Dies bedeute nicht mehr, als dass ein nicht unerheblicher Teil transmittiert werden solle, während andere Teile reflektiert und absorbiert würden. Wie in der Figur 1 gezeigt, sei die Metallschicht 11 auch nicht durchgehend vorhanden, sondern sei durch Regionen 7 unterbrochen. Die Transmission der Schicht als Ganzes werde deshalb durch deren unvollständige Flächenabdeckung bestimmt. Deshalb habe die Schicht allein, ohne diese Unterbrechungen, noch einmal eine deutlich geringere Transmission. Das belege auch D19, nach der selbst eine 5 nm dünne Schicht aus Aluminium eine deutlich geringere Transmission als 70% aufweise. All das spreche dafür, dass die Fachperson ausgehend von D2 deutlich unter einer Transmission von 70% geblieben wäre.
18. Noch dazu führe eine Transmission der Schicht 11 in D2 von 70% bis 90% nicht zu einer Verstärkung der Interferenzfarben. Auch wenn es rein theoretisch so sein möge, sei doch in der Praxis eine deutlich niedrigere Transmission von 30% bis 65% üblich, um die Interferenz zu maximieren, was durch D5 belegt werde. Eine zu hohe Transmission des Metallfilms 11 in D2 würde auch dazu führen, dass der Effekt der Schicht auf die Interferenz sehr gering wäre. Dann könne man die ohnehin optionale Schicht 11 aber auch weglassen, denn der Aufwand zur Herstellung einer kaum wirksamen Schicht wäre unangemessen. D2 lehre deshalb eher von einer Transmission im Bereich von 70% bis 90% weg.
19. Die Auswahl des Bereich 70% bis 90% sei laut Patentinhaberin auch nicht willkürlich, sondern beruhe auf einer sorgfältigen Abwägung zweier gegenläufiger Effekte. Eine zu hohe Transparenz würde keine ausreichende Abdunklung erzeugen und damit, bei einem hellen Hintergrund, den visuellen Eindruck des Hologramms abschwächen. Eine zu niedrige Transparenz hingegen würde zu einem dominanten metallischen Farbeffekt führen und die Transparenz des gesamten Elements zu stark verringern. Diese Fragen stellten sich in D2 jedoch überhaupt nicht. Deshalb sei die Auswahl dieses Bereichs erfinderisch.
20. Davon abgesehen, dass D5 nicht anstrebt, möglichst intensive Interferenzfarben zu erzeugen, kann unabhängig von der genauen Offenbarung der D5 diese nicht das physikalische Verständnis der Fachperson über Interferenz in Frage stellen.
21. Wie bereits weiter oben erwähnt, würde die Fachperson allein aus den Angaben der Materialien und des Dickenbereichs der Metallschicht 11 in einer Mehrzahl der Fälle (wenn auch nicht im Fall von Aluminium) zu dem im Anspruch definierten Transmissionsbereich gelangen. Zu diesem Bereich würde sie auch dadurch gelangen, dass sie ihr Fachwissen über Lichtausbreitung einsetzt, um die Schicht 11 so zu realisieren, dass sie zu der in D2 angestrebten, möglichst optimalen Interferenz beiträgt. Durch eine hohe Transmission wird die Schicht 11 auch nicht überflüssig. Es ist deutlich einfacher, eine gewünschte Transmission über die Schichtdicke eines Metallfilms einzustellen, als durch die Auswahl von Materialien mit passenden Brechungsindizes für die Lackschicht 10 und dielektrische Schicht 3.
22. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit irrelevant sind die von der Patentinhaberin angestellten Erwägungen zur Transmission, die auf der Transparenz des gesamten Sicherheitselements basieren, denn eine solche ist nicht in den Ansprüchen definiert.
23. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 1 - Zulassung
24. Hilfsantrag 1 wurde erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht.
25. Die Einspruchsabteilung ließ den Antrag unter Verweis auf Regel 116(1) EPÜ mit der Begründung nicht zu, dass er verspätet vorgelegt worden sei und dass "die Einsprechenden sich nicht genügend vorbereiten konnten" (Punkt 4 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung).
