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T 1763/17 15-06-2021
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SYSTEM UND VERFAHREN ZUR VERABREICHUNG VON MEDIKAMENTEN FÜR EINEN PATIENTEN
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 2 (nein)
Zulassung von Anträgen nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 11 706 274.5 u.a. wegen mangelnder Klarheit (Artikel 84 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ hinsichtlich Dokument US-A-2006/0229551 (D1) zurückgewiesen wurde.
II. In einem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid vom 22. Oktober 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit, wonach sie ebenfalls den beanspruchten Gegenstand der beiden zurückgewiesenen Anträge (Haupt- und Hilfsantrag 1) als nicht erfinderisch gegenüber D1 ansah.
III. Am 15. Juni 2021 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des Hauptantrages oder eines der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 17. Mai 2021, zu erteilen.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. System zur Verabreichung von Medikamenten für einen Patienten, umfassend:
- mindestens ein mobiles Medikamentenbehältnis (5, 14) mit mindestens einem flüssigen Medikament;
- eine Identifikationselementen-Erzeugungseinrichtung (3) zum Erzeugen mindestens eines ersten Identifikationselementes (5a) mit personen- und medikamentenbezogenen ersten Daten, um dieses auf dem Medikamentenbehältnis (5, 14) anzubringen;
- mindestens eine Leseeinrichtung (6) zum Lesen der ersten Daten von/aus dem ersten Identifikationselement (5a);
- mindestens eine Zuführeinrichtung (11) zum Zuführen des Medikamentes aus dem in die Zuführeinrichtung (11) eingesetzten Medikamentenbehältnis (5, 14) in den Patienten, wobei die Leseeinrichtung (6) ebenso zum Lesen von zweiten Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (10), welches dem Patienten (9) zugeordnet ist, angebracht sind, geeignet ist, und mit der Zuführeinrichtung (11) verbunden ist;
- eine Vergleichseinheit (18) innerhalb der Zuführeinrichtung (11) zum Vergleichen von ersten medikamentenbezogenen Daten der ersten Daten mit einem in einer Speichereinheit (19) der Zuführeinrichtung (11) enthaltenen zweiten medikamentenbezogenen Datensatz; und
- eine Steuereinrichtung (16) innerhalb der Zuführeinrichtung (11), die ein erstes Steuersignal (13) zum Aktivieren des Zuführvorganges an zumindest eine aus einer Mehrzahl von Zuführeinheiten (12a-e) der Zuführeinrichtung (11) sendet, sofern die ersten und zweiten Daten übereinstimmend sind,
gekennzeichnet durch:
eine Auswahleinheit (21) der Zuführeinrichtung (11) zum zumindest teilweisen Auswählen der ersten und/oder zweiten medikamentenbezogenen Daten."
V. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer hervorgehoben):
"1. System zur Verabreichung von Medikamenten für einen Patienten, umfassend:
- mindestens ein mobiles Medikamentenbehältnis (5, 14) mit mindestens einem flüssigen Medikament;
- eine Identifikationselementen-Erzeugungseinrichtung (3) zum Erzeugen mindestens eines ersten Identifikationselementes (5a) mit personen- und medikamentenbezogenen ersten Daten, um dieses auf dem Medikamentenbehältnis (5, 14) anzubringen;
- mindestens eine Leseeinrichtung (6) zum Lesen der ersten Daten von/aus dem ersten Identifikationselement (5a);
- mindestens eine Zuführeinrichtung (11) zum Zuführen des Medikamentes aus dem in die Zuführeinrichtung (11) eingesetzten Medikamentenbehältnis (5, 14) in den Patienten, wobei die Leseeinrichtung (6) ebenso zum Lesen von zweiten Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (10), welches dem Patienten (9) zugeordnet ist, angebracht sind, geeignet ist, und mit der Zuführeinrichtung (11) verbunden ist; und
- eine Vergleichseinheit (18) innerhalb der Zuführeinrichtung (11) zum Vergleichen von ersten medikamentenbezogenen Daten der ersten Daten mit [deleted: einem ]in einer Speichereinheit (19) der Zuführeinrichtung (11) enthaltenen zweiten medikamentenbezogenen Daten[deleted: satz]; [deleted: und]
gekennzeichnet durch:
- eine Steuereinrichtung (16) innerhalb der Zuführeinrichtung (11), die ein erstes Steuersignal (13) zum Aktivieren des Zuführvorganges an zumindest eine aus einer Mehrzahl von Zuführeinheiten (12a-e) der Zuführeinrichtung (11) sendet, sofern die ersten und zweiten Daten übereinstimmend sind, und
[deleted: gekennzeichnet durch:]
eine Auswahleinheit (21) der Zuführeinrichtung (11) zum zumindest teilweisen Auswählen der ersten und/oder zweiten medikamentenbezogenen Daten, falls beim Vergleich festgestellt worden ist, dass die ersten medikamentenbezogenen Daten und die zweiten medikamentenbezogenen Daten voneinander abweichen."
VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer hervorgehoben):
"1. System zur Verabreichung von Medikamenten für einen Patienten, umfassend:
- mindestens ein mobiles Medikamentenbehältnis (5, 14) mit mindestens einem flüssigen Medikament;
- eine Identifikationselementen-Erzeugungseinrichtung (3) zum Erzeugen mindestens eines ersten Identifikationselementes (5a) mit personen- und medikamentenbezogenen ersten Daten, um dieses auf dem Medikamentenbehältnis (5, 14) anzubringen;
- mindestens eine Leseeinrichtung (6) zum Lesen der ersten Daten von/aus dem ersten Identifikationselement (5a);
- mindestens eine Zuführeinrichtung (11) zum Zuführen des Medikamentes aus dem in die Zuführeinrichtung (11) eingesetzten Medikamentenbehältnis (5, 14) in den Patienten, wobei die Leseeinrichtung (6) ebenso zum Lesen von zweiten Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (10), welches dem Patienten (9) zugeordnet ist, angebracht sind, geeignet ist, und mit der Zuführeinrichtung (11) verbunden ist;
- eine Vergleichseinheit (18) innerhalb der Zuführeinrichtung (11) zum Vergleichen von einem ersten medikamentenbezogenen Datensatz der ersten Daten mit einem in einer Speichereinheit (19) der Zuführeinrichtung (11) enthaltenen zweiten medikamentenbezogenen Datensatz;
- eine Anzeige- und Eingabeeinheit (17) für einen Benutzer; und
- eine Steuereinrichtung (16) innerhalb der Zuführeinrichtung (11), die ein erstes Steuersignal (13) zum Aktivieren des Zuführvorganges an zumindest eine aus einer Mehrzahl von Zuführeinheiten (12a-e) der Zuführeinrichtung (11) sendet, sofern die ersten und zweiten [deleted: Daten ]medikamentenbezogenen Datensätze übereinstimmend sind,
dadurch gekennzeichnet, [deleted: durch:] dass
[deleted: eine Auswahleinheit (21) der Zuführeinrichtung (11) zum zumindest teilweisen Auswählen der ersten und/oder zweiten medikamentenbezogenen Daten,]
falls beim Vergleich festgestellt worden ist, dass der erste medikamentenbezogene Datensatz und der zweite medikamentenbezogene Datensatz voneinander abweicht, die Steuereinrichtung (16) dazu ausgebildet ist, mittels der Anzeige- und Eingabeeinheit (17) einen Benutzer zu befragen, ob er dennoch die Behandlung fortsetzen möchte und welche Daten er ausführen möchte."
