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T 0678/18 (Einstellbare Ventil-Ruheöffnung/DANFOSS) 14-01-2021
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Ventilanordnung zum Anschließen eines Wärmetauschers einer Wasserentnahmevorrichtung an ein Fernwärmenetz
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der vorliegenden europäischen Patentanmeldung. Die Zurückweisungsgründe waren mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags im Hinblick auf Dokument
D1: DE 102 54 239 A1
in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen. In der Zurückweisungsentscheidung wurden zudem die folgenden Dokumente genannt:
D2: GB 802 217 A
D3: EP 0 466 010 A1
D4: DE 196 18 093 C2.
II. In ihrer Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ein Patent auf der Basis des dieser zugrunde liegenden Hauptantrags oder alternativ des Hilfsantrags zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020 reichte sie einen Satz geänderter Ansprüche zur Klarstellung von abhängigen Ansprüchen als neuen Hauptantrag ein.
III. Anspruch 1 gemäß diesem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Ventilanordnung zum Anschließen eines Wärmetauschers (1) einer Warmwasserentnahmevorrichtung an ein Fernwärmenetz mit einem primärseitigen Ventil (20), das einen Durchfluss von Wärmeträgerfluid durch eine Primärseite (2) des Wärmetauschers (1) steuert, und einem druckgesteuerten sekundärseitigen Ventil (40), das auf einem Durchfluss von Brauchwasser durch eine Sekundärseite (3) des Wärmetauschers (1) einwirkt, wobei das primärseitige Ventil (20) durch das sekundärseitige Ventil (40) betätigbar ist, wobei das sekundärseitige Ventil (40) einen an einer Membran (41) angeordneten Ventilsitz (42) und ein stationäres Ventilelement (43) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass,
wenn auf der Sekundärseite (3) kein Brauchwasser entnommen wird, das sekundärseitige Ventil (40) nicht geschlossen ist, sondern eine kleine Ruheöffnung aufweist, wobei die Membran (41) in einer Ruhestellung ist, und dass die Position des Ventilelements (43) relativ zu der Ruhestellung der Membran (41) einstellbar ist, so dass das sekundärseitige Ventil (40) eine einstellbare Ruheöffnung (44) aufweist."
IV. Bei den Ansprüchen 2 bis 12 des Hauptantrags handelt es sich um abhängige Ansprüche.
1. Die Erfindung
Die vorliegende Erfindung betrifft eine Ventilanordnung mit einem primärseitigen Ventil (20) zum Anschließen eines Wärmetauschers (1) an ein Fernwärmenetz und einem sekundärseitigen Ventil (40), das auf den Durchfluss von Brauchwasser durch die Sekundärseite (3) des Wärmetauschers einwirkt. Das primärseitige Ventil wird mittels eines Temperaturfühlers (10) und eines Balgenelements (24) so gesteuert, dass das primärseitige Ventil den Rücklauf des Wärmetauschers schließt, wenn die Temperatur im Wärmetauscher ansteigt. Auf diese Weise wirkt das primärseitige Ventil als temperaturgesteuertes Ventil (Anmeldung wie veröffentlicht, Figur 1 und Seite 1, Zeilen 1 bis 8; Seite 7, Zeilen 17 bis 22 und Seite 8, Zeilen 6 bis 26).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Der Strom von Brauchwasser durch die Sekundärseite des Wärmetauschers wird durch das sekundärseitige Ventil gesteuert, welches eine Membran (41) aufweist, an der ein Ventilsitz (42) befestigt ist. Das sekundärseitige Ventil öffnet, wenn ein Unterdruck am Ausgang (9) entsteht, d.h. Brauchwasser entnommen wird, und damit die Membran ausgelenkt wird. Da das sekundärseitige Ventil über einen Stößel (47) mit dem primärseitigen Ventil verbunden ist, öffnet das primärseitige Ventil auch dann proportional zur Öffnung des sekundärseitigen Ventils, wenn das sekundärseitige Ventil öffnet, d.h. wenn eine Brauchwasseranforderung vorliegt (siehe Seite 9, Zeile 5 bis Seite 11, Zeile 2).
Damit im sekundärseitigen Ventil im Ruhezustand ein Druckausgleich vor und hinter der Membran stattfindet, muss eine Ruheöffnung vorhanden sein, die für eine hohe Ansprechgeschwindigkeit des primärseitigen Ventils möglichst klein sein sollte. Entsprechend der Erfindung wird die Ruheöffnung durch ein einstellbares Ventilelement (43) relativ zu der Ruhestellung der Membran des sekundärseitigen Ventils justiert (siehe Seite 2, Zeilen 11 bis 27).
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
2.1 Es ist unstrittig, dass D1 den nächstliegenden Stand der Technik im Hinblick auf den Gegenstand von Anspruch 1 darstellt.
