T 0954/18 16-12-2021
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DRAHTWALZGERÜST MIT EINZELANTRIEB ALS BESTANDTEIL EINER WALZGERÜSTGRUPPE IN EINER HOCHGESCHWINDIGKEITS- DRAHTWALZSTRASSE
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Zurückverweisung - (ja)
Zurückverweisung - besondere Gründe für Zurückverweisung
I. Das europäische Patent EP 2 493 634 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Walzgerüst als Bestandteil einer Walzgerüst-Gruppe in einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße.
II. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung (Artikel 100 c) EPÜ), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) geltend gemacht.
III. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents zwar nicht entgegenstehen, wohl aber der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit. Dementsprechend hat sie entschieden, das Patent zu widerrufen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
V. Eine mündliche Verhandlung fand am 16. Dezember 2021 ohne Einwände seitens der Beteiligten als Videokonferenz statt.
VI. Anträge
Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt gemäß Hauptantrag, hilfsweise auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 und 2, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin (die Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Beide Verfahrensbeteiligte beantragten zudem jeweils hilfsweise die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung.
VII. Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anträge
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt):
"Walzgerüst (1) als Bestandteil einer Walzgerüst-
Gruppe (2) in einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße,
mit wenigstens einem Walzen- oder Walzringpaar (5)
und einer mit einem Motor (6) verbundenen Antriebswelle (7),
dadurch gekennzeichnet, dass
jedem Walzgerüst (1) dieser Walzgerüst-Gruppe (2) genau eine eigene Antriebseinheit mit jeweils einem Motor (6) und jeweiliger Antriebswelle (7) zugeordnet ist und
der Motor (6), die Antriebswelle (7) und das wenigstens eine Walzen- oder Walzringpaar (5) linear zueinander angeordnet sind."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1:
Der Wortlaut des Anspruchs 1 entspricht dem des Anspruchs 1 des Hauptantrags, der mit folgendem weiteren Merkmal gemäß dem erteilten Anspruch 2 ergänzt wurde:
"..., dass es Teil eines Vor- oder Fertigwalzblocks ist."
Der weitere Hilfsantrag 2 ist für diese Entscheidung unerheblich. Der Wortlaut von Anspruch 1 dieses Antrags kann daher dahingestellt bleiben.
VIII. Stand der Technik
Die Beteiligten haben die folgenden, bereits in der angefochtenen Entscheidung zitierten Dokumente erwähnt:
E1: US 3,945,234
E2: US 3,613,428
E5: Todd Bulak, "The latest in aggressive roll pass
for non-ferrous mills", Morgan Construction Company, 28. März 2007, Seiten 1 bis 11
IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Neuheit
Die Ausdrücke "Walzgerüst als Bestandteil einer Walzgerüst-Gruppe" und "in einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße" in Anspruch 1 definierten nicht nur eine Eignungsangabe für das beanspruchte Walzgerüst, sondern stellten ein den Anspruch 1 einschränkendes technisches Merkmal dar.
Die in E1, E2 und E5 beschriebenen Walzgerüste seien weder als Bestandteil einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße offenbart noch für den Einsatz darin geeignet. Ferner sei bei den in E1 und E2 beschriebenen Walzgerüsten die Antriebswelle nicht linear zu den Walzenpaaren angeordnet. E1 und E2 zeigten vielmehr das genaue Gegenteil, nämlich die Verwendung von Zwischenwellen, durch die eine Abknickung der Antriebswelle aufgrund ihrer Verstellbarkeit verwirklicht sei.
b) Hilfsantrag 1 - Neuheit
Vor- und Fertigwalzblöcke lägen prozesstechnisch stromabwärts der Vorgerüste. Eine Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße erfordere eine hohe Austrittsgeschwindigkeit nicht nur aus dem letzten Walzgerüst, sondern selbstverständlich auch aus den dem letzten Walzgerüst vorgeschalteten Walzgerüsten und Walzgerüst-Gruppen. Ein in Anspruch 1 definiertes Walzgerüst eines Vor- oder Fertigwalzblocks einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße müsse daher für eine höhere Walzgeschwindigkeit ausgelegt sein als ein Walzgerüst einer konventionellen Walzstraße. Die in E1 und E2 offenbarten Walzgerüste seien dafür aufgrund des eingesetzten Untersetzungsgetriebes ungeeignet. Ferner offenbarten E1 und E2 noch nicht einmal eine Drahtwalzstraße oder zumindest ein Walzgerüst für Draht.
X. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei in Hinblick auf die Offenbarung in den Dokumenten E1, E2 und E5 nicht neu.
Die Ausdrücke "Walzgerüst als Bestandteil einer Walzgerüst-Gruppe" und "in einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße" in Anspruch 1 definierten nur eine Eignungsangabe für das Walzgerüst und könnten nicht zur Abgrenzung des beanspruchten Gegenstands dienen. Die Figuren von E1 und E2 offenbarten Walzgerüste mit einer linearen Anordnung der Antriebswelle und der Walzenpaare im Sinne von Anspruch 1.
b) Hilfsantrag 1 - Neuheit
E1 und E2 offenbarten Walzgerüste für Walzgut mit kleinem Durchmesser in Form von Stäben und Stangen. Dies offenbare dem Fachmann inhärent ein Drahtwalzgerüst. Walzgerüste eines Vor- oder Fertigwalzblocks einer Fertigstraße einer Drahtwalzstraße seien hinsichtlich der in Anspruch 1 definierten Vorrichtungsmerkmale nicht von Walzgerüsten zu unterscheiden, die in einer Drahtwalzstraße stromaufwärts von Vor- oder Fertigwalzblöcke Verwendung fänden. Das in E1 beschriebene Walzgerüst könne an einer beliebigen Stelle einer Drahtwalzstraße eingesetzt werden. E2 beschreibe zudem explizit, dass das darin beschriebene Walzgerüst für den letzten Walzstich eingesetzt werden könne.
Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung in E1 und E2.
1. Hauptantrag - Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ
1.1 Offenbarung der E1
E1 offenbart in Figur 1 in Verbindung mit Figur 3 eine Walzgruppe eines Tandem-Universalwalzwerks, die Walzgerüste mit jeweils einem Motor (57) und einem Rollenpaar (43, 44) aufweist. Die Antriebswelle des Motors und die beiden Achsen des Walzrollenpaars sind jeweils parallel zueinander angeordnet. Als Walzgut können im kontinuierlichen Betrieb mit hoher Geschwindigkeit u.a. Rundstahl und Vierkantstahl (vgl. Spalte 1, Zeilen 25 bis 30) bzw. kleinere Werkstücke wie Stäbe (Spalte 1, Zeilen 49-55) eingesetzt werden.
1.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass diese Offenbarung in E1 entgegen der Begründung in der angefochtenen Entscheidung kein Walzgerüst für eine Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße gemäß Anspruch 1 offenbare. Insbesondere die Ausdrücke "Walzgerüst (1) als Bestandteil einer Walzgerüst-Gruppe (2) in einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße", "Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße" und "linear zueinander angeordnet" in Anspruch 1 seien von der Einspruchsabteilung nicht korrekt gewürdigt worden.
1.3 Diese Argumentation der Beschwerdeführerin ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend.
1.3.1 Auslegung von "Walzgerüst als Bestandteil ..."
Anspruch 1 ist gerichtet auf ein "Walzgerüst (1) als Bestandteil einer Walzgerüst-Gruppe (2) in einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße".
Beansprucht wird also nicht eine Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße als ganzes, sondern nur ein Walzgerüst als solches.
Gemäß der Formulierung in Anspruch 1 muss dieses Walzgerüst mit weiteren Walzgerüsten in einer Gruppe im Rahmen einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße einsetzbar sein.
Laut Absatz [0003] des Patents bestehen Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraßen aus einer Vielzahl hintereinander angeordneter Einzelwalzgerüste, die zusammen oder aufgeteilt in folgende Funktionsgruppen unterteilt werden können:
eine Vorstraße (roughing mill),
eine Zwischenstraße (intermediate mill) und
eine Fertigstraße (finishing mill), ggf. unter Einsatz eines Vorblocks (prefinisher) zwischen der Zwischenstraße und der Fertigstraße.