26. Nach Artikel 12(4) VOBK 2007 hat die Kammer die Befugnis, erstinstanzlich nicht zugelassene Anträge im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht zuzulassen. Die Kammer macht von dieser Befugnis aus den folgenden, von zumindest einer der beiden Einsprechenden unter anderem vorgebrachten Gründen Gebrauch:
a) Der Hilfsantrag 1 hätte früher eingereicht werden sollen.
b) Die Änderungen im Hilfsantrag 1 erzeugen, prima facie, ein Klarheitsproblem in den Ansprüchen 1 und 2 (Artikel 84 EPÜ). Es ist nicht klar, was mit einem Teilbereich mit einer "hohen Transparenz" gemeint ist: Hoch gegenüber dem Teilbereich mit der definierten Schichtenfolge? Hoch gegenüber einem opaken Bereich?
c) Des weiteren ist nicht klar, ob die "nur eine einzige Metallschicht" die vorher definierte "semitransparente Metallschicht" sein soll oder nicht (Artikel 84 EPÜ).
d) Durch den unklaren Bezug der Metallschicht und die daraus folgende, breite Anspruchsauslegung bringen die Änderungen, prima facie, auch ursprünglich nicht offenbarten Sachverhalt ein (Artikel 123 (2) EPÜ). So umfassen die Ansprüche 1 und 2 nun beispielsweise Sicherheitselemente, die mehrere unterschiedliche Teilbereiche umfassen. Dabei kann die Beugungsstruktur in einem Teilbereich mit der definierten Schichtenfolge versehen sein und in einem anderen Teilbereich stattdessen mit einer (anderen) Metallschicht. Solche Sicherheitselemente sind jedoch nicht ursprünglich offenbart.
27. Zu Punkt a) verweist die Patentinhaberin darauf, dass die erneute Einreichung des Hilfsantrags im Beschwerdeverfahren eine legitime Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung darstellt, die ein Anspruchsmerkmal anders ausgelegt habe als die Prüfungsabteilung. Der Grund, weshalb die Einspruchsabteilung diesen Hilfsantrag nicht berücksichtigt habe, habe lediglich an der mangelnden Vorbereitungszeit für die Einsprechenden gelegen. Zeit sei im Beschwerdeverfahren jedoch zur Genüge vorhanden gewesen, weshalb dieses Argument im Beschwerdeverfahren nicht mehr zutreffe.
28. Es ergab sich während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung jedoch keine neue oder überraschende Wendung des Verfahrens. Die Patentinhaberin musste damit rechnen, dass sich die Einspruchsabteilung, entgegen der Haltung der Prüfungsabteilung, den Argumenten der Einsprechenden anschließen könnte. Deshalb hätte der Hilfsantrag 1 bereits früher eingereicht werden sollen und gilt als verspätet. Das gilt unabhängig davon, wie viel Zeit der Einsprechenden wann zur Verfügung stand.
29. Zu Punkt b) bekräftigt die Patentinhaberin, dass die neu in den Ansprüchen 1 und 2 eingeführten Merkmale klar seien, denn der Ausdruck "hohe optische Transparenz" beziehe sich eindeutig auf die im Anspruch definierte Transparenz von 70% - 90%. Die Fachperson verstehe, dass die weiteren Elemente des Sicherheitselements diese Transparenz nicht merklich beeinträchtigten, da ansonsten eine darunter liegende Seriennummer nicht mehr erkannt werden würde. Dies werde auch aus den Absätzen [0010] und [0030] des Streitpatents deutlich.
30. Entgegen der Argumentation der Patentinhaberin bezieht sich die Transparenz von 70% bis 90% lediglich auf die semitransparente Metallschicht und nicht, wie die "hohe optische Transparenz", auf das gesamte Sicherheitselement. Da das Sicherheitselement weitere, nicht definierte Schichten mit unbekannter Transparenz aufweisen kann, darunter auch weitere Metallschichten, bleibt die Formulierung und damit der beabsichtigte Schutzbereich der Ansprüche unklar. So könnte im Vergleich zu einem opaken Sicherheitselement bereits eine minimale Transparenz als "hoch" gelten.
31. Zu den Punkten c) und d) erklärt die Patentinhaberin, dass sich aus dem Anspruch eindeutig ergebe, dass die einzige Metallschicht die im Anspruch zuvor genannte semitransparente Metallschicht sein müsse. Eine weitere optisch wirksame Schicht sei bei einer Zweischichtenfolge ausgeschlossen. Die Fachperson würde keine abwegige Auslegung vornehmen, die dem technischen Verständnis des Anspruchs, ein insgesamt transparentes Sicherheitselement durch eine Zweischichtenfolge bereitzustellen, zuwiderliefe. Auch in der Patentschrift gebe es lediglich eine einzige Metallschicht. Dies sei die Schicht 26 in der Figur 2 und die Schicht 46 in der Figur 3. Die Schicht 52 in der Figur 4 sei ein Raster, das durch seine unvollständige Flächenabdeckung auch eine semitransparente Metallschicht sei. Die Schicht 48 in der Figur 3 sei lediglich in Bereichen vorhanden, die nicht unter die Erfindung fielen. Unter diesem Verständnis ergebe sich auch ein zusätzlicher Sachverhalt.