2.1.1 D1 zeigt eine Ventilanordnung (10) zum Anschließen eines Wärmetauschers (32) einer Warmwasserentnahmevorrichtung an ein Fernwärmenetz (D1, Absatz [0001] und Figuren 1a, 1b und 2) mit einem primärseitigen Ventil (12), das den Durchfluss eines Wärmeträgerfluids durch eine Primärseite des Wärmetauschers steuert.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Ventilanordnung weist ein druckgesteuertes sekundärseitiges Ventil (11) auf, das auf den Durchfluss von Brauchwasser durch die Sekundärseite des Wärmetauschers einwirkt. Zudem ist das primärseitige Ventil durch das sekundärseitige Ventil betätigbar (D1, Absatz [0015]). Das sekundärseitige Ventil weist einen an einer Membran (14) angeordneten Ventilsitz (15a) und ein stationäres Ventilelement (Kegel 27) auf (D1, Absatz [0016], erster Satz).
2.1.2 Es ist strittig, ob D1 - wie in Anspruch 1 angegeben - zeigt, dass:
a) wenn auf der Sekundärseite kein Brauchwasser entnommen wird, das sekundärseitige Ventil (11) nicht geschlossen ist, sondern eine kleine Ruheöffnung aufweist, wobei die Membran (14) in einer Ruhestellung ist.
Dagegen besteht Einigkeit darüber, dass D1 nicht zeigt, dass
b) die Position des Ventilelements (15a) relativ zu der Ruhestellung der Membran (14) einstellbar ist, so dass das sekundärseitige Ventil (11) eine einstellbare Ruheöffnung aufweist.
2.1.3 Die Beschwerdeführerin stützt ihre Argumentation hinsichtlich Merkmal a unter anderem auf die Beschreibung von D1, Absatz [0016], nach dem
"die Rückstellkraft der Druckfeder 26 [bewirkt] ... dass bei fehlendem Wasserzulauf durch den Zulaufstutzen 17 schließlich die Hülse 15 sich mit ihrem Sitz 15a an den festen Kegel 27 des Ventilgehäuses 11 anlegt und die Ventilmembraneinheit verschließt ...".
Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, diese Passage deute darauf hin, dass das Ventil keine Ruheöffnung aufweise, sondern höchstens eine ungewollte und undefinierte Leckage.
2.1.4 Die Prüfungsabteilung hingegen verstand diesen Satz so, dass er sich nur auf den Zustand bezog, in dem kein Wasserdruck in der Kaltwasserversorgungsleitung 34 vorhanden war und folglich das sekundärseitige Ventil als Rückschlagventil arbeitete. Diese Textstelle sei jedoch für den Zustand, in dem Wasserdruck an der Versorgungsleitung herrsche, aber kein Brauchwasser entnommen werde, irrelevant. D1 mache keine expliziten Angaben über diesen letzten Zustand, in dem kein Brauchwasser entnommen werde.
2.1.5 Die Kammer stimmt zu, dass sich Absatz [0016] von D1 auf den Spezialfall "nachlassenden Wasserdrucks" bzw. "fehlenden Wasserzulaufs durch den Zulaufstutzen 17" bezieht. Damit ist dieser Passage wie auch der gesamten Beschreibung von D1 kein eindeutiger Hinweis hinsichtlich des Vorliegens oder Fehlens einer Ruheöffnung zu entnehmen.
2.1.6 Die Argumentation der Prüfungsabteilung zur Offenbarung von Merkmal a in D1 stützt sich daher im Wesentlichen auf die Zeichnungen von D1. Die Figuren 1a und 1b von D1 zeigen das sekundäre Ventil in geöffnetem bzw. geschlossenem Zustand. Die Prüfungsabteilung argumentiert, dass Figur 1b von D1 entnommen werden könne, dass in der Schließstellung des sekundärseitigen Ventils 11 der Stift 19 in keinem Kontakt mit dem Stößel 20 stehe und folglich die Druckfeder 26 keine Kraft auf die Membran 14 ausüben könne. Daraus folge, dass in diesem Zustand die auf die Membran 14 wirkenden Kräfte lediglich von dem Wasserdruck auf den beiden Seiten der Membran kommen könnten. Da diese Kräfte ausgeglichen sein müssten, wären der Wasserdruck stromauf und stromab der Membran gleich, so dass die Membran in einer Ruhestellung sei. Abgesehen von Rückschlagsituationen könne dies im stabilen Zustand nur dann geschehen, wenn zumindest eine kleine Öffnung in der Schließstellung des sekundärseitigen Ventils bleibe, die die stets vorhandenen Undichtigkeiten auf der Sekundärseite kompensiere.
Zudem weist die Prüfungsabteilung auf die den Durchfluss symbolisierenden Pfeile in Figur 1a und 1b hin, wobei der Durchfluss durch das primärseitige Ventil 12 mit dünnen Pfeilen und der Durchfluss durch das sekundärseitige Ventil 11 mit dicken Pfeilen angedeutet werde. Daraus folge, dass es auch in der in Figur 1b angezeigten Stellung des Ventils einen gewissen Durchfluss durch das sekundärseitige Ventil 11 gebe.
