T 0643/18 10-02-2022
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Tor mit Isolierstoffanordnung
KRISPOL Sp. zo.o
Novoferm GmbH
Assa Abloy Entrance Systems AB
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (nein)
Hilfsantrag 1 - Neuheit (ja) - Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende 3 legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der das Patent in der Fassung von Hilfsantrag 1 aufrechterhalten wurde.
II. Am 10. Februar 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Form einer Videokonferenz statt.
III. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit der Beschwerdeschrift vom 6. März 2018, sowie hilfsweise in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung von Hilfsantrag 1, eingereicht am 4. Januar 2018.
IV. Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 3) sowie die Einsprechende 2 als weitere Verfahrensbeteiligte beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Einsprechende 1 als weitere Verfahrensbeteiligte stellte keinen Antrag.
V. Die folgenden Dokumente werden in der vorliegenden Entscheidung verwendet:
E1: EP 1 571 281 A2
E2: DE 198 38 205 A1
E3: "FlexiForce Info Magazine" DE, #54, November 2007
E10: Auszug aus "FlexiForce Info Magazine" GB, #54, November 2007
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet (mit hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen durch die Kammer):
"Tor mit
(A) einem zwischen einer Schließstellung, in der es eine durch eine Laibung begrenzte Wandöffnung verschließt, und einer die Wandöffnung freigebenden Öffnungsstellung bewegbaren Torblatt und
(B) mindestens einem in der Schließstellung des Torblatts einen Übergang zwischen dem Torblatt und der die Laibung aufweisenden Wand bildenden Übergangselement, wobei
(C) eine [sic!] das Übergangselement insbes. auf seiner dem mit dem Schließelement zu verschließenden Raum abgewandten äußeren Begrenzungsfläche zumindest teilweise von einer aus einem zur thermischen Isolierung ausgelegten Material gebildeten Isolierstoffanordnung abgedeckt ist,
(D) mindestens ein Übergangselement durch einen seitlichen Zargenholm mit
(D1) einem zumindest mittelbar an einer die Laibung aufweisenden Wand anlegbaren Anlageabschnitt,
(D2) einem sich quer, insbes. etwa senkrecht, zu dem Anlageabschnitt erstreckenden Befestigungsabschnitt
(D2a) mit einer daran angebrachten Führungsschiene zur Führung der Torblattbewegung zwischen der Schließstellung und der Öffnungsstellung
(D3) und dem sich ausgehend von dem dem Befestigungsabschnitt abgewandten Rand des Anlageabschnitts in der Schließstellung in Richtung auf das Torblatt erstreckenden, vorzugsweise einstückig mit dem Anlageabschnitt ausgeführten Übergangselement gebildet ist,
(E) die Isolierstoffanordnung einen zwischen dem Anlageabschnitt und der Wand angeordneten Dämmabschnitt aufweist,
dadurch gekennzeichnet, daß
(F) zwischen dem Anlageabschnitt und der Wand mindestens ein, vorzugsweise zwei, drei oder mehr sich in Längsrichtung des Anlageabschnitts erstreckende Kanäle in dem Dämmabschnitt gebildet sind, und
(G) der Dämmabschnitt sich ausgehend von dem Übergangselement über im wesentlichen die gesamte Breite des Anlageabschnitts bis zum Befestigungsabschnitt des Zargenholms erstreckt."
VII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die folgenden Merkmale anstelle von Merkmal G:
"(H) die Isolierstoffanordnung einen sich etwa parallel zum Übergangselement erstreckenden Abdeckstreifen aufweist und
(I) zwischen dem Abdeckstreifen und dem Übergangselement mindestens zwei, drei oder mehr sich in Längsrichtung des Übergangselements erstreckende und durch Stege der Isolierstoffanordnung voneinander getrennte Kanäle ausgebildet sind."
VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin 1 lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Hauptantrag
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2 in Verbindung mit E3 bzw. E10
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von dem Tor gemäß der E2 durch das Merkmal G. Dieses löse gemäß Absatz [0013] des Patents die Aufgabe der Reduzierung der Geräuschentwicklung. Die Aufgabe müsse ohne Bezug auf Lösungshinweise wie die "mechanische Entkopplung" oder "reduzierte Geräuschübertragung auf die Wand" formuliert werden.
Die E3 bzw. E10 offenbarten zwar eine Dichtung, die das Merkmal G erfülle. E3/E10 gebe aber keinen Hinweis auf eine dadurch erreichbare Geräuschreduzierung.
Vielmehr werde der Fachmann durch E2 und die gestellte Aufgabe von der Verwendung der Dichtung der E3/E10 weggeführt. Gemäß E2 sei es nämlich notwendig, enge Toleranzen zwischen Torblatt und Dichtung einzuhalten, um die Geräuschentwicklung durch "Flattern des Torblatts" zu verhindern (Spalte 1, Zeilen 34-46). Bei der Dichtung der E3/E10 sei das Tor jedoch schwimmend an der Wand gelagert, was der Einhaltung enger Toleranzen zuwiderlaufe.
Folglich beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 1
Neuheit gegenüber E1
Die in E1 genannten Materialien, insbesondere Pappe, Kork und Glaswolle, wiesen zwar Hohlräume auf. Diese könnten aber nicht als "Kanäle" im Sinne der Merkmale F und I gelten. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber E1.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit E3/E10
Die durch Stege getrennten Kanäle gemäß Merkmal I lösten die Aufgabe der verbesserten thermischen Isolation. Die Form und Längserstreckung der Kanäle und Stege vereinfache zudem ihre Herstellung. Es handele sich daher nicht um willkürliche Merkmale.
Ausgehend von E1 sei es weder durch das Fachwissen noch durch E3/E10 nahegelegt, Stege mit dazwischen liegenden Kanälen in der Isolierstoffanordnung der E1 vorzusehen. E3/E10 offenbare nämlich keinerlei Vorteile der Stege und Kanäle. Insbesondere würden weder die Dichtung selbst noch die zwischen den Stegen sich ergebenden Kanäle mit einer wärmedämmenden Funktion in Zusammenhang gebracht. Der Fachmann habe daher keinen Anlass gehabt, die Wärmedämmung der E1 entsprechend zu verändern.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2 in Verbindung mit E3/E10 oder dem allgemeinen Fachwissen
Die Dichtung der E2 weise zumindest keinen Steg im Bereich des Abdeckstreifens auf (Merkmal I). Ein solcher Steg bilde luftgefüllte Kanäle zwischen der Dichtung und dem Zargenholm aus, die die Aufgabe verbesserter Wärmedämmung lösten.
Die Dichtung der E3/E10 weise zwar Stege zwischen der Wand und dem Anlageabschnitt des Zargenholms auf, aber ebenfalls keinen Steg am Abdeckstreifen. Zudem enthalte die E3/E10 auch keinen Hinweis auf wärmedämmende Eigenschaften der Dichtung oder der durch die Stege am Abdeckstreifen gebildeten Kanäle. Daher sei es nicht naheliegend gewesen, die durch Stege getrennten Kanäle der Dichtung der E3/E10 in die Dichtung der E2 zu übernehmen und auf deren Abdeckstreifen zu übertragen. Eine solche Maßnahme habe sich auch nicht aus dem allgemeinen Fachwissen ergeben.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E3/E10 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
Auch die Dichtung der E3/E10 weise zumindest keinen Steg der Isolierstoffanordnung am Abdeckstreifen auf (Merkmal I). Ein solcher Steg bilde luftgefüllte Kanäle zwischen Abdeckstreifen und Übergangselement aus, die die Aufgabe der verbesserten Wärmedämmung lösten. Weshalb hingegen - abgesehen von der verbesserten Wärmedämmung - eine "definierte Form" der zufälligen vertikalen Hohlräume in den Ecken zwischen dem Abdeckstreifen und dem Übergangselement vorteilhaft gewesen sein soll, erschließe sich nicht.
