T 2418/17 05-03-2021
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VERFAHREN UND SYSTEM ZUR ENTEISUNG EINER WINDENERGIEANLAGE
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zur Post gegeben am 27. September 2017, das europäische Patent Nr. 2 753 826 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
III. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
E1: Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 17. Mai 2006
E2: WO 2010/142600 A1
E8: Betriebsanleitung Windenergieanlage ENERCON E70
E4/2300kW
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 27. Oktober 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung folgte am 22. Januar 2018.
V. Gegen diese Entscheidung legte auch die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 7. Dezember 2017 Beschwerde ein und entrichtete selben Tag die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 7. Februar 2018 eingereicht.
VI. In einem Bescheid vom 25. Januar 2021 gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 5. März 2021 in Anwesenheit aller Parteien statt.
VII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende (nachfolgend: Einsprechende) beantragt die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
VIII. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin (nachfolgend: Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. Aufrechterhaltung des Europäischen Patents wie erteilt, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1a, 2 und 3, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 13. Juni 2018, und im Umfang einer weiteren Version des Hilfsantrags 2, mit einer beabsichtigten Änderung wie angekündigt während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
IX. Die für diese Entscheidung relevanten unabhängigen Ansprüche der Anträge haben den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag
"1. Verfahren zum Enteisen einer Windenergieanlage (10) mit einer Enteisungssteuervorrichtung (12) mittels der ein Enteisungsvorgang ausführbar ist, bei dem an der Windenergieanlage (10) anhaftendes Eis wenigstens teilweise gelöst wird und in einen Gefahrenbereich (20) unterhalb der Windenergieanlage (10) fällt, mit folgenden Verfahrensschritten:
- der Gefahrenbereich (20) wird dahingehend überwacht, ob eine Vetosituation vorliegt, in der sich ein Mensch, ein Tier und/oder ein vor herabfallendem Eis zu schützendes Objekt im Gefahrenbereich (20) befindet;
- der Enteisungsvorgang wird mittels einer Bedienvorrichtung (16) von außerhalb des Gefahrenbereichs (20) gestartet, sofern keine Vetosituation vorliegt; und
- die Überwachung des Gefahrenbereichs (20) wird während des Enteisungsvorgangs fortgesetzt, wobei der Enteisungsvorgang mittels der Bedienvorrichtung (16) unterbrochen wird, sobald eine Vetosituation eintritt oder bevorsteht."
Hilfsantrag 1a
Anspruch 1 ist wie im Hauptantrag, unter Hinzufügung der folgenden Merkmale:
"das Überwachen des Gefahrenbereichs (20) und/oder das Starten des Enteisungsvorgangs durch wenigstens eine Bedienperson in Sichtweite des Gefahrenbereichs (20) von einem Standort außerhalb des Gefahrenbereichs (20) erfolgt, von dem aus der Gefahrenbereich (20) direkt überwachbar ist und von dem aus die Bedienvorrichtung (16) bedienbar ist, so dass eine Betriebsperson den Gefahrenbereich (20) überblicken und somit überwachen und gleichzeitig die Bedienvorrichtung bedienen kann
oder, dass eine Überwachungsvorrichtung (40; 42; 62-65) vorgesehen ist, mittels der der Gefahrenbereich überwacht wird, wobei das Starten des Enteisungsvorgangs von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs erfolgt, insbesondere von einer Fernüberwachungszentrale aus."
Hilfsantrag 2
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 1a, wobei die folgenden Änderungen vorgenommen wurden (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... von dem aus der Gefahrenbereich (20) direkt überwachbar ist und von dem aus die Bedienvorrichtung (16) bedienbar ist, [deleted: so dass eine Betriebsperson den Gefahrenbereich (20) überblicken und somit überwachen und gleichzeitig die Bedienvorrichtung bedienen kann ]wobei die Bedienvorrichtung (16) tragbar ausgebildet ist und über Signalkabel und/oder drahtlos, insbesondere mittels sicherer Funkverbindung, mit der Enteisungssteuervorrichtung (12) verbindbar ist oder verbunden ist,
oder, dass eine Überwachungsvorrichtung (40; 42; 62-65) vorgesehen ist, mittels der ..."
