T 2776/17 17-03-2021
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Zylindrische Lauffläche sowie Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche
Martinrea Honsel Germany GmbH
Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH
Daimler AG
Spät eingereichte Tatsachen - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja)
Spät eingereichter Antrag - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 9. Oktober 2017, das europäische Patent Nr. 2 112 359 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 2 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
E1 US 5 622 753 A
E2 US 5 691 004 A
E3 DE 198 02 842 A1
E4 US 5 380 564 A
E6 DE 196 14 328 A1
E7 WO 97/16578 A1
E8 E. Kretschzmar: "Das Metallspritzverfahren und
seine Anwendung in der Wirtschaft",
VEB Carl Marhold Verlag, Halle (Saale), 1953,
Seiten 4-7, 40-55 und 76-83
E9 US 2 314 902 A
III. Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechenden 1 und 2 als Beschwerdeführerinnen am 13. Dezember 2017 bzw. am 19. Dezember 2017 Beschwerde eingelegt und jeweils die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen wurden am 19. Februar 2018 bzw. am 15. Februar 2018 eingereicht.
IV. Die Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 beantragen jeweils die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt, die angegriffene Entscheidung zu bestätigen, und das Patent im Umfang des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrags 2 aufrecht zu erhalten (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren).
VI. Die Einsprechende 3 als Verfahrensbeteiligte hat weder Anträge gestellt noch Ausführungen in der Sache gemacht.
VII. In einem Bescheid vom 1. Februar 2021 gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 17. März 2021 in Anwesenheit der Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 sowie der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin mit deren aller Einverständnis als Videokonferenz statt. Die Verfahrensbeteiligte Einsprechende 3 teilte am 27. Juli 2020 mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags (Patent wie von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten) hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche, dadurch gekennzeichnet, dass in einem ersten Schritt in einer Zylinderbohrung oder Zylinderlaufbuchse aus einer Leichtmetalllegierung durch Drückwalzen, Schneiden oder Fräsen makroskopische sich in Umfangsrichtung erstreckende Nuten oder sich spiralförmig erstreckende gewindeähnliche Profile (2) hergestellt werden, in einem zweiten Schritt durch einen Umformprozess Hinterschneidungen (4) erzeugt werden und in einem dritten Verfahrensschritt durch Aufschweißen auf die bearbeitete Zylinderbohrung oder Zylinderlaufbuchse oder durch Plasmaspritzen, Flammspritzen oder Hochgeschwindigkeits-Jet-Spritzen der bearbeiteten Zylinderbohrung oder Zylinderlaufbuchse eine Verschleißschicht (3) derart aufgebracht wird, dass zu einem Beschichtungswerkzeug gerichtete Teilflanken (6) der sich in Umfangsrichtung erstreckenden Nuten oder sich spiralförmig erstreckenden gewindeähnlichen Profile (2) einen Auftreffwinkel des Medienstrahls des Beschichtungswerkzeugs auf die Teilflanken (6) von nahezu 90° aufweisen."
IX. Die Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 haben zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sei der Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 2 während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) auch im Hinblick auf die Klarheit, die ausreichende Offenbarung und die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen. Auf die entsprechenden, während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gegenüber dem damaligen Hauptantrag und Hilfsantrag 1 erhobenen Einwände sei während jener mündlichen Verhandlung nicht verzichtet worden. Alternativ könne jetzt noch ein Antrag auf Berichtigung des Protokolls gestellt werden.
Der Gegenstand von Anspruch 1 werde ausgehend von E6 in Zusammenschau mit E8 oder E9, oder ausgehend von E8 in Zusammenschau mit einem der Dokumente E1-E4, E6 oder E7 nahegelegt.
X. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Einwände gegen die Klarheit, ausreichende Offenbarung und die Zulässigkeit der Änderungen gegen den Hauptantrag im Beschwerdeverfahren seien nicht zulässig, da während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung keine entsprechenden Einwände gegen den Hilfsantrag 2 erhoben worden seien.