Da die E3/E10 auch keinen Hinweis auf wärmedämmende Eigenschaften der durch die Stege am Anlageabschnitt gebildeten Kanäle enthalte, habe es für den Fachmann keine Motivation gegeben, durch Stege getrennte Kanäle am Abdeckstreifen der Dichtung der E3/E10 auszubilden.
Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IX. Die Beschwerdeführerin 2 und die weiteren Verfahrensbeteiligten (im Folgenden zusammengefasst als Vortrag der Beschwerdeführerin 2), argumentierten im Wesentlichen wie folgt.
Hauptantrag
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2 in Verbindung mit E3 bzw. E10
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich vom Tor der E2 nur durch das Merkmal G. Dieses löse gemäß den Absätzen [0013] und [0014] des Patents die objektive technische Aufgabe einer verbesserten mechanischen Entkopplung bzw. reduzierten Geräuschübertragung zwischen Tor und Wand.
Die Dichtung der E3/E10 (Seite 34) erfülle das Merkmal G. Der Fachmann hätte erkannt, dass diese Dichtung die Aufgabenstellung löse, da sie den direkten Kontakt zwischen Zarge und Wand unterbreche. Daher wäre er auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.
Hilfsantrag 1
Neuheit gegenüber E1
E1 offenbare unstreitig die Merkmale A bis E und H.
Der Begriff "Kanal" sei weder in Anspruch 1 noch in der Beschreibung näher definiert. Er umfasse daher auch unregelmäßige Hohlräume. Somit wiesen die in E1 angesprochenen Materialien Kanäle und Stege im Sinne der Merkmale F und I auf. Folglich sei der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber E1.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit E3/E10
Die Form und Orientierung der vertikalen, durch Stege getrennten Kanäle der Merkmale F und I habe gegenüber den ungeordneten Hohlräumen im Dämmmaterial der E1 keine technische Wirkung. Es handele sich daher um willkürliche Merkmale, die keine erfinderische Tätigkeit begründen könnten. Ihre Realisierung liege zudem im Rahmen der üblichen Entwicklungstätigkeit des Fachmanns.
Die Kanäle und Stege könnten ferner als Alternative zu den Hohlräumen im Dämmmaterial der E1 verstanden werden. Dies löse die Aufgabe der vereinfachten Herstellung und ermögliche eine geringere mittlere Dichte der Isolierstoffanordnung. Dem kammerartigen Aufbau der Dichtung der E3/E10 habe der Fachmann hierzu den Hinweis entnommen, in der Isolierstoffanordnung der E1 geradlinige vertikale Kanäle mit dazwischen liegenden Stegen auszubilden. Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2 in Verbindung mit E3/E10 oder dem allgemeinen Fachwissen
Neben den Merkmalen A bis F offenbare die Dichtung der E2 auch einen Abdeckstreifen gemäß Merkmal H. Weiter weise sie in den Ecken zwischen dem Abdeckstreifen und dem Übergangselement Hohlräume auf, die vertikale Luftkanälen bildeten (Figur 2a). Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich vom Tor der E2 folglich nur durch einen Steg der Isolierstoffanordnung, der gemäß Merkmal I die Kanäle am Übergangselement trenne. Die dadurch vergrößerten Kanäle lösten die Aufgabe, die Wärmedämmung des Tors zu verbessern.
