T 0613/18 06-04-2022
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Vorrichtung und Verfahren zum Detektieren von Streulichtsignalen
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I. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 839 448 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.
Die Einspruchsabteilung war unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des damaligen 6. Hilfsantrages, welcher im Beschwerdeverfahren als Hauptantrag verfolgt wird, aufgrund des Merkmals "Alarmierungseinheit [...] welche ausgelegt ist, in Abhängigkeit von der klassifizierten Partikelart alarmschwellenunabhängig einen Alarm auszugeben", nicht so vollständig und deutlich offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
II. Mit der Beschwerdebegründung vom 4. Mai 2018 reichte die Beschwerdeführerin die folgenden Dokumente ein:
E16|DIN EN 54-7, "Brandmeldeanlagen - Teil 7: Rauchmelder - Punktförmige Melder nach dem Streulicht-, Durchlicht- oder Ionisationsprinzip"|
E17|DIN EN 50104, "Elektrische Geräte für die Detektion und Messung von Sauerstoff -Anforderungen an das Betriebsverhalten und Prüfverfahren"|
III. Die Kammer teilte den Verfahrensbeteiligten in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) RPBA 2020 vom 4. Juni 2021 ihre vorläufige Meinung mit.
IV. Mit den Schreiben vom 21. Februar 2022 und 11. März 2022 brachten die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 und 2) weitere Argumente bezüglich der Ausführbarkeit der Erfindung vor. Insbesondere argumentierten beide, dass auch eine Klassifizierung der Partikel zwingend eine Alarmschwelle beinhalte.
V. Am 6. April 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Form einer Videokonferenz statt, zu der die Verfahrensbeteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Anträge der Verfahrensbeteiligten waren wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent in geänderter Fassung auf Basis der Ansprüche des Hauptantrages oder hilfsweise eines der Hilfsanträge 1 bis 4, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin 1 beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen. Sie beantragte außerdem die Hilfsanträge 1 bis 4 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte mit Schreiben vom 22. März 2022,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wie schriftlich angekündigt war die Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten.
VI. Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist wie folgt:
"Vorrichtung (100) zum Detektieren von Streulichtsignalen, wobei die Vorrichtung Folgendes aufweist:
einer [sic] Lichtquelle (10);
eine Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) zum Detektieren von Streulicht; und
eine Auswertungseinheit zum Auswerten der von den optischen Sensoren detektierten Signale, wobei die Lichtquelle (10) Licht in einen Streulichtbereich (15) emittiert, wobei das einfallende Licht eine Einfallsachse (11) definiert, wobei jeder der optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) bezogen auf die Einfallsachse (11) in einem Sensorwinkel (W1, W2, W3, W4, W5, W6, W7, W8, W9, Wl0) angeordnet ist, um Streulicht aus dem Streulichtbereich (15) zu detektieren, wobei mindestens einer der Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) ein Referenzsensor ist,
wobei die Auswertungseinheit ausgelegt ist, zur Klassifizierung der Art gegebenenfalls im Streulichtbereich (15) befindlicher Partikel Signalverläufe der übrigen optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) auf den Signalverlauf des mindestens einen Referenzsensors zu beziehen, und
wobei ferner eine Alarmierungseinheit vorgesehen ist, welche ausgelegt ist, in Abhängigkeit von der klassifizierten Partikelart alarmschwellenunabhängig einen Alarm auszugeben."
Anspruch 13 des Hauptantrages ist ein Verfahrensanspruch mit den Merkmalen von Anspruch 1 entsprechenden Verfahrensmerkmalen.
VII. Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 hat zusätzlich zu den Merkmalen von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag am Ende des Anspruchs das Merkmal
"wobei die Partikelart/Partikelarten, bei denen die Alarmierungseinheit den Alarm ausgibt, vorab festgelegt oder festlegbar ist/sind."
VIII. Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat zusätzlich zu den Merkmalen von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag am Ende des Anspruchs die Merkmale:
"wenn ein stabiles Muster sicher erkannt wird, wobei die Partikelart/Partikelarten, bei denen die Alarmierungseinheit den Alarm ausgibt, vorab festgelegt oder festlegbar ist/sind."
IX. Der Wortlaut des einzigen Anspruchs gemäß Hilfsantrag 3 ist identisch zum Wortlaut des Anspruchs 13 gemäß Hauptantrag.
X. Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 hat zusätzlich zu den Merkmalen von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 die Merkmale
"wobei das Beziehen der Signalverläufe der übrigen optischen Sensoren auf den Signalverlauf des Referenzsensors eine Normierung auf die Signalgröße des Referenzsensors ist, wobei eine fortlaufende Normierung über den Zeitverlauf der jeweils gemessenen Signalverläufe erfolgt, wobei in einer zeitdiskreten Signalabtastung (Sampling) ein Normieren jedes einzelnen Samples eines jeden Messsignals der übrigen optischen Sensoren auf denjenigen Sample des Signalverlaufs des Referenzsensors, welcher dem gleichen Abtastzeitpunkt entspricht, erfolgt, wobei die Normierung auf das Signal des Referenzsensors im Rahmen einer Regression der einzelnen Messpunkte über den Zeitverlauf erfolgt, wobei die Steigung der Regressionsgraden des Referenzsensors auf eins festgesetzt wird, wobei für die übrigen Sensoren zum Durchführen der für den jeweiligen Sensor geltenden Regressionen die Signalstärken der Sensoren, welche proportional zur gemessenen Streulichtintensität sind, auf die Signalstärken des Referenzsensors bezogen werden, so dass sich die Steigungen der Ausgleichsgraden für die übrigen Sensoren auf die auf eins normierte Steigung des Referenzsensors beziehen,"
zwischen den Worten "auf den Signalverlauf des mindestens einen Referenzsensors zu beziehen," und "wobei ferner eine Alarmierungseinheit vorgesehen ist".
XI. Der entscheidungserhebliche Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Einschlägige Normen seien Teil des Fachwissens. Die Dokumente E16 and E17 seien solche Normen. Aus ihnen folge, dass der mit einer Alarmschwelle verbundene Ansprechschwellenwert der Rauchdichte nicht zu verwechseln sei mit einer Mindestpartikeldichte, welche gegebenenfalls benötigt werde, um ein Sensorsignal auszugeben. In der Regel liege die Partikelkonzentration des Ansprechschwellenwerts deutlich über der Mindestpartikeldichte. Somit führe ein Erreichen der Mindestpartikeldichte nicht zu einer Auslösung eines Alarms. Die Behauptung der Beschwerdegegnerinnen und der Einspruchsabteilung, dass stets eine Alarmschwelle überschritten werden müsse, damit ein Alarm ausgelöst werde, sei falsch. Dies sei aus den Absätzen [0032], [0033] und [0042] des Streitpatents ersichtlich.
Erfindungsgemäß werde für die Klassifizierung der Partikelart ein hinreichend großer Übereinstimmungsgrad von Signalverläufen mit einem Signalmuster bestimmt, wie Absatz [0034] des Streitpatents beschreibe. In einer Ausführungsform der Erfindung würden die Signalverläufe zum Zweck der Bestimmung des Übereinstimmungsgrades auf das Signal des Referenzsensors normiert, wie in Absatz [0035] des Streitpatents dargestellt werde. Durch die Normierung der Signalverläufe auf das Signal des Referenzsensors ginge offensichtlich jegliche Informationen hinsichtlich der absoluten Rauchdichte verloren. Lediglich relative Signalstärken der einzelnen optischen Sensoren zu der Signalstärke des Referenzsensors würden für die Klassifizierung verwendet. Da in Abhängigkeit der im Rahmen der Klassifizierung erkannten Partikelart ein Alarm ausgegeben werde, erfolge die Ausgabe des Alarms nur auf Basis relativer Signalstärken und nicht auf Basis einer definierten absoluten Rauchdichte und somit ebenfalls nicht auf Basis eines Ansprechschwellenwerts. Die Ausgabe des Alarms erfolge erfindungsgemäß daher alarmschwellenunabhängig.