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe im Lichte des genannten Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche in einer Zylinderbohrung oder Zylinderlaufbuchse. In einem ersten Schritt wird eine Verkrallstruktur in Form von sich in Umfangsrichtung erstreckenden Nuten oder sich spiralförmig erstreckenden gewindeähnlichen Profilen erzeugt. In einem zweiten Schritt werden durch einen Umformprozess Hinterschneidungen (in der Verkrallstruktur) erzeugt. In einem dritten Schritt wird durch Aufschweißen oder durch Plasmaspritzen, Flammspritzen oder Hochgeschwindigkeits-Jet-Spritzen eine Verschleißschicht aufgebracht. Die Aufbringung der Verschleißschicht erfolgt derart, dass zu einem Beschichtungswerkzeug gerichtete Teilflanken der Nuten oder der gewindeähnlichen Profile einen Auftreffwinkel des Medienstrahls auf die Teilflanken von nahezu 90° aufweisen.
An den Spitzen der Hinterschnittstruktur kommt es beim nachfolgenden Beschichtungsprozess zu Anschmelzungen, die die Haftung der Verschleißschicht weiter verbessern (Patentschrift, Absatz 0007).
3. Zulässigkeit der Einwände gegen die Klarheit, die ausreichende Offenbarung und die Änderungen
Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin bezweifelt die Zulässigkeit der von den Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 erhobenen Einwände gegen die Klarheit, die ausreichende Offenbarung und die Änderungen.
3.1 Im vorliegenden Fall wurden die Beschwerdebegründungen vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eingereicht. Daher ist Artikel 12 Absatz 4 der vor dem Inkrafttreten geltenden Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) anzuwenden. Laut Artikel 12(4) VOBK 2007 hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. Die Parteien stimmen darin überein, dass die Einwände gegen die Klarheit, die ausreichende Offenbarung und die Änderungen "Tatsachen" im Sinne des Artikels 12(4) VOBK 2007 darstellen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach Tatsachen behauptete Sachverhalte sind, die ggf. durch Beweismittel zu belegen sind (RdBK, 9. Auflage 2019, IV.C.4.7.1).
Die Kammer muss darum nun prüfen, ob diese Tatsachen bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätten vorgebracht werden können.
3.2 Der Hauptantrag im Beschwerdeverfahren wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als Hilfsantrag 2 vorgelegt, nachdem der damalige Hauptantrag sowie der Hilfsantrag 1 von der Einspruchsabteilung für unzulässig erweitert gegenüber der früheren Anmeldung angesehen wurden, und der Hilfsantrag 1 zusätzlich für unklar befunden wurde (Punkte 2.1.8 und 3.3.6 der Entscheidungsgründe). Dagegen wurde die in jenen Anträgen beanspruchte Erfindung als ausreichend offenbart angesehen (Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe).
Die Parteien stimmen darin überein, dass im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag 2 während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nur über die erfinderische Tätigkeit gesprochen wurde. Das wird durch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung bestätigt, siehe Seite 7. Zudem machen die Beschwerdeführerinnen nicht geltend, dass ihnen von der Einspruchsabteilung ein Vortrag zur Klarheit, der ausreichenden Offenbarung oder den Änderungen zum Hilfsantrag 2 verwehrt worden wäre. Das Argument der Beschwerdeführerin Einsprechende 2, wonach aus der Niederschrift nicht hervorgehe, dass im Zusammenhang mit Hilfsantrag 2 auf die vorher erhobenen Einwände verzichtet worden sei, überzeugt die Kammer nicht. Der Hilfsantrag 2 wurde erst nach der Diskussion dieser "vorher erhobenen Einwände" vorgelegt, so dass aus Gründen der Logik die vorangehende Diskussion nicht den zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegenden Hilfsantrag 2 betroffen haben kann. Es obliegt den Parteien, all jene Punkte anzusprechen, den sie gegen die Aufrechterhaltung des Patents in einer neu vorgelegten Fassung für relevant halten. Insbesondere, ob und inwieweit für andere Anträge erhobene Einwände diesen neuen Hilfsantrag betreffen. Es ist daher im Zusammenhang mit Hilfsantrag 2 unerheblich, ob auf die gegen den Hauptantrag oder den Hilfsantrag 1 erhobenen Einwände nicht verzichtet wurde. Tatsache ist, dass sich nicht ergibt, dass die gegen Hauptantrag und Hilfsantrag 1 erhobenen Einwände auch gegenüber dem Hilfsantrag 2 vorgebracht wurden oder für diesen in gleicher Weise hätten gelten sollen. Soweit die Beschwerdeführerinnen in diesem Punkt eine Unrichtigkeit des Protokolls rügen, so hätten sie einen Antrag auf Berichtigung vor der Einspruchsabteilung stellen müssen. Das ist bis zur Verhandlung vor der Kammer nicht erfolgt.
