T 1267/17 01-07-2021
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ELEKTRISCHER NOCKENWELLENVERSTELLER
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung
Änderungen - Hilfsanträge (ja)
I. Die Beschwerdeführerinnen (Patentinhaberin und Einsprechende) haben jeweils Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, in der festgestellt wurde, dass das Europäische Patent 1 718 846 in geänderter Fassung die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
In der Folge wird auf die Bezeichnung "Beschwerdeführerin" verzichtet. Die Parteien werden nur in ihrer Eigenschaft als Patentinhaberin und Einsprechende bezeichnet.
II. Auf folgende Dokumente aus dem Einspruchsverfahren wird Bezug genommen:
D1 : EP 1 039 100 A2
E3 : US 2,906,143
III. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen und in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) über die vorläufige Beurteilung der Sache durch die Kammer informiert. Die mündliche Verhandlung fand am 1. Juli 2021 statt.
IV. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
V. Die Patentinhaberin beantragte als Hauptantrag, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht am 29 November 2016,
hilfsweise als Hilfsantrag 1, die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden, d.h. Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage des Hilfsantrags 2 vom 29. November 2016,
weiter hilfsweise als Hilfsantrag 2, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage des Hilfsantrags 3, vom 29. November 2016.
VI. Anspruch 1 laut Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"Elektrischer Nockenwellenversteller zur Verstellung und Fixierung der Phasenlage einer Nockenwelle eines Verbrennungsmotors gegenüber dessen Kurbelwelle mit
- einem Antriebsrad (1), das drehfest mit der Kurbelwelle verbunden ist,
- einem nockenwellenfesten Abtriebsteil (4), und
- einem Wellgetriebe
- mit mindestens einer Hohlrad-Stirnradpaarung,
- wobei eines der beiden Bauteile drehfest mit dem Antriebsrad (1) verbunden ist und das andere Bauteil zumindest in einer drehmomentübertragenden Verbindung zum Abtriebsteil (4) steht,
- wobei das Stirnrad als biegeelastische Hülse (18) ausgeführt und
- zumindest teilweise innerhalb des ersten Hohlrades (2, 5) angeordnet ist,
- mit einem von einem elektrischen Verstellmotor über eine getriebefeste Verstellwelle (10", 10"') angetriebenen Wellgenerator (17"),
- der Mittel zur elliptischen Verformung der biegeelastischen Hülse (18) besitzt,
- wodurch die Hülse (18) derart verformt wird, dass zwischen dem Hohlrad (2, 5) und der Hülse (18) an zwei gegenüberliegenden Stellen der Hülse (18) eine drehmomentübertragende Verbindung hergestellt ist
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Mittel zur elliptischen Verformung der biegeelastischen Hülse (18) zwei an der Verstellwelle (10", 10"') angebrachte, an zwei gegenüberliegenden Bereichen der Hülse (18) anliegende Lagerzapfen (29) sind, auf denen je ein Wälzlager (13"') angeordnet ist."
In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde am Ende des Anspruchs folgendes Merkmal hinzugefügt:
", wobei das Antriebsrad (1) zusammen mit dem ersten Hohlrad (2) mittels eines Lagers, das radial und axial innerhalb des Antriebsrades angeordnet ist, über das zweite Hohlrad (5) und das Abtriebsteil (4) auf der Nockenwelle gelagert ist".
In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde das im Hilfsantrag 1 hinzugefügte Merkmal durch das folgende Merkmal ersetzt:
"wobei ein Fixierring (20), dessen Durchmesser mindestens dem Zahnkopfdurchmesser des ersten Hohlrades (2) entspricht, in dasselbe einpressbar ist und die Verstellwelle (10, 10', 10", 10"', 10"") den Wellgenerator (17, 17', 17") und die Hülse (18) axial sichert".
