T 0987/18 12-03-2021
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KUNSTSTOFFKANTE, MÖBELPANEEL UND VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINES MÖBELPANEELS MIT KUNSTSTOFFKANTE
Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Neuheit - (ja)
I. Die Patentinhaberin hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 701 555 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung,
- dass der Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegenstehe, wobei der Gegenstand von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung keine erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, wie durch D8 belegt, aufweise, aber
- dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
Das Patent wurde in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes gemäß erstem Hilfsantrag aufrechterhalten.
IV. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Mit Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 16. Juni 2020 zur Vorbereitung der für den 24. März 2021 anberaumten mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die
die Beschwerde der Patentinhaberin erfolgreich sein dürfte.
VI. Die Einsprechende nahm hierzu in der Sache nicht Stellung, sondern teilte mit Schriftsatz vom 22. Februar 2021 lediglich mit, nicht an der auf ihren Hilfsantrag hin anberaumten mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde zurückgenommen.
VII. Die Kammer hob daraufhin den Termin zur mündlichen Verhandlung auf und entschied im schriftlichen Verfahren.
VIII. Es wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D1: EP 1 163 864 A1
D4: WO 2009/026977 A1
D5: WO 2011/020543 A1
D7: EP 1 080 854 A2
D8: Auszug aus dem Fachbuch "Kunststoff-Taschenbuch" von Saechtling, 29. Auflage, 2004, Seiten 629 bis 631,
D9: Auszug aus dem Fachbuch "Kleben" von Gerd Habenicht, 6. Auflage, 2009, Seiten 206 bis 209,
D10: DE 1 956 625
D11: DE 20 2007 017 569 U1
D12: DE 10 2005 034 361 A1.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Kunststoffkante für Möbelstücke, aus einem thermoplastischen Basismaterial, die im teilweise aufgeschmolzenen Zustand mit dem Möbelstück fügbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass dem Basismaterial als Zusatzstoff (5) zumindest ein Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses zugegeben ist, wobei die Kunststoffkante (1) einen einschichtigen Aufbau mit im Wesentlichen homogener Materialzusammensetzung über den gesamten Kunststoffkantenquerschnitt besitzt."
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020.
Der Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ ist uneingeschränkt gewahrt, da die Parteien umfangreich zur Sache vorgetragen haben und die Kammer deren Vorbringen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Soweit die Einsprechende zunächst hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 (1) EPÜ gestellt hatte, hat sie diesen nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 zurückgenommen.
Da die Kammer der Beschwerde der Patentinhaberin stattgibt, entfaltet deren dazu nachrangige Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung keine prozessuale Wirkung (Artikel 116 (1) EPÜ).
Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif (Artikel 15 (3) VOBK 2020), so dass der ursprünglich anberaumte Termin zur mündlich Verhandlung aufgehoben wird.
2. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100 a) EPÜ
2.1 Die Patentinhaberin wendet sich gegen die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe ausgehend von D1 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, belegt durch D8.
2.2 Die Einsprechende argumentiert, dass ausgehend von D1 als nächstliegender Stand der Technik als Unterscheidungsmerkmal des erteilten Anspruchs 1 gegenüber D1 allenfalls das Merkmal bliebe, dass dem Basismaterial als Zusatzstoff zumindest ein Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses zugegeben ist.