3.3 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass ein Vortrag zur Klarheit, der ausreichenden Offenbarung und der Zulässigkeit der Änderungen bereits vor der Einspruchsabteilung veranlasst gewesen wäre. Eine Zulassung dieser neu vorgebrachten Einwände ins Verfahren war somit aus Sicht der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK nicht gerechtfertigt.
4. Erfinderische Tätigkeit
Die angegriffene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 2 (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren) ausgehend von jedem der Dokumente E6 oder E8, siehe Punkt 5 der Entscheidungsgründe. Die Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 bestreiten diesen Befund der Entscheidung.
4.1 Auch die Kammer hält das Dokument E6 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt. Unbestritten wird darin ein Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche in einem Leichtmetall-Verbrennungsmotor offenbart, siehe Spalte 2, Zeilen 4-11 und 40-48 i.V.m. 65-67. Bevor durch Flammspritzen der Zylinderbohrung eine Kunststoffschicht aufgebracht wird, werden bei diesem Verfahren in einem ersten Schritt sich spiralförmig erstreckende Profile mittels Laserschneiden hergestellt. Wenn die Längsmittelachse der durch Laserschneiden hergestellten Profile - wie in Figur 3a gezeigt - unter dem Neigungswinkel beta1 geneigt zur Werkstückoberfläche verläuft, weisen diese Profile Hinterschneidungen auf. Die Hinterschneidungen verbessern die Haftung der flammgespritzten Schicht, siehe Spalte 3, Zeilen 39-44 der E6.
Die Parteien stimmen darin überein, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der Offenbarung der E6 insbesondere darin unterscheidet, dass die Hinterschneidungen nach der Herstellung der Profile in einem zweiten Schritt durch einen Umformprozess erzeugt werden. Die Patentschrift nennt keine technische Wirkung dieses Merkmals, so dass die objektive technische Aufgabe in Übereinstimmung mit den Beschwerdeführerinnen darin gesehen werden kann, die Hinterschneidungen auf eine alternative Weise zu erzeugen (Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1, Seite 5).
Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E6 davon ab, ob ein Fachmann durch eines der Dokumente E8 oder E9 ohne eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise zu obigem Unterscheidungsmerkmal gelangt wäre.
4.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Frage, ob der beanspruchte Gegenstand eine naheliegende Lösung für eine objektive technische Aufgabe darstellt, danach zu fragen, ob der Fachmann in der Erwartung, die Aufgabe zu lösen, die Lehre der nächstliegenden Entgegenhaltung angesichts anderer Lehren des Stands der Technik so abgewandelt hätte, dass er zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.5 "Could-would approach").
Im vorliegenden Fall ist die Kammer aus den folgenden Gründen weder davon überzeugt, dass der von E6 ausgehende Fachmann die E8 oder E9 heranziehen würde, noch dass er dadurch auf naheliegende Weise zur Lösung gelangt wäre.
4.3 Die Beschwerdeführerinnen haben nicht vorgetragen, dass der Fachmann in E6 auf das Laserschneiden verzichten könnte. Das ist auch aus Sicht der Kammer nicht der Fall, da das Dokument kein alternatives Verfahren zum Erzeugen der Profile offenbart. Indem der Fachmann beim Verfahren nach E6 die Profile durch Laserschneiden herstellt, werden gleichzeitig - als Nebenprodukt des Laserschneidens - auch die Hinterschneidungen erzeugt, siehe Spalte 2, Zeilen 40-46 i.V.m. Spalte 3, Zeilen 32-44. Der Neigungswinkel beta1 der Profile gegenüber der Werkstückoberfläche führt nämlich beim Herstellen der Profile zu einem Profilgrund, der gegenüber dem Profilbeginn in Richtung der Werkstückoberfläche gesehen zurückspringt, und damit zur Ausbildung von Hinterschneidungen im Bereich des Profilgrunds, siehe die Figuren 3a und 3b der E6.
