T 1916/17 18-06-2021
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VERFAHREN ZUR TERTIÄREN ERDÖLFÖRDERUNG UNTER VERWENDUNG VON TENSIDMISCHUNGEN
Erfinderische Tätigkeit - alle Anträge (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Änderung
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 2 488 599 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Die Beschwerdeführerin hatte gegen die Erteilung des Patents Einspruch eingelegt und diesen mit Einwänden unter Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), unter Artikel 100(b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) und unter Artikel 100(c) EPÜ wegen unerlaubter Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ) begründet.
III. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die geänderten Ansprüche des Hauptantrags den gegenüber den erteilten Ansprüchen vorgebrachten Einspruchsgrund der unerlaubten Änderungen ausräumten. Das beanspruchte Verfahren sei ausreichend offenbart. Neuheit gegenüber D7 und D10 sei gegeben. Ausgehend von D10 oder D7 als nächstem Stand der Technik sei das beanspruchte Verfahren auch nicht nahegelegt.
IV. Auf folgende Dokumente wurde unter anderem im Verfahren Bezug genommen:
D6: US 2008/0171895
D7: US 4,293,428
D10: WO 2009/100298
D12: US 2009/0057608
V. Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren schriftlichen Verfahren im wesentlichen vor, die im Einspruchsverfahren geänderten Ansprüche verstießen gegen Artikel 123(2) EPÜ, da das aus der Beschreibung aufgenommene Merkmal der Polydispersität nur unvollständig in die Ansprüche übernommen worden sei. Das beanspruchte Verfahren zur Erdölförderung sei nicht ausführbar beschrieben (Artikel 83 EPÜ), da mit den Angaben des Patents die für das beanspruchte Verfahren benötigten alkoxylierten Alkohole nicht mit der anspruchsgemäß niedrigen Polydispersität erhalten werden könnten. Des weiteren sei das beanspruchte Verfahren nicht erfinderisch ausgehend von D7 in Kombination mit D6 und D12 oder ausgehend von D10 in Kombination mit D6 und D12. Insbesondere seien keine unerwarteten Verbesserungen gegenüber den in D7 oder D10 offenbarten Verfahren gezeigt worden. Das Patent sei daher zu widerrufen.
VI. Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Beschwerdeerwiderung und im weiteren schriftlichen Verfahren im wesentlichen vor, die Ansprüche seien nicht unerlaubt geändert worden. Das Verfahren zur Herstellung der intermediär verwendeten alkoxylierten Alkohole sei ausführbar beschrieben; im übrigen seien solche Verbindungen aus dem Stand der Technik bekannt. Das beanspruchte Verfahren sei auch erfinderisch, denn ausgehend von D7 sei durch das Vergleichsbeispiel im Patent eine Verbesserung belegt, die aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt war. Die Beschwerde sei daher unbegründet, hilfsweise sei das Patent auf Basis der Hilfsanträge 1-13 aufrechtzuerhalten.
VII. Mit Ladung vom 6. September 2019 wurden die Parteien für den 21. Juli 2020 zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Der Verhandlungstermin wurde im weiteren Verlauf wegen der andauernden Corona-Epidemie auf den 18. Juni 2021 verschoben.
VIII. Am 7. Oktober 2019 erließ die Kammer eine Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK, in der die Parteien über die vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage informiert wurden. Die Kammer war der vorläufigen Ansicht, der Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ hätte bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht werden müssen und werde daher möglicherweise unter Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht mehr berücksichtigt. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien erfüllt. D7 sei der nächste Stand der Technik; erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7 müsse in der Verhandlung diskutiert werden.
IX. Am 18. Juni 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Hilfsanträge 7-13 wurden von der Beschwerdegegnerin zurückgezogen.
Das entscheidungsrelevante Vorbringen der Parteien ist weiter unten im Rahmen der Begründung der Entscheidung wiedergegeben.
