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T 0939/18 (POLYMERKÖRPER/HENKEL) 11-01-2021
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WASCHEN MIT POLYMERKÖRPERN
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein)
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 494 020 zurückzuweisen.
Anspruch 1 wie erteilt (auch Hauptantrag) lautet:
"1. Verfahren zum Reinigen und/oder Konditionieren von textilen Flächengebilden, bei dem die feuchten, zu reinigenden und/oder zu konditionierenden textilen Flächengebilde mit einer Formulierung, enthaltend
a) wenigstens einen Polymerkörper, der ein Polymer ausgewählt aus der Gruppe der Polyalkylene, der Polyamide und Mischungen daraus enthält und dessen maximale räumliche Ausdehnung im Bereich von 1 bis 10 mm liegt,
b) eine Waschmittelzusammensetzung und
c) Wasserstoffperoxid (H2O2) in Kontakt gebracht werden."
II. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Einsprechende (Beschwerdeführerin), das Streitpatent mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit vollständig zu widerrufen. Sie reichte zudem Dokumente D23 bis D29 ein.
III. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) ein neues Dokument D30 ("Polymer Degradation and Stability", Elsa Silva et al.) sowie fünf Hilfsanträge ein, und sie beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 5 in geändertem umfang aufrechtzuerhalten. Außerdem beantragte sie, die von der Beschwerdeführerin neu eingereichten Dokumente ins Verfahren nicht zuzulassen.
Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ist identisch mit dem des Hauptantrags.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 entspricht dem des Hauptantrags, wobei Punkt b) wie folgt lautet (hervorgehobene Änderungen):
"b) eine Waschmittelzusammensetzung, worin bezogen auf die gesamte Waschmittelzusammensetzung der Gehalt an nichtionischen Tensiden 7 bis 20 Gew.-% beträgt"
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 entspricht dem des Hauptantrags, mit folgender (hervorgehobene) Änderung:
"b) eine Waschmittelzusammensetzung, worin bezogen auf die gesamte Waschmittelzusammensetzung der Gehalt an nichtionischen Tensiden 7 bis 20 Gew.-% und der
Gehalt an anionischen Tensiden 5 bis 30 Gew.-% beträgt."
Anspruch 8 des Hilfsantrags 4 lautet:
"8. Kit zum Reinigen und/oder Konditionieren von textilen Flächengebilden, umfassend
a) wenigstens einen Polymerkörper, der ein Polymer ausgewählt aus der Gruppe der Polyalkylene, der Polyamide und Mischungen daraus enthält und dessen maximale räumliche Ausdehnung im Bereich van 1 bis 10 mm liegt,
b) eine Waschmittelzusammensetzung, worin jeweils bezogen auf die gesamte Waschmittelzusammensetzung der Gehalt an nichtionischen Tensiden 7 bis 20 Gew.-% und der Gehalt an anionischen Tensiden 5 bis 30 Gew.-% beträgt, und
c) Wasserstoffperoxid (H2O2)."
IV. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 hielt die Kammer den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträge 1, 2 und 5 in Anbetracht des Dokuments D6 (WO 2007/128962) als für nicht erfinderisch.
V. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2020 nahm die Beschwerdeführerin zu den Hilfsanträgen 3 und 4 Stellung und argumentierte, dass ihr Gegenstand gegenüber D6 in Verbindung mit dem allgemeinem Fachwissen nach Dokumenten D21 (Handbook of Detergents, Part D, CRC Press, 2006, Seiten 56, 57, 89, 90) und D22 (Liquid Detergents, CRC Press, 2006, Seiten 240 und 248) nicht erfinderisch sei.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Januar 2021 statt. Wie mit Schreiben vom 27. November 2020 angekündigt, war die Patentinhaberin nicht vertreten.
VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung blieb die Beschwerdeführerin bei ihrem ursprünglichen Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
1. Zulassung der neu eingereichten Dokumente D23-D30
1.1 Die Einsprechende reichte die Dokumente D23-D29 mit ihrer Beschwerdebegründung ein, um gewisse Einwände nach Artikel 54 und 56 EPÜ gegen den Hauptantrag zu stützen. Da die Kammer in Bezug auf den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1-3 zugunsten der Einsprechenden entschieden hat und diese Dokumenten weder in den Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung zur Begründung der Einwände gegen den Hilfsantrag 4 angeführt wurden, ist über die Frage ihrer Zulassung nicht zu entscheiden.