E3/E10 offenbare eine thermische Trennungsdichtung mit Kanälen und Stegen zwischen Wand und Zargenholm. Der Fachmann hätte diese Ausgestaltung daher zur besseren Wärmedämmung übernommen und auch auf die Abdeckstreifenseite der Dichtung der E2 übertragen. Eine solche Maßnahme habe sich zudem bereits aus dem allgemeinen Fachwissen ergeben. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 naheliegend.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E3/10 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
Auch die Dichtung der E3/E10 weise einen Abdeckstreifen und vertikale Luftkanäle in den Ecken zwischen Abdeckstreifen und Übergangselement auf. Zwischen Wand und Anlageabschnitt verfügt sie über durch Stege getrennte Kanäle. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich vom Tor der E3/E10 durch einen Steg der Isolierstoffanordnung zwischen den Kanälen am Abdeckstreifen (Merkmal I). Der Steg löse die Aufgabe, den vorhandenen Kanälen eine definierte Form zu geben, die sich fertigungstechnisch einfach herstellen lasse.
E3/E10 offenbare am Ablageabschnitt durch Formgebung hergestellte Kanäle mit dazwischen liegenden Stegen, die diese Aufgabe lösten. Der Fachmann hätte diese daher ohne erfinderisches Zutun auch auf den Bereich am Abdeckstreifen der Dichtung übertragen und wäre so auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.
1. Hauptantrag
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2 in Verbindung mit E3 bzw. E10
1.1 E2 offenbart unstreitig ein Tor mit den Merkmalen A bis F von Anspruch 1. Die Gummidichtlippe 9 (Figur 2a) stellt dabei eine "Isolierstoffanordnung" dar, die einen zwischen dem Zargenholm 8 und der Wand 20 angeordneten "Dämmabschnitt" aufweist. Durch seine wellige Profilierung bildet der Dämmabschnitt vertikale Kanäle gemäß Merkmal F aus.
1.2 Unterscheidungsmerkmale
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dem Tor der E2 durch das Merkmal G, da sich der "Dämmabschnitt" der Gummilippe 9 nicht über im Wesentlichen die gesamte Breite des "Anlageabschnitts" des Zargenholms erstreckt.
1.3 Aufgabenstellung
1.3.1 Absatz [0013] des Patents gibt als Wirkung oder Aufgabe des "Dämmabschnitts" an, dass "während der Torblattbewegung über die Führungsschiene und den Zargenholm auf die Wand übertragbaren Schwingungen" und damit auch eine "entsprechende" Geräuschentwicklung gedämpft wird. Dies wird im Streitpatent auch als "mechanische Entkopplung" bezeichnet (Absatz [0014]). Gemäß Absatz [0014] trägt das "in diesem Zusammenhang" als "besonders günstig" bezeichnete Unterscheidungsmerkmal G folglich zur Lösung der Aufgabe der verbesserten mechanischen Entkopplung bzw. reduzierten Geräuschübertragung zwischen Tor und Wand bei.
1.3.2 Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, die Aufgabe sei stattdessen in einer reduzierten Geräuschentwicklung zu sehen. Die Begriffe "mechanische Entkopplung" und "Geräuschübertragung" dürften in der Aufgabenstellung nicht auftauchen, da sie Hinweise auf die Lösung darstellten. Denn Merkmal G löse die Aufgabe der reduzierten Geräuschentwicklung gerade dadurch, dass die Geräuschübertragung durch eine mechanische Entkopplung gedämpft werde.
1.3.3 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die objektive technische Aufgabe so spezifisch wie möglich zu fassen, ohne jedoch Teile der Lösung oder Lösungsansätze zu enthalten (Rechtsprechung, 9. Auflage, 2019, I.D.4.3.1).
Die Lösung gemäß Merkmal G besteht darin, dass "der Dämmabschnitt sich ausgehend von dem Übergangselement über im wesentlichen die gesamte Breite des Anlageabschnitts bis zum Befestigungsabschnitt des Zargenholms erstreckt". Dass dadurch eine mechanische Entkopplung erreicht wird, die die Geräuschübertragung dämpft, ist nicht, wie von der Beschwerdeführerin 1 vorgetragen, Bestandteil der Lösung, sondern eine davon bereits abstrahierte Beschreibung der Wirkung des Unterscheidungsmerkmals. Die Aufgabe der "verbesserten mechanischen Entkopplung oder reduzierten Geräuschübertragung zwischen Tor und Wand" gibt keinen Hinweis auf die Art und Weise (mittels Anordnung eines Dämmabschnitts) oder den Ort (die gesamte Breite des Zargenholms) der Lösung. Inwiefern die Aufgabe sonst einen Lösungsansatz beinhalten soll, wurde nicht vorgetragen.