Auch ein Klassifizierungskriterium für eine Partikelart sei kein Alarmschwellwert, wie von der Beschwerdegegnerin 1 behauptet. Es handele sich bei einem solchen Klassifizierungskriterium schon gar nicht um eine Schwelle für eine Signalstärke, welche zur Vermeidung von Fehlalarmen aufgrund von Messungenauigkeiten oberhalb der Empfindlichkeitsschwelle anzusetzen sei. Ein solches naives Klassifikationskriterium könne gerade eine Klassifikation nicht ermöglichen, denn jede Licht reflektierende Partikelart werde bei einer entsprechenden Partikeldichte im Streulichtbereich genügend Licht reflektieren, um einen beliebigen "Klassifizierungsschwellwert" zu überschreiten. Darüber hinaus würde bei Überschreiten des "Klassifizierungsschwellwerts", wenn dieser eine Alarmschwelle darstellen würde, notwendig ein Alarm ausgelöst werden, welcher dann folglich gerade nicht in Abhängigkeit eines Klassifizierungsergebnisses ausgegeben werden würde.
In dem von der Beschwerdegegnerin 2 erläuterten Beispiel finde eine Klassifikation nicht statt. Die Alarmschwelle stelle keine Schwelle die Klassifizierung der Partikelart betreffend dar. Zwar möge eine Mindestpartikelschwelle für eine sichere Klassifizierung notwendig sein, das Überschreiten dieser Mindestpartikelschwelle sei jedoch nicht hinreichend für eine sichere Klassifizierung, d.h. das Überschreiten der Mindestpartikelschwelle sei mit einer Klassifizierung nicht gleichzusetzen. Vielmehr müsse nach Überschreiten der Mindestpartikelschwelle die Klassifizierung erst noch erfolgen, bevor erfindungsgemäß in Abhängigkeit einer klassifizierten Partikelart ein Alarm ausgelöst werde. Die Mindestpartikelschwelle sei somit keine Alarmschwelle.
XII. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin 1 lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Die Dokumente E16 und E17 seien nicht zulässig. Sie seien aber ohnehin nicht relevant, da sie den Begriff "alarmschwellenunabhängig" nicht definierten. Es handele sich bei dem Begriff auch nicht um einen allgemein anerkannten Fachbegriff. Vielmehr müsse der Begriff ausgelegt werden. Der Anspruch fordere einerseits, dass eine Schwelle übertreten werden müsse, um klassifizieren zu können, aber dann solle die Ausgabe eines Alarm ohne Verwendung jeglicher Schwelle erfolgen. Der Ausdruck "alarmschwellenunabhängig" bedeute im Kontext des Anspruchs ohne jegliche Schwelle, ohne dass diese funktional weiter eingeschränkt werde. Das Überschreiten einer Schwelle sei aber die Voraussetzung für eine Klassifizierung. Hierbei stelle die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung zurecht fest, dass eine Partikelart zunächst klassifiziert werden müsse. Wie die Klassifizierung erfolge, werde durch den Anspruch hingegen nicht gefordert. Es werde ein Klassifizierungsschwellwert anzusetzen sein, um die Klassifizierung zu ermöglichen. Ein derartiger Klassifizierungsschwellwert sei aber ein Alarmschwellwert im Sinne des Anspruchs. Demnach bliebe für den Fachmann der nicht auflösbare Widerspruch zwischen der geforderten Alarmschwellenunabhängigkeit und der zeitgleich geforderten Möglichkeit der fehlerfreien und zuverlässigen Klassifikation.
XIII. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin 2 lässt sich im Wesentlichen wie folgt wiedergeben:
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Im Streitpatent werde nicht erklärt, wie der Fachmann die in den Figuren 7, 12 und 17 gezeigten Winkelverhältnismuster den einzelnen Brandarten sicher zuordnen könne, ohne auf den Vergleich mit Schwellen (Alarmschwellen) zurückzugreifen. Der Fachmann würde z.B. zur Erkennung des Musters für einen PVC-Brand nach Figur 17 auf eine Regel zurückgreifen, die folgendermaßen aufgebaut sei:
,,Wenn (Signalverhältnis 1 > 0,9 und < 1 ist) und (Signalverhältnis 2 > 1,1 und < 1,2 ist) und (Signalverhältnis 4 > .... < 0,85) liegt ein PVC-Brand vor."
Es sei also zwingend erforderlich zur Klassifizierung entsprechende Vergleiche mit "Schwellen die Klassifizierung der Partikelart betreffend" (Alarmschwellen) durchzuführen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 und 108 EPÜ, sowie der Regel 99 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Zulässigkeit des Vorbringens der Beschwerdegegnerin 2
2.1 Es kann dahinstehen, ob der Antrag der Beschwerdegegnerin 2, die Beschwerde zurückzuweisen, zulässig ist, da ein gleichlautender zulässiger Antrag der Beschwerdegegnerin 1 vorliegt.
