T 2401/17 16-02-2021
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STEUERVORRICHTUNG FÜR JALOUSIEN AN HOCHBAUTEN
Klüppel, Walter
Griesser Holding AG
I. Die Einsprechende 2 (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, der zufolge das europäische Patent Nr. 1904712 (Streitpatent) in der Fassung gemäß dem damaligen Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
II. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents. Sie beantragte ferner, den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags 3. Sie beantragte ferner, die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Entgegenhaltungen D32 bis D34 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
IV. Der Anspruch des einzigen Antrags lautet wie folgt (Hilfsantrag 3; Merkmalsgliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):
[O'] Steuerverfahren zum Betrieb einer Steuervorrichtung für Jalousien an Hochbauten,
[O1] mit einer Sensoranordnung (3), die zumindest einen Lichtsensor (5) zur Unterscheidung von Sonnenschein und bedecktem Himmel sowie
[O2] Empfangsmittel (7) für ein globales Positionserkennungssystem und eine Referenzzeit mit Datum aufweist und
[O3] mittels einer Rechner- und/oder Speicheranordnung (8) zur jeweiligen geodätischen Position zu jedem Zeitpunkt der Referenzzeit den Raumwinkel des Sonnenstandes ermittelt, und
[O4] wobei eine Speichervorrichtung vorgesehen ist, in der Raumwinkelbereiche ablegbar sind, aus denen an einer Jalousie oder Jalousiegruppe Sonneneinstrahlung möglich oder nicht möglich ist,
[K1'] wobei die Rechen- und/oder Speicheranordnung (8) der Steuervorrichtung eine geodätische Position und eine Referenzzeit mit Datum mittels des Empfangsmittels (7) von dem globalen Positionserkennungssystem bezieht und
[O3] zur jeweiligen geodätischen Position zu jedem Zeitpunkt der Referenzzeit den Raumwinkel des Sonnenstandes ermittelt und
[K2'] wobei ein Bediener mittels einer Eingabeeinheit (4) manuell Raumwinkelbereiche eingibt, aus denen aufgrund von Gebäudestrukturen ein Einfall von Sonnenlicht möglich oder nicht möglich ist, wenn die Sonne in der jeweiligen Raumwinkelrichtung am Himmel erschiene.
V. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:
D1 |DE19932731 A1 |
D3 |DE3640241 A1 |
D8 |elektrobörse Spezial, Sonderausgabe November 2001, Sonderdruck Sonnenschutz MULTRONIC, WEKA FACHMEDIEN GmbH |
D11 |Firmenschrift Reinhardt System- und Messelectronic GmbH, Ausgabe Herbst 2001, "Informationen zu unserer Wetterstation MWS 5M und Solaroption"|
D24 |"Global Positioning System", Wikipedia |
D32 |"Technische Daten Inbetriebnahme GPS161", Werner Meinberg, 11. Dezember 2006 |
D33 |News-Meldung vom 01.03.2004 auf www.meinberg.de (abgerufen am 24.11.2017) |
D34 |"Lassen SQ GPS Module", Flyer, Trimble Navigation Limited, 2002 |
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung des Hilfsantrags 3
Die Beschwerdegegnerin hätte nicht erläutert, wie der Hilfsantrag 3 die erhobenen Einwände ausräumen könnte. Ferner behebe der Hilfsantrag nicht die beanstandeten Mängel. Daher sei der Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Zulassung der Entgegenhaltungen D32 bis D34
Bei den Entgegenhaltungen D32 bis D34 handle es sich um einen Beleg des allgemeinen Fachwissens, der zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren in Reaktion auf die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht wurde. Die Entgegenhaltungen D32 bis D34 seien deshalb in das Verfahren zuzulassen.
Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von der Entgegenhaltung D1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 durch das allgemeine Fachwissen und insbesondere durch das in der D33 beschriebene "OEM Empfängerboard GPS 161" oder das in der D34 beschriebene "Lassen SQ GPS Modul" nahegelegt. Gleiches gelte ausgehend von der Entgegenhaltung D3. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die u.a. in der Entgegenhaltung D8 beschriebene Universalzentrale UZ500 und die in der Entgegenhaltung D11 beschriebene Wetterstation MWS 5M nahegelegt.
Zulassung neuer Einwände
Die in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwände unter Artikel 123 (3) und 84 EPÜ beruhten auf schwerwiegenden und sofort erkennbaren Mängeln, weshalb sie in das Verfahren zuzulassen seien.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung des Hilfsantrags 3
Der Hilfsantrag 3 sei mit der Beschwerdeerwiderung und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht worden, weshalb er in das Verfahren zuzulassen sei.
Zulassung der Entgegenhaltungen D32 bis D34
Die Entgegenhaltungen D32 bis D34 seien nach Ablauf der Einspruchsfrist und damit verspätet eingereicht worden. Sie seien überdies nicht prima facie relevant, da sie entweder nachveröffentlicht seien oder eine andere Technologie beträfen. Die Entgegenhaltungen D32 bis D34 seien deshalb nicht in das Verfahren zuzulassen.
Erfinderische Tätigkeit
Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen habe dem Fachmann eine Veranlassung gegeben, die Referenzzeit mit Datum mittels des Empfangsmittels von dem globalen Positionserkennungssystem zu beziehen.
Zulassung neuer Einwände
Die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwände unter Artikel 123 (3) und 84 EPÜ seien verspätet und daher nicht in das Verfahren zuzulassen.
1. Zulassung des Hilfsantrags 3
1.1 Der Hilfsantrag 3 wurde mit der Beschwerdeerwiderung und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht.
1.2 Das Fehlen einer Erläuterung, wie der Hilfsantrag 3 die erhobenen Einwände ausräumen könnte oder welche Mängel er behebt, führt nicht zwangsläufig dazu, dass er in Ausübung des Ermessens der Kammer gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht in das Verfahren zugelassen werden sollte. Es ergibt sich im vorliegenden Fall auch ohne eine Erläuterung, dass der Hilfsantrag 3 die gegen den Vorrichtungsanspruch 1 erhobenen Einwände dadurch ausräumen möchte, dass der Vorrichtungsanspruch gestrichen und lediglich ein Verfahrensanspruch weiterverfolgt wird.
1.3 Der Hilfsantrag 3 wird daher in das Verfahren zugelassen.
2. Zulassung der Entgegenhaltungen D32 bis D34
2.1 Die Entgegenhaltungen D32 bis D34 wurden mit der Beschwerdebegründung und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren in Reaktion auf die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht. Sie stellen überdies keine neue Angriffslinie dar, sondern dienen als Beleg für das bereits im Einspruchsverfahren vorgetragene Argument der Beschwerdeführerin, dass ein GPS-Empfänger auch Zeitinformationen erhält.
2.2 Die Entgegenhaltungen D32 bis D34 werden daher in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 VOBK 2007).
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1
3.1.1 Die Entgegenhaltung D1 kann als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 betrachtet werden. Die D1 offenbart eine Steuervorrichtung für Jalousien an Hochbauten (D1, Spalte 1, Zeilen 3-7) damit auch ein
[O'] Steuerverfahren zum Betrieb einer Steuervorrichtung für Jalousien an Hochbauten,
[O1] mit einer Sensoranordnung, die zumindest einen Lichtsensor zur Unterscheidung von Sonnenschein und bedecktem Himmel (D1, Spalte 4, Zeile 68 - Spalte 5, Zeile 2: Sonnensensor 22) sowie
[O2] Empfangsmittel für ein globales Positionserkennungssystem und eine Referenzzeit mit Datum aufweist (D1, Spalte 2, Zeilen 53-62; Spalte 8, Zeilen 17-20; Anspruch 8: GPS-Empfänger) und
[O3] mittels einer Rechner- und/oder Speicheranordnung zur jeweiligen geodätischen Position zu jedem Zeitpunkt der Referenzzeit den Raumwinkel des Sonnenstandes ermittelt (D1, Spalte 8, Zeilen 5-16).
