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T 0652/18 21-01-2021
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Maschinengehäuse für eine Brennkraftmaschine
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 10. Januar 2018, das europäische Patent Nr. 1 584 810 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 2 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
III. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D3: DE 43 34 444 C1
D5: DE 198 46 387 A1
D7: DE 43 42 041 A1
D8: DE 196 28 915 A1
D10: DE 195 24 070 C1
D15: DE 196 45 961 A1
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 8. März 2018 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 26. April 2018 eingereicht.
Mit der Beschwerdebegründung hat sie die folgenden Entgegenhaltungen eingereicht:
D16: WO 02/086 338 A1
D17: JP H01-58747 U
D18: DE 198 16 173 A1
D19: DE 200 05 041 U1
V. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.
VI. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, und somit als Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung. Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung auf Basis eines der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sach- und Rechtsfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 21. Januar 2021 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Maschinengehäuse (1), insbesondere ein Zylinderkurbelgehäuse für eine Brennkraftmaschine, mit einem geteilten Lager (2), insbesondere einem Kurbelwellenlager, dessen Lagerstuhl (2a) sich zwischen zwei Maschinengehäusewänden (1a, 1b) erstreckt, wobei die Maschinengehäusewände (1 a,1 b) und ein, zu dem Lagerstuhl (2a) korrespondierender Lagerdeckel (2b) mit einem Versteifungselement(3) verbindbar sind und das Versteifungselement(3) ein Abstützelement (4) zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel (2b) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Abstützelement (4) in Richtung einer Teilungsebene (2c) des geteilten Lagers (2) lageveränderbar ist, wobei das Abstützelement (4) am Lagerdeckel (2b) oder am Versteifungselement (3) angeordnet ist und wobei sich das Versteifungselement (3) über mehrere geteilte Lager (2) erstreckt, wobei das Abstützelement (4) ein Gewinde (4a) und der Lagerdeckel (2b) oder das Versteifungselement (3) ein korrespondierendes Gewinde (3a) aufweist."
IX. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Die Änderungen in Anspruch 1 gehen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung jedes der Dokumente D3, D10 und D15. Er werde zudem ausgehend von D3 in Zusammenschau mit dem Fachwissen oder mit D18, oder ausgehend von jedem der Dokumente D5, D7, D8 oder D17 in Zusammenschau mit der D16 nahegelegt. Die Dokumente D16-D19 seien dabei zuzulassen, da sie hochrelevant seien.
X. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 enthalte zulässige Änderungen, sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit im Lichte des genannten Standes der Technik.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Maschinengehäuse für eine Brennkraftmaschine mit einem geteilten Lager, dessen Lagerstuhl sich zwischen zwei Maschinengehäusewänden erstreckt. Die Maschinengehäusewände und ein, zu dem Lagerstuhl korrespondierender Lagerdeckel sind mit einem Versteifungselement verbindbar (Merkmal M4). Das Versteifungselement weist ein Abstützelement zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel auf (Merkmal M5). Außerdem ist das Abstützelement in Richtung einer Teilungsebene des geteilten Lagers lageveränderbar (Merkmal M6), wobei das Abstützelement am Lagerdeckel oder am Versteifungselement angeordnet ist (Merkmal M7).
Dadurch ist eine verspannungsfreie Montage des Versteifungselementes möglich, die fertigungstechnische Unzulänglichkeiten ausgleicht, welche von nicht ganz planen Auflageflächen im Bereich der Gehäusewände hervorgerufen werden (Patentschrift, Absätze 3 und 5).
3. Änderungen
Die Beschwerdeführerin Einsprechende erhebt den Einwand der unzulässigen Erweiterung gegen das Merkmal M5 in Anspruch 1 ("das Versteifungselement ein Abstützelement zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel aufweist").
3.1 In der Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitt 2.1 und 2.2, hat die Kammer zu den Änderungen die folgende vorläufige Meinung geäußert, wobei die Merkmalsnummerierung aus der Beschwerdebegründung verwendet wird:
"2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags scheint unbestritten auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 3, ergänzt um die Offenbarung auf der Seite 4 (Zeile 24) der Anmeldung, zu beruhen. Die Beschwerdeführerin Einsprechende erhebt jedoch den Einwand der unzulässigen Erweiterung gegen das Merkmal M5 ("... ein Abstützelement (4) zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel (2b)...").