2.2 Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 24. März 2022 beantragt, den Vortrag der Beschwerdegegnerin 2 im Schriftsatz vom 7. März 2022 und jeglichen Sachvortrag der Beschwerdegegnerin 2 in der mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zuzulassen. Sie hat weiterhin beantragt, den Vortrag der Beschwerdegegnerin 1 vom 21. Februar 2022 nicht zuzulassen. Da dieser Vortrag lediglich die Neuheit und erfinderischer Tätigkeit betrifft, ist er für diese Entscheidung nicht relevant, so dass die Frage seiner Zulässigkeit dahinstehen kann.
2.3 Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beschwerdegegnerin 2 ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass Artikel 13(2) VOBK 2020 ohnehin nicht derart ausgelegt werden kann, dass einem Verfahrensbeteiligten pauschal jegliches Vorbringen verweigert wird. Eine mündliche Verhandlung wäre sinnlos, wenn ein Verfahrensbeteiligter nicht zumindest zu der vorläufigen Meinung der Kammer Stellung nehmen dürfte und im vorliegenden Fall, Ausführungen machen dürfte, die den Vortrag der Beschwerdegegnerin 1 ergänzen.
Die Kammer hatte in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK im Punkt 2.3, vorletzter Absatz die vorläufige Meinung geäußert, der Anspruchswortlaut könne nicht so ausgelegt werden, dass eine Alarmschwelle eine Klassifizierungsschwelle umfasse. Dieser Gesichtspunkt war noch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung oder der Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten bis zu diesem Punkt. Die Beschwerdegegnerin 2 hat ihr Vorbringen zwar erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 vorgetragen, allerdings nahm sie dabei unter anderem zur Frage Stellung, ob eine Klassifizierungsschwelle als Alarmschwelle aufgefasst werden könne. Dies stellt eine legitime Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer dar. Eine solche Reaktion auf eine von der Kammer erstmals aufgeworfenen Frage ist aber durch Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht verboten.
Insbesondere hatte die Beschwerdeführerin auch trotz ihres Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung in ihrem Schreiben vom 24. März 2022 in Punkt 2.2. zum Vortrag der Beschwerdegegnerin 2 inhaltlich Stellung genommen.
3. Zulassung der Dokumente E16 und E17
Über die Zulassung der Dokumente E16 und E17 musste nicht entschieden werden, weil sie für die beanspruchte Erfindung keine Relevanz haben (siehe Punkt 4.6.2 unten). Selbst wenn die Kammer sie berücksichtigt, ändern diese Dokumente nämlich die Sichtweise der Kammer nicht.
4. Hauptantrag - Mangelnde Ausführbarkeit
4.1 Die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages ist entgegen den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ nicht so vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
4.2 Anspruch 1 fordert eine Alarmierungseinheit, welche ausgestaltet ist, in Abhängigkeit von der klassifizierten Partikelart alarmschwellenunabhängig einen Alarm auszugeben.
4.3 Bei Rauchsensoren des Standes der Technik ist es bekannt, dass Licht in ein Detektionsvolumen geführt wird. Dieses Licht kann an Partikeln, insbesondere Rauchpartikeln, welche in das Detektionsvolumen gelangt sind, gestreut werden. Die Intensität des Streulichts hängt von der Konzentration der Partikel in der Detektionskammer ab. Es wird ein Alarm ausgegeben, wenn die gemessene Streulichtintensität einen Schwellwert überschreitet. Dies entspricht dann der Situation, dass die Rauchkonzentration in der Detektionskammer einen bestimmten Schwellwert überschreitet.