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer hervorgehoben):
"1. System zur Verabreichung von Medikamenten für einen Patienten, umfassend:
- mindestens ein mobiles Medikamentenbehältnis (5, 14) mit mindestens einem flüssigen Medikament;
- eine Identifikationselementen-Erzeugungseinrichtung (3) zum Erzeugen mindestens eines ersten Identifikationselementes (5a) mit personen- und medikamentenbezogenen ersten Daten, um dieses auf dem Medikamentenbehältnis (5, 14) anzubringen;
- mindestens eine Leseeinrichtung (6) zum Lesen der ersten Daten von/aus dem ersten Identifikationselement (5a);
- mindestens eine Zuführeinrichtung (11) zum Zuführen des Medikamentes aus dem in die Zuführeinrichtung (11) eingesetzten Medikamentenbehältnis (5, 14) in den Patienten, wobei die Leseeinrichtung (6) ebenso zum Lesen von zweiten Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (10), welches dem Patienten (9) zugeordnet ist, angebracht sind, geeignet ist, und mit der Zuführeinrichtung (11) verbunden ist;
- eine Vergleichseinheit (18) innerhalb der Zuführeinrichtung (11) zum Vergleichen von ersten medikamentenbezogenen Daten der ersten Daten mit [deleted: einem ]in einer Speichereinheit (19) der Zuführeinrichtung (11) enthaltenen zweiten medikamentenbezogenen Daten[deleted: satz]; und
- eine Anzeige- und Eingabeeinheit (17) für einen Benutzer;
gekennzeichnet durch:
- eine Steuereinrichtung (16) innerhalb der Zuführeinrichtung (11), die ein erstes Steuersignal (13) zum Aktivieren des Zuführvorganges an zumindest eine aus einer Mehrzahl von Zuführeinheiten (12a-e) der Zuführeinrichtung (11) sendet, sofern die ersten und zweiten Daten übereinstimmend sind,
[deleted: gekennzeichnet durch:]
[deleted: eine Auswahleinheit (21) der Zuführeinrichtung (11) zum zumindest teilweisen Auswählen der ersten und/oder zweiten medikamentenbezogenen Daten.]
wobei, falls beim Vergleich festgestellt worden ist, dass die ersten medikamentenbezogenen Daten und die zweiten medikamentenbezogenen Daten voneinander abweichen, die Steuereinrichtung (16) dazu ausgebildet ist, mittels der Anzeige- und Eingabeeinheit (17) einen Benutzer zu befragen, ob er dennoch die Behandlung fortsetzen möchte, ob er die ersten medikamentenbezogenen Daten oder die zweiten medikamentenbezogenen Daten ausführen möchte und ob er eine Veränderung der medikamentenbezogenen Daten mittels der Anzeige- und Eingabeeinheit (17) durchführen möchte."
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Kammer hervorgehoben):
"1. System zur Verabreichung von Medikamenten für einen Patienten, umfassend:
- mindestens ein mobiles Medikamentenbehältnis (5, 14) mit mindestens einem flüssigen Medikament;
- eine Identifikationselementen-Erzeugungseinrichtung (3) zum Erzeugen mindestens eines ersten Identifikationselementes (5a) mit personen- und medikamentenbezogenen ersten Daten, um dieses auf dem Medikamentenbehältnis (5, 14) anzubringen;
- mindestens eine Leseeinrichtung (6) zum Lesen der ersten Daten von/aus dem ersten Identifikationselement (5a);
- mindestens eine Zuführeinrichtung (11) zum Zuführen des Medikamentes aus dem in die Zuführeinrichtung (11) eingesetzten Medikamentenbehältnis (5, 14) in den Patienten, wobei die Leseeinrichtung (6) ebenso zum Lesen von zweiten Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (10), welches dem Patienten (9) zugeordnet ist, angebracht sind, geeignet ist, und mit der Zuführeinrichtung (11) verbunden ist; und
- eine Vergleichseinheit (18) innerhalb der Zuführeinrichtung (11) zum Vergleichen von ersten medikamentenbezogenen Daten der ersten Daten mit [deleted: einem ]in einer Speichereinheit (19) der Zuführeinrichtung (11) enthaltenen zweiten medikamentenbezogenen Daten[deleted: satz]; [deleted: und]
gekennzeichnet durch:
- eine Steuereinrichtung (16) innerhalb der Zuführeinrichtung (11), die ein erstes Steuersignal (13) zum Aktivieren des Zuführvorganges an zumindest eine aus einer Mehrzahl von Zuführeinheiten (12a-e) der Zuführeinrichtung (11) sendet, sofern die ersten und zweiten Daten übereinstimmend sind[deleted: ,]; und
[deleted: gekennzeichnet durch:]
eine Auswahleinheit (21) der Zuführeinrichtung (11) zum zumindest teilweisen Auswählen der ersten und/oder zweiten medikamentenbezogenen Daten, falls beim Vergleich festgestellt worden ist, dass die ersten medikamentenbezogenen Daten und die zweiten medikamentenbezogenen Daten voneinander abweichen; und
eine Sperreinheit (22) zum Sperren des Starts eines Zuführvorganges bei Empfang eines zweiten Steuersignals der Steuereinheit (16), welches gesendet wird, wenn die ersten und zweiten Daten nicht zumindest teilweise übereinstimmend sind."