Wollte der Fachmann dagegen - wie von den Beschwerde-führerinnen vorgetragen - die Hinterschneidungen auf eine alternative Weise erzeugen, und folglich nicht bereits während des Laserschneidens der Profile, müsste man die Profile ohne Neigungswinkel beta1 herstellen. E6 offenbart jedoch im Zusammenhang mit dem Neigungswinkel der Profile, dass dadurch die Haftung der nachfolgend flammgespritzten Schicht erhöht wird, siehe Spalte 3, Zeilen 39-44 ("zur Oberfläche 2 geneigte Lage der Vertiefungen ... damit erzielte Verankerung des Beschichtungsmaterials", Hervorhebung durch die Kammer). Der von E6 ausgehende Fachmann müsste also zuerst eine Verschlechterung der Haftung infolge der Herstellung von nicht geneigten Profilen in Kauf nehmen, um dann durch einen weiteren Verfahrensschritt - die zur Diskussion stehende Herstellung der Hinterschneidungen durch einen nachfolgenden Umformprozess - die Haftung wieder zu erhöhen.
Dieses widersprüchliche Vorgehen hält die Kammer für technisch unsinnig und nicht-fachmännisch. Mithin wird der Fachmann, ausgehend von der gleichzeitigen Herstellung der Profile und Hinterschneidungen mittels desselben Laserschnitts in E6, nicht auf naheliegende Weise weiterhin die Profile durch Laserschneiden herstellen, aber für die Erzeugung der Hinterschneidungen einen nachfolgenden Umformprozess vorsehen. Somit besteht für den von E6 ausgehenden Fachmann überhaupt keine Veranlassung dazu, zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe ein Dokument wie E8 oder E9 heranzuziehen, worin unbestritten in einem ersten Schritt hergestellte makroskopische Profile in Form von Nuten oder eines sich spiralförmig erstreckenden Gewindes in einem nachfolgenden Verfahrensschritt umgeformt werden.
4.4 Bei einer alternativen Argumentationslinie der Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 würde der Fachmann die in E6 offenbarten Hinterschneidungen beibehalten. Daher muss die Kammer nun prüfen, ob der Fachmann diese dann durch einen nachfolgenden Umformprozess gemäß E8 oder E9 verstärken würde, um die Haftung der flammgespritzten Schicht zu erhöhen.
4.4.1 Die Beschwerdeführerinnen haben nicht vorgetragen, dass die Dokumente E8 oder E9 das Laserschneiden von (sich spiralförmig erstreckenden gewindeähnlichen) Profilen betreffen. Das ist aus Sicht der Kammer auch nicht der Fall, da das Fachbuch E8 und die Patentschrift E9 in den Jahren 1953 bzw. 1943, und damit vor Erfindung des Lasers veröffentlicht wurden. Zudem weisen die mittels Laserschneiden hergestellten Profile der E6 nur relativ geringe Abmessungen auf, nämlich eine Breite von 20 bis 140 mym und eine Tiefe von 5 bis 80 mym (Anspruch 15 der E6). Dagegen liegen die in E8 oder E9 offenbarten Profile um mindestens eine Größenordnung über denen der E6. So besitzt das gemäß Seite 42 der E8 mit einem stumpfen Stahl eingerissenen Spitzgewinde unbestritten eine Tiefe von 0,5 bis 2,5 mm (Einspruchsschrift der Einsprechenden 1, Seite 5, dritter Absatz), also 500 bis 2500 mym, das mit einem Gewindebohrstahl geschnittene Gewinde gemäß Seite 54 der E8 eine Tiefe von 0,6 mm, also 600 mym, und auch die in E9 mittels einer Drehbank hergestellten Profile weisen eine Breite von 1587,5 mym und eine Tiefe von 793,75 bis 1587,5 mym auf (Seite 2, Zeilen 25-39, wobei 1/32" von der Kammer zu 793,75 mym und 1/16" zu 1587,5 mym umgerechnet wurde). Die Beschwerdeführerinnen haben nicht belegt, dass die im Zusammenhang mit den relativ groben Profilen der E8 oder E9 offenbarte nachfolgende Umformung der Profile, also Rändeln gemäß Seite 42 der E8 oder das Nach-außen- Aufbiegen gemäß Figur 8 der E9, dazu geeignet sei, die Hinterschneidungen an den im Vergleich dazu relativ feinen Profilen der E6 zu verstärken, ohne sie dabei zu zerstören. Bereits wegen der von E6 abweichenden Fertigungsverfahren der Profile in E8 oder E9, und auch aufgrund der unterschiedlichen Profilabmessungen, ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Fachmann diese Dokumente heranziehen würde, um die aus E6 bekannten Profile bzw. die daran ausgebildeten Hinterschneidungen umzuformen.