1.2 Das von der Patentinhaberin neu zitierte Dokument D30 wird zur Darstellung neuer Tatsachen verwendet, um Einwände zu bestreiten, die bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens erhoben wurden. Dieses Dokument hätte daher bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt werden müssen. Folglich wird es als verspätet betrachtet und in das Verfahren nicht zugelassen (Artikel 12(4) VOBK 2007).
2. Hilfsanträge 3 und 4 - Zulassung
2.1 Die Hilfsanträge 3 und 4 wurden von der Patentinhaberin mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren keine Einwände gegen die Zulässigkeit dieser Anträge erhoben. Ein Einwand gegen deren Zulässigkeit wurde zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin konnte jedoch keinen Grund für die verspätete Erhebung dieses Einwands angeben.
2.2 Die Kammer kann daher keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 13(2) RPBA 2020 erkennen, der die Zulassung dieses verspätet erhobenen Einwands rechtfertigen könnte. Der Einwand wird daher gemäß Artikel 13(2) RPBA 2020 nicht zum Verfahren zugelassen.
2.3 Die Kammer sieht auch keinen Grund, von ihrem Ermessen nach Artikel 12(4) RPBA 2007 von Amts wegen Gebrauch zu machen, diese Anträge nicht zuzulassen. Die Hilfsanträge 3 und 4 sind somit Teil des Verfahrens.
3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Der Einspruchsgrund unter Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht aus folgenden Gründen der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegen.
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
Dokument D6 (Seite 2, Zeilen 1-6) offenbart ein Reinigungsverfahren zur effizienten Fleckentfernung, in dem ein Substrat mit einer Formulierung umfassend eine Vielzahl von Polymerteilchen aus Polyamid (Seite 3, Zeilen 3-5) und gegebenenfalls mindestens eine Reinigungssubstanz in Kontakt gebracht wird (Ansprüche 1 und 12). Der Durchmesser der Polymerteilchen liegt zwischen 1.5 und 6.0 mm (Seite 4, Zeile 1), und fällt somit in den beanspruchten Bereich. Die Formulierung umfasst vorzugsweise anionische, kationische und/oder nichtionische Tenside (Anspruch 15), wobei nichtionische Tenside bevorzugt sind (Seite 3, Zeilen 17-18).
Dokument D6 offenbart also ein Reinigungsverfahren, das dem der Erfindung in den technischen Merkmalen und in der gelösten Aufgabe sehr ähnlich ist. Die Kammer stimmt daher mit den Parteien darin überein, dass dieses Dokument den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von D6 dadurch, dass Wasserstoffperoxid zugegeben wird.
3.2 Aufgabe
Gemäß dem Streitpatent (Absatz [0006]) besteht diese darin, eine verbesserte Fleckenentfernung bei einer Vielzahl Fleckentypen zu erzielen.
3.3 Lösung
Zur Lösung der obengenannten Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die textilen Flächengebilde bzw. die Substrate in Kontakt mit Wasserstoffperoxid gebracht werden.
3.4 Erfolg der Lösung
Die Vergleichtests im Streitpatent (Absätze [0052]-[0056]; Tabelle 2) belegen, dass die Fleckenentfernung bei einer Vielzahl von Fleckentypen durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid verbessert wird. Diese Zugabe erfolgt jedoch im Rahmen einer Waschzusammensetzung, die anionische und nichtionische Tenside enthält, von denen allgemein bekannt ist, dass sie - auch in Kombination mit Bleichmitteln - die Entfernung verschiedener Arten von Flecken verbessern. Da in Anspruch 1 nicht definiert ist, dass die Waschzusammensetzung diese Substanzen enthält, kann nicht geschlossen werden, dass die beobachtete Verbesserung für eine Vielzahl von Flecken über den gesamten beanspruchten Bereich erzielt wird. Mit anderen Worten: Auch wenn der einzige Unterschied zwischen dem Beispiel und dem Vergleichsbeispiel im Streitpatent in der Zugabe von Wasserstoffperoxid besteht, könnte die beobachtete Verbesserung bei einer Vielzahl von Flecken durch die kombinierte Wirkung der Tenside und des Wasserstoffperoxids und nicht durch das Wasserstoffperoxid allein verursacht werden.