X. Die Schlussanträge der Parteien waren die folgenden:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf Basis der Ansprüche des Hauptantrags aufrechtzuerhalten, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, hilfsweise, das Patent auf Basis der Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten, ebenfalls eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
XI. Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags lautet:
"Verfahren zur Erdölförderung, bei dem man eine wässrige Tensidformulierung umfassend mindestens ein anionisches Tensid und mindestens ein weiteres Tensid durch mindestens eine Injektionsbohrung in eine Erdöllagerstätte einpresst und der Lagerstätte durch mindestens eine Produktionsbohrung Rohöl entnimmt, dadurch gekennzeichnet dass die Tensidmischung mindestens umfasst
(A) mindestens ein Tensid (A) der allgemeinen Formel R**(1)-O-(CH2-CH(CH3)O)x-(CH2-CH2O)y-SO3M, wobei
* R**(1) für einen geradkettigen oder verzweigten aliphatischen und/oder aromatischen Kohlenwasserstoffrest mit 8 bis 32 Kohlenstoffatomen,
* M für H**(+) und/oder ein k-wertiges Gegenion 1/k Y**(k+),
* x für eine Zahl von 4 bis 30, und
* y für eine Zahl von 0 bis 30 steht,
* und die Summe x + y £ 50 ist,
wobei das Tensid (A) durch Sulfatierung eines alkoxylierten Alkohols R**(1)-O-(CH2-CH(CH3)O)x-(CH2-CH2O)y-H mit einer Polydispersität Mw/Mn <1,05 hergestellt wird, mit der Maßgabe, dass der alkoxylierte Alkohol durch Alkoxylierung eines Alkohol R**(1)-OH unter Verwendung von Doppelmetallcyanidkatalysatoren hergestellt wird, und
(B) mindestens ein davon verschiedenes Tensid (B) der allgemeinen Formel R**(2)-Y, wobei R**(2) für einen geradkettigen oder verzweigten aliphatischen und/oder aromatischen Kohlenwasserstoffrest mit 8 bis 32 Kohlenstoffatomen steht und Y für eine hydrophile Gruppe,
wobei das Gewichtsverhältnis (A)/(B) 10:1 bis 1:20 beträgt, und der Anteil der Tenside (A) und (B) zusammen mindestens 50 Gew. % bezüglich der Menge aller Tenside in der eingesetzten Tensidmischung beträgt."
XII. Der unabhängige Anspruch des ersten Hilfsantrags enthält das zusätzliche Merkmal, dass es sich bei dem Verfahren um Winsor Typ III Mikroemulsionsfluten handelt.
Die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 2-6 enthalten zusätzliche Einschränkungen in Bezug auf die Grenzflächenspannung, die Art des Alkoxylierungskatalysators, das Tensid B und den Rest R**(1). Diese Anträge wurden von der Beschwerdegegnerin nicht gesondert gegen den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit verteidigt.
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) ist zulässig.
2. Die Beschwerde ist auch begründet, da es den in den Hauptansprüchen aller vorliegenden Anträge definierten Verfahren an erfinderischer Tätigkeit mangelt. Dies wird im folgenden ausgeführt. Die von der Beschwerdeführerin darüber hinaus vorgebrachten Einwände der unerlaubten Erweiterung unter Artikel 123(2) EPÜ und der mangelnden Ausführbarkeit unter Artikel 83 EPÜ können daher unbeachtet bleiben.
Hauptantrag
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Beansprucht wird ein Verfahren zur Erdölförderung, in dem ein Tensid (A) zusammen mit einem Tensid (B) in wässriger Formulierung in eine Erdöllagerstätte injiziert wird. Das Tensid (A) wird dabei durch Sulfatierung eines Fettalkoholalkoxylats mit einer Polydispersität von Mw/Mn < 1.05 erhalten, der wiederum durch Alkoxylierung eines Fettalkohols mittels Doppelmetallcyanid(DMC)-Katalyse hergestellt wird. Des weiteren verlangt der Anspruch ein Gewichtsverhältnis der Tenside (A):(B) von 10:1 bis 1:20 und einen Gewichtsanteil der Tenside (A) und (B) an der eingesetzten Tensidmischung von mindestens 50%.