4.4.2 Dessen ungeachtet verweist von diesen beiden Dokumenten unbestritten nur E8 auf einen Verbrennungsmotor, offenbart aber lediglich die Beseitigung von Frost-und Spannungsrissen an Motorblöcken, ohne dabei auf Hinterschneidungen einzugehen (Seite 77, dritter Absatz; Seiten 82 und 83). Auch der pauschale Verweis auf Zylinderblöcke auf Seite 42 der E8 steht nicht im Zusammenhang mit der ebenfalls dort angesprochenen Herstellung von Hinterschneidungen mittels Rändeln eines Spitzgewindes, da das vorherige Einreißen eines Spitzgewindes nicht für Zylinderblöcke, sondern nur für zylindrische Körper wie Wellen beschrieben wird (Seite 42, erster und letzter Absatz; siehe auch Seite 49, zweiter und dritter Absatz). Ein solches Spitzgewinde wird auf der Außenseite einer Welle eingerissen, so dass für den Fachmann in dieser Passage der E8 jeglicher Hinweis darauf fehlt, dass sich ein Spitzgewinde auch auf der Innenseite (der Zylinderbohrung bzw. Zylinderlaufbuchse) eines Zylinderblocks anbringen lässt. Zudem wird in E8 wegen der Kerbwirkung eines Spitzgewindes betont, dass stattdessen Spitz- oder Sägezahnnuten in Längsrichtung günstiger wären (Seite 42, letzter Satz des ersten Absatzes). Im Zusammenhang mit solchen Spitz- oder Sägezahnnuten in Längsrichtung wird jedoch in E8 kein nachträgliches Rändeln zur Erzeugung von Hinterschneidungen offenbart. Der Verweis der Beschwerdeführerinnen auf Seite 54 der E8 führt zu keinem anderen Ergebnis, da Absatz 3.5 dort lediglich die Fertigung von nicht näher spezifizierten Buchsen betrifft, und damit keine Lauffläche in einem Leichtmetall-Verbrennungsmotor.
4.4.3 Aus diesen Gründen gelangt der von E6 ausgehende Fachmann, selbst wenn man das Fachbuch E8 als Teil des allgemeinen Fachwissens ansehen würde, nicht auf naheliegende Weise dazu, bei - mittels Laserschneiden in der Zylinderbohrung eines Motorblocks hergestellten, sich spiralförmig erstreckenden gewindeähnlichen Profilen mit Hinterschneidungen, diese Hinterschneidungen nachfolgend durch Rändeln, also durch einen Umformprozess, zu modifizieren. Das Dokument E9 ist weniger relevant, da es unbestritten keinen Verbrennungsmotor, sondern einen Scheibe 21 oder einen Zylinder 28 betrifft (Seite 2, Zeilen 22 und 35).
4.5 Mithin könnte der Fachmann die Änderung der E6, also eine Erzeugung/Modifikation von Hinterschneidungen in einem zweiten Schritt nach der vorherigen Herstellung der Profile (und ggf. gleichzeitigen Erzeugung der Hinterschneidungen) vielleicht vornehmen, würde sie aber nicht vornehmen. Stattdessen würde der Fachmann die Dokumente E6 und E8 oder E9 nur bei einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise miteinander kombinieren.
4.6 Im Gegensatz zu den Beschwerdeführerinnen Einsprechende 1 und 2 hält die Kammer das Dokument E8 für keinen erfolgversprechenden Ausgangspunkt. Zwar verweist E8 im Zusammenhang mit Anwendungsmöglichkeiten des Metallspritzverfahrens auf die Neufertigung einer metallausgespritzten Buchse, siehe den letzten Absatz auf Seite 44 oder die Überschrift auf Seite 53. Darunter ist laut "Brockhaus" ein Führungs- oder Lagerelement in der Bohrung eines Lagers oder Zylinders, und somit durchaus ein Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche zu verstehen.