VII. Die Argumente der Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag
Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch E3 nahegelegt. Die Merkmale im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 seien in E3 als eine von vielen alternativen Bauformen für einen Wellgenerator beschrieben, aus denen der Fachmann je nach Bedarf auswählen würde. Insbesondere würden Wellgeneratoren mit zwei oder drei Nocken als Alternativen im Zusammenhang mit Figuren 29 bis 31 in Spalte 29, Zeilen 26-30 offenbart. Die Verwendung von Wälzlagern bei moderaten Belastungen, wie sie auch bei der anspruchsgemäßen Verwendung in einem Nockenwellenversteller zu erwarten sind, werde für die Ausführungsformen der Figuren 29 und 30 in Spalte 27, Zeilen 14 bis 22 beschrieben.
Hilfsantrag 1
Die Änderung an Anspruch 1 verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da es keine Grundlage für allgemeine Lager in der ursprünglichen Offenbarung gebe. Zum Beispiel umfasse der Begriff "Lager" auch beliebige Schrägkugellager und magnetische Lagerungen, die nicht als exotische Lagerungen mit hohem Bauaufwand vom Fachmann angesehen werden würden und somit im Zusammenhang mit dem beanspruchten Gegenstand nicht ausgeschlossen wären.
Hilfsantrag 2
Die von der Patentinhaberin bereits im Einspruchsverfahren angegebene Grundlage für die Änderung an Anspruch 1, nämlich Seite 6, Zeilen 21 bis 22 der ursprünglichen Beschreibung offenbare, dass der Fixierring in das erste Hohlrad an dessen Verzahnung axial anliegend eingepresst sei. Das unterstrichene Merkmal wurde allerdings im Anspruch ausgelassen, was zu einer Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ führe.
VIII. Die Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag
E3 könne in Kombination mit D1 die Merkmalskombination von Anspruch 1 nicht nahelegen. Die mit den Merkmalen im kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu lösende Aufgabe leite sich aus Absatz 10 des Patents her, in dem es unter anderem um die kostengünstige Herstellung, insbesondere auch Massenherstellung eines elektrischen Nockenwellenverstellers gehe. Die Herstellung eines unrunden Wellgeneratorrades wie in D1 sei aufwendig und teuer. Ausgehend von D1 bestehe die objektive Aufgabe in der Vermeidung ein unrundes Wellgeneratorrad herzustellen. E3 enthalte allenfalls Hinweise, was der Fachmann machen könnte, aber es fehle ein Hinweis darauf, dass er die Merkmalskombination auch umsetzen würde. Der Hinweis auf 2- bzw. 3-Nocken-Wellgeneratoren in E3 sei nur summarischer Natur und gebe dem Fachmann keinen konkreten Hinweis. Selbst wenn der Fachmann eine 2-Zapfen-Anordnung auswählen würde, müsste er also noch Wälzlager dazu auswählen. Insbesondere der Hinweis auf moderate Belastungen in Spalte 27 in Zeile 15 würde ihn davon aber abhalten, da die am Verbrennungsmotor an der Nockenwelle auftretenden Drehmomente hingegen sehr hoch sind. Schließlich belege auch die lange Entwicklungszeit des beanspruchten Nockenwellenverstellers, die etwa 10 Jahre in Anspruch genommen habe, dass die Merkmalskombination nicht naheliegend gewesen sein könne.
Hilfsantrag 1
Die Änderung an Anspruch 1 beruhe auf Seite 4, Zeilen 8-11 der ursprünglichen Beschreibung. Insbesondere im ersten Satz davon werde allgemein eine Lagerung offenbart. In der Folge werden nur zwei Typen von Lagern offenbart, nämlich Gleit- und Wälzlager. Dies seien aber die einzigen Lagertypen, die für den Fachmann auf diesem technischen Gebiet anwendbar seien und die der Fachmann entsprechend dem Wortlaut des geänderten Anspruchs 1 in Betracht ziehen würde. Exotische Lagerungen, wie zum Beispiel eine hydraulische Lagerung, scheiden für ihn dabei aus. Daher sei die Zusammenfassung von Gleit- und Wälzlagern unter dem Begriff "Lager" für den Fachmann auch keine Verallgemeinerung, die über diese beiden Lagertypen hinausgehe. Die Änderung sei auch mit Blick auf die Richtlinien für die Prüfung H V 3.2.1 gewährbar.
Hilfsantrag 2
Die Patentinhaberin hat zu dem erhobenen Einwand nicht Stellung genommen.