Das in Anspruch 1 definierte Walzgerüst muss daher lediglich dazu geeignet sein, als Teil einer dieser in Absatz [0003] genannten Walzblöcke/-straßen eingesetzt zu werden.
Am Eingang einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße können Vorprodukte eingesetzt werden, bei denen es sich einerseits noch nicht um einen Draht handeln muss und die andererseits auch noch nicht mit den für Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraßen am letzten Walzstich üblichen Geschwindigkeiten gewalzt werden.
Da es der Wortlaut von Anspruch 1 offen lässt, in welcher Funktion und an welcher Position das Walzgerüst zum Einsatz gelangen soll, ist das beanspruchte Walzgerüst daher hinsichtlich seiner Einsatzgeschwindigkeit und seines Walzgutes weitestgehend unbestimmt.
Bei dem in Anspruch 1 definierten Walzgerüst kann es sich folglich beispielsweise um ein Walzgerüst handeln, das noch in einer Vorstraße (roughing mill) zum Walzen eines Barren, Stabs oder einer Stange bei relativ langsamer Geschwindigkeit eingesetzt wird.
Das in Figur 3 von E1 dargestellte Walzgerüst ist daher für den breit definierten Einsatz als Bestandteil einer Drahtwalzstraße gemäß Anspruch 1 geeignet.
1.3.2 "Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße"
Die Absätze [0002] und [0014] des Patents offenbaren diesbezüglich zwar im Detail, dass im Bereich von Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraßen der Walzdraht beim Durchtritt durch die Fertigblöcke der Drahtwalzwerke und vor allem beim Austritt aus dem letzten Walzgerüst auf Endwalzgeschwindigkeiten von mehr als 60 m/sec, vorzugsweise im Bereich von bis zu 130 m/sec befördert wird.
Allerdings enthält Anspruch 1 keinerlei Merkmal, wonach das Walzgerüst zumindest in einem Drahtwalzwerk vorliegt, das für die nur in der Beschreibung angegebenen Endgeschwindigkeiten ausgelegt ist. Des Weiteren offenbaren weder die Absätze [0002] und [0014] des Patents, noch insbesondere der Anspruch 1, dass das beanspruchte Walzgerüst selbst dazu ausgelegt sein muss, mit derartigen Geschwindigkeiten betrieben werden zu können. Schließlich bestätigen diese Absätze nur, welche Geschwindigkeit ein Draht beim "Austritt aus dem letzten Walzgerüst" aufweisen kann, nicht für welche Geschwindigkeiten das einzelne in Anspruch 1 definierte Walzgerüst ausgelegt sein muss, siehe den vorstehenden Punkt 1.3.1.
Daher ist es auch unerheblich, ob die technisch realisierbaren Endgeschwindigkeiten einer Drahtwalzstraße zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der E1 im Jahr 1975 und am Anmeldetag der Prioritätsanmeldung des Patents im Jahr 2009 noch vergleichbar gewesen sind.
Die weiteren Argumente der Beschwerdegegnerin in Bezug auf notwendige Abstimmungen der einzelnen Walzgerüste in einer modernen Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße hinsichtlich ihres Aufbaus, ihrer Leistungsfähigkeit, ihres Schwingungsverhaltens und ihrer Eigenfrequenzen sind in Hinblick auf den Anspruchswortlaut unerheblich, der lediglich auf ein einzelnes Walzgerüst gerichtet ist und diesbezüglich keinerlei konkrete technische Merkmale aufweist.
Die Verwendung des relativen Ausdrucks "Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße" erlaubt daher keine Abgrenzung von den in Spalte 1, Zeilen 17 bis 35 von E1 als Hochgeschwindigkeits-Walzstraßen beschriebenen Anlagen ("Modern high-speed and high-production bar mills").
Es ist daher kein Grund erkennbar, der diesbezüglich ein Abweichen von der in Punkt 2.3.1 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Schlussfolgerung rechtfertigen könnte.