Jedoch offenbart das Dokument aus den folgenden Gründen nicht, dass die Buchse aus einer Leichtmetalllegierung besteht:
4.6.1 Das Argument der Beschwerdeführerinnen, wonach Leichtmetalllegierungen als moderne Anwendungen anzusehen seien, überzeugt die Kammer nicht. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Lektüre einer zum Stand der Technik gehörenden Offenbarung die darin enthaltenen Informationen so auszulegen, wie der Fachmann sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Offenbarung verstanden hätte (RdBK, I.C.4.1). Es ist daher unerheblich, ob ein Fachmann heute im Lichte moderner Anwendungen die entsprechenden Stellen der E8 so auslegen würde.
Die weiteren Argumente der Beschwerdeführerinnen, wonach die auf Seite 48 der E8 genannten Kolben üblicherweise aus Leichtmetall bestehen, oder wonach die dort ebenfalls genannte geringe Oberflächenhärte einer Lagerstelle vom Fachmann als Hinweis auf Leichtmetalllegierungen verstanden werde, überzeugen die Kammer bereits deswegen nicht, da sie sich auf einen Kolben oder eine Lagerstelle, nicht aber auf eine Buchse beziehen.
4.6.2 Auch der Verweis der Beschwerdeführerinnen auf die Seiten 44 und 53 der E8 führt zu keinem anderen Ergebnis. Die dort identifizierten Passagen betreffen dieselbe Offenbarung, da die im Brückenabsatz zwischen den Seiten 44 und 45 stichpunktartig aufgeführten Anwendungsmöglichkeiten des Metallspritzverfahrens ab Seite 46 der E8 in getrennten Kapiteln detailliert beschrieben werden. Folglich ist der auf Seite 44 genannte Punkt "3. ... Neufertigung von ... Buchsen" nicht losgelöst von dem diesbezüglichen Kapitel auf Seite 53 ff. auszulegen. Da auf Seite 44 kein Material der Buchse genannt wird, ist zur Auslegung das entsprechende Kapitel auf Seite 53 heranzuziehen. Dort wird jedoch explizit offenbart, dass die Spritz-Verbund-Buchse aus Grauguss oder Stahl besteht, siehe den Absatz 3.1.
4.7 Nach geltender Rechtsprechung ist der Fachmann zwar völlig frei in der Wahl eines Ausgangspunkts, er ist dann aber an diese Wahl gebunden. Insbesondere wird durch seine Wahl einer bestimmten Gattung der weiteren Entwicklungsrahmen, nämlich innerhalb dieser Gattung, vorgegeben (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.3.6). Nach Meinung der Kammer legt der Fachmann durch die Wahl von E8 als Ausgangspunkt den Entwicklungsrahmen im Bereich von Buchsen aus Grauguss oder Stahl fest. Danach liegt es nicht in diesem Rahmen, also nicht im normalen fachmännischen Können, ein Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche in einer Buchse aus Grauguss oder Stahl in ein entsprechendes Verfahren zur Herstellung einer zylindrischen Lauffläche in einer Zylinderlaufbuchse aus einer Leichtmetalllegierung umzugestalten. Somit kann die Frage, ob eines der Dokumente E1 bis E4, E6 oder E7 den von E8 ausgehenden Fachmann dazu veranlassen würde, das Beschichtungsverfahren auf Leichtmetalllegierungen zu übertragen, dahingestellt bleiben.
4.8 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem angezogenen Stand der Technik.
5. Die Kammer bejaht aus den obengenannten Gründen die erfinderische Tätigkeit für den Hauptantrag, Patent wie nach Hilfsantrag 2 aufrechterhalten, im Lichte der genannten Entgegenhaltungen, Artikel 56 EPÜ. Die Einwände gegen die Klarheit, die ausreichende Offenbarung und die Zulässigkeit der Änderungen wurden nicht zugelassen, Artikel 12(4) VOBK 2007.
Daher bestätigt die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag 2 gemachten Änderungen nach Artikel 101(3) (a) EPÜ aufrecht zu erhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.