2. Version des Hilfsantrags 2
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 2, wobei die folgende Änderung vorgenommen wurde (von der Kammer gemäß der Erklärungen der Patentinhaberin mit Durchstreichung hervorgehoben):
"... mit der Enteisungssteuervorrichtung (12) verbindbar ist oder verbunden ist,
[deleted: oder, dass ][deleted: eine Überwachungsvorrichtung (40; 42; 62-65) vorgesehen ist, mittels der der Gefahrenbereich überwacht wird, wobei das Starten des Enteisungsvorgangs von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs erfolgt, insbesondere von einer Fernüberwachungszentrale aus.][deleted: "]
Hilfsantrag 3
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 2, wobei die folgende Änderung vorgenommen wurde (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"oder, dass eine Überwachungsvorrichtung (40; 42; 62-65) vorgesehen ist, mittels der der Gefahrenbereich überwacht wird, wobei das Starten des Enteisungsvorgangs von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs erfolgt, insbesondere von einer Fernüberwachungszentrale aus, wobei während des Enteisungsvorgangs Signale der Überwachungsvorrichtung (40, 32; 62-65), insbesondere Signale einer optischen Kamera (40, 62), einer Infrarotkamera (63), einer Lichtschranke (64) und/oder eines Bewegungssensors (65) der Überwachungsvorrichtung (40, 42; 62-65), automatisch ausgewertet werden und der Enteisungsvorgang automatisch unterbrochen wird, wenn diese Auswertung ergibt, dass eine Vetosituation eingetreten ist oder bevorsteht."
"8. Enteisungssystem (1) für eine Windenergieanlage (10), umfassend eine Windenergieanlage (10) mit einer Enteisungssteuervorrichtung (12), mittels der ein Enteisungsvorgang ausführbar ist, bei dem an der Windenergieanlage (10) anhaftendes Eis wenigstens teilweise gelöst wird und in einen Gefahrenbereich (20) unterhalb der Windenergieanlage fällt, wobei das Enteisungssystem eine Bedienvorrichtung (16) zur Einleitung und/oder Unterbrechung des Enteisungsvorgangs umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die Bedienvorrichtung (16) von einem Standort außerhalb des Gefahrenbereichs (20) aus bedienbar ist, von dem aus der Gefahrenbereich (20) wenigstens teilweise direkt und/oder mittels einer vom Enteisungssystem (1) umfassten Überwachungsvorrichtung (40, 42; 62-65) überwachbar ist oder überwacht wird, insbesondere in Sichtweite des Gefahrenbereichs (20), wobei die Bedienvorrichtung (16) tragbar ausgebildet ist und über Signalkabel und/oder drahtlos, insbesondere mittels sicherer Funkverbindung, mit der Enteisungssteuervorrichtung (12) verbindbar ist oder verbunden ist, oder von einer Fernüberwachungszentrale aus, wobei das System ausgebildet ist, während des Enteisungsvorgangs Signale der Überwachungsvorrichtung (40, 32; 62-65), insbesondere Signale einer optischen Kamera (40, 62), einer Infrarotkamera (63), einer Lichtschranke (64) und/oder eines Bewegungssensors (65) der Überwachungsvorrichtung (40, 42; 62-65), automatisch auszuwerten und den Enteisungsvorgang automatisch zu unterbrechen wenn diese Auswertung ergibt, dass eine Vetosituation eingetreten ist oder bevorsteht."
X. Die Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags, des Hilfsantrags 1a, 2 und des Hilfsantrags 3 beruhe ausgehend von E2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit in Zusammenschau mit E1. Zudem sei der unabhängige Vorrichtungsanspruch 8 des Hilfsantrags 3 nicht klar und enthalte unzulässige Änderungen. Der während der mündlichen Verhandlung angekündigte geänderte Hilfsantrag 2 sei nicht zum Verfahren zuzulassen.
XI. Die Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge beruhe gegenüber dem angezogenen Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 8 des Hilfsantrags 3 sei klar und enthalte zulässige Änderungen. Die während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer angekündigte zweite Version des Hilfsantrags 2 sei zum Verfahren zuzulassen, da lediglich die zweite Alternative im unabhängigen Anspruch 1 gestrichen werde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Enteisen einer Windenergieanlage, wobei das Eis in einen Gefahrenbereich unterhalb der Windenergieanlage fällt, wobei der Enteisungsvorgang mittels einer Bedienvorrichtung von außerhalb des Gefahrenbereichs gestartet wird. Auf diese Weise wird die Bedienperson geschützt (Patentschrift, Absatz 0012). Außerdem wird ein Enteisungssystem für eine Windenergieanlage beansprucht.