Die von der Beschwerdeführerin 1 vorgeschlagene Aufgabe bezieht sich auf die Reduzierung einer nicht näher bestimmten Geräuschentwicklung. Sie ist daher weniger spezifisch als die dem Streitpatent entnommene Aufgabe, der darum der Vorzug zu geben ist.
1.3.4 Folglich ist die von der Beschwerdeführerin 2 vorgetragene Aufgabe der verbesserten mechanischen Entkopplung und reduzierten Geräuschübertragung zwischen Tor und Wand die zutreffende objektive technische Aufgabe für das Unterscheidungsmerkmal G.
1.4 Naheliegen
1.4.1 E3 sowie der Auszug E10 der englischsprachigen Ausgabe der E3, im Folgenden gemeinsam als E3/E10 bezeichnet, offenbaren auf Seite 34 des Magazins eine Dichtung mit der Bezeichnung 1085RB5090/1085RW5090. Diese erfüllt, wie den Abbildungen zu entnehmen ist, das Merkmal G. In dem von der Wand zurückversetzten Bereich des Anlageabschnitts weist sie zudem Stege auf, zwischen denen sich vertikal verlaufende luftgefüllte Kanäle ergeben.
1.4.2 In E3/E10 sind zwar keine Vorzüge der Dichtung hinsichtlich der mechanischen Entkopplung oder Schallübertragung genannt. Der Fachmann hätte jedoch aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus erkannt, dass die Dichtung der E3/E10, weil sie über die gesamte Breite des Anlageabschnitts den direkten Kontakt zwischen Zargenholm und Wand unterbricht, eine bessere mechanische Entkopplung und reduzierte Geräuschübertragung vom Tor auf die Wand bewirkt und daher die objektive technische Aufgabe löst.
1.4.3 Die Beschwerdeführerin 1 wandte ein, der Fachmann hätte die Verwendung einer Dichtung gemäß der E3/E10 in E2 dennoch nicht in Betracht gezogen, da die mechanische Entkopplung durch die Dichtung der E3/E10 zu einer schwimmenden Lagerung der Zarge an der Wand geführt hätte, was der nach E2 angeblich erforderlichen Einhaltung enger Toleranzen widersprochen hätte.
In der Tat ist gemäß E2 ein fester, gleichmäßiger Anpressdruck zwischen Torblatt und Dichtung erforderlich, um ein Flattern des Torblatts, z.B. durch Winddruck, zu verhindern (Spalte 1, Zeilen 34-46). Die in diesem Zusammenhang erwähnte Notwendigkeit zum Einhalten enger Toleranzen bezieht sich allerdings auf Probleme bekannter Sektionaltore, nicht auf die Erfindung der E2. Selbst wenn die durch die Dichtung der E3/E10 vermittelte weniger starre Fixierung der Zarge an der Wand tatsächlich einen Einfluss auf den Abstand und Anpressdruck zwischen Dichtung und Torblatt in der Schließstellung gehabt hätte, so sieht die Erfindung der E2 gerade Justagemöglichkeiten vor, um den erforderlichen Anpressdruck zu gewährleisten (Spalte 2, Zeilen 8-24).
Daher hatte der Fachmann kein Grund, von der Verwendung der Dichtung der E3/E10 abzusehen und die direkte Befestigung der Zarge an der Wand aufrechtzuerhalten.
1.4.4 Daher hätte der Fachmann zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe eine Dichtung gemäß der E3/E10 in dem Tor der E2 eingesetzt. So wäre er auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gelangt.