In jedem Fall ist es technisch plausibel, dass die Zugabe von Wasserstoffperoxid - einem bekannten Bleichmittel - zu einer allgemeinen Verbesserung der Fleckenentfernung führen würde.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die durch die Erfindung gelöste Aufgabe darin besteht, ein Verfahren bereitzustellen, die die Fleckentfernung verbessert.
3.5 Offensichtlichkeit der Lösung
3.5.1 Die Beschwerdegegnerin und die Einspruchsabteilung argumentierten, dass in D6 die Verwendung von Bleichmitteln bzw. von Wasserstoffperoxid nicht erwähnt sei, sodass es keinen Anreiz gäbe, die Verwendung von Bleichmitteln in einem Verfahren gemäß Dokument D6 in Betracht zu ziehen. Weiterhin, obwohl die Entfernung von bleichbaren Flecken als solche ein zu erwartender Effekt der Zugabe des Wasserstoffperoxids sei, gehe aus den im Streitpatent durchgeführten Vergleichtests (Tabelle 2) hervor, dass das erfindungsgemäße Verfahren auch nicht-bleichbare Flecken (z.B. Olivenöl/Ruß, Mineralöl/Ruß, Schafblut oder Kakao) entferne. Dieser Effekt sei unerwartet und impliziere, dass die Zugabe von Wasserstoffperoxid auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
3.5.2 Die Kammer kann dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht zustimmen:
- Obwohl in D6 von Bleichmitteln keine Rede ist, ist die Kammer der Ansicht, dass diese Substanzen für die Lösung der gestellten Aufgabe ohne weiteres in Betracht gezogen würden, weil Bleichmitteln die am häufigsten verwendeten Waschmittelkomponenten zur Entfernung von bleichbaren Flecken sind.
- Das Patent weist darauf hin (Absatz [0018]), dass die Auswahl von Wasserstoffperoxid unter allen verfügbaren Bleichmitteln im wesentlichen auf den niedrigeren Kosten dieser Substanz beruht. Folglich basiert die Auswahl dieser spezifischen Substanz aus der breiteren Gruppe der Bleichmittel auf offensichtlichen Überlegungen.
- Der angebliche Überraschungseffekt der Zugabe von Wasserstoffperoxid bei nicht bleichbaren Stoffen ist für die Kammer nicht überzeugend, da, wie oben erwähnt, unklar ist, ob die im Streitpatent dargestellte Verbesserung bei der Entfernung gewisser Flecken mit dem Wasserstoffperoxid als solchem oder in Kombination mit den anionischen und nichtionischen Tensiden zusammenhängt.
- In jedem Fall ist auch anzumerken, dass selbst wenn man zum Schluss käme, dass einige der nicht bleichbaren Substanzen tatsächlich allein durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid teilweise entfernt wurden, auch dies nicht als überraschender Effekt angesehen werden könnte. Im Gegenteil, wäre es in der Tat überraschend gewesen, wenn die Flecken in Tabelle 2 des Streitpatents nach Zugabe eines starken Oxidationsmittels wie Wasserstoffperoxid völlig unverändert geblieben wären. In dieser Hinsicht und nach dem schriftlichen Vorbringen der Einsprechenden ist Wasserstoffperoxid dafür bekannt, eine Vielzahl von Flecken zu entfernen, einschließlich solcher, die normalerweise nicht als bleichbar gelten (z.B. Blut, Gras, Ruß oder Kakao (siehe D16 (Hydrogen Peroxide a Perfect Stain Remover according to CBS), D17 (Washing-that-soot-right out of carpet hairs) and D18 (Good Housekeeping)).