2.2 Das Abstützelement scheint fertigungstechnische Toleranzen auszugleichen, die zu unterschiedlichen Auflagehöhen für das Versteifungselement auf den Gehäusewänden und auf dem Lagerdeckel führen (A-Schrift, Absatz [0012], erster Satz). Vor dem Hintergrund dieses Zwecks scheint ein Fachmann keine weiteren toleranzbehafteten Bauteile wie z.B. Unterlegscheiben zwischen dem Versteifungselement und dessen Auflageflächen auf den Gehäusewänden und dem Lagerdeckel vorzusehen. Die Beschreibung und Figuren geben auch nichts anderes her. Daher scheint der Fachmann die Offenbarung einer spielfreien Auflage bzw. Dreipunktlagerung (A-Schrift, Absatz [0013]) in dem Sinne zu verstehen, dass das Abstützelement zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel bestimmt ist."
3.2 Die Beschwerdeführerin hat dazu nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer vorläufige Sichtweise abzuweichen. Somit bestätigt sie den Befund der angefochtenen Entscheidung zu den Änderungen, wonach Anspruch 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgeht, Artikel 123(2) EPÜ.
4. Auslegung
4.1 Für die nachfolgende Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit ist es unerlässlich, zunächst die Bedeutung des Begriffs "Abstützelement" in Anspruch 1 zu klären. Die Beschwerdeführerin vertritt dabei die Ansicht, dass die zur Befestigung des Lagerdeckels am Lagerstuhl dienenden Schraubenbolzen jeweils ein solches Abstützelement bilden.
4.2 Auf dem Gebiet der Maschinengehäuse für Brennkraftmaschinen mit geteiltem Lager ist es unbestritten fachüblich, dass der Lagerstuhl (bzw. das Maschinengehäuse bei einer integralen Ausbildung des Lagerstuhls) und der Lagerdeckel durch Gewinde- bzw. Schraubenbolzen miteinander verbunden werden. Eine solche Anordnung wird durchgängig sowohl im Streitpatent als auch im angezogenen Stand der Technik gelehrt. So zeigt Figur 1 des Streitpatents zwei Schraubverbindungen 7 zur Befestigung des Lagerdeckels. Die D3 offenbart in den Figuren 1 und 3 Schraubenbolzen 5 bzw. 5" zur Befestigung des Lagerdeckels, und die D10 in den Figuren 1 und 3 Schraubenbolzen 5 bzw. 5'. Die primäre Funktion all dieser Schraubenbolzen besteht darin, Lagerdeckel und Lagerstuhl im montierten Zustand des geteilten Lagers miteinander zu verbinden. Deswegen sieht die Kammer solche Schraubenbolzen - ob sie nun explizit beansprucht werden oder wegen ihres zwingenden Vorhandenseins lediglich implizit im beanspruchten Gegenstand enthalten sind - als Bestandteil des geteilten Lagers an. Nach fachmännischem Verständnis des Anspruchswortlauts, insbesondere der Merkmale M4, M6 und M7, die das Abstützelement in Bezug auf das Lager oder die Lagerbestandteile definieren, ist dieses Element als ein von dem Lager gesondertes Bauteil zu verstehen.
4.3 Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Schraubenbolzen zur Verbindung der Lagerbestandteile wegen ihrer Anordnung im Kraftfluss zwischen dem Versteifungselement und dem Lagerdeckel neben der oben genannten Verbindungsfunktion für die Lagerbestandteile auch zur Abstützung eines Versteifungselementes beitragen können, führt zu keiner anderen Sichtweise. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass Bauteile, nur weil sie im Kraftfluss zwischen Versteifungselement und Lagerdeckel liegen, zwingend Teil des Elementes sind, dass das Versteifungselement nach Anspruchswortlaut lageveränderbar gegen den Lagerdeckel abstützen soll. Es mag sein, dass ein solches Abstützelement mehrteilig sein kann und mit anderen Bauteilen zusammenwirken kann, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Die Frage ist aber, ob der Fachmann, der bestrebt ist, die Erfindung und ihren Beitrag technisch zu verstehen, solche Bauteile, die primär einer anderen Funktion dienen, aber zur Abstützung beitragen, als Teile des lageveränderbaren Abstutzelementes betrachtet.