1.5 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Neuheit gegenüber E1
2.1.1 E1 offenbart unstreitig ein Tor mit den Merkmalen A bis E und H. In Figur 2a ist insbesondere eine Isolierstoffanordnung (12, 13) gezeigt, die einen "Dämmabschnitt" zwischen Zarge und Wand und einen "Abdeckstreifen" zwischen Wand und Torblatt umfasst.
2.1.2 Die Beschwerdeführerin 1 trug vor, der Begriff "Kanal" der Merkmale F und I sei in Anspruch 1 hinsichtlich seiner Dimensionen und Form nicht näher spezifiziert. Der Begriff umfasse daher im weitesten Sinne auch unregelmäßige Hohlräume wie sie in üblichen Dämmmaterialien vorhanden seien. Insbesondere die in E1 genannten Materialien Wellpappe, Kork und Glaswolle wiesen folglich Kanäle mit dazwischenliegenden Stegen auf.
2.1.3 Es stimmt zwar, dass die Dämmwirkung vieler Materialien auf Lufteinschlüssen basiert. Auch Pappe, Kork und Glasfaserdämmstoffe weisen solche Hohlräume auf. Jedoch stellt nicht jeder ungerichtete Hohlraum auch einen "Kanal" dar.
So sind die im Wesentlichen kugelförmigen geschlossenen Poren vieler anorganischer Dämmmaterialien keine Kanäle. Ebenso wenig stellen die lediglich von losen Fasern durchzogenen, ansonsten aber miteinander verbundenen und nach allen Seiten offenen Hohlräume faserartiger Dämmstoffe wie Glaswolle Kanäle dar. Die von der Beschwerdeführerin 2 angesprochenen Materialien "Wellpappe" und offenporige Schaumstoffe werden in E1 überhaupt nicht erwähnt. Welche konkrete Gestalt die Lufteinschlüsse in den übrigen in E1 genannten Dämmmaterialien wie Pappe oder (verarbeitetem) Kork haben, wurde nicht vorgetragen.
Daher weisen die in E1 offenbarten Dämmstoffe keine Kanäle, und folglich auch keine die Kanäle trennenden Stege, im Sinne der Merkmale F und I auf.
2.1.4 Deshalb erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 das Erfordernis der Neuheit gemäß Artikel 52 (1) und 54 EPÜ.
2.2 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit E3/E10
2.2.1 Unterscheidungsmerkmale
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich vom Tor der E1 durch mindestens einen Kanal gemäß Merkmal F und durch die durch Stege der Isolierstoffanordnung getrennten Kanäle von Merkmal I.
2.2.2 in Kombination mit Fachwissen
Die Beschwerdeführerin 2 argumentierte, die Merkmale F und I enthielten keine Einschränkung für die Länge der Kanäle und Stege und umfassten daher auch relativ kurze vertikale Kanäle. Es sei jedoch nicht ersichtlich, welche Vorteile oder technische Wirkung sich im Vergleich zu den ungeordneten Lufteinschlüssen im Dämmmaterial der E1 durch die spezielle "Kanal"-Form und die vertikale Ausrichtung der Hohlräume und Stege ergebe. Es handele sich daher lediglich um beliebige, willkürliche Einschränkungen, die generell keine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.
Der im Patent beschriebene technische Zusammenhang zwischen den beanspruchten Kanälen und der Wärmedämmung und mechanischen Entkopplung ist grundsätzlich zutreffend. Wie von der Beschwerdeführerin 1 vorgetragen, hat die durchgehende, längserstreckte Form und Orientierung der Kanäle zudem Vorteile bei der Fertigung, beispielsweise durch Extrudieren. Daher können die Unterscheidungsmerkmale nicht als beliebige, rein willkürliche Merkmale abgetan werden.
Selbst wenn die beanspruchten Merkmale die im Streitpatent genannten Aufgaben im Vergleich mit E1 nicht lösen sollten, kann daraus nicht unmittelbar auf eine fehlende erfinderische Tätigkeit geschlossen werden.