3. Auslegung
Für die nachfolgende Diskussion der erfinderischen Tätigkeit ist es unerlässlich, zunächst die Bedeutung des Begriffs "Gefahrenbereich unterhalb der Windenergieanlage" in Anspruch 1 zu klären.
3.1 Die Patentinhaberin vertritt unter Verweis auf Figur 1 und die Absätze 0010, 0029 und 0041 der Patentschrift sowie auf Seite 21 der E8 die Ansicht, dass der Turm einer Windenergieanlage innerhalb des Gefahrenbereichs stehe. Daher könne der Enteisungsvorgang mittels einer im Turminneren angeordneten Bedienvorrichtung nicht anspruchsgemäß von außerhalb des Gefahrenbereichs gestartet werden.
3.2 Anspruch 1 des Hauptantrags verlangt, dass an der Windenergieanlage anhaftendes Eis in einen Gefahrenbereich unterhalb der Windenergieanlage fällt. Dieses Merkmal betrifft bei einer zum Verständnis bereiten Leseweise die vom Eis ausgehende Gefahr, und somit nur den Bereich unterhalb der Windenergieanlage, in welchen das herabfallende Eis realistisch gelangen kann. Dieser Bereich befindet sich im Umkreis des Turms der Windenergieanlage. Ob das Eis durch die während des Enteisungsvorgangs eventuell offen stehende Tür im Bereich des Turmfußes, oder gar unter Durchschlagen der Turmwand auch in das Turminnere gelangen könnte, spielt dabei keine Rolle. Die Patentinhaberin hat nicht belegt, dass diese Szenarien im üblichen Betrieb einer Windenergieanlage auftreten. Auch die Kammer hat keinen Grund zu der Annahme, dass eine Bedienperson der Windenergieanlage während der Enteisung die Tür offen stehen lassen würde, falls er sich dadurch in konkrete Gefahr brächte. Zudem ist der Turm im Bereich des Turmfusses am robustesten konstruiert, da dieser Bereich die gesamten Lasten der Windenergieanlage in das Fundament einleiten muss.
3.3 Was das Turminnere anbelangt, hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass einer Bedienperson der Windenergieanlage dort Gefahren drohen. Neben der Möglichkeit eines Stromschlags besteht im Turminneren beispielsweise Absturzgefahr von Leitern oder Quetschgefahr an beweglichen Teilen der Windenergieanlage. In diesem Sinne ist wohl auch die von der Patentinhaberin zitierte Angabe im ersten Absatz auf Seite 21 der E8 zu verstehen, wonach die Windenergieanlage selbst Gefahrenbereich ist. Dagegen bedeutet die Aussage "In bestimmten Situation ist zusätzlich der Bereich unterhalb ... Gefahrenbereich (...Eisfall)" (zweiter Absatz auf Seite 21, Hervorhebung durch die Kammer) nicht, dass die Windenergieanlage selbst - und damit das Turminnere - Teil des Gefahrenbereichs bei Eisfall ist. Vielmehr wird ein Fachmann diese Aussage in dem Sinne verstehen, dass die unabhängig vom Eisfall bestehenden Gefahren im Turminneren auch bei Eisfall fortbestehen. Aus diesen Gründen muss die Kammer nicht klären, ob das Dokument E8, dessen Zugehörigkeit zum Stand der Technik sogar von der Patentinhaberin bestritten wurde, überhaupt zur Auslegung von Anspruch 1 im Sinne der Patentinhaberin herangezogen werden kann. Das weitere Argument der Patentinhaberin, wonach das Turminnere zum Gefahrenbereich bei Eisfall gehöre, da ein dort verweilender Mühlenwart bei einer medizinischen Notlage während des Enteisungsvorgangs nicht von Helfern geborgen werden könne, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Eine solche Notlage wird nämlich nicht durch den Eisfall an sich hervorgerufen, so dass sie ebenfalls zu den unabhängig vom Eisfall bestehenden Gefahren gehört.