IX. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung der Anträge ins Verfahren
Der Hauptantrag und Hilfsantrag 2 entsprächen jeweils dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Haupt- und Hilfsantrag 1. Somit seien diese Anträge zu berücksichtigen. Die Hilfsanträge 1 und 3 enthielten zwar Änderungen, diese dienten aber lediglich der Klarstellung bestimmter Merkmale. Der Gegenstand des Hilfsantrags 4 sei als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer durch das Merkmal der Sperreinheit weiter eingeschränkt worden. Die Beschwerdeführerin reagiere damit auf die neue Argumentation zur Beurteilung des nächstliegenden Stands der Technik D1 durch die Beschwerdekammer in ihrer Mitteilung, mit der ein neuer Sachverhalt vorliege. Insbesondere sei in der Mitteilung die nach Generierung der Warnmeldung in D1 ausgelassene Information hervorgehoben worden. Folglich seien auch die Hilfsanträge 1, 3 und 4 ins Verfahren zuzulassen.
Hauptantrag
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem aus D1 zunächst in der Steuereinrichtung gemäß dem letzten Absatz der Präambel des Anspruchs. Während das System in D1 zwar einen Vergleich der Daten durchzuführen scheine (Schritt 216 in Figur 6), steuere die Steuereinrichtung von D1 die Zuführeinrichtung erst an, wenn der Arzt (nach dem Vergleich) die Parameter manuell bestätigt habe (Schritt 228 in Figur 6), während erfindungsgemäß bereits bei einer Übereinstimmung der medikamentenbezogenen Daten der Zuführvorgang gestartet werde (Schritte 35 und 37 der Figur 2b der Anmeldung). D1 fehle somit eine Steuereinrichtung, die automatisch (ohne nochmalige manuelle Bestätigung durch das Klinikpersonal) den Zuführvorgang starte.