3.2 D7 offenbart ein Verfahren zur Erdölförderung (siehe Anspruch 1), bei dem ein Tensid in einer wässrigen Formulierung in eine ölhaltige Lagerstätte injiziert wird. Insbesondere offenbart D7 Verfahren, in denen Mikroemulsionen aus Wasser und einem dem zu fördernden Erdöl möglichst ähnlichen Öl eingesetzt werden, die durch Tenside stabilisiert sind (siehe Spalte 12, Zeile 28ff). Als Tenside finden unter anderem sulfatierte Fettalkoholalkoxylate Verwendung (siehe Spalte 13 Zeile 3ff, siehe auch Beispiele 1 und 2). Die in Spalte 13, Zeile 6 genannten i-Tridecylether-(PO)m(EO)n-Sulfate sowie das dafür spezifisch beschriebene i-C13H27(PO)4(EO)3SO3Na fallen unter die allgemeine Formel des Tensids (A) im Anspruch. Ein zweites Tensid, das der allgemeinen Formel (B) des Anspruchs entspricht, kann verwendet werden (siehe Spalte 13, Zeilen 40ff.). Die im Anspruch definierten Mengenverhältnisse der Tenside werden ebenfalls in D7 verwendet, wie etwa aus Tabelle II in Spalte 14 hervorgeht.
3.3 Die Unterschiede des anspruchsgemäßen Verfahrens im Vergleich zu dem der D7 waren zwischen den Parteien strittig.
3.3.1 Unstrittig war, dass das Anspruchsmerkmal "dass der alkoxylierte Alkohol durch Alkoxylierung eines Alkohol R**(1)-OH unter Verwendung von Doppelmetallcyanid-katalysatoren hergestellt wird" in D7 nicht offenbart ist. In D7 wird Alkalikatalyse verwendet (siehe etwa Beispiel 1).
3.3.2 Ein weiterer Unterschied ist die im Anspruch definierte Polydispersität der intermediären Alkohole von kleiner als 1,05. Zwar hat die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens auf die in Spalte 13, Zeile 14 der D7 genannte spezifische Verbindung i-C13H27(PO)4(EO)3SO3Na hingewiesen und argumentiert, die Nennung einer spezifischen Verbindung impliziere ein einheitliches Produkt und daher eine Polydispersität von 1. Die Kammer ist aber mit der Beschwerdegegnerin der Auffassung, dass diese spezifische Offenbarung im Lichte der allgemeinen Beschreibung der D7 gelesen werden muss. Aufgrund des Herstellungsverfahrens ist die Herstellung eines einheitlichen, definierten Alkoxylierungsprodukts nicht möglich, es werden immer Mischungen verschiedener Alkoxylierungsprodukte erhalten (siehe Spalte 3 Zeilen 40ff.).
3.3.3 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, die beanspruchte Sulfatgruppe sei aus D7 nur im Rahmen einer Auswahl zu erhalten, da D7 auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehe. Dies ist nicht überzeugend. Zwar werden in Spalte 7, Zeilen 10ff auch andere hydrophile Endgruppen erwähnt, allerdings wird die Sulfatierung als bevorzugte Möglichkeit genannt (Zeile 18ff) und die spezifisch erwähnten Tenside im ersten Absatz der Spalte 13 sind ebenfalls Sulfate. Dieses Merkmal unterscheidet den Anspruchsgegenstand daher nicht von D7.
3.3.4 Von der Beschwerdegegnerin wurde ebenfalls vorgebracht, das streitgegenständliche Patent arbeite mit wässrigen Tensidlösungen, nicht mit Mikroemulsionen wie die angeführten Passagen der D7. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass Anspruch 1 die Verwendung wässriger Formulierungen von Tensidmischungen betrifft, und keineswegs auf wässrige Lösungen beschränkt ist. Die Mikroemulsionen der D7 sind wässrige Tensidformulierungen und daher vom Anspruch umfasst. Dies ist kein Unterscheidungsmerkmal zu D7.