So befinden sich die in D10 (Figur 3) und in D3 (Figur 1) gezeigten Schraubenbolzen 5 und 5' im Kraftfluss zwischen dem jeweiligen Versteifungselement 6 bzw. 9 und dem jeweiligen Lagerdeckel 3. Diese Schraubenbolzen bewirken einerseits die nötige Verbindung der Lagerbestandteile und andererseits stützt sich das Versteifungselement mittels einer Gewindehülse 22 in D10 bzw. einer Distanzhülse 13 oder 20 in D3 über die Schraubenbolzen am Lagerdeckel ab. Folglich weisen die Schraubenbolzen neben ihrer primären Funktion, die Lagerteile zu verbinden, eine weitere Funktion auf. Wegen ihrer primären Funktion, nämlich der Verbindung von Lagerdeckel und Lagerstuhl im montierten Zustand des geteilten Lagers, bleiben die Schraubenbolzen daher für den Fachmann ein Bestandteil des geteilten Lagers. Ebenso sieht der Fachmann bei technisch sinnvoller Auslegung die Gewindehülse 22 bzw. die Distanzhülse 13 oder 20, die verstellbar zwischen Versteifungsteil und Lagerdeckel angeordnet und mittels Befestigungsschrauben bzw. -bolzen 20, 18 oder 26 befestigt sind, als die Bauteile (gegebenenfalls zusammen mit den Befestigungsschrauben bzw. -bolzen 20, 18, 26) an, die das Versteifungselement verstellbar abstützen. In seinem Verständnis liegen diese Elemente dabei auf dem Schraubenkopf des Lagerdeckels auf; oder sie liegen mittelbar über den Schraubenkopf auf dem Lagerdeckel auf. Somit erkennt er unterschiedliche Bauteile, die in erster Linie unterschiedliche Funktionen erfüllen, auch wenn sie dabei miteinander zusammenwirken.
4.4 Daher gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Begriff "Abstützelement" in Anspruch 1 nach fachmännischem Verständnis ein anderes Bauteil des Maschinengehäuses betrifft, und nicht die implizit vorhandenen Schraubenbolzen, welche den Lagerdeckel mit dem Lagerstuhl verbinden. Dessen ungeachtet kann das Abstützelement, wie bereits in Absatz 1.2 der angegriffenen Entscheidung befunden, aus mehreren Bauteilen bestehen.
5. Neuheit
Die Neuheit wurde gegenüber jedem der Dokumente D3, D10 und D15 bestritten. Dazu bemerkt die Kammer Folgendes:
5.1 Das Ausführungsbeispiel nach Figur 3 der D3 offenbart unbestritten ein Maschinengehäuse (1) für eine Brennkraftmaschine, mit einem geteilten Kurbelwellenlager, dessen Lagerstuhl sich zwischen zwei Maschinengehäusewänden erstreckt, wobei die Maschinengehäusewände und ein, zu dem Lagerstuhl korrespondierender Lagerdeckel (3"), mit einem Versteifungselement (Versteifungsbauteil 6") verbindbar sind und das Versteifungselement ein Abstützelement (Distanzhülse 20, Schraubenbolzen 26) zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel aufweist, wobei das Abstützelement in Richtung einer Teilungsebene des geteilten Lagers lageveränderbar ist, wobei das Abstützelement am Lagerdeckel und am Versteifungselement angeordnet ist und wobei sich das Versteifungselement über mehrere geteilte Lager erstreckt, wobei das Abstützelement ein Gewinde (im Bereich der Schraubenmutter 30) aufweist (siehe zudem Spalte 3, Zeilen 23-25 und Spalte 4, Zeilen 19 bis 47 der D3).
5.2 Die Beschwerdeführerin vertritt zudem die Auffassung, dass die Schraubenmutter 30 dem Versteifungsbauteil 6" zuzuordnen sei, so dass D3 mit dem Gewinde dieser Schraubenmutter ein korrespondierendes Gewinde am Versteifungselement offenbare. Auch aus Sicht der Kammer wird das aus der Distanzhülse 20 und dem Schraubenbolzen 26 gebildete Abstützelement der D3 durch diese Schraubenmutter mit dem Versteifungsbauteil verbunden. Daher muss sie nun die Frage untersuchen, ob diese Verbindung dazu führt, dass die Schraubenmutter 30 als anspruchsgemäßes Versteifungselement angesehen werden muss.