In D1 werde eine Warnmeldung ausgegeben, wenn die patientenbezogenen oder medikamentenbezogenen Daten nicht übereinstimmten. Es werde nicht bestritten, dass eine derartige Warnmeldung das Eingreifen von medizinischem Personal erfordere, um das System in seinen normalen Betriebszustand zurückzusetzen, was bedeute, dass das System Anzeige- und Eingabemittel aufweisen müsse, mit denen der Benutzer die Daten auswählen könne, mit denen das System wieder operabel werde. Es gebe jedoch diverse Möglichkeiten, um ausgehend von dem Punkt in D1, in dem eine Warnmeldung ausgegeben werde, fortzufahren. D1 schweige sich diesbezüglich aus und liefere keinen Hinweis, wie man den Bedienungsmechanismus entwerfen solle, um das System in seinen normalen Betriebszustand zurückzusetzen. Erfindungsgemäß gehe es auch nicht darum, irgendwelche Daten irgendwo eingeben zu können. Eine Krankenschwester wäre überhaupt nicht berechtigt, irgendwelche Medikamentenparameter einzugeben. Naheliegend wäre, dass bei einer Warnmeldung ein Arzt gerufen werde, der die zu verabreichende Medikation neu ermittle und in das System eingebe. Die vorliegende Erfindung gehe hier erstmals einen neuen Weg, nämlich der Krankenschwester anstelle einer Warnmeldung eine konkrete Auswahlmöglichkeit (zwischen den ersten medikamentenbezogenen Daten auf dem Medikamentenbehältnis und den in der Zuführeinrichtung abgespeicherten zweiten medikamentenbezogenen Daten) innerhalb eines medizinisch vertretbaren Rahmens anzubieten. Der Begriff "Auswahl" impliziere die Möglichkeit, aus zumindest zwei Alternativen auswählen zu können. In der D1 gebe es schlichtweg keine Auswahlmöglichkeit. Es gebe diverse andere Optionen, mit dem Problem einer Abweichung der Daten umzugehen. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch gegenüber D1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen.
Die beanspruchte Auswahleinheit diene zum Auswählen der ersten oder zweiten medikamentenbezogenen Daten durch eine Krankenschwester. Eine derartige Auswahleinheit sei im ermittelten Stand der Technik nicht offenbart und es sei auch in der Medizin unüblich, bei einer Abweichung eine Auswahl der abweichenden Daten zu ermöglichen und die Behandlung auf der Grundlage der abweichenden Daten fortzusetzen. Dies spare Zeit und Ressourcen bei der Verabreichung von Medikamenten.
Hilfsantrag 2
Anspruch 1 beinhalte neben der Auswahlmöglichkeit zwischen den ersten und zweiten medikamentenbezogenen Daten noch ein Abbruchszenario (Behandlung fortführen ja oder nein). Damit sei der beanspruchte Gegenstand erfinderisch gegenüber D1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen.
1. Die vorliegende Erfindung betrifft ein System zur Verabreichung von Medikamenten mit einer Zuführeinrichtung (11) zum Zuführen eines flüssigen Medikamentes (z.B. einer Insulinpumpe) mit einer Vergleichseinheit (18) zum Vergleichen von ersten medikamentenbezogenen Daten, die aus einem ersten Identifikationselement (5a) am Medikamentenbehältnis (5) (z.B. an einer Spritze) angebracht sind, und zweiten medikamentenbezogenen Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (10) am Patienten angebracht und in einer Speichereinheit (19) der Zuführeinrichtung (11) enthalten sind. Die Zuführeinrichtung (11) enthält eine Steuereinrichtung (16), die ein Steuersignal an eine von mehreren Zuführeinheiten (12a-e) sendet, sofern der Vergleich ergibt, dass die ersten und zweiten Daten übereinstimmend sind.
Das System erlaubt es, einer Vielzahl von Patienten Medikamente zu verabreichen mit einem hohen Maß an Sicherheit bei Zuordnung des richtigen Medikaments zum jeweiligen Patienten (Seite 3, Zeilen 18 bis 21; Seite 4, Zeilen 14 bis 21).
2. Zulassung der Anträge ins Verfahren
2.1 Artikel 13 (2) VOBK 2020 regelt, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
2.2 Die derzeitigen Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4) sind mit Schreiben vom 17. Mai 2021 nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2020 eingereicht worden.
2.3 Der Hauptantrag und Hilfsantrag 2 entsprechen jeweils den bereits mit der Beschwerdebegründung eingereichten Haupt- und Hilfsantrag 1 (die wiederum jeweils identisch mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Haupt- und Hilfsantrag 1 sind).
Folglich sind der Hauptantrag und Hilfsantrag 2 keine Änderung des Beschwerdevorbringens und somit zu berücksichtigen.