Hauptantrag
1. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
2. Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass der in Figur 1 der D1 offenbarte elektrische Nockenwellenversteller als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1 angesehen werden kann. Unstreitig ist ebenfalls, dass nur die Merkmale im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 nicht aus D1 bekannt sind. In D1 bestehen die Mittel zur elliptischen Verformung der biegeelastischen Hülse des Wellgenerators aus einem elliptisch geformten Innenring eines Wälzlagers.
3. Nach Ansicht der Kammer bewirken die unterscheidenden Merkmale von Anspruch 1 keinen anderen technischen Effekt als der bekannte Wellgenerator aus D1. Sie bilden lediglich eine alternative Bauform für den bekannten Wellgenerator.
Es ist für die Kammer insbesondere nicht erkennbar, dass zwei an der Verstellwelle angebrachte, an zwei gegenüberliegenden Bereichen der Hülse anliegende Lagerzapfen, auf denen je ein Wälzlager angeordnet ist, notwendigerweise zu einer gegenüber dem aus D1 bekannten Nockenwellenversteller vereinfachten oder kostengünstigeren Herstellung führen würden. Die von der Patentinhaberin formulierte und auf Absatz 10 des Streitpatents beruhende Aufgabe ist deshalb keine objektive Aufgabe.
Vielmehr kann nach Überzeugung der Kammer eine objektive Aufgabe nur darin gesehen werden, eine alternative Bauform des Wellgenerators bereitzustellen.
4. Die beanspruchte Merkmalskombination ist durch E3 nahegelegt.
4.1 E3 offenbart grundlegende Überlegungen für die Konstruktion von Wellgetrieben ("strain wave gear") und seiner Komponenten, wobei auch viele unterschiedliche Ausführungsformen des Wellgenerators ("strain inducer") beschrieben werden.
Dazu gehören neben den elementaren Formen 2-nockiger, elliptisch geformter Komponenten (z.B. Figuren 11, 12, 19, 27) auch solche mit drei Nocken (Figur 25) und solche, bei denen die Nocken mit auf Zapfen gelagerten Wälzlagern ausgebildet sind (z.B. Figur 29 in Verbindung mit Spalte 27, Zeilen 14-22). Weiter wird in Spalte 29, Zeilen 27-30, offenbart, dass jeder der in Figuren 19 bis 38 dargestellten Wellgeneratoren nach Bedarf mit zwei oder drei Nocken ausgebildet sein kann. Ein Wellgenerator mit zwei sich gegenüberliegenden Zapfen, auf denen Wälzlager angeordnet sind, bildet daher für den Fachmann eine bekannte Alternative zu den in Figuren 11, 12, 19 oder 27 der E3 dargestellten 2-nockigen Grundformen eines Wellgenerators, wie zutreffend von der Einsprechenden in den Absätzen im Übergang der Seiten 13 und 14 der Beschwerdebegründung argumentiert wurde.
4.2 Angesichts des grundlagenähnlichen Charakters der Offenbarung in E3 setzt die Kammer das dort dargelegte Wissen beim Fachmann, der mit der Anwendung von Wellgetrieben befasst ist, als bekannt voraus. Deshalb würde der Fachmann das in E3 offenbarte Wissen auch bei der Suche nach einer Lösung der objektiven Aufgabe berücksichtigen. Es ist nicht erkennbar, dass die Anwendung eines solchen Wellgenerators in D1 weitere Modifikationen erfordern könnte, die über fachmännisches Handeln hinausgehen. Dies wurde von der Patentinhaberin auch nicht behauptet.
Da die in E3 dargestellten Ausführungsformen für den Fachmann bekannte Alternativen eines Wellgenerators bilden, die ohne weitere, normales fachmännisches Handeln überschreitende Modifikationen auch in D1 verwendet werden können, würde der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden zum Gegenstand nach Anspruch 1 gelangen.