4.4 Bei Rauchsensoren vom beanspruchten Typ wird nicht auf die Konzentration des Rauchs abgestellt, sondern auf die Erkennung der Rauchart. Hierbei wird die Erkenntnis genutzt, dass Rauchpartikel aus verschiedenen Quellen unterschiedliche Winkelverteilungen der Intensität des Streulichts erzeugen. Die Winkelverteilung wird diskret mit einer Anzahl von in verschiedenen Winkeln um den Detektionsraum angeordneten Streulichtsensoren gemessen und mit den erwarteten Winkelverteilungen verglichen. Ein Alarm wird ausgegeben, wenn die gemessene Winkelverteilung der Streulichtintensität mit ausreichender Zuverlässigkeit einer erwarteten Winkelverteilung übereinstimmt, welche von einem Rauchtyp erzeugt würde, der auf einen Brand schließen lässt. Bei anderen Rauchtypen, wie beispielsweise Wasserdampf, würde hingegen auch bei hoher Konzentration der Partikel im Detektionsvolumen kein Alarm ausgelöst.
Insofern ist beim zweiten Typ von Rauchsensoren die Voraussetzung für das Auslösen eines Alarms, dass der Rauchtyp anhand seiner Winkelverteilung mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden kann und nicht, dass ein (unklassifizierter) Rauch mit ausreichend hoher Konzentration vorhanden ist.
4.5 Um einen Rauchtyp erfolgreich zu klassifizieren, schlägt das Streitpatent einerseits vor, die Signalverläufe der Streulichtsensoren auf einen Referenzsensor zu beziehen und die Steigungen dieser Geraden auszuwerten. Andererseits wird eine Hauptkomponentenzerlegung (engl. principal component analysis) vorgeschlagen.
Bei der ersten offenbarten Auswertungsmethode bewirkt die Normierung der Signalverläufe auf den Referenzsensor, die zeitlichen Fluktuationen der Intensitäten der Signalverläufe zu eliminieren. Die Steigung der normierten Signalverläufe sind abhängig vom den relativen Intensitäten aufgrund der für den Rauchtyp charakteristischen Winkelverteilung. Um nun den Rauchtyp zu klassifizieren, ist es notwendig zu entscheiden, ob die verschiedenen gemessenen Steigungen mit ausreichender Zuverlässigkeit den erwarteten Muster-Steigungen für einen bestimmten Rauchtyp ähneln. Dieser Schritt jedoch ist nichts anderes als die Betrachtung der Abweichung der gemessenen Intensitäten von Muster-Intensitäten und die Bewertung, ob diese näher oder weiter als eine vorgegebene Schwelle bei den Muster-Intensitäten liegen, wie die Beschwerdegegnerin 2 vorgetragen hat.
Um also einen Rauchtyp erfolgreich zu klassifizieren, ist also nach der ersten Ausführungsform des Streitpatents zwingend ein Vergleich der gemessenen Intensitäten bei den Messwinkeln mit den Musterintensitäten erforderlich. Dieser wiederum setzt, wie eben dargelegt, die Verwendung von Schwellen voraus, welche nach Überzeugung der Kammer als Alarmschwellen im Sinne des Anspruchs anzusehen sind.
4.6 Die Beschwerdeführerin hat dagegen argumentiert, dass eine solche Schwelle keine Alarmschwelle im Sinne des Anspruchs darstelle. Der Begriff Alarmschwelle ist jedoch weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung des Streitpatents näher definiert.
4.6.1 Die Kammer ist nicht überzeugt, dass dem Begriff "Alarmschwelle" eine festgelegte Bedeutung auf dem Fachgebiet der Rauchmelder zukommt, die darüber hinaus ginge, dass es sich bei einer Alarmschwelle um einen Schwellwert handelt, der bei der Auswertung der Messgröße verwendet wird, um zu entscheiden, ob ein Alarm ausgelöst werden soll. Insbesondere ergibt sich aus dem Anspruchswortlaut oder der allgemeinen Verwendung auf dem Fachgebiet keine Einschränkung auf den Fall, dass der Schwellwert der Streulichtintensität mit der Rauchkonzentration korreliert ist oder dass ein Überschreiten einer Alarmschwelle stets zum Auslösen eines Alarms führen würde.
4.6.2 Die Beschwerdeführerin legte in diesem Zusammenhang die Dokumente E16 und E17 vor, welche Normen für Rauchmelder beziehungsweise Sauerstoffsensoren sind. Da Dokument E17 Sauerstoffsensoren betrifft, ist es für den vorliegenden Fall von Rauchmeldern nicht relevant. Es wurde nämlich kein Beleg vorgelegt, dass die Verwendung der Begrifflichkeit "Alarmschwelle" auf beiden Gebieten identisch ist.