3.1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Offenbarungsgehalt der D1 jedenfalls dadurch, dass
[K1'] die Rechen- und/oder Speicheranordnung (8) der Steuervorrichtung eine Referenzzeit mit Datum mittels des Empfangsmittels (7) von dem globalen Positionserkennungssystem bezieht.
Die Rechen- und/oder Speicheranordnung der D1 bezieht die Zeit mit Datum stattdessen von einer Uhr, die bevorzugt als Funkuhr ausgebildet sein soll (D1, Spalte 1, Zeilen 54-59; Spalte 4, Zeilen 47-67).
3.1.3 Der aus dem Unterscheidungsmerkmal [K1'] resultierende technische Effekt besteht darin, dass in der Steuervorrichtung der D1 die Funkuhr 20 entfallen kann.
Die diesbezügliche objektive technische Aufgabe liegt folglich darin, ein Steuerverfahren zum Betrieb einer Steuervorrichtung für Jalousien bereitzustellen, bei dem die Steuervorrichtung vereinfacht werden kann.
3.1.4 Es ist unstreitig, dass zum Zeitrang des Streitpatents das globale Positionserkennungssystem NAVSTAR GPS existierte - ein System, das auf Satelliten basiert, die mit Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen (siehe auch D24, erster Absatz sowie das Kapitel "Aufbau und Funktionsweise der Ortungsfunktion"). Dem Fachmann war folglich bekannt, dass man theoretisch eine Referenzzeit mit Datum von dem globalen Positionserkennungssystem hätte beziehen können.
3.1.5 Die Beschwerdeführerin argumentierte diesbezüglich, dass der Fachmann das in der D33 beschriebene "OEM Empfängerboard GPS 161" oder das in der D34 beschriebene "Lassen SQ GPS Modul" als Uhr bzw. Funkuhr im Sinne der D1 verwendet hätte (siehe D1, Spalte 1, Zeilen 54-59; Spalte 4, Zeilen 47-67).
3.1.6 Die Entgegenhaltung D33 beschreibt den GPS Empfänger GPS 161 als "zum Einbau in Systeme mit Bedarf für Zeitsynchronisation über GPS vorgesehen". Ein solcher Bedarf besteht im Allgemeinen in Systemen, die selbst über eine Uhr verfügen, deren Gang synchronisiert werden soll. Eine Lehre, dass der GPS Empfänger GPS 161 eine Uhr in einem System vollständig ersetzen könnte, ist der D33 nicht zu entnehmen. Deshalb fehlte dem Fachmann eine Veranlassung, die Uhr bzw. Funkuhr der D1 wegzulassen und stattdessen die Referenzzeit mit Datum von dem GPS Empfänger GPS 161 zu beziehen. Aus demselben Grund handelt es sich bei dem GPS Empfänger GPS 161 auch nicht um eine besondere Form von "Funkuhr" oder ein selbstverständliches Austauschmittel hierfür, denn der GPS Empfänger GPS 161 soll ausweislich der D33 nicht selbst die Funktion einer Uhr übernehmen, sondern lediglich der Zeitsynchronisation dienen. Die Lehre der D33 konnte es dem Fachmann folglich nicht nahelegen, in dem in der D1 beschriebenen Steuerverfahren einen GPS Empfänger GPS 161 zu verwenden und hiervon die Referenzzeit mit Datum zu beziehen.
