T 0655/18 08-03-2021
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GEFÄRBTE, WASSERLÖSLICHE VERPACKUNG
Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Entscheidung im schriftlichen Verfahren - (ja)
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 13 739 641.2 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. In der angefochtenen Entscheidung sind folgende Entgegenhaltungen zitiert:
D1 WO 2008/073299 A1,
D5 GB 2 475 538.
III. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass der jeweilige Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrages nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D5 sei und dass der jeweilige Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrages keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehren der Dokumente D5 und D1 aufweise.
IV. Mit der Beschwerde verfolgte die Beschwerdeführerin zunächst ihr Begehren auf Patenterteilung auf der Basis der beiden der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchssätze fort.
V. In einer am 16. November 2020 durchgeführten telefonischen Rücksprache wurde der Beschwerdeführerin die vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt, wonach die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags keine erfinderische Tätigkeit und die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrags eine Unklarheit aufwiesen. Es wurde der Beschwerdeführerin anheimgestellt, einen neuen Hauptantrag auf der Basis des (klargestellten) Hilfsantrags, inklusiver angepasster Beschreibung, einzureichen.
VI. Die Beschwerdeführerin antwortete hierauf mit Schriftsätzen vom 11., 19. und 25. Januar 2021 und beantragte schließlich
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Erteilung eines Patents auf der Basis der mit
Schriftsatz vom 25. Januar 20221 eingereichten
Unterlagen (neuer Hauptantrag nebst daran
angepasster Beschreibung).
VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags lauten wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung einer wasserlöslichen Verpackung, die ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel und eine zumindest teilweise mit einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus, eingefärbte, aus wasserlöslichem Folienmaterial gebildete, wasserlösliche Umhüllung enthält, umfassend die Schritte:
a) Bereitstellen einer ersten wasserlöslichen Folienbahn,
b) Bedrucken der ersten wasserlöslichen Folienbahn mit einem Medium, das die farbgebende Substanz enthält,
c) Ausbilden wenigstens einer Kavität in der ersten wasserlöslichen Folienbahn,
d) Befüllen der wenigstens einen Kavität mit einem Produkt, wobei das Produkt ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel ist, und
e) Verschließen der Kavität mit einer zweiten wasserlöslichen Folienbahn,
wobei die Bedruckung der ersten wasserlöslichen Folienbahn derart erfolgt, dass sich die farbgebende Substanz auf der inneren Oberfläche der wasserlöslichen Umhüllung befindet."
"2. Verfahren zur Herstellung einer wasserlöslichen Verpackung, die ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel und eine zumindest teilweise mit einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus, eingefärbte, aus wasserlöslichem Folienmaterial gebildete, wasserlösliche Umhüllung enthält, umfassend die Schritte:
a) Ausbilden wenigstens einer Kavität in der ersten wasserlöslichen Folienbahn,
b) Befüllen der wenigstens einen Kavität mit einem Produkt, wobei das Produkt ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel ist,
c) Bereitstellen einer zweiten wasserlöslichen Folienbahn,
d) Bedrucken der zweiten wasserlöslichen Folienbahn mit einem Medium, das die farbgebende Substanz enthält und
e) Verschließen der Kavität mit der zweiten wasserlöslichen Folienbahn,
wobei die Bedruckung der zweiten wasserlöslichen Folienbahn derart erfolgt, dass sich die farbgebende Substanz auf der inneren Oberfläche der wasserlöslichen Umhüllung befindet."
VIII. Die Argumentation der Beschwerdeführerin zur Unrichtigkeit bzw. zur Überwindung der Feststellungen der Prüfungsabteilung zum der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag wird in den Entscheidungsgründen im Detail abgehandelt.
Verfahrensaspekte
1. Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020.
Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des umfänglichen schriftsätzlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif. Der von der Beschwerdeführerin zu Verfahrensbeginn hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung kommt angesichts des Ausspruches dieser Entscheidung in Form der Stattgabe der Beschwerde auf der Basis der im Schriftsatz vom 25. Januar 2021 als Hauptantrag angegebenen Unterlagen nicht zum Tragen; dieser verfahrensrechtliche Hilfsantrag wurde ohnehin im genannten Schriftsatz nicht wiederholt.
Hauptantrag
2. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
2.1 Anspruch 1 entspricht der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 10 und 2, zusammen mit der ersten Alternative des ursprünglich eingereichten Anspruchs 12, und mit folgenden Präzisierungen:
- die Umhüllung ist aus wasserlöslichem Folienmaterial gebildet (dritter Absatz der Seite 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung),
- das Produkt, welches in die Kavität gefüllt wird, ist ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel (dritter Absatz der Seite 7 der ursprünglich eingereichten Beschreibung).