Ginge der Fachmann folglich von D1 aus, so werde er zwangsläufig versuchen, die dort beschriebene einschichtige Kunststoffleiste in die Praxis umzusetzen. Insofern komme es nicht zwangsläufig auf die in der angefochtenen Entscheidung genannte Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Basismaterials an, sondern der Fachmann werde zunächst überhaupt erst einen Versuch unternehmen, die in D1 beschriebene Kunststoffkante herzustellen. Dabei werde der Fachmann selbstverständlich auf sein Fachwissen zurückgreifen, das zum Beispiel durch D8 dokumentiert sei. Dem Fachmann sei bekannt, dass er die in D1 genannten Polymere nur in absoluten Ausnahmefällen als reine Stoffe einsetzen werde und dass er zur Beeinflussung der Verarbeitbarkeit im Normalfall Hilfsstoffe hinzugeben werde, wie zum Beispiel Gleitmittel oder Weichmacher. Allein aufgrund dieser Überlegungen werde der Fachmann bei der Herstellung der in D1 genannten Profilleisten aus PVC und zur Optimierung des Herstellungsprozesses zumindest ein Gleitmittel verwenden. D8 offenbare ausdrücklich, dass die in der Tafel 7.1 genannten Gleitmittel die Schmelzeviskosität reduzierten. Beispielhaft seien dort für PVC-Profile auch Polypropylen-Wachse oder Polyethylen-Wachse genannt. Ein solcher Zusatzstoff sei nun aber auch in identischer Weise im Streitpatent als typischer Viskositätsabsenker beschrieben, sodass das durch D8 belegte Fachwissen den Fachmann zwangsläufig zum Gegenstand gemäß Streitpatent führte. Ausgehend von D1 reiche es daher aus, wenn der Fachmann vor dem technischen Problem stehe, die in D1 beschriebene Kunststoffleiste in der Praxis umzusetzen, um unter Berücksichtigung seines Fachwissens zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
Jedenfalls gelangte er aber auf der Basis der von der Einspruchsabteilung definierten technischen Aufgabe, nämlich der Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Basismaterials, zu der Erfindung. D8 belege auch, dass solche Hilfsstoffe die Verarbeitbarkeit verbessern und dass zum Beispiel die in Tafel 7.1 angeführten Gleitmittel die Schmelzviskosität reduzierten. Daher griffe der Fachmann zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Basismaterials der Kunststoffleiste nach D1 auf sein durch D8 belegtes Fachwissen zurück und gelangte in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand.
2.3 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Entgegen der Argumentation der Einsprechenden und der Feststellung der Einspruchsabteilung unter Punkt 3 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, teilt die Kammer hingegen die Meinung der Patentinhaberin.
In Übereinstimmung mit den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der aus D1 bekannten Kunststoffkante dadurch, dass dem Basismaterial als Zusatzstoff zumindest ein Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses zugegeben ist.
Demnach wird gemäß dem Unterscheidungsmerkmal zwar inhärent die Fließfähigkeit des Basismaterials im geschmolzenen Zustand erhöht. Allerdings stimmt die Kammer mit der Patentinhaberin überein, dass durch das Unterscheidungsmerkmal gemäß Streitpatent (siehe Absatz [0013]) die technische Wirkung erzielbar ist, dass "... hohe Bindungskräfte zwischen einer auch sehr dünnen Kunststoffkante und dem Paneelkorpus mit einem einfach handhabbaren Fügeverfahren erreicht werden, ohne dies durch vor- oder nachgelagerte Probleme wie Beeinträchtigung der Maßhaltigkeit, der Farbgleichheit, des Kantenverzugs oder gar der Delamination der Kante und starker Zugspannungen in der Fügeschicht zu erkaufen."
Wie von der Patentinhaberin überzeugend vorgetragen, haben die Erfinder nämlich streitpatentgemäß erkannt, dass "durch die Zugabe des Viskositätsabsenkers ... die aufzuschmelzende Oberflächenschicht der Kunststoffkante bereits bei sehr niedrigen Temperaturen ausreichend verflüssigt werden (kann), wobei insgesamt mit geringeren in das Kunststoffmaterial eingebrachten Energiemengen gearbeitet werden und in Kombination mit der Art der Erwärmung bei einem vergleichsweise geringeren ... Temperaturgradienten über den Querschnitt der Kante eine ausreichende Verflüssigung der zu fügenden Kantenseite erreicht werden kann, während die dem Paneelkorpus gegenüberliegende Kantenseite relativ kühl bleibt." (Streitpatent, Absatz [0015]).
Daher ist entgegen den Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe und der Auffassung der Einsprechenden die objektive technische Aufgabe nicht in einer Verbesserung der Verarbeitung des Basismaterials, sondern entsprechend dem Streitpatent in Absatz [0013] darin zu sehen, hohe Bindungskräfte zwischen der Kunststoffkante und dem Möbelstück mit einem einfach handhabbaren Fügeverfahren zu erzielen, ohne dabei Maßhaltigkeit oder Farbgleichheit zu beeinträchtigen und ohne Kantenverzug oder Kantenspaltung und starke Zugspannungen in der Fügeschicht hervorzurufen.