Dokument E16 betrifft eine Norm auf dem Gebiet von Rauchmeldern. In der Tat beschreibt E16 auf Seite 53 im Anhang L:
"Ein einfacher Melder vergleicht sein Sensorsignal mit einem bestimmten Schwellenwert (Alarmschwelle). Wenn das Sensorsignal den Schwellenwert erreicht, erzeugt der Melder ein Alarmsignal. Die Rauchdichte, bei welcher dies geschieht, ist der Ansprechschwellenwert für den Melder. In diesem einfachen Melder ist die Alarmschwelle festgelegt und hängt nicht von der Änderungsgeschwindigkeit des Sensorsignals ab."
Nach Überzeugung der Kammer stellt diese Passage aber lediglich die Beschreibung eines bestimmten Typs ("einfache Melder") von Rauchmeldern dar. Es handelt sich bei dem Verständnis gemäß E16 nach Überzeugung der Kammer nicht um eine allgemeingültige und abschließende Definition des Begriffs "Alarmschwelle", sondern lediglich um eine mögliche Verwendung des Begriffes, der weitere Auslegungen nicht ausschließt.
4.7 In diesem Zusammenhang stellt die Kammer zunächst klar, dass sie nicht von der Argumentationslinie der Beschwerdegegnerinnen überzeugt ist, nach der der Begriff Alarmschwelle so breit auszulegen wäre, dass selbst die Tatsache, dass optische Sensoren nicht jede beliebig kleine Streulichtintensität detektieren können, als eine Alarmschwelle gelten solle. Ein Fachmann würde bei verständiger Lesart den Anspruch nicht so auslegen, dass eine solch fundamentale Eigenschaft von Sensoren wie das Vorhandensein einer Empfindlichkeitsschwelle außer Kraft gesetzt sein sollte. Dies gilt selbst unter der zutreffenden Beobachtung der Beschwerdegegnerin 1, dass die Alarmschwelle rein funktional definiert ist.
4.8 Gleiches gilt aber nicht für die zutreffende Beobachtung der Beschwerdegegnerinnen, dass die Klassifizierung einer Partikelart inhärent die Betrachtung beinhaltet, ob gemessenen Winkelverteilungen der Streulichtintensität mehr oder weniger als ein oder mehrere Schwellwerte von erwarteten Werten abweichen.
4.9 Die Beschwerdegegnerin 1 trug vor, dass sich aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag keine Kausalität oder zeitliche Reihenfolge ableiten lasse. Es lasse sich daher auch nicht rechtfertigen, zwischen einer Klassifizierungsschwelle und einer Alarmschwelle zu unterscheiden. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin 1 dahingehend zu, dass die in Anspruch 1 genannte "Auswertungseinheit" und "Klassifizierungseinheit" lediglich funktionale Definitionen darstellen. Insofern schließt der Wortlaut von Anspruch 1, nach dem die Alarmierungseinheit ausgelegt ist, in Abhängigkeit der klassifizierten Partikelart alarmschwellenunabhängig einen Alarm auszugeben, nicht aus, dass sich "alarmschwellenunabhängig" auf den gesamten Prozess der Auswertung bezieht und nicht nur auf einen der Klassifizierung nachgelagerten Prozessschritt des Ausgebens eines Alarms.
4.10 Im Ergebnis offenbart das Streitpatent im der ersten Ausführungsform also, dass ein Schwellwertvergleich stattfinden muss, um erfolgreich den Rauchtyp zu klassifizieren. Andererseits soll die Bewertung, ob ein Alarm ausgelöst wird, unabhängig von jeglicher Schwelle erfolgen. Die erste Ausführungsvariante gemäß Streitpatent ist aufgrund dieses Widerspruches nicht so vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
4.11 Bei der zweiten Ausführungsvariante gemäß Streitpatent wird eine Hauptkomponenten-Zerlegung in drei Hauptkomponenten durchgeführt. Dies wird in den Figuren 18 bis 20 des Streitpatents grafisch dargestellt. Gemäß Absatz [0109] wird dann der Rauchtyp durch eine Distanzbestimmung der gemessene Cluster zu Clustern der Signalmuster aus den Figuren 18 bis 20 klassifiziert. Eine Distanzbestimmung enthält wiederum inhärent die Bewertung, ob die "Distanz" zu den Musterwerten größer oder kleiner als eine bestimmte Schwelle ist. Auch dies ist nach Überzeugung der Kammer nichts anderes als ein Schwellwert, der bei der Bewertung, ob ein Alarm ausgelöst werden soll, Verwendung findet, also eine Alarmschwelle. Auch hier wird also wiederum ein Alarm nicht alarmschwellenunabhängig ausgegeben.