2.2 Anspruch 2 entspricht der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 11 und 2, zusammen mit der ersten Alternative des ursprünglich eingereichten Anspruchs 12, und mit folgenden Präzisierungen:
- die Umhüllung ist aus wasserlöslichem Folienmaterial gebildet (dritter Absatz der Seite 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung),
- das Produkt, welches in die Kavität gefüllt wird, ist ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel (dritter Absatz der Seite 7 der ursprünglich eingereichten Beschreibung).
2.3 Ansprüche 3 und 4 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 6 und 7.
2.4 Der einleitende Absatz der Anmeldung wurde an den geänderten Anspruchswortlaut angepasst. Die in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Entgegenhaltungen D1 und D5 wurden gewürdigt (Seite 1, letzter vollständiger Absatz und die Seiten 1 und 2 überbrückender Absatz). Die der Anmeldung zugrundeliegende technische Aufgabe und deren technische Lösung wurden auf Grundlage der in der angefochtenen Entscheidung erwähnten D5 neu formuliert (Seite 2, erste zwei vollständige Absätze). Die Beschreibung wurde an den geänderten Anspruchswortlaut angepasst (Seite 2, fünfter vollständiger Absatz und Seiten 4 bis 12). Die nicht erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele 1 und 2 sowie der Verweis auf die Figur 1 und die Figur 1 selbst wurden gestrichen (Seiten 13 und 14).
2.5 Folglich erfüllen diese Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
3. Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit, Artikel 52 und 56 EPÜ
3.1 Offenbarungsgehalt der D5
3.1.1 In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Prüfungserteilung (Seite 5, dritter Absatz) erachtet die Kammer, dass der Verfahrensschritt des Anspruchs 1 betreffend das Befüllen der wenigstens einen Kavität mit einem Produkt, wobei das Produkt ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel ist, aus D5 nicht bekannt ist.
3.1.2 Die Kammer teilt andererseits die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach D5 keine Kombination einer innenseitigen Bedruckung einer wasserlöslichen Umhüllung mit einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus, offenbart.
3.1.3 Die allgemeine technische Lehre der D5 betrifft nämlich ein kontinuierliches, maschinelles Thermoform-Herstellverfahren für wasserlösliche Beutel (Seite 4, Zeilen 13 bis 16). Darin wird zwingend entsprechend dem ersten Aspekt der Erfindung gemäß den Figuren 1 bis 3 der zweite wasserlösliche Film zum Verschließen der Beutel mit einer mit Lösemittel getränkten Filzrolle 15 durch anfeuchten klebrig gemacht und anschließend in einer Kombination aus Heißsiegelung und Lösemittelverkleben verschlossen. Es ist für diesen Prozess gemäß Lehre der D5 wichtig, dass eine hinreichende Menge an Lösemittel mit der Filzrolle 15 auf die Oberfläche des Films aufgetragen wird, da sonst die für die Versiegelung notwendige Klebrigkeit nicht erreicht wird (Seite 9, Zeilen 15 bis 17).
3.1.4 In einem weiteren Aspekt der Erfindung gemäß D5 wird beschrieben, dass der für die Verpackung benutzte Film beschichtet sein kann. Als für eine Beschichtung des Films geeignet sieht die Lehre der D5 jede Substanz vor, welche das für das Lösemittelverkleben des Verfahrens der D5 genutzte Lösemittel als Medium nutzen kann und darin löslich oder homogen dispergierbar ist. Die Beschichtung mit besagter Substanz kann gemäß D5 neben anderen explizit genannten Möglichkeiten (d.h. Parfum, Enzyme, Aktivstoffe) auch eine Färbung sein (Seite 10, Zeilen 10 bis 12). Ebenso kann der Film bedruckt werden (Seite 7, Zeilen 1 bis 3).
3.1.5 Die Lehre der D5 differenziert somit explizit zwischen Beschichtung und Bedruckung des Films.
3.1.6 Für die Beschichtung oder Bedruckung ("coated or printed in line") ist eine Rolle vorgesehen, welche zwischen der Vorratsrolle des Films und der Rolle zur Heißsiegelung montiert ist (Seite 7, Zeilen 1 bis 3).
3.1.7 In einer dritten Ausführungsform ist in Bezug auf eine beidseitige Behandlung des Films nur eine Beschichtung und keine Bedruckung erwähnt (Seite 10, Zeilen 8 bis 10). Dabei wird in der Ausführungsform gemäß der Abbildung 5 durch die Rolle 15 eine Beschichtung aus dem im Vorratsgefäß 34 befindlichen Beschichtungsmedium auf den Film aufgebracht. Dabei kann die Beschichtung ("a coating") eine Färbung ("a colouring") mit einer gelösten Tinte oder mit suspendierten Pigmenten sein (Seite 7, Zeilen 15 bis 18). Der Fachmann entnimmt daher der Abbildung 5 eine Filzrolle 15 zur vollflächigen Beschichtung der Oberfläche des Films mit Beschichtungsmaterial aus dem Vorratsgefäß 34. Somit zeigt Abbildung 5 keine Bedruckung, sondern nur eine Beschichtung des Films.