- In Anbetracht der obigen Erwägungen besteht der einzige nachgewiesene Beitrag der Erfindung darin, einen bekannten Fleckenentferner (nämlich Wasserstoffperoxid) für seinen bekannten Zweck (nämlich Verbesserung der Fleckenentfernung) auszuwählen. Diese Auswahl beruht außerdem auf einer naheliegenden Überlegung, nämlich auf der bekannten Tatsache, dass Wasserstoffperoxid kostengünstiger ist als andere Bleichmittel.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass ausgehend vom Verfahren im D6 und in Anbetracht des allgemeinen Fachwissens, die Zugabe von Wasserstoffperoxid zur Verbesserung der Fleckenentfernung eine naheliegende Auswahl unter den bekannten Alternativen darstellt.
3.6 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber Dokument D6 kombiniert mit allgemeinem Fachwissen naheliegend und somit nicht erfinderisch.
4. Hilfsanträge 1 und 2 - Erfinderische Tätigkeit
Anspruch 1 dieser Hilfsanträge ist identisch zu dem des Hauptantrags. Aus den für den Hauptantrag angeführten Gründen erfüllen diese Anträge daher nicht die Anforderungen des Artikels 56 EPÜ.
5. Hilfsantrag 3 - Erfinderische Tätigkeit
Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem des Hauptantrags, wobei die Waschzusammensetzung zusätzlich ein nichtionisches Tensid in einer Menge von 7 bis 20 Gew.-% enthält. Aus folgenden Gründen erfüllt der Gegenstand dieses Anspruchs nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
5.1 Nächstliegender Stand der Technik
Dokument D6, das als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, offenbart (Ansprüche 12-15) die Zugabe einer Waschmittelzusammensetzung, die ein nichtionisches und/oder ein anionisches Tensid enthält, wobei die Verwendung von nichtionischen Tensiden bevorzugt ist (D6, Seite 3, Zeilen 17-18). D6 offenbart jedoch nicht die Konzentration dieses Tensids.
Somit unterscheidet sich Anspruch 1 von D6 dadurch, dass Wasserstoffperoxid zugegeben wird und die Konzentration des nichtionischen Tensids 7 bis 20 Gew.-% beträgt.
5.2 Aufgabe der Erfindung
Es wurde kein Nachweis erbracht, dass die Zugabe von nichtionischen Tensiden innerhalb des definierten Bereichs eine spezifische technische Wirkung hat. Die durch die Erfindung gelöste Aufgabe ist daher dieselbe wie im Hauptantrag, nämlich ein Verfahren mit verbesserter Fleckenentfernung bereitzustellen.
5.3 Offensichtlichkeit der Lösung
5.3.1 Wie für den Hauptantrag, wird der Zusatz von Wasserstoffperoxid als naheliegende Lösung zur Verbesserung der Fleckentfernung angesehen. Die Frage ist daher, ob das zusätzliche Unterscheidungsmerkmal, nämlich der Konzentrationsbereich des nichtionischen Tensids, als nicht naheliegender Beitrag für die Lösung der gestellten Aufgabe angesehen werden kann.
5.3.2 Diesbezüglich ist zu bemerken, dass das Dokument D22 (Liquid Detergents, pages 240 and 248 (2006)) eine typische Waschmittelzusammensetzung in flüssiger Form (siehe Tabelle 8.1) offenbart. Da es sich bei D22 um ein Handbuch handelt, kann davon ausgegangen werden, dass die darin offengelegten Waschmittelzusammensetzung vom Fachmann bei der Auswahl der Konzentrationsbereiche der individuellen Komponenten in der Waschzusammensetzung von D6 ohne weiteres berücksichtigt werde. Somit würde der Fachmann bei dem nichtionischen Tensid erwägen, mit dem explizit offengelegten oberen Endwert der Konzentration von 10%, der in den beanspruchten Bereich fällt, und diesen somit vorwegnimmt, zu arbeiten.
5.3.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Fachmann ausgehend von D6 eine Konzentration für das nichtionische Tensid wählen würde, die in den beanspruchten Bereich fällt.