1.3.3 "linear zueinander angeordnet"
Gemäß Absatz [0016] des Patents, ist eine "Linearanordnung eine im Wesentlichen gerade Anordnung ohne Abknickungen", die "demnach ohne die sonst notwendige, spezielle Getriebeanordnung wie etwa Kegelrad-Anordnungen" verwendet werden kann. Dementsprechend offenbart auch Absatz [0047] des Patents, dass die Längsachsen der Walzenpaare 5, des Motors 6, der Antriebswelle 7 und der Getriebeeinheit 8 im Wesentlichen auf einer Linie liegen, "wobei insbesondere im Bereich der Walzen selbstverständlich eine Parallelverschiebung in dem von der Getriebeanordnung 8 insgesamt vorgegebenen Maß erfolgen kann, ohne hierdurch vom Prinzip der linearen Anordnung im jeweiligen Walzgerüst 1a-1f abzuweichen."
Die Kammer interpretiert Anspruch 1 daher unter Einbeziehung der Lehre im Patent dahingehend, dass die Antriebswelle in Bezug auf die beiden Achsen des Walzenrollenpaars nicht abgewinkelt vorliegen darf und dazu parallel ausgerichtet sein muss.
Eine derartige Linearanordnung der Antriebswelle und der Rollenachsen wird in Figur 3 der E1 gezeigt, wobei die Antriebswelle des Motors (57) und die beiden Achsen des Walzrollenpaars (43, 44) jeweils parallel angeordnet und mittels eines Untersetzungsgetriebes 56, 54B, Antriebswellen 54 und 55 bzw. Zwischenwellen 52 und 53 verbunden sind.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Figur 3 von E1 zeigt zwar, dass die Zwischenachsen 52 und 53 in Bezug auf die Antriebswelle und die Rollenachsen jeweils leicht abgeknickt sind. Dies ist in Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand allerdings unerheblich. Schließlich wird gemäß Wortlaut des Anspruchs 1
"der Motor (6), die Antriebswelle (7) und das wenigstens eine Walzen- oder Walzringpaar (5) linear zueinander angeordnet sind"
der Einsatz eines weiteren Bauteils, wie einer in E1 offenbarten Zwischenwelle, nicht ausgeschlossen (vgl. auch Zwischen- /Nebenwellen 10 und 13 in Figur 3 des Patents) und auch bezüglich ihrer Ausrichtung keine Einschränkung angegeben.
Die Verwendung des Ausdrucks "linear zueinander angeordnet" erlaubt somit keine Abgrenzung von dem in E1 beschriebenen Walzgerüst. Es ist daher auch hier kein Grund erkennbar, der ein Abweichen von der in Punkt 2.3.1 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Schlussfolgerung rechtfertigen könnte.
1.4 Die Kammer kommt deshalb in Übereinstimmung mit der Begründung in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in Hinblick auf E1 nicht neu ist und der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
2. Hilfsantrag 1 - Artikel 100 a) EPÜ
2.1 Auslegung von Anspruch 1
Im Vergleich zum Hauptantrag wird in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 definiert, dass das Walzgerüst ein Teil eines Fertigwalzblocks oder eines diesem vorgeschalteten Vorblocks ist.
Anspruch 1 charakterisiert das beanspruchte Walzgerüst daher anhand seines Einsatzorts innerhalb der Drahtwalzstraße.
Durch den festgelegten Einsatzort ergeben sich im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hinsichtlich der erforderlichen Eignung für den beanspruchten Zweck weitere Einschränkungen.
Das Walzgerüst eines Vorblocks oder eines Fertigwalzblocks muss aufgrund seiner Position am Ende der Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße insbesondere dazu eingesetzt werden können, Draht mit der dafür typischen Geschwindigkeit zu walzen.
Diese Eignung ist für die in E1 und E2 beschriebenen Walzgerüste nicht direkt und unzweideutig erkennbar.
2.2 Neuheit gegenüber E1
E1 offenbart zwar in Figur 3 ein Walzgerüst und in den Figuren 5 und 7 eine Walzstraße. Allerdings lässt E1 offen, an welcher Position der Walzstraße das Walzgerüst gemäß Figur 3 konkret eingesetzt werden soll.