4.3 Die Gegenargumente der Patentinhaberin überzeugen die Kammer nicht.
4.3.1 Wie bereits erwähnt stellt E3 in seiner Qualität als grundlegendes Dokument viele alternative Formen von Wellgeneratoren vor und beschreibt detailliert auch die bei der Auswahl zu berücksichtigenden Kriterien. Das Patent offenbart für die beanspruchte und beispielhaft in Figuren 7 und 8 dargestellte 2-Zapfen-Wälzlager-Ausführung des Wellgenerators gegenüber der Ausführungsform nach Figuren 1 bis 6 mit einem elliptischen Ring (ähnlich wie in D1) keinen anderen technischen Effekt. Für die Auswahl aus einer Vielzahl bekannter, im wesentlichen gleich wirkender Varianten aus E3 bedarf es unter diesen Umständen keines expliziten Hinweises, der den Fachmann zu einer entsprechenden Auswahl nicht nur veranlassen könnte sondern auch würde.
4.3.2 Aus diesem Grund scheitert auch das Argument, wonach der Hinweis in Spalte 29 der E3 auf die bedarfsweise Verwendung von Ausführungsformen mit zwei oder drei Nocken nur summarischer Natur sei und damit nicht als Hinweis verstanden werden dürfe, der den Fachmann in offensichtlicher Weise von der in Figur 29 der E3 dargestellten 3-Zapfen-Anordnung zu einer anspruchsgemäßen 2-Zapfen-Anordnung führen würde.
4.3.3 Einen Nachweis für ihre Behauptung, dass hohe Drehmomente durch den Nockenwellenversteller zu übertragen seien, was die Anwendung von 2-Nocken-Wellgeneratoren mit Wälzlagern entsprechend der Passage in Spalte 27, Zeilen 14-22 ("nur für moderate Belastungen") entgegenstehen würde, hat die Patentinhaberin nicht vorgelegt. Die Kammer merkt auch an, dass der Nockenwellenversteller nicht auf einen bestimmten Typ eines Verbrennungsmotors eingeschränkt ist. Damit kann ein beliebiger Verbrennungsmotor ausgewählt werden, ohne dass notwendigerweise ein Bedarf für die Übertragung hoher Drehmomente bei dem Wellgetriebe vorliegen muss. Auch das Patent, in dem durchgängig, wie auch in D1, nur 2-Nocken-Wellgeneratoren beschrieben sind, erwähnt im Zusammenhang mit der Übertragung der Kräfte durch die Nocken auf die biegeelastische Hülse keine besonders hohen Drehmomente oder dabei zu berücksichtigende Anforderungen an einen 2-Nocken-Wellgenerator, der durch auf Zapfen gelagerte Wälzlager ausgeführt wird.
4.3.4 In der langen Entwicklungszeit, die im Übrigen nicht belegt wurde, sieht die Kammer auch kein Indiz für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit. Es ist nicht erkennbar, dass dies insbesondere mit der beanspruchten Ausgestaltung des Wellgenerators mit zwei Zapfen und Wälzlagern in Zusammenhang steht.
4.4 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch D1 in Kombination mit der Lehre der E3 nahegelegt ist. Somit ist das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt, was einer Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
Hilfsantrag 1
5. Die Änderungen an Anspruch 1 erweitern seinen Gegenstand über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und verstoßen damit gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.
5.1 Die Patentinhaberin hat als Grundlage für das am Ende des Anspruchs 1 hinzugefügte Merkmal und den darin verwendeten allgemeinen Ausdruck "mittels eines Lagers"
den Absatz der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 8-11, genannt. Diese Passage lautet:
"Das Ineinanderschieben von Antriebsrad und Abtriebsteil ist durch die Lagerung des Ersteren auf dem Zweiten ermöglicht. Bei dem dazu verwendeten Lager handelt es sich um ein Vierpunktlager. An dieser Stelle sind aber auch Rillenkugellager, Zylinderrollenlager oder Gleitlager denkbar."