3.3.5 Zusammenfassend unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren von dem Verfahren der D7 dadurch, dass die intermediären alkoxylierten Alkohole durch DMC-Katalyse hergestellt werden und eine Polydispersität von kleiner 1,05 aufweisen.
3.4 Das mit dem beanspruchten Verfahren zu lösende Problem wurde von den Parteien unterschiedlich formuliert. Insbesondere war umstritten, ob das beanspruchte Verfahren im Vergleich zu dem Verfahren aus D7 zu Verbesserungen führt, die durch die unterscheidenden Merkmale, nämlich der geringen Polydispersität der intermediären Alkohole und deren Synthese mittels DMC-Katalyse, verursacht werden
3.4.1 Direkte Vergleichsdaten mit dem Verfahren aus D7, d. h. mit der Verwendung der oben erwähnten Mikroemulsion, liegen nicht vor.
3.4.2 Die Beschwerdegegnerin verwies zum Nachweis einer Verbesserung des Verfahrens gegenüber D7 auf den Vergleichsversuch des Patents. Dort wird ein anspruchsgemäßes Tensid mit einem durch Alkalikatalyse erhaltenen Tensid verglichen, das gemäß Absatz [0080] eine erhöhte Polydispersität aufweist. Die Unterschiede zwischen dem erfindungsgemäßen und dem Vergleichsbeispiel entsprächen daher den unterscheidenden Merkmalen des Anspruchs gegenüber D7. Laut diesem Versuch ergibt sich bei der Verwendung des anspruchsgemäßen Tensids in einem Testsystem eine geringere Grenzflächenspannung zwischen Wasser- und Ölphase und eine schnellere Trennung der Phasen.
3.4.3 Die Beschwerdegegnerin hat demgegenüber mit ihrer Beschwerdebegründung Versuche eingereicht, die zum dem Ergebnis kommen, dass die durch DMC-Katalyse erhaltenen Tenside in Anwendungsversuchen keine Verringerung der Grenzflächenspannung und sogar eine Erhöhung der zur Phasentrennung benötigten Zeit zeigen.
3.4.4 Unabhängig von diesen widersprüchlichen Ergebnissen, die selbst einen unter den definierten Bedingungen der Anwendungsversuche erzielbaren technischen Effekt als zweifelhaft erscheinen lassen, ist die Kammer der Meinung, dass für das beanspruchte Verfahren eine Verbesserung im Vergleich zu dem Verfahren aus D7 nicht gezeigt wurde.
Es ist unstrittig, dass die Einstellung des Gleichgewichts in den Anwendungsversuchen temperaturabhängig ist. Die optimale Temperatur des jeweiligen Systems ist im Vergleichsversuch des Patents wie auch in den von der Beschwerdeführerin gemachten Versuchen angegeben und liegt in Bereichen zwischen 30 und 50°C, genauso wie die Stabilitätsbereiche der Dreiphasenkoexistenz der entstehenden Winsor III-Mikroemulsionen. Es wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass diese Modellversuche über die Verhältnisse bei einem realen anspruchsgemäßen Verfahren, bei dem die entsprechenden Tensidformulierungen unter Druck in große Tiefen injiziert werden, keine Aussage ermöglichen. Die Kammer stimmt dem zu. Es herrschen ja in der realen Anwendung je nach Lagerstätte sowohl unterschiedliche Temperaturen, als auch geologische Gegebenheiten, die durch hohe Anteile insbesondere von Calcium- und Magnesiumionen zu jeweils lagerstättenspezifischer Zusammensetzung der Phasen führen (siehe Absatz [0011] des Patents). Diese Bedingungen unterscheiden sich erheblich von den gewählten Versuchsbedingungen des Anwendungstests im Patent. Nach Ansicht der Kammer ist daher ein einzelner Versuch in einem Modellsystem bei definierten Gegebenheiten, wie im Streitpatent durchgeführt, ohne weitergehende Untersuchungen nicht geeignet, etwaige Verbesserungen für das beanspruchte Verfahren zu belegen.