Die Kammer ist davon nicht überzeugt. Laut dem Merkmal M4 müssen die Maschinengehäusewände und der Lagerdeckel mit einem Versteifungselement verbindbar sein. Nach ständiger Rechtsprechung liest der Fachmann einen Anspruch mit der Bereitschaft, diesen auf technisch sinnvolle Weise zu verstehen, und gibt dazu den verwendeten Begriffen ihre normale Bedeutung im Fachgebiet. Ein anspruchsgemäßes Versteifungselement dient unbestritten dazu, das Maschinengehäuse zu versteifen (Patentschrift, Spalte 1, Zeile 22: "eine optimale Steifigkeit zu verleihen"). Nichts anderes lehrt die D3, wo das Versteifungsbauteil die Gesamtsteifigkeit der Brennkraftmaschine wesentlich erhöhen soll (Spalte 1, Zeilen 29 und 30). Diese Wirkung des Versteifungselements kann aus Sicht der Kammer nur dann erzielt werden, wenn es mit dem Maschinengehäuse verbunden ist. Bei einer solchen Leseweise des Merkmals M4 bedingt die Formulierung "mit einem Versteifungselement verbindbar" für einen auf dem Gebiet der Maschinengehäuse für Brennkraftmaschinen tätigen Fachmann, dass neben dem Versteifungselement zusätzlich noch mindestens ein Verbindungselement vorhanden ist. Ein solches wird zum Beispiel durch die mittels Verschraubungen 6 realisierte Gehäusebefestigung im Streitpatent oder die Verschraubungen 8 in der D3 gebildet. Der Fachmann sieht solche Verschraubungen als Verbindungselemente an, die zwei unterschiedliche Teile miteinander verbinden. Der Fachmann betrachtet bei normaler Lesweise solche Verbindungselemente weder als Teil des Gehäuses noch als Teil des Versteifungselementes.
Ebenso sieht der Fachmann die Schraubenmutter 30 im Ausführungsbeispiel nach Figur 3 der D3 nicht als Teil des Versteifungselementes, denn sie verbindet in Zusammenspiel mit dem Schraubenbolzen 26 das Versteifungsbauteil 6" mit dem zylindrischen Abschnitt 25, der in der Distanzhülse 20 eingepresst ist. Die Distanzhülse 20 und der darin (verschiebbar) eingepresste Abschnitt 25 dienen der anpassbaren Abstützung. Zusammen mit dem Schraubenbolzen 26 bilden sie ein Abstützelement mit integriertem Verbindungselement. Spalte 4, Zeilen 31-39, zufolge wird das Versteifungsbauteil 6" mittels einer Schraubenmutter 30 [am Bund 27 des Schraubenbolzens 26] verspannt. Der Fachmann sieht daher bei obigem Verständnis die Schraubenmutter 30 entweder als separates Teil dieses integrierten Verbindungselementes, oder, weil sie diesem zuzuordnen ist und dieses wiederum ein integraler Teil des Abstützelementes bildet, als Teil des Abstützelementes an. Jedenfalls betrachtet er sie nicht als einen Teil des Versteifungselements 6".
5.3 Somit bestätigt die Kammer den Befund in der angegriffenen Entscheidung, wonach die Schraubenmutter 30 in D3 nicht als Teil des Versteifungselements anzusehen ist, so dass das Dokument kein korrespondierendes Gewinde im Versteifungselement offenbart (Punkt 8.1 der Entscheidungsgründe).
5.4 Im Hinblick auf die weiteren Neuheitsangriffe, die von Figur 1 der D3 oder den Dokumenten D10 und D15 ausgehen, hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitte 4.1 bis 4.3, die Auffassung vertreten, dass keines der Dokumente D10 und D15, und auch nicht die Ausführungsform nach Figur 1 der D3 ein Maschinengehäuse mit einem Abstützelement zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel offenbaren. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"4.1 Ausgehend von D10
D10 (Figur 3) scheint nicht zu offenbaren, dass das Versteifungselement ein Abstützelement zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel umfasst. Die Gewindebolzen 5, 5' dienen zur Befestigung des Lagerdeckels 3 am Maschinengehäuse 1, so dass sie nach fachmännischer Sicht kein Abstützelement zu sein scheint. Die als Abstützelement angesehene Gewindehülse 22 liegt dagegen nicht direkt auf dem Lagerdeckel 3 auf.