Auch die zweiten Ausführungsvariante ist daher nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
4.12 Weiter Ausführungsmöglichkeiten, die tatsächlich eine alarmschwellenunabhängige Ausgabe eines Alarms offenbaren, finden sich nicht im Streitpatent.
4.13 Auch die weiteren Gegenargumente der Beschwerdeführerin überzeugen die Kammer nicht.
Der Beschwerdeführerin zufolge würde bei Überschreiten des "Klassifizierungsschwellwerts", wenn dieser eine Alarmschwelle darstellen würde, notwendig ein Alarm ausgelöst werden, welcher dann folglich gerade nicht in Abhängigkeit eines Klassifizierungsergebnisses ausgegeben werden würde. Nach Überzeugung der Kammer enthält der Begriff "Alarmschwelle" keinerlei Einschränkungen, nach denen ein Überschreiten einer Alarmschwelle zwangsweise zum Auslösen eines Alarms führen würde. Eine Alarmschwelle kann zurecht auch als ein Schwellwert aufgefasst werden, der zur Entscheidung ob ein Alarm ausgelöst werden soll, herangezogen wird.
Die Argumentationslinie der Kammer stützt sich nicht auf eine Gleichsetzung einer Alarmschwelle mit einer Empfindlichkeitsschwelle. Daher müssen die diesbezüglichen Argumente der Beschwerdeführerin hier nicht weiter diskutiert werden.
4.14 Daher offenbart das Streitpatent den Anspruchsgegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entgegen der Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.
5. Hilfsanträge 1 bis 4
5.1 Es musste nicht über den Antrag der Beschwerdegegnerin 1 entschieden werden, die Hilfsanträge 1 bis 4 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, denn im Ergebnis treffen die Schlussfolgerungen der Kammer die Ausführbarkeit des Hauptantrages betreffend auch auf die Hilfsanträge zu.
5.2 Die Hilfsanträge 1 bis 4 enthalten alle das Merkmal, nach dem die Alarmierungseinheit ausgelegt ist, in Abhängigkeit von der klassifizierten Partikelart alarmschwellenunabhängig einen Alarm auszugeben.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthält lediglich das weitere Merkmal, dass die Partikelarten, die einen Alarm auslösen, vorab festlegbar sind. Dies ändert nichts daran, dass zur Klassifizierung Alarmschwellen benötigt werden.
Das hinzugefügte Merkmal in Hilfsantrag 2, nach dem als weitere Bedingung für das Ausgeben eines Alarms ein stabiles Muster sicher erkannt werden muss, bestärkt die Kammer lediglich in Ihren Schlussfolgerungen gemäß Absatz 4.5.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist identisch zu Anspruch 13 gemäß Hauptantrag und enthält nur dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entsprechende Verfahrensmerkmale.
Anspruch 4 gemäß Hauptantrag enthält weitere Details der Auswertung, die die Kammer bereits in Absatz 4.5 angesprochen hat. Diese Details ändern nichts an der Tatsache, dass der Vergleich gemessener Winkelverteilungen der Streulichtintensitäten mit Mustern inhärent Alarmschwellen involviert.
Die in den Hilfsanträgen hinzugefügten Merkmale vermögen somit allesamt nicht, den Widerspruch zwischen einer erfolgreichen Klassifizierung und einem alarmschwellenunabhängigen Auslösen des Alarms aufzulösen. Sie sind daher nicht geeignet, den Einwand der mangelnde Ausführbarkeit des Anspruchsgegenstandes auszuräumen.
6. Schlussfolgerung
Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, gibt die Kammer dem Antrag der Beschwerdegegnerin 1 statt. Diese ist in der Sache identisch zum Antrag der Beschwerdegegnerin 2.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.