2.1.7 Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, dass die Pfeile, welche in Figur 1a und 1b den Durchfluss symbolisieren sollen, nicht als Indiz dafür dienen können, dass auch in gesperrtem Zustand des sekundärseitigen Ventils 11 eine Ruheöffnung vorhanden ist. Da die Pfeile im sekundärseitigen Ventil 11 in beiden Figuren gleich groß sind, ergibt sich vielmehr der Eindruck, dass die Pfeile lediglich von Figur 1a in die Figur 1b (außer im Bereich der Membranhülse 15) kopiert wurden.
Die Kammer stimmt mit der angefochtenen Entscheidung überein, dass der Stift 19 in der Stellung nach Figur 1b nicht in Kontakt mit dem Stößel 20 steht. Damit übt die Druckfeder 26 keine Kraft auf die Membran 14 aus. Merkmal a erfordert aber, dass die Membran in einer Ruhestellung ist, wenn das sekundärseitige Ventil die kleine Ruheöffnung aufweist. Eine Ruhestellung der Membran 14 von D1 liegt - wenn überhaupt - aber nur dann vor, wenn das Ventil komplett geschlossen ist, da die Membran 14 an den Seitenwänden des Ventilgehäuses die Hülse 15 mit ihrem Sitz 15a nach unten zieht und auf dem Kegel 27 fixiert. Eine Ruheöffnung des Ventils ist jedoch in diesem Zustand nicht zu erkennen.
Die Kammer folgt daher der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass es eine Kraft gibt, die das Ventil bei gleichem Druck auf beiden Seiten der Membran schließt. Da bei geschlossenem sekundärseitigen Ventil die Druckangriffsfläche für den Druck stromab der Membran 14 größer ist als für den Druck stromauf, ist zudem nachvollziehbar, dass bei Undichtigkeiten der Sekundärseite eine oszillierende Auf/Zu-Bewegung der Membran 14 erfolgt.
2.1.8 Die Prüfungsabteilung stützte ihre Argumentation zum Vorliegen einer Ruheöffnung auch auf die Anmeldung selbst (Seite 2, Zeilen 14 bis 15), welche in dieser Passage konstatiert:
"Eine kleine Öffnung muß vorhanden sein, damit ein Druckausgleich stattfinden kann."
Diese Passage kann aus Sicht der Kammer nur so verstanden werden, dass sie sich auf den in der Anmeldung genannten Stand der Technik D4 bezieht (siehe Anmeldung, Seite 1, Zeile 10). D4 zeigt jedoch kein stationäres Ventilelement und wurde daher auch von der Prüfungsabteilung nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die Passage lässt zudem nicht den Schluss zu, dass bei anderer Gestaltung der Membran und des Ventilsitzes ebenfalls eine Ruheöffnung vorhanden sein muss.
2.1.9 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von der Offenbarung von D1 durch die Merkmale a und b.
2.2 Ausgehend von Dokument D1 wird durch die Unterscheidungsmerkmale a und b die Ansprechgeschwindigkeit der Ventilbaugruppe bei einer Brauchwasseranforderung verbessert. Die entsprechende objektive technische Aufgabenstellung ist daher, "die Dynamik der Ventilbaugruppe von D1 zu verbessern".
2.3 Dokument D1 enthält keinen Hinweis auf eine Ruheöffnung. Zwar könnte die Fachperson eines der Dokumente D3 oder D4 heranziehen, die so verstanden werden könnten, dass sie eine Ruheöffnung zeigen (siehe D3, Figur 2 und Spalte 4, Zeilen 5 bis 18 sowie D4, Figur 2 zusammen mit Spalte 3, Zeilen 38 bis 43). Es ergibt sich aber - auch unter Berücksichtigung der "Gesetze der Hydraulik" (siehe Punkt 1.1, letzter Absatz der angefochtenen Entscheidung) - kein Hinweis darauf, die Ruheöffnung einstellbar zu machen, geschweige denn dies durch ein einstellbares Ventilelement in einer Ruhestellung der Membran zu realisieren.
2.4 Damit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D1 (Artikel 56 EPÜ).
3. Es sind auch keine anderen Gründe ersichtlich, die einer Patenterteilung gemäß vorliegendem Hauptantrag entgegenstehen würden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Basis folgender Unterlagen zu erteilen:
- Beschreibung: Seiten 1 und 2 eingereicht mit
Schriftsatz vom 7. September 2017; Seiten 3 bis 13 wie veröffentlicht;
- Ansprüche: Nr. 1 bis 12 eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020;
- Zeichnungen: Blatt 1/2 und 2/2 in der veröffentlichten Fassung.