3.1.8 Folglich wird in D5 an keiner Stelle eine innenseitige Bedruckung einer wasserlöslichen Umhüllung mit einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus, offenbart.
3.2 Unterscheidungsmerkmale
D5 offenbart daher weder das Befüllen der wenigstens einen Kavität mit einem Produkt, wobei das Produkt ein flüssiges Wasch- oder Reinigungsmittel ist, noch eine innenseitige Bedruckung einer wasserlöslichen Umhüllung mit einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus.
3.3 Aufgabe
3.3.1 Die Kammer folgt der entsprechenden Argumentation der Beschwerdeführerin und erachtet, dass die zu lösende Aufgabe darin zu sehen ist, bei der Herstellung einer wasserlöslichen Verpackung, die ein flüssiges Wasch-oder Reinigungsmittel und eine wasserlösliche Umhüllung umfasst, ein beständiges Druckbild auf der wasserlöslichen Umhüllung zu erzeugen, das gegen Verwischen oder Verschwinden und gegen mechanische Reibung stabil ist.
3.4 Lösung
Diese zu lösende Aufgabe wird durch die unter Punkt 3.2 oben angegebenen Unterscheidungsmerkmale gelöst.
3.5 Diskussion der erfinderische Tätigkeit
3.5.1 D1 betrifft die Verwendung gefärbter Flüssigkeiten, um die Wahrnehmung eines auf einem Film einer Einheitsdosis befindlichen Druckbildes zu verbessern (Seite 1, erster Absatz und Seite 2, dritter Absatz). Grund für den Effekt ist gemäß D1, dass die gefärbte (bevorzugt detergenthaltige) Flüssigkeit wegen ihrer gleichmäßigen Lichtdurchlässigkeit das auf dem Film befindliche Druckbild klarer erscheinen lässt (Seite 2, Zeilen 5 bis 9 des vorletzten Absatzes).
3.5.2 Bezogen auf eine innenseitige Bedruckung lehrt D1, dass das Druckbild des Films in unmittelbarem Kontakt mit der flüssigen Zusammensetzung stehen oder auf der äußeren Oberfläche sein kann (Seite 3, vierter kompletter Absatz). Dabei ist gemäß D1 bevorzugt, die Bedruckung auf der außenliegenden Seite des Films zu platzieren, die nicht direkt mit der Flüssigkeit in Kontakt steht (Seite 17, Zeilen 2 bis 4).
3.5.3 Die Lehre der D1 offenbart mit Blick auf die zur Bedruckung genutzten Mittel zur Einfärbung, dass gewöhnlich eine Bedruckung mit Tinten oder Farbstoffen erfolgen kann (Seite 16, Zeilen 2 bis 3 des letzten kompletten Absatzes). In D1 ist an keiner Stelle erwähnt, dass das Bedrucken auf dem Film mittels einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus, erfolgen soll.
3.5.4 Da D1 die unter Punkt 3.3 oben genannten Aufgabe nicht adressiert, zöge der Fachmann D1 zur Lösung dieser Aufgabe die D5 erst gar nicht heran. Da die D1 das Bedrucken auf dem Film mittels einer farbgebenden Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Pigmenten, Bläuungsmitteln, Perlglanzmitteln und Mischungen daraus, nicht offenbart, kann sich der Gegenstand des Anspruchs 1 auch nicht in naheliegender Weise aus der Kombination der Lehren der D5 und der D1 ergeben.
3.5.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist somit eine erfinderische Tätigkeit auf.
3.6 Anspruch 2 - erfinderische Tätigkeit, Artikel 52 und 56 EPÜ
3.6.1 Die unter Punkt 3.5 oben angegebenen Schlussfolgerungen der Kammer gelten entsprechend auch für den Gegenstand des Anspruchs 2.
3.6.2 Der Gegenstand des Anspruchs 2 weist daher ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit auf.
3.7 Die Angelegenheit ist vorliegend insoweit entscheidungsreif, als die Beschwerdeführerin in überzeugender Weise das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit bei den Gegenständen der unabhängigen Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags gegenüber der Kombination der Lehre der D5 mit der Lehre der D1 dargetan hat. Da keine weiteren Einwände gegen die Patentierbarkeit des Hauptantrags offensichtlich sind und die Beschreibung entsprechend angepasst wurde, ist der Beschwerde der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags statt zu geben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der
Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung
zu erteilen:
Ansprüche
1 bis 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Januar 2021;
Beschreibung
Seiten 1 bis 8, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Januar 2021.