3.4 Die Verweise der Patentinhaberin auf die Absätze 0010, 0029 und 0041 der Patentschrift führen zu keinem anderen Ergebnis. In Absatz 0010 betrifft die Formulierung "umfasst der überwachte Gefahrenbereich diese Umgebung desjenigen Bereichs, in dem Eisschlag zu erwarten ist" wegen des Begriffs "Umgebung" einen Bereich außerhalb des von Eisschlag gefährdeten Bereichs. Folglich lässt sich daraus keine Aussage über das Turminnere, das unbestritten im Zentrum des von Eisschlag gefährdeten Bereichs liegt, ableiten. Dasselbe gilt für die Formulierung "in der Nähe der Windenergieanlage, jedoch außerhalb des Gefahrenbereichs" in Absatz 0029. Der Turm als integraler Bestandteil einer Windenergieanlage befindet sich nicht in deren Nähe, so dass dieser Absatz weder den Turm noch das Turminnere betrifft. Auch die Formulierung "ein Umfeld mit einbezogen werden, aus dem Menschen, Tiere oder Fahrzeuge in kurzer Zeit in den unmittelbar gefährlichen Bereich gelangen können" in Absatz 0041 macht das Turminnere nicht zum Teil des Gefahrenbereichs. Selbst wenn sich "unmittelbar gefährliche Bereich" auf den anspruchsgemäßen Gefahrenbereich beziehen sollte, ist es unbestritten, dass keine Fahrzeuge in das Turminnere gelangen. Daher liegt der unmittelbar gefährliche Bereich außerhalb des Turms der Windenergieanlage.
3.5 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer im Gegensatz zur Sichtweise der Patentinhaberin zu dem Ergebnis, dass der Begriff "Gefahrenbereich" in Anspruch 1 nach fachmännischem Verständnis nicht das Turminnere einschließt.
4. Hauptantrag, Hilfsanträge 1a und 2 - erfinderische Tätigkeit
Die angegriffene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags ausgehend vom Dokument E2, siehe Absatz 4.1 der Entscheidungsgründe. Die Einsprechende bestreitet diesen Befund der Entscheidung. Dazu bemerkt die Kammer Folgendes:
4.1 Auch die Kammer hält das bereits in Absatz 0005 der Patentschrift gewürdigte Dokument E2 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da es ein Verfahren zum Enteisen einer Windenergieanlage mittels einer Enteisungssteuervorrichtung offenbart, siehe Seite 8, erster und zweiter Absatz i.V.m Seite 11, zweiter und dritter Absatz. Dabei sorgt die Enteisungssteuerungs-vorrichtung "control unit 11" dafür, dass die Rotorblätter abwechselnd vom Generator der Windenergieanlage in entgegengesetzte Richtung verdreht werden. Anhaftendes Eis fällt sodann in einen Gefahrenbereich unterhalb der Windenergieanlage. Zudem ist die Offenbarung auf den Seiten 8 und 11 in dem Sinne zu verstehen, dass die Bedienperson "human operator" den Enteisungsvorgang starten muss, nachdem sie durch visuelle Inspektion eine Eisbildung bemerkt hat. Da keine Gedankenübertragung von der Bedienperson an die Enteisungssteuerungsvorrichtung "control unit 11" stattfinden kann, impliziert das eine Bedienvorrichtung. Mangels einer anderslautenden Offenbarung in E2 befindet sich diese Bedienvorrichtung am fachüblichen Schaltschrank innerhalb des Turms, und daher aus den oben genannten Gründen außerhalb des Gefahrenbereichs unterhalb der Windenergieanlage.
4.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von der Offenbarung der E2 darin, dass der Gefahrenbereich dahingehend überwacht wird, ob eine Vetosituation vorliegt, in der sich ein Mensch, ein Tier und/oder ein vor herabfallendem Eis zu schützendes Objekt im Gefahrenbereich befindet, dass der Enteisungsvorgang mittels der Bedienvorrichtung (von außerhalb des Gefahrenbereichs) gestartet wird, sofern keine Vetosituation vorliegt; und dass die Überwachung des Gefahrenbereichs während des Enteisungsvorgangs fortgesetzt, wobei der Enteisungsvorgang mittels der Bedienvorrichtung unterbrochen wird, sobald eine Vetosituation eintritt oder bevorsteht.
Diesen Unterscheidungsmerkmalen liegt die objektive technische Aufgabe zugrunde, die Sicherheit bei der Enteisung einer Windenergieanlage zu erhöhen, siehe Absatz 0007 der Patentschrift. Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit davon ab, ob der von E2 ausgehende Fachmann - wie von der Patentinhaberin vorgetragen - nur durch eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise zu obigen Unterscheidungsmerkmalen gelangt wäre.