32. Auch dieses Argument ist nicht überzeugend, denn die Verwendung des unbestimmten Artikels bei der "einen einzigen Metallschicht" weist eher davon weg, dass damit die vorher definierte "semitransparente Metallschicht" gemeint ist. Unter Berücksichtigung der weiter oben dargelegten Auslegung der Zweischichtenfolge ist ein solches Verständnis auch nicht abwegig, weshalb das Merkmal zweideutig und unklar ist. Die entsprechend notwendige, breite Auslegung schließt mit ein, dass die eine einzige Metallschicht eine andere Schicht ist als die semitransparenten Metallschicht. Dadurch umfassen die Ansprüche 1 und 2 jedoch auch die unter Punkt d) genannten, nicht ursprünglich offenbarten Ausführungen des Sicherheitselements mit Teilbereichen ohne das erfindungsgemäße Zweischichtensystem, in denen nur eine andere Metallschicht vorhanden ist.
33. Folglich ist Hilfsantrag 1 nicht im Verfahren zugelassen.
Hilfsantrag 2 - Berücksichtigung
34. Der Hilfsantrag 2 wurde nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. Artikel 13(2) VOBK 2020 verlangt stichhaltige Gründe dafür, dass der Antrag durch außergewöhnliche Umstände erst zu einem solch späten Zeitpunkt eingereicht werden konnte.
35. Die Patentinhaberin baut auf der Argumentation zum Hilfsantrag 1 auf: Der bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte, jetzige Hilfsantrag 1 sei von der Einspruchsabteilung nur deshalb nicht zugelassen worden, weil die Einsprechenden keine Zeit für eine Vorbereitung ihrer Entgegnung gehabt habe. Diese Zeit sei jedoch im Beschwerdeverfahren zu Genüge vorhanden gewesen, weshalb die Patentinhaberin fest davon ausgegangen sei, dass der Hilfsantrag 1 durch die Kammer zugelassen werde. Da zum Zeitpunkt der Beschwerde noch die vorherige Verfahrensordnung gegolten habe, sei das sofortige Einreichen von Hilfsanträgen auch noch nicht unbedingt notwendig gewesen. Die negative vorläufige Haltung der Kammer zur Zulassung des Hilfsantrags 1 sei daraufhin völlig überraschend gekommen. Hilfsantrag 2 sei eine legitime Reaktion auf diese überraschende Wendung des Verfahrens. Generell könne zwar jeder Antrag immer auch früher gestellt werden, dies sei aber nicht immer sachgerecht.
36. Es spreche auch für eine Zulassung, dass der Hilfsantrag 2 weder neuen Sachverhalt einbringe noch neue Fragen aufwerfe, da er lediglich den Hauptantrag auf die zweite Ausgestaltung nach Anspruch 2 beschränke.
37. Diese Begründung ist nicht stichhaltig. Es ist damit zu rechnen, dass ein Antrag, der im Einspruchsverfahren nicht zugelassen wurde, auch im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen wird. Insbesondere, da die Einsprechenden in ihren Beschwerdeerwiderungen eine ganze Reihe von Argumenten gegen die Zulassung angeführt hatten. Dass die Kammer sich der Haltung einer der Parteien anschließt, kann nicht überraschen. Deshalb ist auch keine überraschende Wendung des Verfahrensverlaufs erkennbar. Unabhängig davon, welche Verfahrensordnung galt, sind die Parteien generell dazu angehalten, ihre Anträge so früh wie möglich zu stellen. Die Patentinhaberin hätte deshalb den Hilfsantrag 2 spätestens mit ihrer Antwort auf die Beschwerdeerwiderungen einreichen sollen.
38. Da keine stichhaltigen Gründe für außergewöhnliche Umstände sprechen, bleibt der Hilfsantrag 2 unberücksichtigt.
Fazit
39. Der Hauptantrag ist nicht gewährbar, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 und 100 a) EPÜ).
40. Der im Einspruchsverfahren nicht zugelassene Hilfsantrag 1 ist im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht zugelassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).
41. Der Hilfsantrag 2 bleibt nach Artikel 13(2) VOBK 2020 im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.