Zudem scheint D10 nicht zu offenbaren, dass der Lagerdeckel oder das Versteifungselement ein zum Gewinde 19 des Bolzens 5' korrespondierendes Gewinde aufweist. Die Befestigungsschraube 20 dient zur Befestigung des Lagerdeckels 3 am Maschinengehäuse 1, so dass sie kein Abstützelement zu sein scheint. Dessen ungeachtet scheint selbst eine gemeinsame Betrachtung des Bolzens 5' und der Gewindehülse 22 als Abstützelement nicht die Bedingung zu erfüllen, dass das Abstützelement am Lagerdeckel oder am Versteifungselement angeordnet ist, da die Gewindehülse zwar am Versteifungselement, der Bolzen aber am Lagerdeckel angeordnet zu sein scheint.
4.2 Ausgehend von D3
Die Ausführungsform gemäß Figur 1 der D3 scheint nicht zu offenbaren, dass die als Abstützelement angesehene Distanzhülse 13 zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel 3 ausgebildet ist. Die Befestigungsschraube 5 dient zur Befestigung des Lagerdeckels 3 am Maschinengehäuse 1, so dass sie nach fachmännischer Sicht kein Abstützelement zu sein scheint. Eine gemeinsame Betrachtung von Lagerdeckel 5 und Distanzhülse 13 als Abstützelement scheint nicht die Bedingung zu erfüllen, dass das Abstützelement am Lagerdeckel oder am Versteifungselement angeordnet ist.
4.3 Ausgehend von D15
D15 betrifft die Befestigung eines Lagerdeckels am Lagerstuhl (Spalte 1, Zeilen 41-50). Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass die unteren Wandteile des Kurbelgehäuses 3 als Versteifungselement angesehen werden können, da sie bereits ein Teil des Maschinengehäuses sind und folglich nicht mit diesem verbindbar sind."
Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
5.5 Somit gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, das der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber jedem der Dokumente D3, D10 und D15 ist, Artikel 54 EPÜ.
6. Erfinderische Tätigkeit
Die erfinderische Tätigkeit wurde ausgehend von D17, D5, D7, D8 oder D3 angegriffen. Dazu bemerkt die Kammer Folgendes:
6.1 Im Hinblick auf das Ausführungsbeispiel nach Figur 3 der D3 folgt aus dem obigen Befund zur Neuheit, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags von der Offenbarung dieses Dokuments darin unterscheidet, dass der Lagerdeckel oder das Versteifungselement ein korrespondierendes Gewinde aufweist.
6.1.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass ein mit dem Gewinde des Abstützelements korrespondierendes Gewinde im Versteifungselement für den Fachmann naheliegend sei. Aus ihrer Sicht liegt diesem Unterscheidungsmerkmal die objektive technische Aufgabe zugrunde, eine alternative Position des korrespondierenden Gewindes zu finden.
Die Kammer sieht das anders, da eine solche Aufgabenformulierung wegen der Angabe der alternativen Position bereits Lösungsansätze enthält. Im Hinblick auf die objektive technische Aufgabe gilt jedoch, dass die Aufgabe so zu formulieren ist, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.4.3.1).
Das Gewinde am Abstützelement und sein korrespondierendes Gewinde am Versteifungselement dienen dazu, das Abstützelement beim Einbau zu justieren, um eine praktisch spannungsfreie Montage zu erreichen, vgl. Absatz 0009 der Patentschrift. Auch das Dokument D3 offenbart eine solche Justage mittels einer Verschiebung innerhalb der Presspassung des Abstützelements (Spalte 4, Zeilen 40 bis 44), um eine praktisch spannungsfreie Montage zu erreichen. Somit ist die technische Aufgabe weniger anspruchsvoll zu formulieren (RdBK, I.D.4.4.1).
Daher besteht nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz die objektive technische Aufgabe aus Sicht der Kammer darin, eine praktisch spannungsfreie Montage beim Einbau des Abstützelements alternativ zu gestalten.
6.1.2 Die Kammer muss darum nun untersuchen, ob ein Fachmann zur Lösung dieser Aufgabe auf naheliegende Weise zu einem mit dem Gewinde des Abstützelements korrespondierenden Gewinde im Versteifungselement gelangt.