3.5 Ausgehend von D7 war daher das mit dem Streitpatent zu lösende Problem, ein alternatives Verfahren zur Erdölförderung aufzufinden.
Dieses Problem wurde durch das anspruchsgemäße Verfahren gelöst, das sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass die im Verfahren verwendete Tenside (A) aus durch DMC-Katalyse erhaltenen Alkoxyalkoholen mit einer Polydispersität von <1,05 hergestellt werden.
Dass das beanspruchte Verfahren dieses Problem tatsächlich löst, wurde nicht bestritten.
3.6 Nach Überzeugung der Kammer ist die beanspruchte Lösung allerdings aus dem Stand der Technik nahegelegt.
3.6.1 Bereits in D7 selbst wird darauf hingewiesen, dass alkoxylierte Tensidmischungen unter realen Bedingungen bei der Wanderung durch Gesteinsformationen in chromatographieartiger Weise in ihre Bestandteile aufgetrennt werden. Mischungen, die unter Laborbedingungen zufriedenstellende Ergebnisse zeigen können in der Praxis versagen, da die oberflächenaktiven Eigenschaften der einzelnen Mischungskomponenten in den vorliegenden Salzlösungen unterschiedlich sind (Spalte 3 Zeile 30 bis Spalte 4 Zeile 15). Eine ähnliche Lehre findet sich im übrigen in D6, dort bezogen auf nach Alkoxylierung erhaltene Sulfonate (siehe Absatz [0052]).
Für einen Fachmann war es daher erstrebenswert, eine möglichst einheitliche Tensidmischung zu verwenden, d. h. die Polydispersität möglichst niedrig zu halten.
Derartige wenig disperse Alkoxylate sind aus D12 bekannt. D12 beschreibt, dass alkoxylierte Alkohole, die als Tenside etwa in der Erdölförderung oder als Synthesezwischenstufen Verwendung finden, üblicherweise unter Verwendung von Alkalikatalyse hergestellt werden. Da die Alkalikatalyse mit Nachteilen behaftet ist, wird dort vorgeschlagen, stattdessen DMC-Katalyse zu verwenden (Spalte 1). Wie in den Ausführungsbeispielen gezeigt (siehe etwa Tabelle 1), haben solche propoxylierten und ethoxylierten Alkohole eine Polydispersität von weniger als 1,05, wie im Anspruch definiert.
Ein Fachmann wäre daher ausgehend von D7 auf der Suche nach einer alternativen Verfahrensweise ohne erfinderisches Zutun darauf gekommen, die als Synthesezwischenprodukte benötigten alkoxylierten Alkohole nicht mittels Alkalikatalyse, sondern wie in D12 beschrieben mittels DMC-Katalyse herzustellen und damit solche mit einer Polydispersität von kleiner 1.05 im beanspruchten Verfahren zu verwenden.
3.6.2 Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, D7 offenbare bereits eine Lösung für das dort angesprochene Problem der chromatographischen Auftretung der Mischungen, nämlich die Reihenfolge der Alkoxylierung, siehe Spalte 5 Zeilen 10 bis 25. Da dieses Problem laut D7 durch die dort vorgeschlagenen alkoxylierten Alkohole bereits gelöst sei, hätte der Fachmann keine weitergehenden Überlegungen dahingehend angestellt.
Dies überzeugt die Kammer nicht. Der Fachmann kann D7 zwar in der Tat die Lehre entnehmen, dass sich die dort vorgeschlagenen alkoxylierten Alkohole in ihren Eigenschaften ähnlicher sind und daher zu weniger Problemen in Bezug auf chromatographische Trennung führen, als solche mit anderer Reihenfolge der Alkoxylierung. Dies bedeutet aber nicht, dass das Problem der chromatographischen Trennung der Tenside damit endgültig gelöst ist. Bei der Suche nach geeigneten Alternativen ausgehend von D7 würde diese Überlegung daher durchaus noch eine Rolle spielen.