2.4 Der Gegenstand der Hilfsanträge 1, 3 und 4 ist hingegen erstmalig nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt worden. Anspruch 1 dieser Hilfsanträge enthält Merkmalsänderungen gegenüber den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträgen.
Nach Aussage der Beschwerdeführerin dienen die Änderungen in den Hilfsanträgen 1 und 3 lediglich der Klarstellung bestimmter Merkmale. Der Gegenstand des Hilfsantrags 4 sei als Reaktion auf den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit in der Mitteilung der Kammer durch das Merkmal der Sperreinheit weiter eingeschränkt worden. Die Beschwerdeführerin reagiere damit auf die neue Argumentation zur Beurteilung des nächstliegenden Stands der Technik D1 durch die Beschwerdekammer in ihrer Mitteilung, mit der ein neuer Sachverhalt vorliege.
2.5 Die Kammer teilt diese Auffassungen nicht. Sowohl die vermeintliche Klarstellung bestimmter Merkmale (in den Hilfsanträgen 1 und 3) als Antwort auf den Einwand mangelnder Klarheit in der angefochtenen Entscheidung als auch die weitere Einschränkung des beanspruchten Gegenstandes (gemäß Hilfsantrag 4) zur Behebung des ebenfalls bereits in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Mangels an erfinderischer Tätigkeit stellen Änderungen des Beschwerdevorbringens dar.
Die Kammer kann nicht erkennen, inwiefern ihre Mitteilung einen neuen Sachverhalt begründet haben soll. In der Mitteilung wurden dieselben wesentlichen Passagen des nächstliegenden Stands der Technik D1, die in der Entscheidung - und auch in der Beschwerdebegründung - erwähnt wurden, hervorgehoben und zusammengefasst. Insbesondere wurde die in D1 offenbarte Generierung einer Warnmeldung (Schritt 220 in Figur 6; Absatz [0053]) und die sich daraus für den Fachmann in naheliegender Weise ergebenergebenden Konsequenzen hervorgehoben, der Begründung der Prüfungsabteilung entsprechend (Punkt 19.2.3 bis 19.2.5 der angefochtenen Entscheidung). Die Mitteilung der Kammer enthält somit keine wesentlich neue oder abweichende Begründung für das Naheliegen des beanspruchten Gegenstandes, die eine Änderung des Beschwerdevorbringens zu diesem späten Verfahrenszeitpunkt hätte rechtfertigen können.
2.6 Folglich kann die Kammer keine stichhaltigen Gründe für das Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen erkennen, die die Berücksichtigung der nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1, 3 und 4 hätte rechtfertigen können. Diese bleiben somit gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 unberücksichtigt.
3. Hauptantrag
3.1 Dokument D1 bildet den nächstliegenden Stand der Technik. Es offenbart ein System zur Verabreichung von Medikamenten mit im Wesentlichen einer Zuführeinrichtung (20) zum Zuführen eines flüssigen Medikamentes (dargestellt in Figuren 1 und 2; Absatz [0033]) mit einer Vergleichseinheit zum Vergleichen von ersten medikamentenbezogenen Daten, die aus einem ersten Identifikationselement (28) am Medikamentenbehältnis (30) angebracht sind, und zweiten medikamentenbezogenen Daten, die auf/in einem zweiten Identifikationselement (32) am Patienten angebracht und in einer Speichereinheit der Zuführeinrichtung enthalten sind (Absätze [0050] und [0051]). Die Zuführeinrichtung (20) enthält eine Steuereinrichtung (24), die ein Steuersignal zum Aktivieren des Zuführvorganges an eine von mehreren Zuführeinheiten (22, 56) sendet, sofern der Vergleich ergibt, dass die ersten und zweiten medikamentenbezogenen Daten übereinstimmend sind (Absätze [0051] bis [0053]; Schritte 212 und 216 in Figur 6).