4.3 Die Kammer sieht das anders. Es wurde von der Patentinhaberin nicht belegt, dass die Richtlinie 2006/24/EG des europäischen Parlaments und des Rates gemäß E1 eine Ausnahme für Windenergieanlagen enthält. Das ist auch aus Sicht der Kammer nicht der Fall, da Windenergieanlagen nicht bei den Ausnahmen in Artikel 1, Absatz (2) der Richtlinie erwähnt werden.Daher sieht die Kammer eine Windenergieanlage als Maschine an, welche die in E1 genannten Anforderungen erfüllen muss.
Laut Anhang 1, Punkt 1.2.2 der E1 muss sich das Bedienungspersonal von jedem Bedienungsplatz vergewissern können, dass niemand sich in den Gefahrenbereichen aufhält, oder die Steuerung muss so ausgelegt und gebaut sein, dass das Ingangsetzen verhindert wird, solange sich jemand im Gefahrenbereich aufhält. Der dort genannte Tatbestand "solange sich jemand im Gefahrenbereich befindet" bildet also eine anspruchsgemäße Vetosituation. Folglich verlangt die Richtlinie, dass ein Gefahrenbereich von einer Bedienperson dahingehend überwacht werden muss, ob eine solche Vetosituation vorliegt. Zudem erlaubt die Richtlinie jegliches Ingangsetzen der Maschine nur dann, wenn keine Vetosituation vorliegt.
Die Richtlinie verweist zwar nicht explizit auf den Fall, dass während des Betriebs der Maschine eine Vetosituation eintritt oder bevorsteht. Den Betrieb in einer solchen Situation zu unterbrechen, entspricht jedoch dem "gesunden Menschenverstand" der Bedienperson, so dass sie entsprechend handeln wird. Dagegen widerspräche eine Unterlassung der Unterbrechung durch die Bedienperson - nach dem von der Patentinhaberin genannten Prinzip "aus Schaden wird man klug" (Schreiben vom 4. November 2020) - dem Sinn und Zweck der Richtlinie. Dieser besteht nämlich darin, die Sicherheit von Menschen, Haustieren und Sachen zu gewährleisten (E1, Seite 1, Punkt (3) i.V.m. Artikel 1, Absatz (1), a)). Deswegen führt auch das Argument der Patentinhaberin zu keinem anderen Ergebnis, wonach die Anregung der Rotorblätter zu Schwingungen in E2 von so kurzer Dauer sei, dass es keinen Grund für eine Unterbrechung gebe.
Das Argument der Patentinhaberin, wonach keinesfalls alle Windenergieanlagen gemäß der Maschinenrichtlinie E1 konstruiert sind, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Kammer erkennt an, dass E1 bereits den Fall erwähnt, dass die Steuerung der Maschine lediglich so ausgelegt und gebaut ist, dass dem Ingangsetzen ein akustisches und/oder optisches Warnsignal vorgeschaltet ist (Anhang 1, Punkt 1.2.2; Seite 15, vierletzter Absatz). Es mag also sein, dass eine vorbekannte Windenergieanlage, wie beispielsweise die in E2 beschriebene, nicht der Maschinenrichtlinie gemäß E1 genügt. Dennoch ist der Wunsch, dass eine Windenergieanlage bei ihrem Betrieb - und damit auch beim anspruchsgemäßen Enteisungsvorgang -, die von der Richtlinie E1 geforderte Sicherheit von Personen im Gefahrenbereich gewährleistet, für den Fachmann im Lichte dieser Richtlinie genauso naheliegend wie die Implementierung dieses Wunsches im Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags.
4.4 Die zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a betreffen zwei Alternativen. Bei der ersten Alternative erfolgt die Überwachung des Gefahrenbereichs bzw. das Starten des Enteisungsvorgangs durch eine Bedien- oder Betriebsperson, während die zweite Alternative auf die Überwachung mittels Überwachungsvorrichtung gerichtet ist ("eine Überwachungsvorrichtung vorgesehen ist, mittels der der Gefahrenbereich überwacht wird, wobei das Starten des Enteisungsvorgangs von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs erfolgt, insbesondere von einer Fernüberwachungszentrale aus"). Die Parteien stimmen darin überein, dass die zweite Alternative nicht auf die Nutzung einer Fernüberwachungszentrale beschränkt ist. Das ist auch aus Sicht der Kammer wegen der optionalen Formulierung "insbesondere" der Fall.