Die Kammer folgt der Patentinhaberin, dass zu untersuchen ist, ob der Fachmann mit Erfolgserwartung bei der Lösung der objektiven technischen Aufgabe veranlasst gewesen wäre, der aus D1 bekannten einschichtigen Kunststoffkante einen Viskositätsabsenker zuzugeben. Dies ist jedoch vorliegend zu verneinen.
Es ist wohl grundsätzlich als bekannt anzusehen, beispielsweise aus D8, Kunststoffen oftmals Weichmacher zuzugeben. Auch lehrt D8 allgemein, dass zu PVC zur Reduzierung der Schmelzeviskosität Gleitmittel zugesetzt werden. PVC ist zwar eines der Materialien, die in D1 als geeignete Leistenmaterialien vorgeschlagen werden (vgl. D1, Absatz [0014]). Jedoch enthält D8 keine Anregung, den Kunststoffleisten der D1, auch wenn diese aus PVC gefertigt sein sollten, in Erwartung einer erfolgreichen Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe, diese Gleitmittel bzw. Viskositätsabsenker zuzusetzen.
Weder D1 noch das Streitpatent beschäftigen sich mit der Herstellung einer Kunststoffleiste, sondern vielmehr mit deren Einsatz im Rahmen eines Fügeprozesses. Daher ist der Fachmann angesichts seines Fachwissens bzw. der Lehre von D8, die in keiner Weise die im Patent beschriebene Problematik im Hinblick auf einen Fügeprozess einer Kunststoffkante erwähnt, auch nicht dazu veranlasst, mit Erfolgserwartung bei der Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe der einschichtigen Kunststoffkante von D1 einen Viskositätsabsenker nach D8 zuzugeben. Denn in D8 ist die oben genannte Aufgabe überhaupt nicht angesprochen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist daher ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, wie durch D8 belegt, nicht nahegelegt.
Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit Mitteilung vom 16. Juni 2020 unter Punkt 7 mitgeteilt wurde. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten und wird von der Kammer nach nochmaliger Erwägung aller entscheidungserheblichen Aspekte bestätigt.
3. Neuheit - Artikel 100 a) EPÜ
3.1 Darüber hinaus ist die Einsprechende der Meinung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der jeweiligen Offenbarung von D1, D4, D5 oder D7 sei (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt III., und Schriftsatz vom 20. Mai 2020).
3.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass aus den unter Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung ausgeführten Gründe keines der Dokumente D1, D4, D5 oder D7 neuheitsschädlich für den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist.
Aus D1, D4, D5 oder D7 ist zumindest das Merkmal des erteilten Anspruchs 1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass ein Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses dem thermoplastischen Basismaterial zugegeben ist, so dass der Gegenstand dieses Anspruchs neu gegenüber der Offenbarung jedes dieser Dokumente ist.
Soweit die Einsprechende eine implizite Offenbarung dieses Merkmals in den genannten Druckschriften geltend macht, überzeugt dieser Vortrag nicht. Denn die Einsprechende stützt sich in Bezug auf D1 auf eine reine Mutmaßung, dass "das Dokument D1 nicht nur den allgemeinen, theoretischen Hinweis auf den Einsatz von ABS oder PVC enthält, sondern darüber hinaus auch noch die Herstellung einer solchen Kunststoffkante zumindest ansatzweise thematisiert und insbesondere die Extrusion als übliche Herstellungsart nennt. Vor dem Hintergrund dieses zusätzlichen Offenbarungsgehaltes erschließt sich dem Fachmann unmittelbar und eindeutig, dass das dort beschriebene PVC jedenfalls nicht in Reinform verwendet wird, sondern zumindest irgendwelche Additive enthält, die auch als Viskositätsabsenker bezeichnet werden können,..." (siehe Punkt III.2 auf Seite 8 der Beschwerdeerwiderung). Auch ist das entsprechende Vorbringen zur implizierten Offenbarung des maßgeblichen Merkmals in D5 eher allgemein deduzierend und reicht daher als Beleg für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung nicht aus (siehe Punkt III.3 auf Seiten 8 und 9 der Beschwerdeerwiderung). Der Vortrag zu D4 und D7 ist ohnehin eher kursorisch (siehe Punkte III.4 und 5 auf Seite 10 der Beschwerdeerwiderung).
Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit Mitteilung vom 16. Juni 2020 unter Punkt 8 mitgeteilt wurde. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten und wird von der Kammer nach nochmaliger Erwägung aller entscheidungserheblichen Aspekte bestätigt.
4. Weitere Einwände zur erfinderischen Tätigkeit
4.1 Die Einsprechende argumentiert ferner, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe
- ausgehend von D5 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, wie beispielsweise durch D8 oder D9 belegt,
- ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, wie beispielsweise durch D8 belegt, und
- ausgehend von D1 oder D7 als nächstliegendem Stand der Technik jeweils in Kombination mit der Lehre von D10, D11 oder D12.
4.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden hierzu nicht überzeugt.
Wie oben ausgeführt, offenbart jedes der Dokumente D1, D4, D5 oder D7 zumindest das Merkmal von Anspruch 1 nicht, dass ein Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses dem thermoplastischen Basismaterial zugegeben ist.
Der mit diesem Unterscheidungsmerkmal verbundene technische Effekt entspricht dem oben unter Punkt 2.3 angegebenen.
Ausgehend von D1, D4, D5 oder D7 als nächstliegender Stand der Technik kann die zugrundeliegende Aufgabe somit entsprechend Punkt 2.3 oben formuliert werden.
Die oben unter Punkt 2.3 angegebenen Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit gilt daher entsprechend ausgehend von D4 oder D5 als nächstliegender Stand der Technik jeweils in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, wie durch D8 belegt.
D9 belegt zwar den Aufbau von Schmelzklebstoffen, wobei Wachse zur Viskositätseinstellung als Zusätze dienen. Jedoch ist D9 kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass ein Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses zugegeben ist, um die oben angesprochene Aufgabe zu lösen.
D10 lehrt, dass die Verschweißbarkeit von Formteilen durch einen Anteil an niedermolekularen Polymerisat (Wachs) wesentlich verbessert und dass durch den Wachszusatz das Viskositätsverhalten der Formmasse verbessert werden kann.
Zur Verbesserung der Fließeigenschaften einer Formmasse während der Extrusion wird nach D11 vorgeschlagen, ein Gleitmittel aus der Gruppe Wachse, Öle und Fettsäurederivate (Absatz [0005]) beizumengen. In Absatz [0008] wird beispielhaft auf Strangprofile wie Profilleisten für Möbel hingewiesen.
D12 betrifft einen thermoplastischen Schweißdraht zum Verschweißen von flexiblen Flächengebilden wie Boden- oder Wandbelägen, dessen Fließfähigkeit durch den Zusatz von Wachs verbessert wird (Absätze [0005] und [0013]).
Dabei enthält keines der Dokumente D9 bis D12 eine Anregung dahingehend, einem thermoplastischen Basismaterial einen Viskositätsabsenker zur Verbesserung des Schmelzflusses zugegeben, um im Rahmen eines Fügeverfahrens hohe Bindungskräfte zwischen einer Kunststoffkante und einem Möbelstück zu erzielen, ohne dies durch vor- oder nachgelagerte Probleme wie Beeinträchtigung der Maßhaltigkeit, der Farbgleichheit, des Kantenverzugs oder gar der Delamination der Kante und starker Zugspannungen in der Fügeschicht zu erkaufen.
Daher ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch angesichts der oben unter Punkt 4.1 angegebenen weiteren seitens der Einsprechenden erhobenen Einwände erfinderisch.
Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit Mitteilung vom 16. Juni 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 9. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten. Die Kammer hält nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage an dieser Auffassung fest.
5. Ansprüche 2 bis 15
Die weiteren Ansprüche 2 bis 15 des Patents in der erteilten Fassung sind auf den erteilten Anspruch 1 rückbezogen und sind daher ebenfalls neu und erfinderisch, so dass die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ nicht durchgreifen.
6. Schlussfolgerung
Die Patentinhaberin hat in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung dargetan. Keiner der gegen das Patent in der erteilten Fassung erhobenen Einwände ist durchgreifend. Die angefochtenen Entscheidung ist somit aufzuheben und das Patent in erteilter Fassung aufrechtzuerhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.