Die Beschwerdeführerin verwies auf das in D1 vorhandene Erfordernis, dass zum Aktivieren des Zuführvorgangs zusätzlich eine manuelle Bestätigung der programmierten Parameter einzugeben sei (Schritt 228 in Figur 6; Absatz [0055]). Somit fehle in D1 eine Steuereinrichtung, die automatisch (ohne nochmalige manuelle Bestätigung durch das Klinikpersonal) den Zuführvorgang starte.
Nach Meinung der Kammer stellt dieser zusätzliche Bestätigungsschritt lediglich eine dem Vergleich der ersten und zweiten medikamentenbezogenen Daten nachgeschaltete zusätzliche Sicherheitsvorkehrung dar, wobei die erste Voraussetzung zum Aktivieren des Zuführvorgangs die Übereinstimmung der Daten ist. Sobald diese in D1 festegestellt wird, generiert das System bereits ein "Steuersignal zum Aktivieren des Zuführvorgangs".
3.2 D1 offenbart ferner, dass das System eine Warnmeldung generiert, falls die ersten und zweiten medikamentenbezogenen Daten nicht übereinstimmen (Schritt 220 in Figur 6; Absatz [0053]). Eine Warnmeldung wird beispielsweise dann generiert, wenn der von dem Barcode an der Spritze eingescannte Medikamentenname und/oder die eingescannte Medikamentenkonzentration oder -dosis nicht mit den in der Speichereinheit abgelegten Patientendaten übereinstimmen (Schritt 212 in Figur 6; Absätze [0053] und [0054]; Ansprüche 2 bis 5). Eine Warnmeldung wird auch dann generiert, wenn z.B. der von der Spritze eingescannte Patientenname nicht mit dem vom Armband des Patienten eingescannten Namen übereinstimmt (Absatz [0054], erster Satz). D1 erwähnt auch, dass Barcodes oder RF-Identifikationstags beschädigt oder falsch gedruckt oder programmiert sein können (Absatz [0058], letzter Satz).
3.3 Auch ohne eine explizite Erwähnung in D1 ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass derartige Warnmeldungen das Eingreifen von medizinischem Personal erfordert, um das System in seinen normalen Betriebszustand zurückzusetzen. Das bedeutet, dass das System Anzeige- und Eingabemittel aufweisen muss, mit denen der Benutzer die Daten auswählen kann, mit denen das System wieder operabel wird.
Wenn gemäß dem im Absatz [0054] erwähnten Beispiel die von der Spritze eingescannte Patienten-ID ("erste medikamentenbezogenen Daten") nicht mit der vom Armband des Patienten eingescannten ID ("zweite medikamentenbezogenen Daten") übereinstimmen, so ist es naheliegend, dass nach erfolgter Warnmeldung der Benutzer in der Lage sein muss zu entscheiden, ob er dennoch die Behandlung fortführen möchte und, falls er dies tun möchte, zu entscheiden, ob er sie mit den ersten oder den zweiten medikamentenbezogenen Daten ausführen möchte und die entsprechende Option auswählt. Ähnliche Entscheidungen und Aktionen wird der Benutzer naheliegenderweise auch tätigen, wenn die von dem Barcode an der Spritze eingescannte Medikamentenkonzentration oder -dosis ("erste medikamentenbezogenen Daten") nicht mit den in der Speichereinheit abgelegten Patientendaten ("zweite medikamentenbezogenen Daten") übereinstimmen, um zu entscheiden, ob die Behandlung fortgeführt werden soll, und bei Fortführung die ersten oder die zweiten medikamentenbezogenen Daten auszuwählen.
Die dazu notwendigen Anzeige- und Eingabemittel stellen folglich eine "Auswahleinheit" dar, wie sie in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung, auf Seite 10, Zeilen 26 bis 34, dargestellt wird, und zwar eine Anzeige- und Eingabeeinheit (17), mittels derer die Krankenschwester die ersten medikamentenbezogenen Daten oder die zweiten medikamentenbezogenen Daten auswählen kann, um die Behandlung fortzusetzen. Das Merkmal "Auswahleinheit" wurde im Übrigen auch von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung so verstanden (Seite 3, letzter Absatz).