Bei der Justage nach D3 werden im Ausführungsbeispiel nach Figur 3 axiale und radiale Herstellungs- und Montagetoleranzen bei der Befestigung des Versteifungsbauteils 6" am Lagerdeckel durch das Abstützelement ausgeglichen. Axiale Toleranzen werden dadurch kompensiert, dass der zylindrische Abschnitt 25 des Schraubenbolzens 26 innerhalb der Presspassung in der Distanzhülse verschiebbar ist, siehe oben. Zudem werden radiale Toleranzen - also in Querrichtung - dadurch ausgeglichen, dass am oberen Ende des Abstützelements 20, 26 unterschiedliche Durchmesser D1 und D2 vorgesehen werden. Dabei weist der Schraubenbolzen 26 einen Außendurchmesser D2 auf, der geringer ist als der Innendurchmesser D1 eines Hülsenansatzes 28 des Versteifungsbauteils 6", siehe Spalte 4, Zeilen 45 bis 47 i.V.m. Spalte 3, Zeilen 43 bis 52.
Aus Sicht der Kammer steht der Ausgleich der radialen Herstellungs- und Montagetoleranzen durch die unterschiedliche Durchmesser D1 und D2 einem korrespondierenden Gewinde am Versteifungselement der D3 entgegen. Würde der Fachmann nämlich - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - ein zu dem Außengewinde des Schraubenbolzens 26 korrespondierendes Innengewinde im Hülsenansatz 28 des Versteifungsbauteils 6" vorsehen, müsste diese Gewindepaarung so bemessen sein, dass weiterhin ein radialer Toleranzausgleich möglich ist. Das Dokument D3 enthält zwar keine genauen Maße für die Durchmesser D1 und D2. Die Beschwerdeführerin hat jedoch während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer das Argument der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin nicht widerlegen können, wonach ein Zylinderkurbelgehäuse bzw. die zugehörige Ölwanne für einen fachüblichen Verbrennungsmotor radiale Toleranzen im Bereich von 0,5 mm aufweise, und dass solche Toleranzen nicht anhand des allgemeinen Fachwissens durch eine Gewindepaarung ausgeglichen werden können.
Auch das Dokument D18 und die darin gezeigten, zum Zweck eines radialen Toleranzausgleichs überdimensionierten Gewinde 170 und 174 führen zu keiner anderen Sichtweise. Der Inhalt des Patentdokuments D18 gehört nach ständiger Rechtsprechung nicht zum allgemeinen Fachwissen. Zudem betrifft D18 elektrisch angetriebene Kraftstoffpumpen im Tank einer Brennkraftmaschine, und damit ein im Vergleich zu Maschinengehäusen für Brennkraftmaschinen entferntes technisches Gebiet, das der Fachmann nicht auf naheliegende Weise zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtigen würde. Außerdem wird in D18 ein 4-40 UNC-2B Gewinde mit einem um 0,127 mm überdimensionierten Gewindeschneider erzeugt, siehe die Spalte 6, Zeilen 33-35. Im Vergleich zu den oben genannten Toleranzen im Bereich von 0,5 mm reicht das in D18 offenbarte Übermaß von 0,127 mm nicht aus. Davon abgesehen hat die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch das weitere Argument der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin nicht widerlegen können, wonach das in D18 offenbarte amerikanische Grobgewinde den Fachmann wegen der weltweit üblichen metrischen Gewinde in der Automobilindustrie von einer Berücksichtigung der D18 abhalten würde.
6.1.3 Zudem hält die Presspassung zwischen der Distanzhülse 20 und dem zylindrischen Abschnitt 25 des Schraubenbolzens 26 im Ausführungsbeispiel nach Figur 3 der D3 den Fachmann davon ab, ein korrespondierendes Innengewinde im Hülsenansatz 28 des Versteifungsbauteils 6" vorzusehen.
Ein solches Gewinde würde nämlich bedingen, dass zuerst alle Schraubenbolzen 26 - also zwei pro Lagerdeckel und Zylinder der Brennkraftmaschine - in das Versteifungsbauteil eingeschraubt werden, bevor die Schraubenbolzen zur Herstellung der Presspassung in jede der bereits mit dem Schraubenbolzen 5" befestigten Distanzhülsen 20 eingepresst werden können. Im Gegensatz zur Montagereihenfolge in Figur 3 der D3, wo jeder Schraubenbolzen 26 einzeln unter Ausbildung einer Presspassung in die zugehörige Distanzhülse 20 eingepresst werden kann, müssten daher bei der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Lösung alle Presspassungen - also die im Vergleich zur Zylinderzahl der Brennkraftmaschine doppelte Anzahl - gleichzeitig hergestellt werden. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass ein Fachmann auf naheliegende Weise zu einer derartig komplizierten Montagereihenfolge gelangen würde.