3.1.7 Was den Vortrag der Beschwerdeführerin basierend auf der Entgegenhaltung D32 anbelangt, so bezieht sich dieser auf ein Dokument, das mit Druckdatum 11. Dezember 2006 (D32, Seite 2, unten) nicht dem Stand der Technik zuzurechnen ist. Zudem ist nicht belegt, dass die in der D32 beschriebene Satellitenfunkuhr GPS161 mit dem in der D33 vorgestellten GPS Empfänger GPS 161 baugleich ist, da knapp drei Jahre zwischen beiden Veröffentlichungen liegen. Ungeachtet dessen lehrt auch die D32 lediglich die Verwendung der Satellitenfunkuhr GPS161 zur Synchronisation der Zeit (D32, Seite 5, erster Absatz) und nicht den Verzicht auf eine vorhandene Uhr bzw. Funkuhr (siehe auch D32, Seite 17, Mitte).
3.1.8 Die Überlegungen zum "OEM Empfängerboard GPS 161" der D33 treffen in analoger Weise auf das in der D34 beschriebene "Lassen SQ GPS Modul" zu. Dieses Modul wird in der D34 nicht als (Ersatz für eine) Uhr, sondern als energiesparende und kompakte GPS Lösung für Mobilgeräte beschrieben (siehe bspw. D34, Überschrift). Selbst wenn der Fachmann ausgehend von der D1 die Lehre der D34 berücksichtigt hätte, wäre er daher nicht veranlasst gewesen, das Lassen SQ GPS Modul als Uhr in der D1 zu verwenden oder die in der D1 vorgesehene Uhr bzw. Funkuhr durch das Lassen SQ GPS Modul zu ersetzen. Die Lehre der D34 konnte es dem Fachmann folglich nicht nahelegen, in dem in der D1 beschriebenen Steuerverfahren ein Lassen SQ GPS Modul zu verwenden und hiervon die Referenzzeit mit Datum zu beziehen.
3.1.9 Die Beschwerdeführerin verwies ferner auf die Lehre der D1 in Spalte 9, letzter Absatz, wonach "auf einzelne Sensoren verzichtet werden [kann], um die Kosten für die Sensorik 10 zu senken". Diese Lehre betrifft jedoch ausdrücklich nur den Verzicht auf einzelne "Sensoren", wie den Sonnensensor 22, Richtungssensor 28, Windsensor 30, Regensensor 34, Temperatursensor 36 etc. Ein Verzicht auf den Funkempfänger 20 oder eine stattdessen verwendete Uhr ist dem Absatz nicht zu entnehmen, da deren Ganggenauigkeit und somit deren Vorhandensein als entscheidend für die Funktion der Sonnenschutzanlage beschrieben wird (D1, Spalte 4, Zeilen 57-67).
Überdies fehlt der D1 jeglicher Hinweis darauf, die Zeitinformation von dem als optional (siehe D1, Spalte 2, Zeilen 53-62; Spalte 8, Zeilen 17-20; Anspruch 8) beschriebenen GPS-Empfänger zu beziehen. Eine solche Ausgestaltung des Steuerverfahrens könnte auch nur dann funktionieren, wenn der optionale GPS-Empfänger dauerhaft in der Vorrichtung verbaut wäre, was die D1 ausdrücklich als nachteilig beschreibt (D1, Spalte 2, Zeilen 56-62).
3.1.10 Dem Fachmann fehlte daher die Veranlassung, ausgehend von der D1 die Referenzzeit mit Datum mittels des Empfangsmittels von dem globalen Positionserkennungssystem zu beziehen.