Die Beschwerdeführerin 2 behauptete zwar, die Realisierung der Kanäle und Stege habe im Rahmen der üblichen Entwicklungstätigkeit des Fachmanns gelegen. Sie legte aber nicht dar, was den Fachmann dazu bewogen hätte, die Isolierstoffanordnung und den Dämmabschnitt der E1 derart zu konturieren.
Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht nahegelegt.
2.2.3 in Kombination mit E3/E10
Die Beschwerdeführerin 2 trug weiter vor, man könne die Kanäle und Stege gemäß den Merkmalen F und I auch als technische Alternative zu den ungeordneten Hohlräumen der Isolierstoffanordnung der E1 verstehen. Die objektive technische Aufgabe durchgehender längserstreckter Kanäle liege dann darin, "die aus der Druckschrift E1 bekannte Isolierstoffanordnung [...] derart auszugestalten, dass eine vereinfachte Herstellung und eine geringere mittlere Dichte der Isolierstoffanordnung realisierbar" sei. Eine Anregung zur beanspruchten Lösung hätte der Fachmann der E3/E10 entnommen.
In der Tat offenbart die Dichtung der E3/E10 einen kammerartigen Aufbau mit Stegen in dem von der Wand zurückversetzten Bereich des Anlageabschnitts. Dieser Aufbau wird in E3/E10 jedoch nicht angesprochen und es werden keinerlei Vorteile davon offenbart.
Selbst wenn es für den Fachmann offensichtlich gewesen wäre, dass die Dichtung der E3/E10 und ihre Stege eine einfach herzustellende Struktur mit geringer mittlerer Dichte darstellt, hätte er der E3/E10 jedenfalls keinen Hinweis auf eine wärmedämmende Wirkung der zwischen den Stegen entstehenden Kanäle entnommen. Denn da sich die kammerartige Struktur an einer für Wärmeverluste nicht besonders relevanten Stelle befindet, während sich am Abdeckstreifen entlang des Übergangselements keine durch Stege getrennten Kanäle befinden, war dies auch nicht unmittelbar ersichtlich.
Daher hätte der Fachmann die Dichtung der E3/E10 bzw. ihren kammerartigen Aufbau nicht als Alternative für die Isolierstoffanordnung der E1 in Betracht gezogen und diesen erst recht nicht auf den Abdeckstreifens übertragen.
Folglich war der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auch ausgehend von E2 in Verbindung mit E3/E10 nicht naheliegend.
2.2.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beruht somit ausgehend von dem Tor der E1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
2.3 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E2 in Verbindung mit E3/E10 oder dem allgemeinen Fachwissen
2.3.1 E2 offenbart unstreitig die Merkmalen A bis F (vgl. Punkt 1.1). Die die Isolierstoffanordnung darstellende Dichtung 9 weist zudem einen Abdeckstreifen gemäß Merkmal H auf. In den Ecken zwischen der Dichtung und dem rund gebogenen Übergangselement bilden sich darüber hinaus Hohlräume aus, die als zwei sich zwischen dem Abdeckstreifen und dem Übergangselement in Längsrichtung erstreckende Kanäle betrachtet werden können.
2.3.2 Unterscheidungsmerkmale
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dem Tor der E2 zumindest durch einen Steg der Isolierstoffanordnung, der gemäß Merkmal I die Kanäle zwischen Abdeckstreifen und Übergangselement trennt.
2.3.3 Aufgabenstellung
Durch einen solchen Steg bilden sich größere Luftkanäle aus. Hierdurch wird gegenüber E2 unstreitig die Aufgabe gelöst, die Wärmedämmung des Tors zu verbessern.
2.3.4 Naheliegen
Die E3/E10 offenbart ebenfalls keinen Steg der Isolierstoffanordnung zwischen dem Abdeckstreifen und dem Übergangselement des Zargenholms, der Kanäle zwischen dem Abdeckstreifen und dem Übergangselement voneinander trennt (Merkmal I). Daher kann E3/E10 dieses Merkmal nicht unmittelbar nahelegen.