5.3.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher im Hinblick auf D6 in Verbindung mit dem in D22 dargestellten Allgemeinwissen naheliegend und somit nicht erfinderisch.
6. Hilfsantrag 4 - Erfinderische Tätigkeit
Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem des Hauptantrags, wobei die Waschzusammensetzung zusätzlich ein nichtionisches Tensid in einer Menge von 7 bis 20 Gew.-% und ein anionisches Tensid in einer Menge von 5 bis 30 Gew.-% enthält. Die Kammer ist der Meinung, dass dieser beanspruchte Gegenstand die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ aus den folgenden Gründen erfüllt.
6.1 Nächstliegender Stand der Technik
In Übereinstimmung mit den Parteien wird das Dokument D6 als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.
6.1.1 Die Einsprechende machte geltend, dass D6 (Anspruch 15) eine Waschmittelzusammensetzung offenbare, die sowohl anionische als auch nichtionische Tenside enthalte.
6.1.2 Die Kammer stimmt dieser Schlussfolgerung nicht zu, weil die Kombination von anionischen und nichtionischen Tensiden eine von mehreren Alternativen ist, die in Anspruch 15 von D6 ("... at least one anionic, cationic and/or non-ionic surfactant ...") umfasst sind. Da es im Streitpatent keinen Hinweis gibt, dass dies eine bevorzugte Option ist, müsste der Fachmann eine Auswahl treffen, um diese spezifische Kombination zu berücksichtigen. Die Kombination von anionischen und nichtionischen Tensiden stellt daher ein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber D6 dar.
6.1.3 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 vom Dokument D6 dadurch, dass:
i) Das Verfahren das Vorhandensein von Wasserstoffperoxid einschließt,
ii) die Waschmittelzusammensetzung eine Kombination von anionischen und nichtionischen Tensiden enthält,
iii) die Waschmittelzusammensetzung einen Gehalt an nichtionischen Tensiden von 7 bis 20 Gew.-% enthält; und
iv) die Waschmittelzusammensetzung einen Gehalt an anionischen Tensiden von 5 bis 30 Gew.-% enthält.
6.2 Aufgabe der Erfindung
6.2.1 Die Einsprechende hat folgende Argumente vorgebracht:
Die in Anspruch 1 definierten Konzentrationsbereiche für anionische und nichtionische Tenside seien mit keiner spezifischen Wirkung in Verbindung gebracht worden. Weiterhin, da in den Beispielen des Patents lediglich angegeben sei, dass die Gesamtkonzentration an Tensiden 21,1 Gew.-% betrage (ohne Angabe der Mengen anionischer und nichtionischer Tenside; vgl. Absatz [0054]), könne nicht geschlossen werden, dass die in Anspruch 1 definierten spezifischen Konzentrationsbereiche für anionische und nichtionische Tenside die im Patent gezeigte Wirkung erzielen würden. Außerdem definiere Anspruch 1 nicht die Menge der Waschzusammensetzung im Verhältnis zum Substrat, so dass der beanspruchte Gegenstand Ausführungsformen mit sehr geringen Mengen an Detergens umfasse, die jedoch nicht in der Lage wären, die Wirkung der Verbesserung der Entfernung einer Vielzahl von Flecken zu erzielen.
Die Aufgabe, die durch die Erfindung gelöst wurde, sei daher die gleiche wie im Hauptantrag, nämlich ein alternatives Verfahren mit einer verbesserten Fleckentfernung bereitzustellen.
6.2.2 Obwohl die Kammer dazu neigt, in der Abwesenheit von Beweisen seitens der Einsprechenden und nach einer Abwägung der Wahrscheinlichkeiten zu dem Schluss zu kommen, dass die Erfindung in Anspruch 1 eine Verbesserung der Fleckentfernung für eine Vielzahl von Stoffen bewirkt, wird für die Zwecke der Argumentation zugunsten der Einsprechenden angenommen, dass das gelöste Problem das von der Einsprechenden behauptete ist, nämlich die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens mit einer verbesserten Fleckentfernung.