3.2 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D8
3.2.1 Auch die Entgegenhaltung D8 kann als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 betrachtet werden. Die D8 offenbart eine Steuervorrichtung für Jalousien an Hochbauten und damit implizit ein
[O'] Steuerverfahren zum Betrieb einer Steuervorrichtung für Jalousien an Hochbauten (D8, Seite 7, Abschnitt "Steuerung und Bedienung": "Das Herz der neuen Sonnenschutzsteuerung ist das FlexModul"),
[O1] mit einer Sensoranordnung, die zumindest einen Lichtsensor zur Unterscheidung von Sonnenschein und bedecktem Himmel (D8, Seite 8, Abschnitt "Zentrale Helligkeitsmessung": "die Helligkeit der Sonneneinstrahlung wird mittels des Sensors gemessen") sowie
[O2a] Empfangsmittel für eine Referenzzeit mit Datum aufweist (Seite 8, Abschnitt "Berechnung der Sonnenbahn": "Der zusätzliche Funkuhrempfänger synchronisiert die interne Quarzuhr automatisch mit dem Zeitsender DCF77 von Frankfurt") und
[O3], [O3'] mittels einer Rechner- und/oder Speicheranordnung zur jeweiligen geodätischen Position zu jedem Zeitpunkt der Referenzzeit den Raumwinkel des Sonnenstandes ermittelt (D8, Seite 3, Absatz vor "Anforderungen an ein Sonnenschutzsystem"; Seite 8, Abschnitt "Berechnung der Sonnenbahn"), und
[O4] wobei eine Speichervorrichtung vorgesehen ist, in der Raumwinkelbereiche ablegbar sind, aus denen an einer Jalousie oder Jalousiegruppe Sonneneinstrahlung möglich oder nicht möglich ist (D8, Seite 8, Abschnitt "Zentrale Helligkeitsmessung": "Bei der zentralen Helligkeitsmessung wird die Richtung der Sonneneinstrahlung berechnet und mit der programmierten Fassadenausrichtung verglichen").
3.2.2 Auch die D8 offenbart jedenfalls nicht, dass
[K1'] die Rechen- und/oder Speicheranordnung der Steuervorrichtung eine Referenzzeit mit Datum mittels des Empfangsmittels von dem globalen Positionserkennungssystem bezieht.
Die Rechen- und/oder Speicheranordnung der D8 bezieht die Zeit mit Datum stattdessen von einer internen Quarzuhr, synchronisiert mit dem Zeitsender DCF77 von Frankfurt (D8, Seite 8, Abschnitt "Berechnung der Sonnenbahn").
3.2.3 Für den aus dem Unterscheidungsmerkmal [K1'] resultierenden technischen Effekt und die diesbezügliche objektive technischen Aufgabe gelten obige Überlegungen ausgehend von D1 analog (siehe obigen Punkt 3.1.3). Demgemäß kann die anspruchsgemäße Lösung dieser Aufgabe durch keine der Entgegenhaltungen D32 bis D34 nahegelegt sein.
3.2.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner, der Fachmann hätte sich ausgehend von der D8 die objektive technische Aufgabe gestellt, einen passenden Sensor für die Sonnenschutzanlage zu wählen, was ihn zum Kombisensor der Entgegenhaltung D11 geführt hätte.
Diese Aufgabenstellung steht in keinem Zusammenhang mit dem Unterscheidungsmerkmal [K1'] und folgt damit nicht dem von den Spruchkörpern des EPA regelmäßig angewandten Aufgabe-Lösungs-Ansatz. Eine Begründung, warum von diesem allgemein anerkannten Ansatz abgewichen wird, lieferte die Beschwerdeführerin nicht.
Wenn man dennoch die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe zugrunde legen wollte, so kann diese lediglich aus dem allgemeinen Bestreben des Fachmanns resultieren, die Lehre der D8 in die Tat umzusetzen, sprich geeignete Bauteile für die Realisierung der Sonnenschutzanlage zu wählen. Hierzu zählt selbstverständlich auch die Wahl eines oder mehrerer konkreter Sensoren, welche die D8 allgemein auf Seite 8, linke Spalte, und in der Abbildung auf Seite 9 beschreibt. Bei der Wahl geeigneter Sensoren hätte sich der Fachmann aber auf die jeweils gewünschte Messgröße (Helligkeit, Wind, Niederschlag, Temperatur etc., siehe D8, Seite 8, linke Spalte) konzentriert und keine Überlegungen zu GPS angestellt. Der Fachmann hatte daher keine Veranlassung, die in der D11 beschriebene Wetterstation MWS 5M gegenüber anderen Wetterstationen oder Sensoren zu bevorzugen. Wenn der Fachmann dennoch die Wetterstation MWS 5M gewählt hätte, so hätte er jedenfalls keine Veranlassung gehabt, diese um das optionale GPS zu erweitern (siehe D11, Seite 1, linke Spalte mittig; Seite 2, linke Spalte oben). Überdies fehlte dem Fachmann selbst bei einem etwaigen Vorhandensein des optionalen GPS in der Wetterstation MWS 5M die Veranlassung, die dadurch bereitgestellte Zeitangabe für das Steuerverfahren zum Betrieb der Sonnenschutzanlage der D8 zu verwenden.