Die Dichtung der E3/E10 weist zwar Stege im Bereich des Anlageabschnitts auf. Anders als von der Beschwerdeführerin 2 behauptet enthält E3/E10 jedoch keinen Hinweis auf wärmedämmende Eigenschaften der Dichtung oder der durch ihre Stege gebildeten Kanäle. Dies war, wie oben unter Punkt 2.2.3 bereits ausgeführt für den Fachmann auch nicht unmittelbar ersichtlich, da sich die durch Stege getrennten Kanäle dort nicht an einer wärmetechnisch relevanten Stelle befinden. Daher gibt die E3/E10 dem Fachmann keinen Hinweis darauf, dass die gestellte Aufgabe durch Stege gemäß Merkmal I gelöst werden könnte.
Die Beschwerdeführerin 2 behauptete schließlich, eine wärmedämmende Ausführung des Abdeckstreifens mit Stegen und Kanälen gemäß Merkmal I ergebe sich bereits aus dem allgemeinen Fachwissen. Sie trug jedoch nicht vor, welches konkrete Fachwissen den Fachmann ausgehend von E2 gerade zu dieser Maßnahme und insbesondere zum Merkmal I geführt hätte. Dieser Vortrag genügt daher nicht, um eine fehlende erfinderische Tätigkeit zu begründen.
2.3.5 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auch ausgehend von dem Tor der E2 auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ.
2.4 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E3/E10 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
2.4.1 Wie die Dichtung der E2 weist auch die Dichtung der E3/E10 einen Abdeckstreifen gemäß Merkmal H auf und besitzt zwei in den Ecken zwischen dem Abdeckstreifen und dem rund gebogenen Übergangselement des Zargenholms gebildete, sich in Längsrichtung erstreckende Kanäle.
2.4.2 Unterscheidungsmerkmale
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von der Dichtung der E3/E10 zumindest durch einen Steg der Isolierstoffanordnung, der gemäß Merkmal I die Kanäle zwischen Abdeckstreifen und Übergangselement trennt.
2.4.3 Aufgabenstellung
Die objektive technische Aufgabe sah die Beschwerdeführerin 2 darin, die beiden in den Ecken zwischen Abdeckstreifen und bogenförmigem Übergangselement gebildeten Hohlräume "derart weiterzubilden, dass eine definierte Form dieser Kanäle mit einfachen fertigungstechnischen Mitteln herstellbar ist".
Sie legte jedoch nicht dar, inwiefern eine definierte Form dieser Hohlräume vorteilhaft wäre. Solche Hohlräume ergeben sich zwangsläufig aufgrund der unterschiedlichen Rundungen der Dichtung und des gebogenen Übergangselements, dienen jedoch keinem bewussten Zweck.
2.4.4 Naheliegen
Damit wurde keine überzeugende Motivation dafür vorgetragen, weshalb der Fachmann den Hohlräumen in den Ecken eine definierte Form geben sollte und dazu die Stege der Dichtung der E3/E10 vom Bereich des Anlageabschnitts auf den Abdeckstreifen übertragen sollte.
Auch die von der Beschwerdeführerin 1 vorgetragene Aufgabe der verbesserten Wärmedämmung hätte den Fachmann nicht zu dieser Maßnahme bewogen, weil sich der E3/E10 keine diesbezüglichen Vorteile der Stege oder der durch sie entstehenden "Kanäle" entnehmen lassen.
Folglich war es für den Fachmann nicht naheliegend, die Dichtung der E3/E10 mit zusätzlichen Stegen und durch sie getrennte Kanäle zwischen Abdeckstreifen und Übergangselement zu versehen (Merkmal I).
2.4.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beruht daher auch ausgehend von E3/E10 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
2.5 Somit ist dem Antrag der Beschwerdeführerin 1 auf Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.