3.6.3 Die Beschwerdegegnerin hat weiterhin vorgebracht, D12 beschäftige sich nicht mit sulfatierten Produkten und offenbare außerdem nur die Herstellung, nicht aber mögliche Anwendungen der alkoxylierten Alkohole.
Diese Argumente sind ebenfalls nicht überzeugend. D12 beschäftigt sich nicht mit sulfatierten Produkten, offenbart aber interessante Eigenschaften, nämlich niedrige Polydispersitäten, der in D7 als Synthesezwischenprodukte verwendeten alkoxylierten Alkohole, falls diese mittels DMC-Katalyse hergestellt werden. Dies ist ein ausreichender Anreiz, die Herstellung der Zwischenprodukte im Verfahren der D7 durch diese Reaktion zu ersetzen. Dass in D12 die Anwendung der alkoxylierten Alkohole nicht thematisiert wird, ist zum einen nicht ganz richtig (siehe Absatz [0002]), zum anderen auch unerheblich, da der Fachmann ja die Anwendungsmöglichkeit als Zwischenprodukt im Verfahren bereits aus D7 kennt.
3.7 Das beanspruchte Verfahren war daher dem Fachmann ausgehend von D7 in Kombination mit D12 nahegelegt.
Erster Hilfsantrag
4. Der unabhängige Anspruch des ersten Hilfsantrags enthält das zusätzliche Merkmal, dass es sich bei dem Verfahren um Winsor Typ III Mikroemulsionsfluten handelt.
4.1 Gemäß Absatz [0061] des Patents ist dies der Fall, wenn die Grenzflächenspannung zwischen Wasser und Öl auf Werte unter 0,01 Nm/m abgesenkt wird. In diesem Fall bildet sich eine Mikroemulsion vom Typ Winsor III.
Die Beschwerdeführerin hat aus D7, Tabelle III Grenzflächenspannungen in diesem Bereich berechnet, etwa 0,0015 Nm/m für Zusammensetzung D. Es ist also davon auszugehen, dass auch die Tenside des nächsten Standes der Technik für das Winsor Typ III Mikroemulsionsfluten geeignet sind. Dieses Merkmal stellt daher keinen zusätzlichen Unterschied zum nächsten Stand der Technik dar und kann somit keinen erfinderischen Beitrag leisten.
4.2 Die Beschwerdegegnerin hat eingewandt, die Angaben in Tabelle III von D7 bezögen sich auf die injizierten Zusammensetzungen, nicht auf die Mikroemulsionen, die sich danach unter den Bedingungen der Lagerstätte aus der eingesetzten Mikroemulsion und der Erdölphase bilden.
Dies ist zwar richtig, ändert aber nichts daran, dass im Patent als einzige Voraussetzung für die Bildung der Winsor Typ III Mikroemulsionen die Oberflächenspannung zwischen Wasser- und Ölphase genannt ist, Absatz [0061]. Aus dem Patent sind keine weiteren Informationen ersichtlich, welche der dort beschriebenen Tensidmischungen speziell für das Winsor Typ III Mikroemulsionsfluten geeignet sind, und wie sich diese von eventuell dafür ungeeigneten Mischungen etwa der D7 unterscheiden ließen. Da die einzige im Patent erwähnte Bedingung auch in D7 erfüllt ist, kann die Kammer hier keinen zusätzliches Unterscheidungsmerkmal erkennen.
Zweiter bis sechster Hilfsantrag
5. Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass diese Anträge als Reaktion auf die von der Beschwerdeführerin unter Artikel 83 EPÜ gemachten Einwände mangelnder Ausführbarkeit eingebracht wurden und die zusätzlich eingebrachten Merkmale an der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Vergleich zum Hauptantrag bzw. dem ersten Hilfsantrag nichts ändern. Eine gesonderte Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit dieser Anträge erübrigt sich daher.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keiner der von der Beschwerdegegnerin vorgelegten geänderten Anspruchssätze die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt. Das Patent ist daher unter Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Patent wird widerrufen.