5.2 Diese Passage bildet keine Offenbarung für ein allgemeines Lager. Die im ersten Satz in der Tat allgemein erwähnte "Lagerung" der beiden Komponenten ist entgegen der Behauptung der Patentinhaberin an sich noch keine Offenbarung für ein allgemeines Lager. Die Lagerung der genannten Komponenten könnte demnach nämlich auch ohne ein zwischen ihnen liegendes Lager verwirklicht sein. Im darauf folgenden Satz wird die auszuführende Lagerung dann explizit und nicht optional als Vierpunktlager präzisiert. Im dritten Satz werden dazu wenige spezifische alternative Lagertypen genannt. Daraus ist für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig abzuleiten, dass jedes (allgemeine) Lager Anwendung finden kann. Wie zutreffend auch von der Einsprechenden argumentiert, fallen unter den allgemeinen Begriff "Lager" beliebige Schrägkugellager oder auch Magnetlager. Dass der Fachmann Magnetlager als exotischen Lagertyp nicht berücksichtigen würde, weil diese für den Einsatz zwischen den beiden im Anspruch genannten Komponenten des Nockenwellenverstellers ungeeignet sein könnten, ist nicht erkennbar. Die Kammer sieht keinen technischen Grund, warum der Fachmann solche Lager im Zusammenhang der beanspruchten Merkmalskombination ausschließen würde.
5.3 Die im schriftlichen Teil des Beschwerdeverfahrens von der Patentinhaberin herangezogene Passage der Richtlinien für die Prüfung, H-V-3.2.1, in der Fassung vom November 2017, die für die Kammer ohnehin nicht bindend ist, könnte an obiger Schlussfolgerung auch nichts ändern. Sie behandelt nämlich nicht den gleichen Sachverhalt. Es handelt sich vorliegend nicht um das Herausgreifen eines isolierten Merkmals aus der Beschreibung. Es wurden vielmehr spezifische Lagertypen (Vierpunktlager, Rillenkugellager, Zylinderrollenlager, Gleitlager) durch den Oberbegriff "Lager" zusammengefasst. Diese Zusammenfassung stellt bereits eine Verallgemeinerung dar, die nicht unmittelbar und eindeutig aus den zitierten Passagen der Beschreibung hervorgeht.
5.4 Eine andere Stelle der ursprünglichen Anmeldung, die Grundlage für den allgemeinen Begriff "Lager" im Zusammenhang mit den weiteren im Anspruch definierten Merkmalen bilden könnte, hat die Patentinhaberin nicht genannt und für die Kammer ist eine solche auch nicht ersichtlich. Die Nennung weiterer spezifischer Wälzlager in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele, zum Beispiel im oberen Absatz auf Seite 10, bieten jedenfalls ebenfalls keine Grundlage für diese Verallgemeinerung.
5.5 Die Verallgemeinerung der auf Seite 4 genannten spezifischen Lagertypen zu einem allgemeinen "Lager" resultiert demnach in einem Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgeht. Da somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt sind, kann das Patent auch in der geänderten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 nicht aufrechterhalten werden.
Hilfsantrag 2
6. Auch die Änderungen an Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags verstoßen gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.
6.1 Als Grundlage für das im Hilfsantrag 2 hinzugefügte Merkmal, wonach "ein Fixierring, dessen Durchmesser mindestens dem Zahnkopfdurchmesser des ersten Hohlrades entspricht, in dasselbe einpressbar ist und die Verstellwelle den Wellgenerator und die Hülse axial sichert", sollen anscheinend (nach den unwidersprochenen Angaben der Einsprechenden mit Bezug auf den Vortrag der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren) die Zeilen 20-23 auf Seite 6 der ursprünglichen Beschreibung dienen.
Diese Passage offenbart, dass "ein Fixierring ... in dasselbe und an dessen Verzahnung axial anliegend einpressbar ist" (Hervorhebung durch die Kammer).
6.2 Die Patentinhaberin ist dem Einwand der Einsprechenden, dass das Wegelassen des unterstrichenen Merkmals zu einer unzulässigen Erweiterung des beanspruchten Gegenstands über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung führt, nicht entgegengetreten. Die Kammer hatte sich in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) der VOBK 2020 der Sichtweise der Einsprechenden angeschlossen. Mangels eines Gegenarguments hat die Kammer keinen Grund, ihre vorläufige Meinung zu ändern und bestätigt diese hiermit.
6.3 Eine Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 2 ist also wegen des Verstoßes gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ ausgeschlossen.
7. Da kein Anspruchssatz vorliegt, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, ist das Patent nach Artikel 101 (3) b) EPÜ zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.