T 1382/17 14-06-2021
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR TRIGGERUNG EINER AUFZEICHNUNG EINES MESS-SIGNALS
Rechtliches Gehör - Verletzung (nein)
Patentansprüche - Klarheit (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 07819786 zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung hat die Patentanmeldung unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aller Anträge nicht klar definiert, oder nicht neu und erfinderisch ist.
III. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ein Patent auf Basis eines Hauptantrags oder eines von acht Hilfsanträgen zu erteilen, sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, da ihr das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt worden sei.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
Vorrichtung zur Triggerung einer Aufzeichnung eines Mess-Signals in Abhängigkeit von mindestens einem in einer Häufigkeitsverteilung von Kenngrößenpaaren aus zwei voneinander abhängigen Kenngrößen des Mess-Signals identifizierbaren Triggerereignis
mit einem Diskriminator (1) zur Identifizierung von Triggerereignissen mit jeweils einer zum jeweiligen Kenngrößenpaar ermittelten und außerhalb eines zum jeweiligen Kenngrößenpaar gehörigen oberen und unteren Schwellwerts (UpperNofTreffer, LowerNofTreffer) liegenden Häufigkeit (NofTreffer) und zum Kennzeichnen des jeweils aufgetretenen Triggerereignisses mit Hilfe eines aktivierten, zum jeweiligen Kenngrößenpaar gehörigen ersten Triggermerkers (TrigMerkl) und
mit einem Speicher (2) zur Speicherung zumindest des oberen und unteren Schwellwerts (UpperNofTreffer, LowerNofTreffer) für jedes Kenngrößenpaar.
V. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags weiter,
dass jedes Kenngrößenpaar jeweils ein bestimmter Signalpegelbereich des Mess-Signals in Abhängigkeit von einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Frequenz eines verwendeten Zeit- und Frequenzrasters und die Häufigkeit jedes Kenngrößenpaares die Häufigkeit von erfassten Signalpegeln des Mess-Signals innerhalb des zugehörigen Signalpegelbereichs und der zugehörigen Zeit bzw. der zugehörigen Frequenz des verwendeten Zeit- und Frequenzrasters sind.
VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags weiter,
dass dem Diskriminator (1) eine erste Logik-Vergleichs-Einheit (4) zum Vergleich mehrerer erster Triggermerker(TrigMerk1) mit jeweils einem zugehörigen aktivierten ersten Referenzmerker (RefMerk1) in jeweils mindestens einem Teilbereich von zueinander benachbarten Kenngrößenpaaren auf Identität und zur Aktivierung eines zum jeweiligen Teilbereich gehörigen zweiten Triggermerkers (TrigMerk2) im Fall von Identität zwischen mindestens N ersten Triggermerker (TrigMerk1) und den N zugehörigen aktivierten ersten Referenzmerker (RefMerk1) nachgeschaltet ist,
wobei N eine vom Anwender festgelegte Anzahl von Kenngrößenpaaren des Mess-Signals mit jeweils einer Abweichung zwischen Mess-Signal und Referenz-Mess-Signal ist, die zur Aktivierung der Triggerung erforderlich ist.
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 weiter, dass
dem Diskriminator (1) oder der ersten Logik-Vergleichs-Einheit (4) eine zweite Logik-Vergleichs-Einheit(3) zum Vergleich mehrerer erster oder zweiter Triggermerker(TrigMerk1, TrigMerk2) mit jeweils einem zugehörigen aktivierten zweiten Referenzmerker (RefMerk2) und Triggerung der Aufzeichnung des Mess-Signals bei Identität zwischen den mindestens N ersten oder zweiten Triggermerkern(TrigMerk1, TrigMerk2) und den N zugehörigen aktivierten zweiten Referenzmerkern (RefMerk2) nachgeschaltet ist.
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 weiter,
dass die für jedes Kenngrößenpaar jeweils vorgegebenen und in dem Speicher (2) abgespeicherten oberen und unteren Schwellwerte (UpperNofTreffer, LowerNofTreffer) vorab ermittelt sind, indem in einer Referenzmessung für ein Referenz-Mess-Signal mit einer zum Mess-Signal identischen Signalcharakteristik jeweils der Maximal- und Minimalwert aller in einzelnen Beobachtungsintervallen jeweils ermittelten Häufigkeiten (NofTreffer) über einen gewissen Messzeitraum ermittelt sind.
IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 weiter,
dass die Definition einzelner Teilbereiche einer Häufigkeitsverteilung vorab durch den Anwender durch Angabe der Teilbereichsgrenzen festgelegt ist, die ebenfalls im Speicher (2) abgespeichert sind, wobei rechteckförmige Teilbereiche (i) durch Angabe der rechten, linken, oberen und unteren Teilbereichsgrenzen (RightBorderi, LeftBorderi, UpperBorderi, LowerBorderi) definiert sind.
X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags weiter,
dass die für jedes Kenngrößenpaar jeweils vorgegebenen und in dem Speicher (2) abgespeicherten oberen und unteren Schwellwerte (UpperNofTreffer, LowerNofTreffer) vorab ermittelt sind, indem in einer Referenzmessung für ein Referenz-Mess-Signal mit einer zum Mess-Signal identischen Signalcharakteristik jeweils der Maximal- und Minimalwert aller in einzelnen Beobachtungsintervallen jeweils ermittelten Häufigkeiten (NofTreffer) über einen gewissen Messzeitraum ermittelt sind.
XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 definiert gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 weiter,
dass die Definition einzelner Teilbereiche einer Häufigkeitsverteilung vorab durch den Anwender durch Angabe der Teilbereichsgrenzen festgelegt ist, die ebenfalls im Speicher (2) abgespeichert sind, wobei rechteckförmige Teilbereiche (i) durch Angabe der rechten, linken, oberen und unteren Teilbereichsgrenzen (RightBorderi, LeftBorderi, UpperBorderi, LowerBorderi) definiert sind.
XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 kombiniert die zusätzlichen Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 6 (siehe Punkte V und X) mit Anspruch 1 des Hauptantrags.
Rechtliches Gehör
1. Der Beschwerdeführerin zufolge sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden, da die Prüfungsabteilung Klarheitseinwände in Bezug auf Hilfsantrag 2 erstmalig während der mündlichen Verhandlung erhoben habe, obwohl der Hilfsantrag 2 rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden sei. Somit habe sie keine Gelegenheit gehabt, durch die Formulierung von weiteren Hilfsanträgen auf die Einwände zu reagieren. Die Prüfungsabteilung hätte deshalb "ins schriftliche Verfahren zurückverweisen müssen".
Ähnlich verhalte es sich bezüglich der Hilfsanträge 3 bis 5 und 7, gegen die Einwände erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobenen worden seien.
2. Dem kann nicht gefolgt werden. Gemäß Artikel 113(1) EPÜ wird das Recht auf rechtliches Gehör gewährt, indem Entscheidungen des Europäischen Patentamts nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
3. Ausweislich der Niederschrift hat sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung zu den Einwänden gegen sämtliche Anträge geäußert.
4. Aus Artikel 113(1) EPÜ ist weder ein Recht auf Äußerung im schriftlichen Verfahren noch ein solches auf Berücksichtigung weiterer Hilfsanträge abzuleiten.
5. Die Hilfsanträge 2 bis 5 wurden auf die Ladung hin eingereicht. Die Beschwerdeführerin konnte damit rechnen, dass sie sich zu allfälligen neuen Einwänden in der mündlichen Verhandlung würde äußern können.
6. Zudem wurden die Hilfsanträge 6 und 7 in der mündlichen Verhandlung selbst eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat daher die Gelegenheit gehabt und auch genutzt, auf die erst in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwände durch die Einreichung neuer Hilfsanträge zu reagieren.
7. Sie hat auch während der mündlichen Verhandlung keine Einwände gegen die Verhandlungsführung durch die Prüfungsabteilung im Hinblick auf ihr rechtliches Gehör erhoben und im Gegenteil ausdrücklich am Ende der mündlichen Verhandlung erklärt, kein weiteres Vorbringen und auch keine weiteren Anträge einreichen zu wollen.