6.3 Offensichtlichkeit der Lösung
6.3.1 Die Einsprechende machte folgende Argumente geltend:
Dokumente D21 (Handbook of Detergents, part D: Formulation, pages 56, 57, 89, 90, insbesondere Tabelle 27) und D22 (Tabelle 8.1) offenbaren typische Waschmittelzusammensetzungen mit Tensidkonzentrationen, die innerhalb der beanspruchten Bereiche liegen. Da es sich bei diesen Dokumenten um Handbücher handle, stellen sie allgemeines Fachwissen dar, so dass ein Fachmann, der geeignete Zusammensetzungen für das Waschmittel von D6 auswählen möchte, diese Konzentrationsbereiche für nichtionische und anionische Tenside ohne weiteres in Betracht ziehen würde.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher nicht erfinderisch im Hinblick auf D6 in Verbindung mit dem in den Dokumenten D21 und D22 dargestellten allgemeinen Fachwissen.
6.3.2 Die Kammer stimmt dieser Argumentation aus den folgenden Gründen nicht zu:
- Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, muss zunächst der Fachmann eine Waschmittelzusammensetzung in Betracht ziehen, die eine Kombination aus anionischen und nichtionischen Tensiden enthält.
- Bezüglich der Tabelle 27 des Dokuments D21 müsste er dann, eine weitere Auswahl des unteren Konzentrationsbereichs der nichtionischen Tenside vornehmen. Ob der Fachmann die bekannte Zusammensetzung aus D21, die kein Bleichmittel enthält, bei seiner Suche nach Waschmitteln, die anionische und nichtionische Tenside dann noch mit Wasserstoffperoxid (d. h. mit einem Bleichmittel) kombinieren würde, ist fraglich.
- Außerdem beginnen in Tabelle 8.1 des Dokuments D22 die Konzentrationsbereiche von allen Komponenten bei null Prozent, was impliziert, dass das Vorhandensein einiger dieser Substanzen in der Waschzusammensetzung optional ist. Darüber hinaus gibt es keine direkte und eindeutige Offenbarung einer anionischen Tensidkonzentration, die in den beanspruchten Bereich von 5 bis 30 Gew.-% fällt, da die Zusammensetzung in dieser Tabelle zwei anionische Tenside mit jeweiligen Konzentrationsbereichen von 0-30 Gew.-% bzw. 0-10 Gew.-% enthält. Folglich, um den Bereich in Anspruch 1 (d.h. 5 bis 30 Gew.-%) unter Verwendung der in D22 explizit beschriebenen Werte vorwegzunehmen, müsste der Fachmann 0 Gew.-% eines der anionischen Tenside in Tabelle 8.1 und den oberen Endwert des anderen (d. h. 0 Gew.-% eines anionischen Tensids und 30 Gew.-% des anderen oder 0 Gew.-% des einen und 10 Gew.-% des anderen) wählen.
- Folglich, entgegen der Argumentation der Einsprechenden, würde der Fachmann den Gegenstand von Anspruch 1 nicht vorwegnehmen, indem er einfach das Dokument D6 mit der Lehre von D21 oder D22 kombiniert. Vielmehr, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, würde er neben der (bereits getroffenen) Auswahl eines Bleichmittels und insbesondere des Wasserstoffperoxids mindestens zwei weitere Auswahlen benötigen.
Da es im zitierten Stand der Technik keinen Hinweis gibt, der den Fachmann dazu veranlassen würde, die zur Erreichung des Gegenstands von Anspruch 1 erforderliche Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten durchzuführen, geschweige denn, dies zu tun, um ein alternatives Verfahren mit einer verbesserten Fleckenentfernungsfähigkeit bereitzustellen, kommt die Kammer zum Schluss, dass die zitierten Dokumente den Gegenstand von Anspruch 1 nicht naheliegend machen.
6.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1, und somit auch der Gegenstand der von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 7, wird daher gegenüber dem zitierten Stand der Technik als erfinderisch angesehen.
6.5 Die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen gelten sinngemäß für den unabhängigen Anspruch 8, der daher angesichts des zitierten Standes der Technik ebenfalls als erfinderisch angesehen wird.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent im Umfang des Hilfsantrages 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2018 nebst einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.