Daher scheint es auch bei diesem Ansatz unerheblich zu sein, ob dem Fachmann aus Figur 1 der D3 oder aus D18 - ungeachtet deren Zulassung zum Beschwerdeverfahren - diametral überdimensionierte Gewinde bekannt sind, die ein radiales Spiel haben und somit die radiale Ausrichtung von Bauteilen ermöglichen.
6.1.4 Aus diesen Gründen wird der von Figur 3 der D3 ausgehende Fachmann nicht auf naheliegende Weise im Versteifungsbauteil 6" ein dem Gewinde des Schraubenbolzens 26 des Abstützelements korrespondierendes Gewinde vorsehen, um beim Einbau des Abstützelements eine praktisch spannungsfreie Montage zu erreichen.
6.2 Im Hinblick auf die weiteren Angriffe, die von Figur 1 der D3, von D5, D7, D8 oder D17 ausgehen, hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitte 5.1 bis 5.3, die Auffassung vertreten, dass keine der angeführten Kombinationen den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nahelegen. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"5.1 ...
Was die prima facie Relevanz anbelangt, scheint D17 nicht die Merkmale M6 und M9, also dass das Abstützelement "cylindrical projections 14x" (relativ zum Versteifungselement "reinforcing member 3") lageveränderbar ist, und dass es ein Gewinde aufweist, zu offenbaren. Wegen der Ausgestaltung des Abstützelements als Teil des Versteifungselements in D17 scheint sich dem Fachmann die in Absatz 5 des Patents genannte objektive technische Aufgabe zu stellen. In der mit D17 kombinierten D16 scheinen zwar die Merkmale M6 und M9 offenbart zu werden (die Figuren 1, 4 und 5 zeigen ein Abstützelement in Form der Hülse 101 mit dem Gewinde 104). Die Schraube 200, welche der Schraube 41 in D17 entspricht, scheint jedoch beim Toleranzausgleich während der Montage ein Innengewinde 102 der Hülse zerstören zu müssen (D16, Seite 6, Zeilen 1-6). Aus Sicht der Kammer ist daher fraglich, ob ein Fachmann D16 zur Weiterbildung der D17 heranziehen würde, da Späne des zerstörten Gewindes in den Ölkreislauf der Brennkraftmaschine gelangen könnten. Aus diesen Gründen scheint eine Kombination der D17 in Zusammenschau mit D16 für die Frage der erfinderische Tätigkeit prima facie nicht relevanter zu sein als die vor der Einspruchsabteilung vorgetragenen und geprüften Kombinationen.
...
5.2 Ausgehend von D5, D7, D8
Ungeachtet der Zulassung der D16 ist es wegen der Zerstörung des Innengewindes in D16 ebenfalls fraglich, ob der von D5 (Figur 4), D7 (Figur 1) oder D8 (einzige Figur) ausgehende Fachmann D16 zur Lösung der jeweiligen objektiven technischen Aufgabe heranzuziehen würde.
5.3 Ausgehend von D3
Die Ausführungsform gemäß Figur 1 der D3 scheint nicht zu offenbaren, dass die als Abstützelement angesehene Distanzhülse 13 zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel 3 ausgebildet ist (siehe Absatz 4.2 dieses Bescheids). Da der Schraubenbolzen 5 einer direkte Auflage der Distanzhülse auf dem Lagerdeckel entgegensteht, scheint diese Ausführungsform keinen aussichtsreichen Startpunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit darzustellen."
Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
6.3 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem angezogenen Stand der Technik, Artikel 56 EPÜ. Somit kann die Frage der Zulassung von D16-D19 dahingestellt bleiben.
7. Die Kammer bejaht aus den obengenannten Gründen die Zulässigkeit der Änderungen, die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit für den Hauptantrag, Patent wie nach Hilfsantrag 2 aufrechterhalten, im Lichte der genannten Entgegenhaltungen. Weitere Einwände sind nicht geltend gemacht worden.
Daher bestätigt die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag 2 gemachten Änderungen nach Artikel 101(3) (a) EPÜ aufrecht zu erhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.