3.4 Somit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in trivialer, naheliegender Weise bereits aus der Lektüre von D1.
3.5 In einem derartigen Fall, wie er hier vorliegt, erübrigt sich die Formulierung eines objektiven technischen Problems, um zu belegen, dass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde, oder - anders ausgedrückt - das objektive technische Problem reduziert sich auf das Auffüllen einer Informationslücke im nächstliegenden Stand der Technik.
3.6 Die Beschwerdeführerin bestritt nicht, dass die in D1 offenbarte Warnmeldung das Eingreifen von medizinischem Personal erfordere, um das System in seinen normalen Betriebszustand zurückzusetzen, sodass das System Anzeige- und Eingabemittel aufweisen müsse, mit denen der Benutzer die Daten auswählen kann, mit denen das System wieder operabel wird (Schreiben vom 17. Mai 2021, Seite 8, Absätze 4 und 5).
Nach Auffassung der Kammer ist es naheliegend, dass der Benutzer des Systems von D1, z.B. ein Arzt oder eine Krankenschwester, entscheiden bzw. auswählen wird, ob er trotz abweichender erster und zweiter medikamentenbezogener Daten mit der Behandlung fortfährt und ob er dazu die Möglichkeit auswählt, mit den ersten oder den zweiten medikamentenbezogenen Daten fortzufahren. Selbstverständlich stehen dem Benutzer darüber hinaus auch weitere (ebenfalls naheliegende) Auswahloptionen zur Verfügung, um das System operabel zu machen, indem er z.B. die besagten Daten korrigiert. Es folgt, dass die in D1 notwendigerweise vorhandene Anzeige- und Eingabeeinheit zum Auswählen der ersten oder zweiten medikamentenbezogenen Daten geeignet ist, wie Anspruch 1 im Kennzeichen definiert.
Der Anspruchswortlaut schließt im Übrigen auch nicht aus, dass die Krankenschwester mittels der "Auswahleinheit" (d.h. mittels der Anzeige- und Eingabeeinheit 17; Seite 10, Zeilen 26 bis 34) weitere, über die Auswahl zwischen den ersten und den zweiten medikamentenbezogenen Daten hinausgehende Auswahloptionen tätigen kann. Die Kammer kann daher der Beschwerdeführerin nicht folgen, wenn sie den Anspruchswortlaut dahingehend zu verstehen scheint, dass das beanspruchte System Mittel aufweisen muss, mit denen der Krankenschwester eine konkrete Auswahlmöglichkeit zwischen den ersten oder den zweiten medikamentenbezogenen Daten präsentiert oder angeboten wird. Ferner sei noch angemerkt, dass das beanspruchte System nicht durch die Qualifikation seines Benutzers - Krankenschwester oder Arzt - eingeschränkt wird.
3.7 Aus den dargelegten Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
4. Hilfsantrag 2
4.1 Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird das Merkmal der "Auswahleinheit" des Hauptantrags im Wesentlichen durch das Merkmal einer Anzeige- und Eingabeeinheit (17) ersetzt, die bei Feststellung einer Abweichung des ersten und zweiten medikamentenbezogenen Datensatzes den Benutzer befragt, ob er dennoch die Behandlung fortsetzen möchte und welche Daten er ausführen möchte. Dieses Merkmal entspricht der oben bereits erwähnten Passage auf Seite 10, Zeilen 26 bis 34 der ursprünglichen Anmeldung.
4.2 Unter den obigen Punkten 3.3 und 3.6 wurde bereits ausgeführt, dass bei Generierung einer Warnmeldung in D1 der Benutzer in der Lage sein muss zu entscheiden, ob er trotz abweichender erster und zweiter medikamentenbezogener Daten dennoch die Behandlung fortführen möchte und, falls er dies tun möchte, zu entscheiden, aufgrund welcher Daten.
4.3 Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ebenfalls auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.