Auch wird in Bezug auf das in Figur 3 dargestellte Walzgerüst nicht explizit beschrieben, dass dieses überhaupt zum Walzen von Draht eingesetzt werden kann. E1 beschreibt in Spalte 1, Zeilen 25 bis 30 lediglich allgemein, dass im kontinuierlichen Betrieb mit hoher Geschwindigkeit u.a. Rundstahl und Vierkantstahl hergestellt werden kann. Zudem wird in Spalte 1, Zeilen 47 bis 52 offenbart, dass kleinere Werkstücke wie zum Beispiel Stäbe ("rods") mittels in einem Winkel von 90° zueinander versetzten Walzgerüsten gewalzt werden können, wie es auch in Figur 1 der E1 dargestellt ist.
E1 offenbart daher nicht, dass das Walzgerüst gemäß Figur 3 auch unmittelbar dazu ausgelegt ist, am Ende einer Drahtwalzstraße zum Walzen von Draht eingesetzt zu werden.
In Hinblick auf die in Figur 3 der E1 dargestellte Untersetzung (56, 54B) ist es auch nicht nachvollziehbar, dass ein in Figur 3 der E1 dargestelltes Walzgerüst ohne weitere Adaptierung und Modifikation zum Walzen in den für Vorblöcke und Fertigwalzblöcke von Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraßen erforderlichen Geschwindigkeiten betrieben werden kann. Das in Figur 3 des Patents gezeigte Ausführungsbeispiel weist nämlich, im Gegensatz zum Walzgerüst der E1, ein Übersetzungsgetriebe auf (s. "Getriebezahnrad 9, welches mit einer Zwischenwelle 10 ... in kämmendem Eingriff steht", Patentschrift §48, Zeilen 10-12).
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von E1 dadurch, dass das Walzgerüst Teil eines Vorblocks oder eines Fertigwalzblocks einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße ist.
2.3 Neuheit gegenüber E2
E2 offenbart in den Figuren 1 und 2 ein Walzgerüst, das zum Walzen von Walzgut mit kleinem Durchmesser bei hoher Geschwindigkeit eingesetzt werden kann, vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 50. Gemäß Spalte 2, Zeilen 17 bis 19 kann es insbesondere für den letzten und vorletzten Walzstich beim Walzen von Stäben und Stangen ("rod or bar stock") eingesetzt werden.
D2 offenbart daher ein Walzgerüst, das als Teil einer Walzstraße für Stäbe und Stangen vorliegt und kein Walzgerüst, das als Vorblock oder Fertigwalzblock von Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraßen vorliegt.
Eine inhärente Eignung zum Walzen von Draht am Ende einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße ist für das Walzgerüst nach E2 nicht unzweideutig erkennbar, da in E2 gemäß den Ausführungen in Spalte 2, Zeilen 15 und 16 eine Untersetzung ("reduction gearing") eingesetzt wird. E2 beschreibt daher nicht zweifelsfrei ein Walzgerüst, das ohne weitere Adaptierung und Modifikation zum Walzen von Draht in den für Vorblöcke und Fertigwalzblöcke von Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraßen erforderlichen Geschwindigkeiten betrieben werden kann.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher ausgehend von E2 dadurch, dass das Walzgerüst Teil eines Vorblocks oder eines Fertigwalzblocks einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstraße ist.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in Hinblick auf E2 neu ist. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf Basis des Hilfsantrags 1 nicht entgegen.
2.4 Neuheit gegenüber E5
Bei dem in E5 zu walzenden Walzgut handelt es sich um Barren und Bänder (vgl. Punkt 4.4 der Ladung). Eine Offenbarung, dergemäß das in E5 diskutierte Walzgerüst Teil eines Vor- oder Fertigwalzblocks einer Hochgeschwindigkeits-Drahtwalzstrasse wäre, ist weder erkennbar, noch wurde Entsprechendes vorgebracht.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher auch neu in Hinblick auf E5.
3. Zurückverweisung
Eine Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist im Rahmen des Einspruchsverfahrens nicht erfolgt. Dementsprechend ist dieser Einspruchsgrund auch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und wurde von den Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren auch nicht diskutiert.
Beide Verfahrensbeteiligten beantragten vielmehr hilfsweise, die Angelegenheit zur Prüfung dieses Einspruchgrunds an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Es liegen daher besondere Umstände nach Artikel 11 VOBK 2020 vor, die eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung rechtfertigen (Artikel 111(1) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.