Ausgehend von E2 ist die Kammer im Zusammenhang mit dem Hauptantrag bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Überwachung des Gefahrenbereichs durch die Bedienperson "human operator" von der Maschinenrichtlinie E1 nahegelegt wird. Da zudem der Enteisungsvorgangs in E2 aus den oben genannten Gründen durch die Bedienperson von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs gestartet wird, unterscheidet sich die zweite Alternative von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a von der Offenbarung der E2 lediglich darin, dass der Gefahrenbereich nicht von der Bedienperson selbst, sondern mittels einer Überwachungsvorrichtung überwacht wird. Dieser Unterschied kann keine erfinderische Tätigkeit begründen, da die bloße Automatisierung von bisher vom Menschen ausgeführten Funktionen nach der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern dem allgemeinen Trend in der Technik entgegenkommt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.9.19.5).
4.5 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1a ausgehend von E2 im Lichte der Richtlinie E1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ. Die gleichen Überlegungen gelten für den Hilfsantrag 2, worin die zweite Variante wortgleich mit dem Hilfsantrag 1a beansprucht wird.
5. 2. Version des Hilfsantrags 2 - Zulassung zum Verfahren
Die Vorlage der zweiten Version des Hilfsantrags 2 erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Dieser verspätet vorgelegte Hilfsantrag stellt geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13 VOBK 2020 erfolgt.
5.1 Der Artikel 13(2) VOBK 2020 legt fest, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ bestimmten Frist oder, wenn eine solche Mitteilung nicht ergeht, nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Im vorliegenden Fall erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 15. Juni 2020. Zwar teilte die Kammer zusätzlich am 25. Januar 2021 den Parteien in einer Mitteilung nach Artikel 15(1) und 17(2) VOBK 2020 ihre vorläufige und nicht-bindende Auffassung mit. Ob Artikel 13(2) VOBK 2020 auf eine solche Konstellation Anwendung findet (weil es sich um keine Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ handelte, da die Parteien nicht unter Fristsetzung durch die Kammer dazu aufgerufen wurden, eine Stellungnahme einzureichen), oder nicht (weil dieser Fall in der zitierten Vorschrift nicht geregelt ist), kann dahinstehen. In jedem Falle ist nämlich die Vorlage der zweiten Version des Hilfsantrags 2 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung anzusehen, deren Zulassung nicht erfolgen sollte, es sei denn, sie wurde mit einer stichhaltigen Rechtfertigung begründet.
5.2 Die Patentinhaberin hat in der zweiten Version des Hilfsantrags 2 die Alternative "dass eine Überwachungsvorrichtung (40; 42; 62-65) vorgesehen ist, mittels der der Gefahrenbereich überwacht wird, wobei das Starten des Enteisungsvorgangs von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs erfolgt, insbesondere von einer Fernüberwachungszentrale aus" aus dem unabhängigen Anspruch 1 gestrichen. Sie rechtfertigt die verspätete Vorlage dieses Hilfsantrags mit dem Argument, dass der Fall für sie mit dem negativen Befund der Kammer zur erfinderischen Tätigkeit dieser Alternative im Hilfsantrag 1a eine überraschende Wendung genommen habe.
5.3 Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, da sie keine überraschende Wendung des Falles erkennen kann. Die aus Anspruch 1 der zweiten Version des Hilfsantrags 2 gestrichene zweite Alternative war bereits in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthalten, auf dessen Basis das Patent von der Einspruchsabteilung aufrecht erhalten wurde. Die beiden Alternativen wurden zudem in der angegriffenen Entscheidung (Absätze 5.2.1 und 5.2.4 der Entscheidungsgründe) und auch in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden korrekt identifiziert (Seite 3, wobei "Merkmal 1.6.B" auf die zweite Alternative verweist). Außerdem wurde die zweite Alternative bereits in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden als nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von E2 und E1 angesehen (Seiten 22 und 23) Spätestens mit dieser Beschwerdebegründung hätte daher klar sein können, dass die zweite Alternative aus Sicht der Einsprechenden "eine generell bekannte Fernüberwachung" betrifft (Beschwerdebegründung, Seite 15, vorletzter Absatz; Seite 16, dritter vollständiger Absatz; Seite 21, zweiter vollständiger Absatz; Brückenabsatz zwischen den Seiten 22 und 23). In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden unterließ es die Patentinhaberin jedoch, inhaltlich zu diesem Einwand Stellung zu nehmen (Schreiben vom 13. Juni 2018, Seite 20, Punkt 17. "Es ist nicht ersichtlich, wie aus der Zusammenschau dieser beiden Dokumente der Fachmann zur erfindungsgemäßen Lehre gelangen soll").