8. Somit liegt keine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs vor und dementsprechend besteht schon im Hinblick darauf kein Anspruch auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Erfindung und ihre Gewährbarkeit - Klarheit und Stützung durch die Beschreibung
9. Auf der ersten Seite der Beschreibung wird auf den Stand der Technik verwiesen, der Messgeräte und Systeme umfasst, die die Darstellung von Signalpegel- Verteilungen eines stochastischen Mess-Signals über die Frequenz oder die Zeit anbieten.
10. Gegenüber dem beschriebenen Stand der Technik besteht die angegebene Aufgabe der Erfindung darin, vorhandene oder nicht vorhandene Störsignalanteile im stochastischen Mess-Signal zu identifizieren und daraus eine Triggerung zur Aufzeichnung des Mess-Signals im Hinblick auf eine Klassifizierung des Mess-Signals in ein korrektes oder ein störbehaftetes Mess-Signal abzuleiten.
11. Diese Aufgabe ist laut Anmeldung durch eine Vorrichtung zur Triggerung der Aufzeichnung eines Signals mit den Merkmalen des Anspruchs 1 oder mit den Merkmalen des Anspruchs 2 und durch ein Verfahren zur Triggerung einer Aufzeichnung eines Mess-Signals mit den Merkmalen des Anspruchs 6 oder mit den Merkmalen des Anspruchs 7 gelöst.
12. Im jeweiligen Oberbegriff der unabhängigen Ansprüche aller Anträge wird entweder eine Vorrichtung oder ein Verfahren zur Triggerung einer Aufzeichnung eines Mess-Signals in Abhängigkeit von mindestens einem in einer Häufigkeitsverteilung von Kenngrößenpaaren aus zwei voneinander abhängigen Kenngrößen des Mess-Signals identifizierbaren Triggerereignis definiert.
13. Wie die erwähnte Häufigkeitsverteilung von Kenngrößenpaaren zu verstehen oder zu bestimmen ist, wird im Anspruch hingegen nicht definiert.
14. Unter einer Häufigkeitsverteilung versteht die Fachperson normalerweise eine Funktion, die für jeden Wert einer Menge angibt, wie oft dieser Wert vorkommt.
15. Die Ansprüche beziehen sich aber auf ein einziges Mess-Signal. In einem Mess-Signal kommt ein Kenngrößenpaar höchstens einmal vor. Eine Häufigkeitsverteilung aus zwei voneinander abhängigen Kenngrößen des Mess-Signals hat also pro Kenngrößenpaar entweder den Wert 1 (Kenngrößenpaar-Kombination kommt vor) oder den Wert 0 (Kenngrößenpaar-Kombination kommt nicht vor).
16. Die normale Bedeutung des Begriffs Häufigkeitsverteilung steht also in einem Widerspruch zu der Definition eines einzigen Mess-Signals. Sie ist auch widersprüchlich im Hinblick auf die weitere Definition von unteren und oberen Schwellenwerten in den Ansprüchen.
17. Der Beschwerdeführerin zufolge impliziere der Begriff Häufigkeitsverteilung tatsächlich mehrere wiederholte Messungen, und die Erfindung unterscheide sich vom Stand der Technik durch die statistische Analyse mehrerer Durchläufe des selben wiederholten Mess-Signals. Die Häufigkeitsverteilung sei also eine Verteilung der Anhäufung bestimmter Kenngrößenpaare, die über mehrere Durchläufe dieses wiederholten Signals entstehe, ähnlich einem Histogramm.
18. Eine solche Auslegung findet jedoch keine Grundlage im Anspruchswortlaut der unabhängigen Ansprüche jedes Antrags, wo weder auf zeitlich nacheinander erfolgende Signaldurchläufe (oder Messzyklen) noch auf Anhäufungen von Kenngrößenpaaren Bezug genommen wird.
19. Zudem ist weder in der Beschreibung noch in den Abbildungen verständlich dargelegt, wie die Häufigkeitsverteilung von Kenngrößenpaaren zu ermitteln ist. Sohin erfolgt auch im Hinblick auf die gesamte ursprüngliche Offenbarung keine klare Erläuterung dieses Begriffs, welcher von der Beschwerdeführerin als der Kern der Erfindung bezeichnet wird.
20. Schon im Hinblick auf diese Gründe erfüllt keiner der Anspruchsanträge die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.