3.2.5 Dem Fachmann fehlte folglich auch die Veranlassung, ausgehend von der D8 die Referenzzeit mit Datum mittels des Empfangsmittels von dem globalen Positionserkennungssystem zu beziehen.
3.3 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D3
3.3.1 Der von der Beschwerdeführerin kursorisch erhobene Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der Entgegenhaltung D3 überzeugt ebenfalls nicht.
3.3.2 Auch die D3 enthält keine Offenbarung des Unterscheidungsmerkmals [K1'], sodass obige Überlegungen ausgehend von D1 oder D8 als nächstliegendem Stand der Technik analog gelten.
3.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Zulassung neuer Einwände
4.1 Die Beschwerdeführerin erhob während der mündlichen Verhandlung erstmals Einwände unter Artikel 123 (3) und 84 EPÜ gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags 3.
4.2 Im vorliegenden Fall wurde die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 6. August 2020 und damit nach Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) zugestellt. Laut den Übergangsbestimmungen des Artikels 25 (3) VOBK 2020 unterliegt daher die Zulassung obiger Einwände den Bestimmungen des Artikels 13 (2) VOBK 2020.
4.3 Artikel 13 (2) VOBK 2020 sieht vor, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
4.4 Die Beschwerdeführerin machte diesbezüglich geltend, dass es die Beschwerdegegnerin versäumt habe, bei der Einreichung des Hilfsantrags 3 zu erwähnen, welchen Zweck der Hilfsantrag hat. Daher sei für die Beschwerdeführerin "alles im Nebel" gewesen, sodass sie die Einwände nicht früher hätte erheben können.
4.5 Der Hilfsantrag 3 wurde mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht. Dennoch hat die Beschwerdeführerin die nach ihren Angaben schwerwiegenden und sofort erkennbaren Mängel im Anspruchswortlaut zu keinem Zeitpunkt vor der mündlichen Verhandlung gerügt. Die Kammer hat in ihrem Bescheid vom 10. November 2020 ihre Tendenz Hilfsantrag 3 zuzulassen zu erkennen gegeben und darauf hingewiesen, dass weiteres Vorbringen spätestens einen Monat vor dem Termin für die mündliche Verhandlung einzureichen ist. Auch in ihrem Schreiben vom 3. Februar 2021 in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung, in dem sie auf den Hauptantrag sowie auf neu eingereichte Hilfsanträge einging, hat die Beschwerdegegnerin keine inhaltlichen Einwände gegen den Hilfsantrag 3 vorgebracht.
4.6 Um Einwände gegen den Hilfsantrag 3 vorzutragen, bedurfte es keiner besonderen Erläuterung durch die Beschwerdegegnerin. Wenn der Anspruchswortlaut Mängel aufweist, so existieren diese Mängel unabhängig von etwaigen Erläuterung durch die Beschwerdegegnerin und können somit auch unabhängig von solchen Erläuterung erkannt und gerügt werden.
4.7 Die Kammer kann daher keine außergewöhnlichen Umstände erkennen, die die Beschwerdeführerin daran gehindert haben könnten, ihre Einwände unter Artikel 123 (3) und 84 EPÜ gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 bereits früher zu erheben. Die Einwände werden daher nicht in das Verfahren zugelassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 22. Mai 2018, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.