In ihrer Einschätzung, dass die auf eine Überwachungsvorrichtung gerichteten Merkmale in der zweiten Alternative naheliegen, ist die Kammer folglich einem Einwand - wenn auch nicht wortgleich wegen des lediglich optionalen Charakters der im Anspruch genannten Fernüberwachung - der Einsprechenden gefolgt, der bereits mit deren Beschwerdebegründung, und damit mehr als drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen wurde. Was auch immer der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion der Patentinhaberin - z.B. durch das rechtzeitige Stellen eines entsprechenden Hilfsantrags - auf diesen Einwand der Einsprechenden gewesen sein mag, ausreichend Zeit dafür wäre vorhanden gewesen. Die Tatsache, daß sich die Kammer einem Einwand der Einsprechenden anschließt, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern liegt in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses. Überraschend wäre vielmehr, wenn die Kammer ihrerseits einen neuen Einwand erhöbe. Vorliegend war das nicht der Fall.
5.4 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage der zweiten Version des Hilfsantrags 2 zu rechtfertigen wäre. Somit entscheidet die Kammer, diesen Hilfsantrag nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK 2020.
6. Hilfsantrag 3 - Klarheit, Änderungen
Die Einsprechende bestreitet die Klarheit von Anspruch 8 des Hilfsantrags 3 sowie die Zulässigkeit der Änderungen in diesem Vorrichtungsanspruch.
6.1 Im Hinblick auf die Änderungen basiert dieser Anspruch unbestritten auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 11 und 12. Zusätzlich wurde das Merkmal "wobei das System ausgebildet ist, während des Enteisungsvorgangs Signale der Überwachungsvorrichtung (40, 32, 62-65), insbesondere Signale einer optischen Kamera (40, 62), einer Infrarotkamera (63), einer Lichtschranke (64) und/oder eines Bewegungssensors (65) der Überwachungsvorrichtung (40, 42; 62-65), automatisch auszuwerten und den Enteisungsvorgang automatisch zu unterbrechen wenn diese Auswertung ergibt, dass eine Vetosituation eingetreten ist oder bevorsteht" in den Anspruch aufgenommen. Gegen dieses Merkmal erhebt die Einsprechende den Einwand, dass die Anmeldung nicht offenbare, dass das System derart ausgebildet sei.
Die Kammer sieht das anders. Das Merkmal ist auf Seite 6, Zeilen 12 bis 20 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart, wo es als "bevorzugte Weiterbildung der Erfindung" bezeichnet wird. Die Erfindung ist nicht auf ein Enteisungsverfahren beschränkt, sondern betrifft auch ein System bzw. ein Enteisungssystem (Anmeldung, Seite 1, Zeilen 12 und 20 bis 28). Daher kann dieses Merkmal mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 11 und 12 zum unabhängigen Anspruch 8 des Hilfsantrags 3 kombiniert werden. Die zusätzliche Formulierung "das System ausgebildet ist" ist eine Folge davon, dass die Passage auf Seite 6 der Anmeldung auf die Erfindung, und damit auch auf das (Enteisungs)System bezogen ist. Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind somit erfüllt.
6.2 Im Hinblick auf die Klarheit erhebt die Einsprechende den Einwand, dass ein Leser des Anspruchs nicht wisse, worauf der Begriff "System" in der Formulierung "das System ausgebildet ist" bezogen sei. Aus den oben genannten Gründen betrifft die Erfindung laut Seite 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung ein System bzw. ein Enteisungssystem. Bei einer zum Verständnis bereiten Leseweise bezieht sich der Begriff "System" daher auf das Enteisungssystem, so dass auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt sind.
7. Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit
Die Neuheit von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 gegenüber E2 ist unbestritten. Die zusätzlichen Merkmale in diesem Anspruch betreffen erneut die beiden Alternativen einer Überwachung des Gefahrenbereichs bzw. eines Startens des Enteisungsvorgangs durch die Bedien- oder Betriebsperson, oder einer automatischen Überwachung mittels Überwachungsvorrichtung. Beide Alternativen wurden von der Einsprechenden als naheliegend angesehen, so dass die Kammer nun diese von E2 ausgehenden Angriffslinien prüfen wird.
7.1 Im Zusammenhang mit dem Hauptantrag ist die Kammer bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass der Enteisungsvorgangs in E2 von der Bedienperson aus dem Turminneren - also von außerhalb der Sichtweite des Gefahrenbereichs - gestartet wird, und dass die Maschinenrichtlinie E1 eine Überwachung des Gefahrenbereichs durch die Bedienperson nahegelegt.
7.2 Die Parteien stimmen darin überein, dass den zusätzlichen Merkmalen beider Alternativen die objektive technische Aufgabe zugrunde liegt, die Sicherheit beim Enteisungsvorgang zu erhöhen, siehe die Absätze 0022 und 0029 der Patentschrift.
7.3 Im Hinblick auf die erste Alternative, also die Überwachung des Gefahrenbereichs bzw. das Starten des Enteisungsvorgangs mittels einer tragbaren Bedienvorrichtung durch die Bedienperson, gehören fernbediente Krananlagen zwar unbestritten zum allgemeinen Fachwissen. Eine Fernbedienung ermöglicht es der Bedienperson, ihren Abstand zur Krananlage zu erhöhen. Dagegen befindet sich die Bedienperson zumindest beim Aufnehmen einer Last (z.B. durch Befestigen eines Hebezeugs an der Last) und beim Abstellen der Last (zum Lösen des Hebezeugs) sehr nahe neben der Last bzw. der Krananlage. Die Kammer ist daher nicht davon überzeugt, dass der Fachmann auf fernbediente Krananlagen zurückgreifen wird, um die Sicherheit beim Abtauvorgang einer Windenergieanlage zu erhöhen. Dessen ungeachtet besteht in E2 überhaupt keine Veranlassung für ein tragbares Bediengerät, da die Bedienperson den Enteisungsvorgang aus dem Turminneren heraus startet. Siehe den Befund zum Hauptantrag.
7.4 Im Hinblick auf die zweite Alternative, also die automatischen Überwachung und Unterbrechung des Enteisungsvorgangs mittels einer Überwachungsvorrichtung, versteht die Kammer die Offenbarung auf den Seiten 8 und 11 der E2 in dem Sinne, dass die Bedienperson "human operator" den Enteisungsvorgang an einer Bedienvorrichtung im Turminneren startet. In Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen mag es zwar naheliegend sein, den Gefahrenbereich zur Unterstützung der Bedienperson durch eine Überwachungsvorrichtung zu überwachen, siehe den Befund zum Hilfsantrag 1a. Dennoch bleibt es in E2 weiterhin Aufgabe der Bedienperson, abhängig vom Resultat der Überwachungsvorrichtung, das Vorliegen einer unmittelbaren Vetosituation abzuwägen, und in einer solchen Vetosituation den Enteisungsvorgang händisch mittels der Bedienvorrichtung zu unterbrechen. Ausgehend von E2, die an den von der Einsprechenden genannten Stellen zwingend eine Bedienperson verlangt, beruht es daher auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise, mittels Automatisierung der Auswertung und der Unterbrechung auf diese Bedienperson zu verzichten.
7.5 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 für beide Alternativen auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ. Die obigen Überlegungen zur erfinderischen Tätigkeit gelten analog für den nicht von der Einsprechenden beanstandeten unabhängigen Vorrichtungsanspruch 8.
8. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Hauptantrag und der Hilfsantrag 1a und 2 nicht gewährbar sind, da Anspruch 1 dieser Anträge nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 100 (a) und 56 EPÜ. Der geänderte Version des Hilfsantrags 2 wurde nicht zum Verfahren zugelassen. Der Hilfsantrag 3 ist dagegen gewährbar, da der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 dieses Antrags ausgehend von E2 in Zusammenschau mit E1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.
Unter Berücksichtigung der nach dem Hilfsantrag 3 vorgenommenen Änderungen stellt die Kammer fest, dass das Patent die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, und somit nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann, die Anpassung der Beschreibung vorausgesetzt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hilfsantrags 3 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.